Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Wenn die CDU jetzt hier das Thema bringt, freut uns das nach dem Motto „besser spät als nie“, aber man muss an die Doppelmoral und die Heuchelei der CDU erinnern, denn ähnliche Anträge hätten Sie bereits 2006 – –

(Alexander Krauß, CDU: Wir stimmen Anträgen von Neonazis grundsätzlich nicht zu!)

Entscheiden Sie endlich mal nach Inhalten und nicht nach dem Absender von irgendwelchen Anträgen!

Sie hätten bereits 2006 einem sinnidentischen Antrag zustimmen können und im Oktober letzten Jahres hätten Sie auch einem sinnidentischen NPD-Antrag zustimmen können. Insofern ist das heute ein Beispiel für die Verlogenheit der CDU. Aber Sie kennen ja das alte NPDMotto: Es muss nicht überall NPD draufstehen, wo NPD drin ist.

(Beifall bei der NPD)

Herr Pohle, Sie möchten auf die Kurzintervention antworten?

Aber selbstverständlich, Herr Präsident. Ich bin natürlich darauf vorbereitet, und ich möchte Herrn Gansel darauf hinweisen, dass es auch vor seiner Zeit in diesem Parlament bzw. vor dieser unsäglichen Zeit, dass diese Fraktion unser Parlament belästigte,

(Beifall bei der NPD – Oh! von der NPD)

bereits im Jahre 2000 der von mir sehr verehrte Herr Bandmann mit einem Antrag der CDU-Fraktion vorstellig gewesen ist. Also das Copyright auf Graffiti und dessen Bekämpfung liegt eindeutig bei der CDU, nicht bei Ihnen. Das möchte ich nur festgestellt haben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Karabinski, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! „GraffitiSprayer gestellt, Sachschaden auf circa 500 Euro beziffert.“ Oder: „Zwei Graffiti-Sprayer auf frischer Tat ertappt, Sachschaden auf circa 5 000 Euro beziffert.“ So lauteten zwei Pressemitteilungen der Polizei zu Vorfällen der letzten Zeit in Zittau und Ottendorf-Okrilla.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach wie vor ist Sachbeschädigung durch illegale Graffiti bei uns im Freistaat Sachsen ein großes Problem. So lag 2012 allein in der Stadt Leipzig der geschätzte Schaden bei rund 2 Millionen Euro. Die Bezifferung des Gesamtschadens ist schwierig, weil hier von einer großen Dunkelziffer ausgegangen werden muss, da viele Graffitibeschädigungen mittlerweile teilweise nicht mehr gemeldet und angezeigt werden und keine gesonderte statistische Erfassung bei verschiedenen Tatbestandsvarianten des § 303 des Strafgesetzbuches erfolgt.

Das Graffitibekämpfungsgesetz von 2005 mit den Nachweiserleichterungen und den Änderungen – auch an § 304 des Strafgesetzbuches – hat die Rechtsverfolgung durch Staatsanwaltschaften und Gerichte bei dieser Form der Sachbeschädigung einfacher gemacht, da nun keine Substanzverletzung mehr notwendig ist, um strafrechtlich als Sachbeschädigung eingestuft zu werden. Das hat schon geholfen.

Doch ist die Verfolgung von Graffitistraftaten nur eine Seite. Für weitaus wichtiger halte ich die Prävention. Die seit Längerem stark verbreiteten Graffitischmierereien sind ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Einem Teil der Gesellschaft sind der Respekt und die Achtung vor öffentlichem oder privatem Eigentum verloren gegangen. Oft ist auch kein Bewusstsein mehr dafür vorhanden, dass durch illegales Besprühen in fremde Eigentumsrechte eingegriffen wird.

Die mangelnde Achtung vor öffentlichem Eigentum zeigt sich auch an den immer wieder auftretenden Sachbeschädigungen an oder in öffentlichen Einrichtungen, zum Beispiel in Parkanlagen. Die Achtung von fremdem Eigentum wieder verstärkt ins Bewusstsein zu rücken ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Da sind viele Akteure gefragt, unter anderem das Elternhaus, die Schulen oder Vereine und Verbände. Aber natürlich muss auch die Politik mit gutem Beispiel vorangehen und die Achtung von Recht und Gesetz vormachen. Das gilt beispielsweise auch für das Versammlungsgesetz.

Zurück zu den Graffitis: Natürlich muss aber auch den Anhängern der verschiedenen Jugendsubkulturen Raum gegeben werden, um sich auszuleben. Es gibt bereits etliche Kommunen, in denen geeignete Sprühflächen zur Verfügung gestellt wurden, damit Jugendliche ihr Bedürfnis nach Kreativität ausleben können. Es zeigt sich, dass dort, wo entsprechende Freiräume für Kids geschaffen wurden, auch die Zahl der Sachbeschädigungen niedriger ist.

Keine Frage, das allein wird natürlich illegale Graffitis und Textschmierereien nicht verhindern. Prävention ist nur ein Teil der Lösung des Problems, aber es ist ein bedeutsamer Teil. Ein Teil der Prävention muss es auch sein, mögliche Ziele vor der Anbringung illegaler Graffiti zu schützen. Aktionsbündnisse wie der Leipziger Verein „STATTBILD e.V.“ als Zusammenschluss von zahlreichen Privateigentümern, Unternehmern oder Handwerkern leisten hier eine überaus wichtige Arbeit und sollten für andere Kommunen ein Vorbild sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der Bekämpfung von illegalen Graffitis müssen Strafverfolgung einerseits und Prävention und Eigenvorsorge andererseits Hand in Hand gehen. Ein entsprechendes Signal ist der vorliegende Antrag. Ich werbe deshalb ausdrücklich um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Bartl für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag hat heute noch einmal eine besondere Aktualität erfahren. Die dpa hatte heute eine Meldung mit „Kunst statt Kriminalität“ überschrieben. Erster Satz: „Für den einen ist es Kunst, für den anderen Schmiererei. Graffitis

sind im öffentlichen Raum umstritten, die Sprayer in Sachsen wünschen sich mehr legale Flächen.“ – Genau das beschreibt das eigentliche Problem.

Das Antragsthema, das Sie gewählt haben – da meine ich jetzt, nach den Redebeiträgen, vor allem die Fraktion der CDU, speziell Herrn Pohle, nebenbei bemerkt: ich würde mir wünschen, dass wir uns noch einmal in Ruhe darüber verständigen, welches Bild Sie vom Beruf des Strafverteidigers, seiner Aufgabe und Herangehensweise haben –,

(Beifall bei den LINKEN und der FDP)

ist zum einen offensichtlich auf populäre Effekteinwerbung im Wahljahr angelegt,

(Zuruf von der CDU: Na, na!)

zum anderen vereinfacht es ein gesellschaftliches Phänomen. Das beginnt unisono bei der Überschrift: „Illegale Graffiti sind Straftaten – Bekämpfung verstärken – Eigentum respektieren!“, basta!

Graffiti ist ein Oberbegriff für ganz Unterschiedliches. Graffitis gliedern sich grob in Politiksprüche, in Schablonengraffiti, in Graffiti-Writing und in, wie es einer der bekanntesten Graffiti-Künstler der sogenannten zweiten deutschen Generation, mit Künstlernamen Helge Bomber, unlängst in einem Interview formulierte: in Sachbeschädigung auf der Ebene von Klosprüchen.

Sie aber setzen alles – das ist das Problem, Kollege Pohle –, was als Graffiti nicht legal beauftragt, bezahlt, gefördert und genehmigt worden ist, unisono mit krimineller Sachbeschädigung gleich.

(Zuruf von der CDU: Nur die Straftaten!)

Das geht ja noch. – Sie rufen dann in dem Antrag zu 75 bis 80 % nach Repression, Strafe, Straferhöhung, Strafrahmenverschärfung.

(Zurufe von der CDU)

Sie werben sogar bei Delikten, die allenfalls zur mittleren Kriminalität zählen können, für Akzeptanz von Kameraüberwachung.

(Zuruf von der CDU: Die ist vorhanden, Herr Bartl!)

Sie können doch aber um Gottes willen diese Kategorie von Straftaten dieser Art – wenn man als Bürger, Eigentümer, Eigentümer einer Speditionsfirma, Eigentümer der Bundesbahn betroffen ist, ist das alles begreiflich – nicht einfach in die Nähe von Terrorstraftaten rücken und letzten Endes erklären: Jetzt kommen Touristen nicht mehr nach Dresden, Chemnitz oder Leipzig, weil sie Graffitis abhalten. – Das hilft doch nicht.

Herr Bartl, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen? – Bitte schön. Herr Gansel, bitte.

Herr Bartl, ich hätte eine Frage. Sie haben eben sehr bemüht zwischen Graffiti-Kunst und krimineller Schmiererei zu differenzieren versucht. Könnten Sie mir und uns vielleicht noch einmal in Erinnerung rufen, wie entsprechende Schmierereien nach dem Strafgesetzbuch der DDR geahndet wurden?

(Oh! von den GRÜNEN)

Sorry, mein Langzeitgedächtnis funktioniert im Großen und Ganzen ganz gut, doch das lässt im Alter nach. Ich kann jetzt beim besten Willen nicht mehr sagen, dass wir einen Tatbestand hatten, der sich speziell – wie der § 303 Abs. 2 – Graffitis zugewandt hat. Den Tatbestand gab es nicht.

(Zurufe von der CDU – Gegenruf des Abg. Stefan Brangs, SPD – Zuruf von den LINKEN: Wir hatten doch gar keine Spraydosen!)

Wir hatten doch gar keine Spraydosen. Wir hatten einen immensen Mangel an Spraydosen. Ich sage das, weil der Minister sagt, dass allein schon der Besitz von Spraydosen strafbar war. Wir hatten keine. Das ist doch alles Unfug, was Sie jetzt erzählen, Herr Minister. Wollen wir doch einmal der Wahrheit die Ehre geben.

(Beifall bei den LINKEN und der CDU – Zurufe von der CDU)

Mein Problem mit diesem Antrag ist, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen, – -

Meine Damen und Herren, ich würde Sie bitten, die Auseinandersetzungen – –

(Zurufe von den LINKEN)

Vielleicht gab es in der Lausitz welche beim Ostereieranmalen.

Herr Bartl, warten Sie bitte einmal. – Halten Sie einmal die Redezeit an. – Herr Bartl, Sie halten einmal kurz inne.

Das mache ich gern.

Dann können wir uns sammeln, und dann würde ich Sie bitten, die Rede fortzuführen. Die Bemerkung, dass es keine Spraydosen gab, hat jetzt natürlich für Heiterkeit gesorgt, aber ich bitte, dass wir uns dem Tagesordnungspunkt wieder zuwenden. Herr Bartl, fahren Sie bitte mit Ihrer Rede fort.