Nach der einbringenden Fraktion, der SPD, vertreten durch Frau Dr. Stange, kommt jetzt die CDU, vertreten durch Herrn Bienst, zu Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen der SPDFraktion! Ich bin vielleicht manchmal etwas blauäugig. Nach der Anhörung hatte ich eigentlich gedacht – nachdem ich die Sachverständigen gehört habe –, dass das Thema vom Tisch sei. Aber ich wurde eines Besseren belehrt: Wir haben es heute hier, in diesem Hohen Haus, und werden dieses Thema diskutieren.
Ich zitiere einen Sachverständigen aus dieser Anhörung: „Wenn ich einen kostenfreien Schülerverkehr anbiete, besteht das Risiko, dass die folgenden Fragen gestellt werden: Warum gilt das nur für die nächstgelegene Schule? Warum kann ich mir nicht die Schule meiner Wahl im gesamten Landkreis aussuchen und entsprechend dorthin fahren? – Ich muss nicht deutlich machen: Das hätte erhebliche Kostenaufwüchse zur Folge, und das hätte auch Auswirkungen auf die Schülerströme. Die Schülerströme werden durch die Schulnetze geregelt, sodass wir erhebliche Probleme hätten, was die Schulnetzplanung in den Landkreisen angeht.“
Meine Damen und Herren der SPD-Fraktion, Sie waren doch bei dieser Anhörung anwesend. Die Aussagen der Sachverständigen waren doch eindeutig. Sollten Sie wissentlich mit Ihrem Antrag funktionierende Schulnetzpläne konterkarieren? Diskontinuitäten in vorhandenen Schulnetzen wären nämlich die Folge. Schulschließungen im ländlichen Raum wären unabdingbar. Haben Sie bei der Einbringung Ihres Antrags daran gedacht?
Aber das Gedankenexperiment geht noch weiter. Bei einer generellen Kostenfreiheit, also nicht nur Beitragsfreiheit für reine Schulwege, nein, auch bei Inanspruchnahme weiterer Angebote – in Ihrem Antrag geht es um landes
weite Regelungen – hätte das Auswirkungen vor allen Dingen auf die Linienverkehre in den ländlichen Räumen. Ja, meine Damen und Herren, die Tickets für den ÖPNV würden teurer werden, die Verkehre für unsere Schülerinnen und Schüler müssten über den freigestellten Verkehr abgesichert werden, die Stabilität unserer ÖPNVs wäre nicht mehr gewährleistet. Ich stelle mir schon die Frage, wer diese zusätzlichen Leistungen – Sie wissen ganz genau: der ÖPNV ist eine Pflichtaufgabe unserer Landkreise und kreisfreien Städte – bezahlen soll.
Ach ja, da war ja wieder mal das Land gefragt. Das könnte man laut Ihrem Antrag machen, aber welche Leistungen würden wir dann aus dem Haushalt streichen? Soziale Leistungen? Leistungen aus dem Bildungsbereich? Wirtschaftsfördermaßnahmen? Oder vielleicht kürzen wir die innere Sicherheit, den Umweltschutz oder den Hochwasserschutz; ich könnte viele Bereiche aufzählen.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, anhand dessen Sie sehen können, was passiert, wenn man in Strukturen des ÖPNV eingreift. In meiner damaligen Funktion als Vorsitzender des Schul-, Kultur- und Sportausschusses im niederschlesischen Ortskreis wollten wir 1997 den Schulweg in unserer Förderschule in Niesky um 10 oder 15 Minuten nach hinten verlegen; Niesky liegt zentral im Landkreis. Diese Veränderung hätte enorme Auswirkungen auf den Arbeiterverkehr im Norden unseres Landkreises gehabt und stabile Beförderungen massiv gestört.
Dann können wir das machen. – Zusätzliche Verkehre wären notwendig gewesen, weil Anschlusslinien nicht mehr erreicht würden, und stabil ausgelastete Linien hätte man in der Folge infrage stellen müssen – und das wegen einer fünfzehnminütigen Veränderung an einer Schule im Landkreis, und auf die Menschen, die den ÖPNV nutzen, um zur Arbeit, zum Arzt oder zum Einkaufen in die Stadt zu kommen, hätten wir keine Rücksicht genommen. Ich betone: Ich spreche von den Verkehren in ländlichen Räumen, und da bringen Sie einen Antrag zur beitragsfreien Schülerbeförderung ein. Das kann ich einfach nicht verstehen, oder höre ich da vielleicht Wahlkampfaktionismus?
Nicht mit uns! Wir fühlen uns für alle Menschen in Sachsen verantwortlich. Das sind neben unseren Kindern und Jugendlichen in der sächsischen Bildungslandschaft auch unsere sächsischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Das war aber ein langer Satz. – Lieber Kollege, könnten Sie mir einmal erläutern, wie wir nach Ihrer Auffassung in die Struktur des ÖPNVs eingreifen, wenn wir mit einem Antrag eine zusätzliche Leistung gleichzeitig durch zusätzliches Landesgeld honorieren?
Das kann ich Ihnen erklären. Ich greife jetzt meiner Rede vor, aber ich kann es trotzdem einmal versuchen. Wenn man eine zusätzliche Leistung anbietet und damit Wahlfreiheit bei den Betroffenen in das Land hineinträgt, dann wird man natürlich stabile Schulnetze aushebeln, weil es nämlich die Wahlfreiheit der Betroffenen ermöglicht, entweder auf den ÖPNV zurückzugreifen – oder auch nicht –, und mit dieser Wahlfreiheit werden Schulnetze – das sagte ich bereits – infrage gestellt bzw. auch stabile Linien, die von dem ÖPNV leben, instabil.
Lieber Herr Kollege, können Sie mir einmal erläutern, von welcher Wahlfreiheit Sie sprechen, wenn wir über die Bestellung der Schülerbeförderung reden?
Ich habe Sie gefragt, von welcher Wahlfreiheit Sie bei der Bestellung der Schülerbeförderung sprechen.
legene Schule oder in eine andere Schule innerhalb des Landkreises oder über Landkreisgrenzen hinaus zu fahren, dann muss natürlich auch der ÖPNV umgestellt werden. Denn dann ist die Auslastung bestimmter Linien oder des Schülerverkehrs nicht mehr gegeben. Das wäre jetzt meine Antwort.
Vielleicht sollten wir einmal näher untersuchen, worüber wir hier eigentlich reden. Ja, wir reden über eine momentane Kostenbeteiligung der Eltern von circa 20 bis 37 Cent pro Fahrt und Kind. Um die Gesamtbeförderungskosten einmal mit Zahlen im Freistaat zu beleuchten – Frau Dr. Stange hat es bereits getan –: Circa 59 Millionen Euro gaben die Landkreise 2012 für den Schülerverkehr aus, Geld, das der Freistaat der kommunalen Ebene zur Verfügung stellt.
Einen Satz noch. – Hinzu kommen die Kosten der ÖPNV-Mitfinanzierung. Es ist sicherlich schwierig, eine Zahl zu nennen.
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Bienst! Ich muss auf den vorhergehenden Punkt zurückkommen. Nirgendwo in dem Antrag steht – wenn Sie etwas anderes behaupten, sagen Sie mir bitte, wo das zu lesen ist –, dass mit der Kostenfreiheit des Schülerverkehrs gleichzeitig die Wahlfreiheit verbunden sei. Haben Sie das in dem Antrag gelesen?
Das ist aber die logische Schlussfolgerung aus Ihrem Antrag. Wenn ich Kostenfreiheit habe, stellt sich sofort die Frage nach der Wahlfreiheit für den Schülerverkehr bzw. den Schulnetzplan. Diese Wahlfreiheit wollen wir nicht geben.