Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Punktweise war der Antrag. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nicht die Sitzungsleitung. Dann werden wir so verfahren. Meine Damen und Herren! Ich stelle trotzdem die Drucksache 5/14148 zur Abstimmung. Es war punktweise Abstimmung beantragt. Ich rufe auf Punkt I. Wer dem Punkt I seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmenthaltungen, zahlreichen Dafür-Stimmen ist Punkt I mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe auf Punkt II. Wer dem Punkt II seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmenthaltungen, zahlreichen DafürStimmen ist mehrheitlich Punkt II nicht zugestimmt.

Ich rufe auf Punkt III. Wer Punkt III seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen, zahlreichen DafürStimmen ist mehrheitlich Punkt III nicht angenommen.

Meine Damen und Herren! Keiner der einzelnen Punkte hat eine Mehrheit bekommen. Damit erübrigt sich eine Schlussabstimmung. Dieser Tagesordnungspunkt ist

beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 10

Kostenerstattung für Schulen in freier Trägerschaft für

das verfassungswidrige vierte Jahr der Wartefrist

Drucksache 5/14144, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht.

Frau Giegengack, Sie haben das Wort

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sieben Schulen stehen im Mittelpunkt unseres Antrages heute Abend. Das ist angesichts der insgesamt 1 483 allgemeinbildenden Schulen im Freistaat eine kleine Geschichte, könnte man meinen. Aber es geht bei diesen sieben Schulen um ein größeres Thema, ein Thema, das uns hier im Haus in den verschiedensten Zusammenhängen immer wieder begegnet, gestern bei der Debatte um die Mütterrente und heute beim Thema Schülerbeförderung. Es geht um das Thema Gerechtigkeit.

Wir als Politiker sind mit der Erwartung konfrontiert, durch Recht Gerechtigkeit herstellen zu sollen. Im Osten Deutschlands war gerade in den Nachwendejahren diese Erwartung an die Politik fast erdrückend. Doch wir wissen alle, die wir hier im Saal sind: Recht und Gerechtigkeit fallen leider allzu oft auseinander, zum einen, weil die Vorstellungen, was gerecht ist, in einer pluralen Gesellschaft auseinandergehen, und zum anderen, weil Recht die Individualität des Einzelfalls nicht immer adäquat berücksichtigen kann.

Nun sind wir bei den sieben Schulen, um die es heute geht, genau mit diesem Dilemma konfrontiert, dem Auseinanderfallen von Recht und Gerechtigkeit. Warum? Zum einen erklärte der Verfassungsgerichtshof die Verlängerung der Wartefrist für Schulen in freier Trägerschaft zwischen ihrer Genehmigung und ihrer Finanzierung von drei auf vier Jahre für verfassungswidrig. Zum anderen legte der Verfassungsgerichtshof aber auch fest – ich zitiere aus dem Urteil: „Die für unvereinbar mit der Verfassung des Freistaates Sachsen erklärten Regelungen können bis zum Inkrafttreten einer verfassungsgemäßen Neuregelung, längstens aber bis zum 31.12.2015, weiter angewendet werden.“

Das heißt, es gibt Regelungen, die nachweisbar nicht mit unseren Verfassungsgrundsätzen übereinstimmen. Aufgrund des Umfangs der nötigen Anpassungen im Gesetz und angesichts der anstehenden Landtagswahlen dürfen

sie jedoch für eine Übergangszeit bis knapp zwei Jahre weiter angewendet werden.

Nun, meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen dieses Dilemma einmal ganz konkret an der Situation der Freien Waldorfschule in Leipzig verdeutlichen. Diese Schule wird im kommenden Jahr genau 34,72 Euro pro Schüler und Monat, das heißt insgesamt 49 996 Euro, aus der Sachkostenübergangsregelung erhalten. Durch die verfassungswidrige Verlängerung der Wartefrist muss diese Schule jedoch gleichzeitig auf mehr als eine halbe Million Euro, genau 648 000 Euro, verzichten.

Hand aufs Herz, liebe Kollegen, das mag rechtens sein, aber als gerecht wird dies wohl niemand empfinden, ganz sicher nicht die Eltern und Lehrer dieser Schule, die letztlich dieses Geld selbst aufbringen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren von der Koalition! Wir haben in diesem Haus schon oft Gnade vor Recht ergehen lassen. Die größte Nummer – das wurde heute schon angesprochen – war das Schulmoratorium. Hier haben wir einfach festgelegt, dass den Schulen, die die im Schulgesetz vorgegebenen Mindestschülerzahlen nicht erfüllen, die staatliche Mitwirkung nicht entzogen werden soll. Es ist juristisch gesehen nicht die beste Lösung und zeitlich begrenzt bis zur Novellierung des Schulgesetzes.

Nun, wenn wir uns einig sind, dass Schulen in freier Trägerschaft genauso einen wichtigen unverzichtbaren Beitrag zur Bildung und Erziehung unserer Kinder im Freistaat leisten wie staatliche Schulen – jedenfalls steht das so in unserer Verfassung, und ich denke, daran sollten wir uns halten –, warum können wir nicht auch für diese sieben Schulen eine zeitlich begrenzte Ausnahme gewähren?

Die Summe, die noch für dieses Haushaltsjahr zur Verfügung gestellt werden müsste, ist überschaubar und liegt bei 1,2 Millionen Euro. Damit wären wir auch beim neuralgischen Punkt, dem Geld. Ich muss ehrlich gestehen, ich kann Ihr Finanzgebaren nicht mehr nachvollziehen, meine Damen und Herren von der Koalition, und Ihre Argumentation bei den Schulen auch nicht.

Wir haben eine Verfassung und Schulgesetze. Darin wurden Ansprüche formuliert wie Lernmittelfreiheit und Privatschulfreiheit. Ich halte es für einen schlechten Stil,

sich selbst auf die Schulter zu klopfen nach dem Motto: Mensch, sind wir toll, was haben wir für fortschrittliche Regelungen in unserem schönen Sachsen!, und gleichzeitig den daraus erwachsenden finanziellen Verpflichtungen nicht nachzukommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Sie haben so über die Jahre Geld in dreistelliger Millionenhöhe eingespart und Eltern, Träger und die Opposition die Umsetzung der von Ihnen selbst – Sie hatten immer die Mehrheit – beschlossenen gesetzlichen Regelungen über Gerichte einklagen lassen. Das ist eine ganz „tolle“ Leistung.

Ich habe mittlerweile nach den fünf Jahren, die ich hier bin, das Gefühl, das Sparen, das Geld-Zusammenhalten hat sich bei Ihnen verselbstständigt. Die Devise lautet: Jede Mehrausgabe abweisen, sei sie auch noch so berechtigt, bis ein Gericht uns dazu zwingt. Nun, im vorliegenden Fall zwingt Sie ein Gericht dazu, diese Schulen zu finanzieren, allerdings erst spätestens zum 31.12.2015.

Berechtigt sind die Ansprüche zumindest dieser sieben Schulen bereits ab dem kommenden Schuljahr. Auch das hat das Gericht festgestellt. Geben Sie diesen sieben Schulen, was ihnen zusteht. Sie machen etwas sehr Sinnvolles damit, nämlich Unterricht.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Herr Schreiber für die CDU-Fraktion kommt als nächster Redner. Herr Schreiber, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Giegengack, das ist ein schöner Antrag. Der Antrag ist vor allem deshalb schön, weil ich auch Ihre Rolle verstehen kann. Sie sind Oppositionsfraktion. Natürlich sollte man als Oppositionsfraktion hier nicht müde werden, das Thema freie Schulen und das Gerichtsurteil des Verfassungsgerichtshofes vom 15. November 2013 immer wieder anzusprechen und darauf hinzuweisen, wie ungerecht die Gegenwart ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber wenn Sie das tun, was ich, wie gesagt, aus Ihrer Oppositionssicht heraus durchaus nachvollziehen kann, dann sollten Sie vielleicht auch sagen, dass sich in der Zwischenzeit die Welt weitergedreht hat und eine Übergangsregelung zwischen dem Freistaat Sachsen, dem Kultus- und dem Finanzministerium und den freien Schulen gefunden worden ist, auch wenn das vielleicht an der einen oder anderen freien Schule argumentativ noch nicht so angekommen ist und immer noch Ängste bestehen, dass beispielsweise die freie Schule in Naunhof nicht von dieser Übergangsregelung profitieren würde. Ich kann Ihnen sagen – und das ist der Schule auch mitgeteilt worden –, dem ist mitnichten so. Von diesen

640 Euro, die es jetzt pro Schüler und Schuljahr über diesen Kompromiss von 35 Millionen Euro über die zwei Schuljahre mehr gibt, profitieren auch die von Ihnen angesprochenen sieben Schulen; das sollte man der Ehrlichkeit halber sagen.

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE: Das habe ich gesagt!)

Fakt ist eins: Frau Giegengack, das Ansinnen ist berechtigt. Das Gericht hat aber nicht so einfach gesagt, wie Sie es hier dargelegt haben, dass die Wartezeit unrechtmäßig ist. Das Gericht hat vielmehr ganz deutlich gesagt: Natürlich kann man eine Wartezeit miteinander vereinbaren, die sogar länger sein kann als die jetzt im Gesetz stehenden vier Jahre. Es geht eben nur nicht, in dieser Zeit des Wartens diesen Schulen sämtliche finanziellen Hähne zuzudrehen bzw. überhaupt keine finanzielle Unterstützung zu leisten.

Deshalb sagen wir, dass nicht nur in dem Fall das Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft angepasst und geändert wird, sondern in vielen anderen Punkten auch. Ich sage Ihnen auch ganz deutlich, warum wir Ihrem Antrag, der jetzt auf einen Bereich von den vielen Themen, die im Rahmen dieses Verfassungsgerichtsurteils zu besprechen sind, abzielt, nicht zustimmen werden. Was würde denn passieren, wenn wir uns heute hinstellen und Ihnen Zugeständnisse beim Thema Wartezeit machen und diese Schulen aus der vierjährigen Wartezeit herausnehmen oder ihnen innerhalb des letzten Jahres die Gelder erstatten – ich bin ganz ehrlich auch ein Fan der IBB, wo ich persönlich sofort dafür wäre? Ich verspreche Ihnen eines: Wenn Sie es nicht sind, dann kommt in der nächsten Plenardebatte Frau Dr. Stange oder Frau Falken und dann reden wir zum Beispiel darüber, dass das Gericht gesagt hat, dass die Schulgelderstattung für finanziell schlechter gestellte Familien rechtswidrig ist. Wir sollten dann bitte schnell und von heute auf morgen, damit Max Müller und Johannes Gärtner die Schule besuchen können, das Streichen der Schulgelderstattung zurücknehmen.

Ich glaube nicht, dass das der Weg ist, wie wir ein solides Gesetz und solide Verhältnisse für freie Schulen im Freistaat Sachsen auf den Weg bringen. Das glaube ich einfach nicht.

(Beifall bei der CDU)

Dass Sie das in Ihrer Rolle als Opposition anders sehen, ist aus meiner Sicht natürlich verständlich. Sie nehmen sich Teile heraus, um zu sagen: Wir sind die, die es euch gern geben wollen. Dort sind die böse Staatsregierung, die böse CDU und die böse FDP, die euch das nicht gönnen.

Dem ist mitnichten so. Wir haben ganz klar gesagt: All diese Themen gehören auf den Prüfstand. All die Themen, die das Gericht für unzulässig erklärt hat, müssen miteinander diskutiert werden. Dafür müssen Wege gefunden werden. Ich habe bereits gesagt, dass der Kompromiss über die 35 Millionen Euro auch für die Schulen gilt, die sich jetzt noch in der Wartefrist befinden.

Wie genau das ganze Thema Wartefrist ausgestaltet sein wird, ob es künftig überhaupt eine Wartefrist geben wird, wie die Finanzierung innerhalb einer eventuellen Wartefrist ausgestaltet wird, darüber kenne ich bis zum heutigen Tag noch nicht wirklich die Vorstellungen der freien Schulen, außer natürlich der Vorstellung, dass sofort alles bezahlt werden soll, was auch klar ist. Eine konstruktive Vorstellung ist mir aber dazu im Moment noch nicht bekannt. Wenn das Kultusministerium mit entsprechenden Vorschlägen mit den freien Schulen am Tisch gesessen hat, dann ist es an der Zeit, darüber zu reden.

Wir lehnen, wie gesagt, Ihren Antrag ab, weil wir sicher sein können, dass danach als Nächstes andere Themen kommen, ob das die Schulgelderstattung ist, ob das das Absenken des Faktors von 0,9 auf 0,8 für die Schulen ist, die sich nicht an die Vorgaben der Schüler-LehrerRelation oder der Klassenanzahl pro Jahrgangsstufe halten. Das ist auch ein Thema, was zu besprechen ist. Da gibt es sicher Schulen, die davon auch betroffen sind. Das wäre das nächste Thema, worüber man im Hause reden würde.

(Zuruf der Abg. Annekathrin Giegengack, GRÜNE)

Geben Sie uns die Chance, das Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft entsprechend dem Urteil aus Leipzig auf die Füße zu stellen. Geben Sie uns die Chance und die Zeit, dieses Gesetz ordentlich auszugestalten, es mit den freien Schulen gemeinsam so zu gestalten, dass alle mit diesen Kompromissen leben können. Dafür brauchen wir keine Schnellschüsse, auch wenn sie vielleicht gerecht sein mögen. Helfen würde uns das an dieser Stelle nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Dr. Eva-Maria Stange, SPD, steht am Saalmikrofon.)

Frau Dr. Stange, eine Kurzintervention?

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Ich will reden!)

Sie sind noch nicht dran. Zuerst ist Frau Falken an der Reihe.