Protokoll der Sitzung vom 10.04.2014

Meine Damen und Herren! Auch wenn wir sonst kaum mit einem Herrn Pflüger übereinstimmen, hier hat er jedoch absolut recht. Auch wir Nationaldemokraten streben eine größtmögliche Diversifizierung bei den Energielieferungen an und wollen auch heimische Energieträger verstärkt nutzen, um überhaupt Abhängigkeiten zum Ausland zu verringern. Doch für uns ist dabei klar, dass zu einem zukunftsfähigen Energiemix auch russisches Erdgas gehört, gerade wenn ein Ausstieg aus der Atomenergie finanziell erträglich und versorgungstechnisch gelingen soll.

Daher fordern wir mit unserem heutigen Antrag nicht nur einen Stopp bzw. eine Rücknahme der Sanktionsmaßnahmen, sondern auch einen Ausbau der deutschrussischen Energiepartnerschaft, mit dem es gleichzeitig außenpolitisch gelingen könnte, mäßigend auf die russische Führung im schwelenden Ukrainekonflikt einzuwirken. NATO-Manöver und NATO-Truppen an Russlands Grenzen können keine Option zur Friedenssicherung in Europa sein.

Bitte vollziehen Sie doch einmal das Gedankenspiel des Geopolitikers Carlo Masala nach, der zuletzt in der „Jungen Freiheit“ interviewt wurde und dabei in den Raum gestellt hat, was jetzt wohl weltweit los wäre, wenn Russland versuchen würde, Mexiko aus dem amerikanischen Einflussbereich zu lösen. Dafür sind die russischen Reaktionen darauf immer noch zumindest nachvollziehbar. Deshalb sind wir der Auffassung, dass man jetzt kein weiteres Benzin ins Feuer gießen, sondern deeskalierend wirken sollte.

Wir als NPD sagen: Nur eine intensive Handels- und Wirtschaftspartnerschaft mit Russland kann die Wogen glätten und die Russen dazu bringen, auch das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine, das wir selbstverständlich auch verteidigen und für das wir einstehen, vollumfänglich anzuerkennen. Helfen Sie also mit uns Nationaldemokraten, den Druck aus dem Kessel zu nehmen, und stimmen Sie unserem Antrag zu.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wünscht dennoch eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter, das Wort zu ergreifen? – Das vermag ich nicht festzustellen. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Dr. Martens, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der NPD ist in seiner Inkonsistenz, in seinem Hin und Her eher verstörend als erhellend. In den Debatten über die Europäische Union wollen Sie die Europäische Union abschaffen, ungeachtet der wirtschaftlichen Auswirkungen, die dies für VW und Siemens hätte.

Im Fall Russlands machen Sie sich zum Anwalt der wirtschaftlichen Interessen der genannten Firmen, obwohl das wirtschaftliche Interesse dieser im Gegensatz zu der EU an Russland doch deutlich geringer sein müsste. Man versteht diesen Antrag nicht richtig.

(Holger Szymanski, NPD: Sie verstehen manches nicht. Das wundert mich bei Ihnen auch nicht!)

Was wollen Sie hier? Wollen Sie hier – ich sage einmal – den bedeutenden Szymanski-Putin-Pakt vorbereiten? Oder was ist Zweck dieses Antrages? So werden Sie Königsberg bestimmt nicht wiederbekommen, meine Damen und Herren. Das wird nicht klappen.

Das Problem sehen Sie in einem angeblichen Säbelrasseln der EU, aber nicht in der russischen Annexion der Krim. Dieser Antrag richtet sich gegen die Europäische Union. Er ist im Grunde genommen nicht für Russland, aber gegen die Europäische Union und gegen ein geschlossenes Handeln der Europäischen Union. Die Ereignisse auf der Krim führen uns vor Augen, dass auch rund 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und über 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges der Prozess der Friedenssicherung in Europa noch nicht abgeschlossen ist.

Der Grundgedanke der Europäischen Union war es, kriegerische Auseinandersetzungen in Europa faktisch unmöglich zu machen. Diese friedenssichernde Funktion erfüllt die EU seit Langem. Aber wie wir wissen und jetzt sehen, gilt dies nur für die Europäische Union selbst, aber nicht für die übrigen Staaten in Europa.

Im Fall der Krim liegt mit Sicherheit kein freiwilliger Anschluss der Krim an Russland vor, auch wenn die russische Propaganda und die NPD alles versuchen, uns das glaubhaft zu machen. Es handelt sich hierbei schlicht um eine völkerrechtswidrige Annexion eines Teils des souveränen Staates der Ukraine durch den russischen Staat.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Russland, meine Damen und Herren, steht folglich international isoliert da. Das Referendum, von Ihnen als friedlicher Prozess beschrieben, erfüllt weder die Voraussetzungen der ukrainischen Verfassung noch des Völkerrechts. Die ukrainische Verfassung sieht zwar Volksabstimmungen auch über Gebietsänderungen vor, aber diese hätten im gesamten Land und nicht nur in einem Landesteil stattfinden müssen. Das übersehen Sie geflissentlich oder – besser gesagt – wissentlich.

Eine völkerrechtlich wirksame Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Bevölkerung war zudem schon angesichts der faktischen Verhältnisse nicht möglich. Ich

denke hier an die Besatzung durch russische Streitkräfte oder durch von ihnen versorgte bewaffnete Einheiten, meine Damen und Herren, oder auch das völlige Fehlen jeglicher Vorbereitungszeit für ein Referendum. Meine Damen und Herren, das war kein friedlicher Prozess. Das war ein extrem kurzer Prozess nach russischer Machart. Daran bestehen keine vernünftigen Zweifel, und auch das Referendumsergebnis von angeblich 97 % kann daran wirklich nichts ändern. Genauso friedlich und genauso legitimiert ist etwa der Anschluss Österreichs verlaufen, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der NPD)

Das kann ich verstehen, dass Sie diese Annexion als durchaus friedlich und gelungen bezeichnen. Das zeigt die Kategorien, in denen Sie historische Prozesse einordnen, meine Damen und Herren. Aber in dieser Lage ist ein besonnenes Handeln gerade wichtig. Stufenweise will die Europäische Union den Druck auf Russland erhöhen. Ein deutscher Alleingang, vor allen Dingen noch ein Alleingang in der entgegengesetzen Richtung, wäre nicht der richtige Weg. Die Mitgliedsstaaten der EU müssen im Schulterschluss mit der internationalen Gemeinschaft ihre Position gegenüber Russland behaupten, auch wenn dies Zeit braucht.

Meine Damen und Herren! Die EU hat immer ein Angebot für Gespräche offengehalten. Russland hat bisher jede Mitwirkung in einer Kontaktgruppe abgelehnt. Eine militärische Eskalation auf der Krim wird es nicht geben. Es gibt auch kein militärisches Säbelrasseln oder militärische Drohungen der NATO, die Sie hier angeführt haben. Der Einzige, der hier militärisch droht, ist Russland mit seinen Truppenmassierungen – zuerst auf der Krim und jetzt an der Ostgrenze der Ukraine.

Ich sage hier ganz klar für die Staatsregierung: Es darf nicht geduldet werden, dass sich ein Staat in Europa ungeahndet Teilen eines anderen souveränen Staates Europas bemächtigt, vor allen Dingen auf diese Art und Weise. Wir können dies nicht hinnehmen. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim darf sich am Ende für Russland nicht lohnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Natürlich gibt es in einigen Teilen der Wirtschaft Sorge, ihre Geschäfte mit Russland könnten beeinträchtigt werden. Aber die Hälfte seines Außenhandels wickelt Russland mit der EU ab. Umgekehrt gehen nur 7 % der EU-Exporte nach Russland. Nur knapp 12 % der EUImporte stammen aus Russland. Die Bedeutung des Handels mit der EU ist für Russland also ungleich größer als umgekehrt.

Ich sage aber auch: Wir müssen bereit sein, Nachteile für die eigene Wirtschaft in Kauf zu nehmen, wenn wir die Prinzipien, die den Frieden in Europa sichern sollen, langfristig verteidigen wollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Ja, die EU ist von Gas- und Öllieferungen aus Russland abhängig. Aber umgekehrt ist Russland – und das wohl in stärkerem Ausmaß – auf die Einnahmen aus den Energielieferungen angewiesen. Russland hat ein großes Eigeninteresse an einer Aufrechterhaltung des Handels mit Öl und Gas. Auch während der eisigsten Zeiten des Kalten Krieges ist Russland seinen Lieferverpflichtungen nachgekommen.

Meine Damen und Herren! Es gilt, diese gegenseitigen Verflechtungen zu nutzen, und zwar intelligent zu nutzen, ohne dabei seine Prinzipien und die völkerrechtlichen Prinzipien, für die die Europäische Union steht, aufzugeben.

Meine Damen und Herren! Ein Rückfall in Nationalstaaterei und isolierte Lösungen wäre nicht der richtige Weg. Die Zukunft liegt hier in einem gemeinsamen Vorgehen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten. Das ist übrigens auch das, was unsere östlichen Nachbarn gerade vor dem Hintergrund ihrer historischen Erfahrungen von uns erwarten. Die Situation und die Befindlichkeiten im Baltikum, in Estland, Lettland und Litauen, aber auch in Polen, in Ungarn oder in der Slowakei kann man nur verstehen, wenn man sich die historischen Erfahrungen dieser Länder vor Augen hält. Dabei sind wir als Deutsche in der Pflicht, als Teil der Europäischen Union dafür zu sorgen, dass diese Prinzipien, die Prinzipien, die den Frieden in Europa erhalten sollen, aufrechterhalten bleiben.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU)

Das heißt, erst muss Russland das Völkerrecht anerkennen und die Annexion der Krim rückgängig machen. Erst dann können wir über die Verstärkung der wirtschaftlichen Kooperation mit Russland nachdenken.

Kurzfristige Erfolge werden die Sanktionen sicherlich nicht haben. Aber es hat sich zum Beispiel im Fall Iran – der Ihnen ja besonders nahe steht – gezeigt, dass Wirtschaftssanktionen langfristig ihre Wirkung nicht verfehlen. Ohne solche Sanktionen wäre der Iran wohl tatsächlich nicht zum Einlenken in der Atomfrage bereit gewesen.

Meine Damen und Herren! Wir müssen Russland dazu bewegen, seine völkerrechtswidrige Politik aufzugeben und die Krim wieder freizugeben.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Nur die Amis dürfen das Völkerrecht brechen, wie sie wollen!)

Annexionen dürfen sich nicht lohnen. Das habe ich schon gesagt. Die Position der Staatsregierung wie auch, so glaube ich, der Bundesregierung ist insofern unmissverständlich. Deswegen wird es Sie nicht verwundern, dass wir dazu raten, Ihren Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Herr Schimmer, bitte.

Vielen Dank. – Herr Schowtka, Sie haben heute einen für Ihre Verhältnisse verhaltenen Debattenbeitrag gebracht, ohne auf das Dritte Reich Bezug zu nehmen. Das fand ich schon einmal ganz gut.

(Heiterkeit bei der NPD)

Dr. Martens, ich würde Ihre Ausführungen zur völkerrechtswidrigen Politik und zur angeblichen Annexion der Krim mit viel mehr Interesse verfolgen, wenn ich dabei nicht immer an den Kosovo denken müsste. Wir müssen ganz klar sehen, dass der Westen diese Büchse der Pandora aufgemacht hat.

(Zuruf des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Worüber reden wir hier? Das muss man sich wirklich fragen.

Wir alle wissen, dass es im Jahr 1999 eine Aggression gab, einen völkerrechtswidrigen NATO-Überfall auf Jugoslawien, was jetzt auch der damalige Regierungschef zugibt. Schröder hat eingestanden, dass es damals ein Überfall auf Jugoslawien war, ein reiner Angriffskrieg. Als Folge daraus wurde im Jahr 2008 der Kosovo aus Jugoslawien herausgelöst und dann von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt.

Dazu schreibt der Völkerrechtler Reinhard Merkel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der in einem Grundsatzartikel das Problem beleuchtet hat – ich zitiere –: „Bei aller Empörung über das russische Vorgehen ist auch hierzulande nicht ernsthaft bezweifelt worden, dass im Ergebnis des Referendums der authentische Wille einer großen Mehrheit der Krim-Bevölkerung zum Ausdruck kam. Ob die amtlichen Ergebnisse im Einzelnen korrekt waren, ist dafür ohne Belang. Die wirklichen Zahlen lagen jedenfalls weit über der Marke von 50 %. Freilich müssen sich die empörten westlichen Staaten“, so der Völkerrechtler Reinhard Merkel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, „nun an ihre eigene Nase fassen. Vor sechs Jahren, am 17. Februar 2008, erklärte die provisorische Zivilverwaltung im Kosovo dessen Unabhängigkeit vom serbischen Zentralstaat. Das verstieß, wiewohl der Internationale Gerichtshof das zwei Jahre später verneint hat, gegen einschlägiges spezielles Völkerrecht, nämlich die Resolution 1244 des UNOSicherheitsrates vom Juni 1999, die den Kosovo nach der NATO-Intervention unter die Hoheitsgewalt der Vereinten Nationen gestellt und zugleich die Unverletzlichkeit der

serbischen Grenzen garantiert hat. Einen Tag nach dieser Sezession haben England, Frankreich und die Vereinigten Staaten, drei Tage später Deutschland den Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt.“

Das zeigt ganz klar, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Das nehmen wir so nicht hin, das ist Heuchelei und nicht in Ordnung.

(Beifall bei der NPD)

Ich wollte noch ein Wort an Herrn Homann richten. Der beste Bündnispartner für die Swoboda, für diese radikalen Faschisten, die hier wieder mal bemüht wurden, ist doch SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der hat doch in der Deutschen Botschaft am 20. Februar den Swoboda-Vorsitzenden Oleh Tjahnybok empfangen.

(Zuruf von der NPD: Der Fascho-Freund!)

Hier fließen doch Gelder an die neue ukrainische Regierung, in der eben auch Swoboda-Vertreter sitzen. So viel Unterstützung wie die SPD können wir denen gar nicht geben.

(Beifall bei der NPD)