Auch hier, meine Damen und Herren, liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Von daher spricht allein die Fraktion DIE LINKE und für die Fraktion Frau Abg. Falken. Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn der Titel einen sehr komplizierten Namen hat, glaube ich aber, dass dieses Gesetz sehr zielführend sein wird. Die Schulschließungspolitik der Staatsregierung unter Verantwortung der CDU hat dazu geführt, dass 1 226 Schulen seit dem Schuljahr 1992/93 ihren Betrieb einstellen mussten. Das sind fast genauso viele Schulen, wie wir heute noch in Bestand haben, nämlich 1 365 Schulen. Vor 20 Jahren hatten wir im Freistaat Sachsen noch doppelt so viele Schulen, wie wir zurzeit haben. Das bedeutet, dass es diese Staatsregierung geschafft hat, in zwei Jahrzehnten die Hälfte der sächsischen Schulen zu schließen. Das ist eigentlich eine ganz dramatische Situation.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Schülerbeförderung von Schülerinnen und Schülern. Schulwege werden länger und länger. Wir haben hier im Parlament sehr häufig darüber diskutiert. Unter Umständen dauert der Schulweg länger als 45 Minuten, da die Busse über die Dörfer fahren müssen und erst in 20 Kilometer Entfernung der Schulort zu erreichen ist.
Merket auf! Erst seit dem 01.01.1996 haben die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger die Möglichkeit, die Höhe und das Verfahren zur Erhebung eines Eigenanteils für Schüler oder Erziehungsberechtigte festzulegen. Erst seit dem 01.01.1996! Vorher war die Schülerbeförderung im Freistaat Sachsen für die Eltern kostenfrei.
Derzeit ist die Schülerbeförderung in vielen anderen Bundesländern nach wie vor kostenfrei. Ich will hier nur die beiden Beispiele Bayern und Thüringen nennen. Im Freistaat Sachsen gibt es einen einzigen Landkreis, in dem die Eltern nicht für die Schülerbeförderung zur Kasse gebeten werden. Das ist der Vogtlandkreis. In allen anderen Kreisen werden die Eigenanteile von den Eltern erhoben. Diese werden von Jahr zu Jahr höher.
Ich möchte einmal ein Beispiel nennen: In den Landkreisen Mittelsachsen, Zwickau und Erzgebirgskreis müssen die Eltern 145 Euro für die Schülerbeförderung zahlen.
Diese Beiträge werden in der Regel monatlich gezahlt. Nun gibt es einen Beschluss – viele von Ihnen haben das vielleicht schon gehört –, dass im Landkreis Meißen die Eltern diesen Beitrag auf einmal, also für das gesamte Jahr, zahlen müssen, und zwar immer, bevor das Schuljahr beginnt. Das bedeutet für diesen Landkreis, dass die Eltern auf einmal 239,25 Euro zahlen müssen. Wenn die Eltern zwei Kinder haben, erhöht sich die Summe extrem. Die Eltern müssen fast 500 Euro auf einmal finanzieren, um den Kindern die Möglichkeit zu geben, zur Schule zu fahren.
Bei den Eltern wächst die Unzufriedenheit und der Wunsch der Entlastung von diesen Summen. Die Unzufriedenheit, die hier wächst, geht auch in Aktivitäten über. Wir halten das für richtig, wenn das Parlament nicht in der Lage ist, klar und deutlich Entscheidungen zu treffen.
In der Sächsischen Verfassung, Artikel 102 Abs. 4, gilt eine verfassungsrechtlich garantierte Unentgeltlichkeit des Unterrichts. So, wie der Freistaat Sachsen für die Schülerinnen und Schüler auch die kostenlosen Schulbücher zur Verfügung stellt – zwar auch erst nach hartem Kampf, aber jetzt wird es ja gemacht –, sind wir der Auffassung, dass wir die Verfassung so verstehen, dass die Schülerbeförderung für die Schülerinnen und Schüler aufgrund der Festlegung in der Verfassung kostenfrei sein muss.
Unser Gesetz sieht vor, das Schulgesetz in § 23 Abs. 3 Nr. 2, also die Ermächtigung der Landkreise und kreisfreien Städte zur Erhebung von Elternbeiträgen, zu streichen. Für das kommende Schuljahr 2014/2015 soll es keinerlei Eigenanteile für Schüler bzw. Eltern zur Schülerbeförderung mehr geben. Im Artikel 2 dieses Gesetzes regeln wir den Mehrbelastungsausgleich. Viele von Ihnen werden sagen: Wie sollen das die Kommunen finanzieren? Das haben wir in unserer neugeregelten Verfassung, die zum 01.01.2014 hier in diesem Hohen Haus beschlossen wurde, ganz klar geregelt.
Sollten Mehrbelastungen durch ein Gesetz entstehen, ist den kommunalen Trägern in jedem Fall ein direkter finanzieller Ausgleich zu gewähren. Wir haben das sehr direkt und bewusst in dieses Gesetz hineingeschrieben, weil wir heute im Laufe des Tages schon einmal erlebt haben, dass das, was wir in der Verfassung vereinbart haben, nicht unbedingt in Gesetzen fixiert wird und
umgesetzt werden soll. Demzufolge haben wir es hier noch einmal ganz klar fixiert, sodass den Kommunen keinerlei zusätzliche Belastungen entstehen dürfen.
Daher sind die Mittel, die die kommunalen Träger dann nicht über die Eltern erhalten, durch den Freistaat Sachsen zu übernehmen. Eine sofortige rechtliche Regelung halten wir für sinnvoller als die Aufforderung an die Staatsregierung, einen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Denn diese Lösung, die Aufforderung zur Erarbeitung eines Gesetzentwurfs, wird noch einmal Zeit kosten und das Problem weiter verzögern. Das wollen wir nicht.
Daher möchte ich den Präsidenten bitten, unseren Gesetzentwurf in die Ausschüsse zur Diskussion zu überweisen.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Regelung der Kostenfreiheit der Schülerbeförderung für Eltern und Schüler in Sachsen, Sächsisches Schulwegekostenfreiheitsgesetz, an den Ausschuss für Schule und Sport (federführend), an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss, an den Innenausschuss, an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (mitbe- ratend) zu überweisen.
Meine Damen und Herren! Wer diesem Vorschlag zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Ich danke Ihnen. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das kann ich nicht feststellen. Damit ist die Überweisung beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt beendet.
Als Einbringer sprechen zuerst die Fraktionen CDU und FDP, anschließend DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Zunächst spricht für die Fraktion der CDU wie angezeigt Herr Abg. Pohle. Herr Pohle, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein altes deutsches Sprichwort sagt: Handwerk hat goldenen Boden. Da ist etwas dran, denn es wird immer und überall benötigt. Ich – selbst Handwerker, wie Sie wohl wissen – glaube aber manchmal, dass in der gesellschaftlichen und politischen Wahrnehmung etwas mit dem deutschen Sprichwortschatz durcheinandergerät und man das Handwerk lediglich als das Huhn betrachtet, das die goldenen Eier zu legen hat.
Die Große Anfrage meiner Fraktion und der FDP-Fraktion zum Thema „Das sächsische Handwerk – Bestandsaufnahme und Perspektiven“ liefert ein umfassendes Wissensfundament für die Bedeutung des Handwerks für die sächsische Wirtschaft.
Allein die Tatsache, dass 22,2 %, im Bundesdurchschnitt aber nur 15,9 %, der sächsischen Unternehmen Handwerksbetriebe sind, macht die besondere Situation in Sachsen deutlich. Mit 19,6 % Anteil an der sächsischen Wirtschaftsleistung liegt dieser Anteil mehr als doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Wie nicht anders zu erwarten, trägt in Sachsen das Handwerk einen überdurchschnittlichen Anteil zur Berufsausbildung bei. Liegt der Anteil an der sozialversicherungspflichtigen Beschäf
Die Zahlen sind eindrucksvoll, haben aber verschiedene Ursachen und Folgen. Die starke Verankerung des Handwerks hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass Sachsen beispielsweise die Folgen der schweren Finanzkrise von 2009 besser bewältigen konnte als andere Regionen in Deutschland und Europa. Sichtbares Zeichen dafür ist, dass die Insolvenzrate bei den Handwerksbetrieben auch im Krisenjahr 2009 genau 3 % unter der durchschnittlichen Insolvenzrate in Sachsen lag. Die meist kleineren, von Familien und selbsthaftenden Unternehmern geführten Firmen reagieren auf die Schwankungen globaler Märkte ruhiger als Großunternehmen. Handwerker fahren sozusagen auf Sicht. Umso mehr sind sie auf wirtschaftsfreundliche Bedingungen auf dem Binnenmarkt angewiesen.
Werfen wir noch einmal einen Blick auf die von mir schon kurz angesprochenen Betriebsgrößen. Zwei Drittel aller Betriebe beschäftigen weniger als fünf Mitarbeiter, nur 6,4 % haben mehr als 20 Beschäftigte. Das hat Folgen. Forschung, Entwicklung und Produktinnovationen gehen an den meisten Kleinbetrieben naturgemäß vorbei. Wenigstens die Innovationsprämienförderung, die auch die Möglichkeit kleinerer Förder- und Innovationsbeträge beinhaltet, hat sich als ein Instrument erwiesen, das der handwerksspezifischen Betriebsstruktur gerecht zu
werden scheint. Mit der Innovationsstrategie des Freistaates Sachsen hat sich die Staatsregierung diesem Themenkreis gestellt und sich dazu bekannt, dem Größennachteil entgegenzuwirken.
Damit sind wir wieder beim sprichwörtlichen goldenen Boden. Das Handwerk benötigt viel mehr fruchtbaren Boden, einen Boden, der es ihm erlaubt, seine Vorteile wie Marktnähe und Flexibilität zu entfalten. Kleine Unternehmen leiden beispielsweise mehr noch als andere unter überbordender Bürokratie und unnötigen wirtschaftlichen Restriktionen. Mit seinem Bürokratieabbauprogramm hat Sachsen hier einen Anfang gemacht. Das muss und wird weitergehen. Auch um diesen Prozess zu unterstützen, bringen die Fraktionen von CDU und FDP den Ihnen heute vorliegenden Entschließungsantrag zur Großen Anfrage ein.
Viele Aufgaben liegen noch vor uns. Viele Belastungen, die das Handwerk, aber auch andere kleine und mittelständische Unternehmen drücken, gehören auf den Prüfstand. Die Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge gehört dazu. Einst, in schlechten Zeiten, den Versicherungsträgern als sozusagen zinsloser Kredit zur Verfügung gestellt, belasten sie bis heute die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen und verursachen eine in der jetzigen guten wirtschaftlichen Situation der Sozialversicherungen unzumutbare bürokratische Last, vor allem eben für kleine Betriebe.
Die Einführung des Mindestlohns benötigt Rahmenbedingungen, die es dem Huhn ermöglicht, auch weiter goldene Eier zu legen. Die davon zu erwartenden Einnahmen im Steuersäckel und bei den Sozialversicherungsträgern müssen wenigstens teilweise an jene zurückfließen, die sie maßgeblich erarbeiten. Eine Beschäftigung mit kalter Progression und Mittelstandsbauch halte ich für längst überfällig, und das nicht nur im Sinne der Unternehmen, sondern auch im Sinne der Arbeitnehmer.
Auch sie müssen merklich von ihrem höheren Einkommen profitieren können. Letztlich bilden gerade sie den gesunden Binnenmarkt, den das Handwerk besonders dringend benötigt. Diskussionen wie etwa zur Abschaffung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Handwerkerleistungen sind da eher unproduktiv.
Aber auch bewährte und in ihrer Zeit berechtigte Institutionen gehören auf den Prüfstand. Ich denke da an die zahlreichen Sonderversorgungs- und Versicherungssysteme. Aufgaben müssen auf Zeitgemäßheit überprüft werden. Für die Mittelverwendung sollten allgemeine Transparenzregeln gelten.
Beim Thema Bürokratie sei mir ein Blick auf Europa gestattet. Auch das Handwerk profitiert vom europäischen Markt. Ich stehe vollumfänglich zur europäischen Integration, auch wenn sie gelegentlich notwendige schmerzliche Nebenwirkungen hat.
Aber auch hier benötigt das Handwerk Schutz vor zu großer Regelungswut. Die Diskussionen um den deutschen Meisterbrief sind ein Beispiel dafür. Erfolgsgeschichten dürfen nicht aufgegeben werden. Einigungen dürfen nicht auf unterstem Niveau oder dem kleinstmöglichen Nenner erzielt werden.
Ein anderes Beispiel scheint sich mit dem Gezänk über die Marke Made in Germany aufzutun, über das die „Leipziger Volkszeitung“ vorgestern berichtete. Eine Marke, die auch für das Handwerk steht und deren Ruf vom Handwerk mit erarbeitet wurde, darf nicht ohne Not zur Disposition gestellt werden.
Gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Energiewende müssen so ausgestaltet sein, dass die Lasten fair verteilt werden. Einerseits müssen Versorgungssicherheit und Zukunftsfähigkeit des Energieträgermixes gewährleistet werden, andererseits muss bei der Verteilung der Kosten und derzeitigen Ausgestaltung des Wandels Augenmaß walten. Es stimmt mich nachdenklich zu hören, dass energieintensive Produktionsprozesse wie etwa die Produktion von Karbonfasern für die Automobilindustrie schon jetzt in die Vereinigten Staaten ausgelagert werden.