Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE möchte erst in der zweiten Runde reden. Deshalb rufe ich jetzt die Fraktion der SPD auf. Frau Abg. Köpping, bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Abgeordneten! Liebe FDPAbgeordnete, man muss sich nun einmal entscheiden: Sind wir nun ein Autoland oder ein Handwerkerland? Irgendwo kann man da mal eine klare Linie zeigen.
Trotzdem möchte ich als Erstes mit einem Lob an das SMWA beginnen. Das ist außergewöhnlich – Herr Morlok schaut gleich auf. Ich finde schon, dass die Beantwortung der Großen Anfrage außerordentlich gründlich und umfänglich ist und dies zum Standard für künftige Anfragen werden sollte.
Ich habe jüngst erst eine Anfrage zum Thema „Barrierefreie Zugänge am Citytunnel“ gestellt. Darauf bekam ich zur Antwort: Das kennt das SMWA nicht. – So lauten also die Antworten an uns auch.
Ich denke, dass diese Art der Beantwortung, wie es bei dieser Großen Anfrage der Fall war, zum Standard für alle Fraktionen werden sollte. Das könnte eine Aufgabe für die Zukunft sein.
Aber nun zum eigentlichen Thema. Das Handwerk hat goldenen Boden, Herr Pohle hat das schon gesagt. Das ist richtig. „Das Handwerk ist eine unentbehrliche Säule der sächsischen Wirtschaft.“ So beginnen oft die Reden, wenn es um das Handwerk geht. Aber die sächsischen Handwerksbetriebe brauchen wirkliche Unterstützung statt vielstimmiges Lob in Sonntagsreden oder Scheinanträge ohne jegliche Konsequenz.
Es ist schon beachtlich, dass die Koalition kurz vor der Wahl eine Große Anfrage zur Bestandsaufnahme und der Perspektive des Handwerks stellt. Die Große Anfrage ist zeitlich so gelegt, dass ganz sicher keine Handlungen mehr zu erwarten sind.
Wenn es in den vergangenen Jahren in Sachsen um wirtschaftspolitische Schwerpunkte ging, hat die Koalition das Handwerk gern komplett ignoriert.
Beispiel 1: Aktuelle wirtschaftspolitische Thesen der CDU vom März 2014. Neben der überraschenden Erkenntnis, dass Sachsens Wirtschaft trotz der mantraartigen Beschwörung der letzten Jahre doch nicht so gut dasteht, wie immer behauptet – das ist ein Verweis des VSW – – Die Kennzahlen sind also keine SPD-Propaganda. Ich nenne einmal ein paar Punkte: 70 % des Bundesniveaus bei den Bruttoentgelten je Arbeitnehmer, 70 % des Bundesniveaus bei der Bruttowertschöpfung je Arbeitnehmer, 35 % des Bundesniveaus bei der internen FuE-Aufwendung, 41 % des Bundesniveaus bei den bilanzierten Eigenmitteln. Kaufkraft, bei Steueraufnahmen, BIP bei allen zentralen Wirtschaftsindikatoren – es gab in den
vergangenen Jahren keinerlei Aufholprozess zu den westdeutschen Bundesländern. Das ist die Realität.
Nach dem Ankommen der CDU in der wirtschaftlichen Realität: Wie so oft kommt das Handwerk in den wirtschaftspolitischen Thesen der CDU erst dann vor, wenn in der Antwort keinerlei, also null Erwähnung ist. Am Rande sei angemerkt: Interessant ist die Einsicht der CDU, sich in den letzten Jahren um das Thema Wirtschaft nicht gekümmert zu haben. Ich habe das heute in der Aktuellen Debatte schon einmal ausgeführt. Diese Bankrotterklärung kam nicht von irgendwem, sondern vom Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn Flath, in der Regierungszeit und ist seine Bilanz der letzten fünf Jahre.
Beispiel 2: Enquetekommission – Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen. Wie wird das Handwerk dort positioniert? Antwort der CDU/FDP-Koalition: Das Handwerk wurde auch hier vollkommen vergessen oder, genauer gesagt, bewusst ignoriert. Es bedurfte erst eines umfassenden Minderheitenvotums, um das für Sachsens Wirtschaft wichtige Handwerk entsprechend zu positionieren. Auf die zentralen Forderungen komme ich zu einem späteren Zeitpunkt zurück.
Wenn das Handwerk nicht gerade ignoriert wurde, gab es Scheinanträge. Aktivitäten wurden vorgetäuscht, wie immer ohne jegliche Relevanz. Als Beispiel nenne ich die Drucksache 5/10651: „Bürokratie abbauen und Liquidität für Handwerker sichern, Vorverlagerung der Fälligkeit für Sozialversicherungsbeiträge rückgängig machen“. Das war im Dezember 2012.
Die Antwort des SMWA: Man prüft die Sinnhaftigkeit und erwägt gegebenenfalls eine Initiative. Umsetzung seither: Fehlanzeige!
Überraschung: Die Forderung findet sich wieder im heutigen Entschließungsantrag, der auch nur mit viel Humor genießbar ist. Das ist aus der Sicht der FDP verständlich, da sie sonst nirgends mehr etwas zu sagen hat und man schreibt einmal, wogegen man alles ist. Aber von der CDU hätte ich das nicht erwartet. Ich dachte, Sie stellen die Kanzlerin und den Finanzminister und sind Teil der Großen Koalition im Bundestag. Sie stellen Forderungen auf, zu denen vielleicht ein kurzes Telefonat oder etwas politischer Gestaltungswillen genügt hätten. Aber wie immer: vollkommene Fehlanzeige!
Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen Jahren einen engen Dialog mit den sächsischen Handwerkskammern geführt und gemeinsame Veranstaltungen zu Themen wie der Rohstoffsicherheit, der Energiewende oder dem Vergabegesetz durchgeführt.
Deshalb möchte ich die Debatte nutzen, um auf unsere zentralen Ansätze und Forderungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im sächsischen Handwerk einzugehen.
Die einzelnen Punkte in dem Ihnen vorliegenden Entschließungsantrag möchte ich aus Zeitgründen nicht ausführen und nur auf einige wenige Punkte eingehen. Drei Ansatzpunkte möchte ich erwähnen.
Erstens – neuer handwerksgerechter Innovationsbegriff: Das Prognos-Institut hat in einer Studie zur Innovationstätigkeit von Handwerksbetrieben herausgearbeitet, dass jeder zweite Handwerksbetrieb in den letzten Jahren mindestens in einem Projekt innovativ war. Die Rolle der Handwerksbetriebe im Innovationsprozess ist äußerst vielschichtig. Sie sind nicht nur eigenständige Innovatoren, sondern auch Ideengeber für Industrie und Forschung, sie sind Technologieanwender und Multiplikatoren bzw. Mittler zum Markt. Deshalb muss in dem jeweiligen Förderprogramm ein breiterer Innovationsbegriff eingeführt werden.
Neben den technischen Innovatoren gibt es auch Dienstleistungs- und soziale Innovatoren, die dem sächsischen Handwerk deutlich stärker zugute kommen. Damit sind viele Förderprogramme mit ihren faktischen Mindestvolumina innerhalb des Handwerks realitätsfremd.
Zweitens – stärkere Bestandspflege und Vor-Ort-Beratung: Die Insolvenzzahlen sind rückläufig und die Gründungsraten eher gering. Deshalb muss die Bestandspflege, bezogen auf die Erhaltung der betrieblichen Substanz, Liquidität und Stärkung der Innovationskraft, mit zu einem zentralen Ansatzpunkt für die Unterstützung der Handwerker werden. Deshalb muss die einzelbetriebliche Beratung in allen Lebenslagen des Handwerksbetriebs vor Ort ausgebaut werden; gerade mit Blick auf die Erstellung von Personalentwicklungskonzepten als Vorsorgemaßnahme für den Fachkräftemangel oder die gezielte Inanspruchnahme von Förderung.
Drittens – die Fachkräftesicherung selbst. Die Sicherstellung des Fachkräftebedarfs muss auf Landesebene endlich zur Chefsache gemacht werden, um den sächsischen Unternehmen zum Erhalt und bei der Suche nach qualifizierten Fachkräften aktive Unterstützung zu geben. Sachsen muss eine gemeinsame Fachkräftebilanz mit allen beteiligten Akteuren ziehen und dabei Sachsen zum Vorreiter für gute und faire Arbeit machen. Der Freistaat hat eine Fachkräftestrategie mit über 150 Maßnahmen erarbeitet. Auf die jüngste Nachfrage, was denn bisher geschehen ist, gab es ein großes Schulterzucken.
Wir setzen auf die weitere Stärkung der dualen Ausbildung und die verbesserte Anpassung des Schulunterrichts an die Bedürfnisse des Handwerks, indem eine praxisnahe Berufsorientierung im Lehrplan fest zu verankern ist. Es ist eine Berufs- und Studienorientierung mit einer durchgreifenden Systematisierung, Koordinierung und Transparenz sämtlicher Maßnahmen vorzunehmen. Für die neue Förderperiode sollte die Wirksamkeit von Projekten und deren Praxisnähe in den Mittelpunkt gerückt werden.
Sachsen braucht eine Verbesserung des Übergangsmanagements Schule – Ausbildung – Beruf durch eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Berufsberatung und nicht nur eine Berufsorientierung, einen koordinierten Ausbau des bestehenden Dialogs zwischen der Schule und der Wirtschaft, die Integration von berufspraktischer Bildung in den Schulalltag sowie eine stärkere Orientierung und Unterstützung für mehr projektorientierte Lernphasen.
Bis zum Jahr 2020 muss die Zahl der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss auf maximal 4 % sinken. Die Qualität der Schulabschlüsse und die Ausbildungsfähigkeit müssen deutlich verbessert werden. Sachsen muss endlich seine Potenziale nutzbar machen, um dem Fachkräftemangel wirksam entgegenzutreten.
Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen eingehen. In ihm finden sich drei Arten von Forderungen: Erstens. Über die Hälfte der Punkte ist Teil des aktuellen Koalitionsvertrages auf Bundesebene. Sie haben die Forderungen einfach abgeschrieben, die Umsetzung wird folgen.
Zweitens, zur Infragestellung von Beschlüssen des Bundes. Hier kommen die zwei Gesichter des Ministerpräsidenten leider zum Tragen. Er sitzt in Berlin bei den Verhandlungen zum Mindestlohn, zur Energiewende oder zur Rente, findet es gut oder sagt gar nichts. Kurze Zeit später – wieder in Dresden angekommen – wird gesagt: Das sind Vorschläge der SPD.
Drittens. Alle Forderungen, die Sachsen selbst angehen müssten, bleiben sehr vage. Die Schlagworte sind „Bürokratieabbau“, „Kampf gegen Schwarzarbeit“ oder „Unternehmensnachfolge“. Wir haben hierzu entsprechende Anträge im Plenum gestellt.
Kurzum: Das Handwerk ist ein zentraler Wirtschaftsfaktor im Freistaat, der viel größere Aufmerksamkeit und Unterstützung verdient hätte, als ihm die aktuelle Regierung in den letzten Jahren zukommen ließ. Es wird endlich Zeit, dass es wieder eine wirklich aktive Wirtschafts- und damit auch konkrete Mittelstands- und Handwerkspolitik im Freistaat geben wird.
Recht vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Köpping, ich komme mit einem Zitat aus Ihrem Vortrag nicht klar. Sie haben gesagt, Sie könnten unseren Entschließungsantrag nur mit Humor lesen bzw. er wäre nur mit Humor lesbar.
Ich verstehe das nicht: In Ihrem Redebeitrag werfen uns vor, dass wir nicht stringent das auswerten würden, was wir mit der Antwort auf die Große Anfrage vorliegen haben. Wenn ich eine Große Anfrage stelle, dann muss danach etwas folgen und es muss doch zumindest in einem Entschließungsantrag münden.
Das Nächste ist: Eine zentrale Forderung des Handwerks – das umfahren Sie – bezieht sich auf die Vorfälligkeit der Sozialkassenbeiträge. Wer ist denn dafür verantwortlich? Wer ist denn verantwortlich dafür gewesen, dass dieser Raub, der da vorgenommen wird, weitergeführt wird? Die Antwort habe ich in Ihrem Redebeitrag leider vermisst.
Zur ersten Frage ganz einfach: Ich hätte in Ihrem Entschließungsantrag erwartet, dass Sie dort konkrete Maßnahmen vorschlagen, was Sie tun wollen, und nicht nur auflisten, was zu tun wäre. Das ist Punkt 1.