Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Ich werde Ihnen den bekannten Entwurf noch einmal vorlesen, damit auch Sie zur Kenntnis nehmen können, dass das nicht so ist:

(Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Habe ich schon!)

„Jede Person hat das Recht auf Zugang zu Informationen der Regierung und Verwaltung sowie Dritter, die in öffentlichem Auftrag handeln, soweit nicht gesetzlich geschützte Rechte Dritter, der Geheimschutz oder Kernbereiche der Eigenverantwortung von Regierung oder Verwaltung betroffen sind.“

Es ist eineindeutig: natürlich nicht in geschützte Rechte.

Zweitens. Sie fragten zu Recht, was ist, bevor das Umsetzungsgesetz gilt. – Ja, wir wollen ein Grundrecht schaffen, ein durchsetzbares Grundrecht. Wir halten das für effektiv. Wir sehen gerade bei Ihrer Arbeit, wie schwer es ist, umfassende Artikelgesetze zu machen und wie lange sie dauern. Wenn Sie aber meinen, dass ein einfaches Gesetz zur Informationsfreiheit besser wäre, dann legen Sie doch endlich eines vor. Ihr E-Government-Gesetz enthält das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Drittens: Gerade die FDP behauptet immer, dass sie so sehr für die Abschaffung von Bürokratie und Normen sei. Dann muss man Gesetze auch einmal rückwirkend abschaffen können,

(Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Nein!)

und es wäre auch gut, wenn das Volk das könnte. Gerade das wollen wir, Herr Minister. Dass Sie das so schlimm finden als FDP-Vertreter, hat mich heute wirklich überrascht.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die Kurzintervention von Frau Jähnigen. Herr Staatsminister

Dr. Martens möchte erwidern.

Sehr geehrter Herr Präsident, der letzte Teil dieser Stellungnahme fordert doch eine Gegenstellungnahme heraus. Sehr geehrte Frau Jähnigen! Man muss nicht auch einmal Gesetze rückwirkend ändern können. Anderer Ansicht ist nämlich unsere Verfassung. Darin gibt es so etwas wie Vertrauensschutz und es gibt die Regelung von der Gleichwertigkeit der Volksgesetzgebung und der parlamentarischen Gesetzgebung.

(Beifall bei der FDP)

Die Lässigkeit, mit der Sie hier aufgrund einfacher politischer Präferenzen meinen, man müsse doch auch

einmal rückwirkend Gesetze aufheben können, ist in der Tat beängstigend. Es ist an der Zeit, dass ich als für die Verfassung zuständiger Minister sage: Mit dieser Staatsregierung und mit dieser Mehrheit in diesem Haus werden Sie das nicht hinkriegen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich frage zunächst Sie, Herr Prof. Schneider, ob Sie das Wort als Berichterstatter des Ausschusses wünschen. – Das ist nicht der Fall.

Aufgerufen ist das 1. Gesetz zur Modernisierung der Verfassung des Freistaats Sachsen in Drucksache 5/12162 – Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Abgestimmt wird über den Gesetzentwurf der Fraktion.

Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 5/14455 vor. Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung. Soll der Änderungsantrag dennoch eingebracht werden? – Das ist nicht der Fall. Ich lasse über den Änderungsantrag abstimmen. Wer für den Änderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu heben. – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Änderungsantrag nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf selbst. Ich werde daran denken, Frau Jähnigen, dass Sie zu Artikel 1 eine punktweise Abstimmung wünschen.

Ich lasse zunächst über die Überschrift abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu heben. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist der Überschrift dennoch nicht zugestimmt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über Artikel 1, zunächst zu Nr. 1 betreffend Artikel 10 der Verfassung. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hier gibt es Stimmenthaltungen und zahlreiche Stimmen dafür, aber nicht die erforderliche Mehrheit.

Ich lasse über Nr. 2 betreffend Artikel 34 der Verfassung abstimmen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist auch hier die erforderliche Mehrheit nicht erreicht worden.

Wir kommen zu Nr. 3 betreffend Artikel 71 der Verfassung. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist Nr. 3 nicht entsprochen worden.

Wir kommen zu Nr. 4 betreffend Artikel 72 der Verfassung. Wer ist dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Auch hier stelle ich wenige Stimmenthaltungen fest und etwas mehr Stimmen dafür, aber nicht die erforderliche Mehrheit.

Um nichts falsch zu machen, lasse ich über Artikel 1 insgesamt abstimmen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist Artikel 1 mehrheitlich nicht entsprochen worden.

Ich komme zur Abstimmung über Artikel 2 des Gesetzentwurfes. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist Artikel 2 nicht mit der erforderlichen Mehrheit entsprochen worden.

Meine Damen und Herren! Da alle Teile des Gesetzentwurfes nicht die erforderliche Mehrheit erhalten haben, erübrigt sich eine Schlussabstimmung.

Herr Dr. Gerstenberg, Sie möchten eine Erklärung abgeben. Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute natürlich diesem Gesetzentwurf meiner Fraktion zugestimmt, so wie ich auch in den vergangenen Jahren einer Verfassungsänderung zugestimmt hatte, die sich nur auf die Schuldenbremse beschränkt hat.

Ich habe das damals getan, obwohl ich diese Änderung als eine Niederlage empfunden habe, und zwar als eine Niederlage für die direkte Demokratie in Sachsen.

Es war in den Verfassungsverhandlungen der 1. Legislaturperiode für unsere Fraktion gemeinsam mit der SPDFraktion ein zentraler Punkt, den Menschen hier in diesem Lande einen funktionierenden Weg zur Volksgesetzgebung zu ermöglichen. Bezeichnenderweise war es damals Landtagspräsident Erich Iltgen, der auch genau diesen Aspekt der Sächsischen Verfassung als eine Besonderheit hervorgehoben hat.

Wir haben in den über 20 Jahren der Verfassungsrealität erleben müssen, dass dieser Verfassungstext der Volksgesetzgebung nicht funktioniert.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt doch nicht!)

Ein einziges Volksbegehren ist zum Erfolg gekommen.

(Zuruf von den LINKEN – Marko Schiemann, CDU: In anderen Ländern gibt es kein einziges!)

Da muss man auch nicht noch die demografische Entwicklung zu Rate ziehen.

Es ist deshalb auch kein Zufall, dass der Freistaat Sachsen mit seinen Regelungen zur direkten Demokratie in den bundesweiten Vergleichen über die Jahre immer weiter nach hinten gerutscht ist und mittlerweile keine Führungsrolle mehr einnimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Es ist in dieser Situation aus meiner Sicht ganz deutlich, dass es im Bereich der direkten Demokratie einen Veränderungsbedarf gibt. Der Verfassungstext muss nachgebessert werden.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, DIE LINKE)

Es war für mich bezeichnend, dass sich im vergangenen Jahr bei den Verfassungsberatungen CDU und FDP dieser Nachbesserung verweigert haben.

(Zuruf von der CDU: Was?)

Ich habe deshalb nicht nur diesen Gesetzentwurf meiner Fraktion unterstützt, sondern ich werde auch der künftigen Fraktion raten, diesen Punkt immer wieder aufzugreifen. Die mündigen Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande haben es verdient, dass sie wirklich die Rechte in

Anspruch nehmen können, die ihnen die Verfassung scheinbar zuschreibt.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Das war die Erklärung des Abg. Dr. Gerstenberg zu seinem Abstimmverhalten.

Der Tagesordnungspunkt 3 ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf