Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Es beginnt DIE LINKE, danach CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der Fraktion DIE LINKE, Frau Abg. Gläß, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherlich haben Sie sich den Antrag angesehen, mit dem wir heute, also noch deutlich vor der Haushaltsdebatte zum Ende des Jahres, Gleichstellung auch in der Finanzplanung einfordern. Wir fordern in unserem Antrag, Voraussetzungen für die Förderung einer tatsächlichen Gleichstellung der Ge

schlechter im Bereich des Staatshaushaltes in Sachsen zu schaffen.

Bewusst haben wir nicht den Begriff Gender Budgeting in den Antragstitel genommen, denn das Wort Gender ruft bei einigen Fraktionen sofort wieder den bekannten Beißeffekt hervor.

(Christian Piwarz, CDU: Zu Recht!)

Wir wollen, dass auch die öffentliche Hand stärker als bislang zu einer Gleichstellung der Geschlechter in der Gesellschaft beiträgt, und das nicht nur auf Internetseiten

oder in Sonntagsreden. Dazu ist gerade Gender Budgeting das Mittel, das im Kern das Ziel eines geschlechtergerechten Haushalts durch das Ermitteln und Offenlegen geschlechterspezifischer Auswirkungen von Haushaltspolitik erreichen will.

(Jens Michel, CDU: Falsch!)

Schon in den Entschließungsanträgen in den Debatten zu den Doppelhaushalten 2011/2012 und 2013/2014 hatte unsere Fraktion die Einführung des Gender-BudgetingPrinzips in die sächsische Haushaltsplanung beantragt, mit bekanntem Ausgang. Deshalb wollen wir jetzt deutlich früher darauf hinweisen. Wir beschränken uns aber in unserem Antrag nicht nur auf die Analyse von vorgelegten Haushaltsplänen, sondern wollen auch Einfluss auf die Erstellung von Haushaltsplanungen nehmen, um bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sowie die ungleiche Nutzung von Budgets zu beseitigen und damit mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen.

Grundlage dafür ist natürlich eine geschlechterdifferenzierte Datenerhebung in vielen – eigentlich allen – Bereichen. Das grundsätzliche Problem für einen geschlechtergerechten Haushalt in Sachsen ist nämlich, dass es für zahlreiche Politik- wie Lebensbereiche keine oder ungenügende geschlechterdifferenzierte Daten gibt. Sie sind nicht vorhanden oder werden nicht erhoben; das haben wir schon 2010 angemahnt. Die Staatsregierung gibt sich mit dieser Situation zufrieden. Das hat sie in ihrer ablehnenden Stellungnahme zu unserem Antrag auch wieder deutlich gemacht.

Man sollte sich aber durchaus fragen, welche Auswirkungen ressourcenwirksame Entscheidungen auf die vielfältigen Situationen von Frauen und Männern haben. Wer profitiert von welchen Ausgaben – direkt oder indirekt? Wer trägt wie zu welchen Einnahmen bei? Welche Auswirkungen haben Einsparungen? Wer trägt die Lasten, die dadurch entstehen? Welche ressourcenwirksamen Entscheidungen und Maßnahmen verfestigen oder verändern auch Geschlechterrollen – positiv wie negativ? Da ist es schon ein Unterschied, ob das Geld zum Beispiel in den Straßenneubau oder den öffentlichen Nahverkehr gegeben wird. Denn beides – Auto wie ÖPNV – wird unterschiedlich von den Geschlechtern genutzt. Da muss man sich fragen, welcher Betrieb öffentliche Gelder, also Fördermittel, erhält oder nicht – und wenn er sie bekommt, wofür. Welche Studienrichtungen und Fachbereiche einer Uni oder einer Hochschule bleiben erhalten oder werden abgewickelt? Auch das hat Auswirkungen auf die Geschlechter. Welche Sportarten erhalten wie viel staatliche Förderung? Auch da sind die Verhaltensweisen von Frauen und Männern rechtlich unterschiedlich – und somit auch die Auswirkungen dieser Gelder.

Um nur einige Beispiele zu nennen: Sie werden mir sicher recht geben, dass Frauen und Männer bei aller Gleichstellung, die wir anstreben, doch noch recht unterschiedlich von all diesen Entscheidungen betroffen sein können. Dazu ist es auch notwendig, den Rahmen der amtlichen Statistik anzupassen, um ausreichend differenzierte Daten

zu den unterschiedlichen Lebenslagen für das Gender Budgeting im Haushaltsverfahren nutzbar machen zu können.

In anderen Bundesländern wie Rheinland-Pfalz, Berlin, Baden-Württemberg, Brandenburg oder Nordrhein

Westfalen – auch in Kommunen wie Freiburg oder Münster – ist die Nutzung von Gender Budgeting schon eine Selbstverständlichkeit – oder es gibt zumindest Projektgruppen, die die Einführung vorbereiten oder auch schon durchführen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Gläß?

Bitte.

Ich würde gern versuchen, Ihren Gedanken zu folgen. Wenn wir die Wirtschaftsförderung anschauen und dort etwas in den Haushalt eingestellt ist, hieße das dann, dass ein Unternehmen, das Damenstrümpfe herstellt, eine Förderung über die SAB bekommen könnte und eines, das Herrenstrümpfe herstellt, nicht? Oder wie haben Sie sich das bei der Förderung vorgestellt?

Also bei Damenstrümpfen, Kollege Krauß, würde ich sagen: Da müsste man überlegen, ob die Förderung von Damen- und Herrenstrümpfen etwas ist, was man durch Fördermittel beeinflussen muss.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Hier geht es aber darum, welche Unternehmen bestimmte Förderungen erhalten. Sind es Betriebe, in denen hauptsächlich Männer beschäftigt sind? Sind es Betriebe, in denen hauptsächlich Frauen beschäftigt sind? Hier könnte man überlegen. Gerade in Krisenzeiten sind in Bereiche, in denen Männer beschäftigt werden – in der Metallbranche, in der Autoindustrie –, sehr viel Unterstützungen staatlicherseits geflossen, was bei Pflegeeinrichtungen und anderen Betrieben, in denen hauptsächlich Frauen beschäftigt sind, nicht so gewesen ist. Soweit ich mich erinnere, sind in den Strumpffabriken größtenteils Frauen beschäftigt, also geben Sie dort die Fördermittel hin, dann haben die Frauen die Förderung erhalten.

Zurück zu meinem Gedanken: Gender Budgeting ist in vielen Ländern entweder schon Selbstverständlichkeit, oder es existieren Projektgruppen, die dieses einführen. Auch die EU empfiehlt diese Form der geschlechtergerechten Haushaltsplanung. Übrigens: Schon 2002 beschloss die EU-Finanzministerkonferenz zur Umsetzung der geschlechtergerechten Politik die Einführung von Gender Budgeting bis 2015. Aber das gilt für Sachsen sicherlich nicht; vielleicht liegen wir nicht mehr in der EU.

Die Universität Leipzig hat im März dieses Jahres auf einer interessanten Tagung einen Erfahrungsaustausch

und eine Debatte zum Für und Wider von Gender Budgeting in öffentlichen Haushalten organisiert. Vertreterinnen und Vertreter vieler deutscher Universitäten – auch aus sächsischen Kommunen – waren dort anwesend. Sie haben die Berichte der österreichischen Gäste mit besonderer Spannung verfolgt. Dort, im Alpenland, ist das Prinzip Gender Budgeting seit 2009 in der Verfassung verankert und für alle öffentlichen Haushaltsplanungen bindend. Vertreterinnen und Vertreter der Staatsregierung wurden auf dieser Tagung, glaube ich, nicht gesichtet – warum auch?

Zu den konkreten Forderungen unseres Antrags „Für eine geschlechtergerechte Haushaltsplanung in Sachsen“

werden wir in der zweiten Runde von unserem Fachmann mehr hören.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Michel. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! DIE LINKE gibt an, mit dem Antrag die Voraussetzungen für die Förderung einer tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter im Bereich des Staatshaushalts in Sachsen schaffen zu wollen. Ein ähnlicher Antrag der SPD wurde als Sammeldrucksache im Plenum ohne Aussprache am 3. November 2010 abgelehnt. Es folgte auch schon die Ablehnung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Gender-Budgeting-Nutzen-Analyse für den Doppelhaushalt 2013/2014 im Plenum am 7. März 2012. Die damalige Debatte war wenigstens vom Datum her geschickt gewählt; es war ein Tag vor dem Frauentag. Um Zeit einzusparen, möchte ich auf meine Argumente aus der Debatte von damals verweisen.

Der nun vorliegende Antrag der LINKEN kann letztendlich – auch bei gutwilliger Auslegung und beim unbedarften Lesen – nicht zwingend auf eine sofortige Umstellung des Haushalts, der im Moment in den Chefgesprächen aufgestellt wird, reduziert werden. Das haben Sie zwar ein wenig in Ihrer Einbringungsrede zerstört, aber ich gehe einmal davon aus, dass Sie langfristig einen Strukturwandel möchten. Dazu muss ich sagen: Das gibt uns Gelegenheit, uns einmal etwas tiefer mit Gender Budgeting zu beschäftigen. Dem möchte ich auch voranstellen, dass die Gleichberechtigung von Frau und Mann ein ernsthaftes Thema ist, bei dem es noch einiges bzw. vieles zu tun gibt.

Aber ich bezweifle, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass das Haushaltsrecht der richtige Ort für die Lösung der Gleichstellung von Frau und Mann ist. Wenn wir uns Gender Budgeting einmal ansehen, dann stellen wir fest, dass es auch nicht unumstritten ist. Wie Sie bereits erwähnten, wird es an einigen Stellen in Deutschland getestet. Ich würde sagen, dass es korrekterweise „scheingetestet“ heißen muss.

Wenn Sie auf den Berliner Haushalt abstellen, dann lohnt sich nicht einmal die Zeit zum Lesen. Hier verweise ich einfach nur auf den Einzelplan 09. Lesen Sie die Seiten 11 bis 15 durch. Dort stehen nur einfache Floskeln,

(Zuruf von den GRÜNEN: Na, na, na!)

aber das ist keine Analyse zu einer Geschlechterbetrachtung im Haushaltsplan.

Betrachten wir den vorliegenden Antrag inhaltlich, dann zeigt sich die allgemeine Schwierigkeit des Gender Budgeting schon im ersten Punkt, und zwar unter der Definition von Punkt 1.1 des Antrags. Danach soll der Landtag feststellen, dass Gender Budgeting die systematische Analyse und Bewertung aller Einnahmen und Ausgaben auf die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse ist. Nach dieser Definition also haben wir zu trennen, von welchem Geschlecht die Einnahmen kommen. Es wäre also schon im Haushaltsplan ein Ansatz zu veranschlagen, wie viel Steuereinnahmen wir von Frauen und Männern erhalten. Jetzt frage ich die Antragsteller, wie wir dann bei den Steuern einer GmbH vorgehen sollen. Die GmbH ist eindeutig weiblich. Der Geschäftsführer aber ist eventuell männlich – oder ist Conchita Wurst, ich weiß es nicht.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN – Oh! von den LINKEN)

Wie bekommen wir die Daten zur Trennung der Einnahmenanteile, getrennt nach Geschlecht, bei der Biersteuer oder bei der Totalisatorsteuer? Welche Erkenntnisse leiten Sie dann davon ab?

Interessant fand ich auch die Behauptung, dass man mit einem geschlechtergerechten Staatshaushalt die Korruption zurückdrängen könne. Das werden Sie in der zweiten Runde sicherlich noch einmal erläutern.

Ich möchte das Thema oder die Problemstellung aber nicht ins Lächerliche ziehen, sondern nur auf die Konsequenzen der Zustimmung zu diesem Antrag hinweisen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese wenigen Fragen allein zeigen meines Erachtens schon auf, dass es eigentlich noch nicht ausgereift ist, einen Haushaltsplan geschlechtergetrennt aufzustellen, geschweige denn, dass es inhaltlich etwas bringt. Wir haben ganz andere und viel existenziellere Themen im Lande. Sie betreiben Symbolpolitik – das ist wirklich Symbolpolitik –, aber keine Problemlösung.

Die CDU-Fraktion steht zur Verfassung und von Natur aus zur Gleichberechtigung von Mann und Frau.

(Lachen bei den LINKEN)

Inhaltlich ist der Antrag zum Gender-Budgeting ein Schaufensterantrag. Es ist ein Selbstbefassungsthema. Ein realistischer Ansatz zur Problemlösung ist es nicht.

Probleme bei der Gleichberechtigung, die es durchaus gibt, werden nicht mit einem Genderbudget gelöst, sondern bei der jeweiligen Fachfrage. Damit sind wir dann am richtigen Ort der Problemlösung. Statt bürokratischer Monsterhaushalte – das würde entstehen – wären

das Fachgesetz oder die Förderrichtlinie der richtige Ort. Es geht also um konkrete Lösungen bei der fachlichen Regelung anstelle von Symbolpolitik.

Wir lehnen den Antrag ab. Sie, meine Damen und Herren, können Ihren Alternativhaushalt aber gern in Genderbudgetform aufstellen; dann kommen Sie auf mehr Seiten. Ich bin gespannt, wie Sie die Einnahmen zum Beispiel bei der Feuerschutzsteuer genderbudgetgerecht aufteilen. Wie schon gesagt, wir lehnen den Antrag ab. Die CDU konzentriert sich lieber auf die wirklichen Probleme im Lande.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ich denke, wir haben keine?)

Wir setzen unsere Kräfte dafür ein, diese zu lösen, und nicht für Schaufensteranträge.