Wenn Sie einmal einen kleinen zivilrechtlichen Anspruch vor einem brandenburgischen Amts- oder Landgericht durchsetzen müssen, da haben Sie Wartezeiten, bis Sie überhaupt zu einem Termin der mündlichen Anhörung kommen. So etwas gab es in Sachsen nie und wird es in Sachsen auch niemals geben, und darauf bin ich stolz: dass wir unsere Gerichte hier so ausgestattet haben.
Aber, meine Damen und Herren, elektronische Verwaltung muss auch rechtlich abgesichert sein. Auf kommunaler Ebene haben wir da einen Baustein geschaffen im Gesetz zur Fortentwicklung des Kommunalrechts. Dort haben wir die Voraussetzungen geschaffen, dass auch die Kommune mit ihren Stadträten und ihren Bürgern elektronisch kommunizieren kann. Wir werden das E-Government-Gesetz hier im Sächsischen Landtag noch beraten, mit dem wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, damit alle Bürger mit ihrer Verwaltung entsprechend sicher und verbindlich kommunizieren können.
Bei allen Anwendungen haben wir einen sogenannten technikoffenen Ansatz gewählt. Der technikoffene Ansatz bedeutet nicht: Wir geben als Staat vor, welche Technik eingesetzt werden soll, sondern wir geben den Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Verwaltung mit ihren Bürgern die technisch sichersten und modernsten Verfahren aussuchen kann.
Damit haben wir eine Innovationsmöglichkeit in jedem Schritt, wo die Technik vorangeht, und müssen nicht jedes Mal die technischen Voraussetzungen im Gesetz neu regeln.
Ich glaube, hier hat der Freistaat Sachsen eine Vorreiterrolle. Er ist Vorreiter auf der Ebene der Bundesländer und teilweise auch auf der Ebene aller staatlichen Verwaltung.
An dieser Stelle möchte ich Herrn Staatsminister Dr. Martens und Herrn Staatssekretär Dr. Bernhardt mit allen ihren Mitarbeitern in den zuständigen Abteilungen des Staatsministeriums der Justiz und für Europa ganz herzlich für ihre Arbeit danken. Sie haben seit dem Regierungsantritt die Staatsmodernisierung – und hierbei insbesondere im elektronischen Zeitalter – erheblich vorangetrieben. Sie haben modernisiert und Voraussetzungen geschaffen, von denen noch viele Generationen profitieren werden.
Meine Damen und Herren, bei allem Hang zur Technisierung und Modernisierung darf man eines nicht vergessen: Es wird immer Bürger geben, die sich mit dieser modernen Technik nicht auseinandersetzen können oder wollen. Auch hierfür müssen wir offen bleiben. Wir dürfen nicht durch die Modernisierung bestimmte Bevölkerungsteile vom Zugang zum Recht, vom Zugang zu öffentlicher Verwaltung abschneiden. Deshalb bin ich sehr froh, dass auch dort das Staatsministerium für Justiz und für Europa entsprechende Wege gefunden hat, um eine Kommunikation zu ermöglichen.
Für mich ist das einfachste Mittel hierbei die zentrale Behördenrufnummer D115, wo man einfach über das Telefon mit seiner Behörde in Kontakt treten kann, um die Anliegen, die den Bürger betreffen, schnell und unkompliziert zu klären.
Herr Dr. Martens hat hervorgehoben, wie viele Vorschriften im Freistaat Sachsen abgeschafft worden sind. Jetzt ist die Frage: Ist das ein Wert an sich? – Für mich schon, weil ich glaube, wir haben in der öffentlichen Verwaltung eine Neigung, alles zu regeln, für jedes eine Verwaltungsvorschrift zu machen, weil man manchmal nicht den Mut hat, einfach zu entscheiden und auch Ermessen auszuüben, und man versucht, durch ermessensleitende Vorschriften Einengung vorzunehmen.
Wenn wir diese Vorschriften zurückfahren, dann geben wir auch wieder ein Stückchen Entscheidungsfreiheit an die Behörden, und das ist wieder eine bürgernahe Verwaltung.
Ich finde es auch richtig, dass wir den Bürgern wieder Freiheit zurückgegeben haben, selbst zu entscheiden, ob sie in ihrem Garten einen Baum fällen oder nicht. Und ich habe nicht den Eindruck, dass die Bürger mit dieser neu gegebenen Freiheit nicht umgehen können. Sie machen verantwortungsvoll davon Gebrauch, und das finde ich gut so.
Herr Kollege Bartl, Sie haben bei den gemeindlichen Vorkaufsrechten im Wasserrecht gesagt, man hätte den Kommunen ein Instrument genommen, damit sie angemessen und im Einzelfall entscheiden, was Sie für den Hochwasserschutz tun können. Herr Bartl, nennen Sie doch einmal die Beispiele, wo Gemeinden wirklich dieses Vorkaufsrecht ausgeübt haben, um damit tatsächlich effektiven Hochwasserschutz zu betreiben.
Es ist doch eine Mär, dass dieses Recht überhaupt etwas gebracht hat und dass es ein Instrument war, das einen deutlichen Vorteil für den Hochwasserschutz gebracht hat. Das glaube ich Ihnen nicht.
Meine Damen und Herren, für mich ist die Staatsmodernisierung, insbesondere der Bürokratieabbau, noch lange nicht abgeschlossen. Ich möchte hierfür zwei Beispiele nennen. Ich glaube, beim Widerspruchsverfahren sind wir noch nicht so weit vorangekommen, wie wir es wollten. Insbesondere dort, wo die Widerspruchsbehörde gleich ist mit der Ausgangsbehörde, macht ein Widerspruchsverfahren überhaupt keinen Sinn; es ist zusätzliche Bürokratie ohne einen Nutzen für den Bürger. Deshalb müssen wir solche Widerspruchsverfahren abschaffen.
Bei diesem Vorhaben haben wir gemerkt, welch hohes Beharrungsvermögen die Verwaltung besitzt, wie schwer es ihr fällt, von überkommenen Prozessen auch einmal abzurücken und zu sagen: Wir probieren mal etwas Neues aus im Sinne des Bürgers. Aber da werden wir weiter dranbleiben.
Ich glaube, beim Denkmalschutz haben wir auch schon einige Schritte gemacht, aber da gibt es auch noch Verfahren, die man deutlich verbessern kann – im Sinne der Denkmäler, im Sinne der Bürger und im Sinne der Behördenmitarbeiter.
Von daher ist das Projekt Staatsmodernisierung ein Projekt, das über die Legislaturperiode hinausreicht, und ich glaube, wir werden noch einiges tun, um dieses Projekt auch in der nächsten Legislaturperiode mit Erfolg für den Freistaat Sachsen umzusetzen.
Auf Herrn Kollegen Biesok, FDP-Fraktion, folgt jetzt für die Fraktion die GRÜNEN Frau Kollegin Jähnigen.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Dr. Martens, Sie wollten die heutige Fachregierungserklärung nutzen, um Bilanz Ihrer sogenannten Staatsmodernisierung zu ziehen. Unsere Fraktion möchte Ihnen herzlich für diese gute Gelegenheit danken.
Wir haben uns in dieser Legislatur ja schon des Öfteren mit Ihrem Verständnis von Staatsmodernisierung beschäftigt. Und ja: Prozessmanagement, Bürgerkoffer, Bürgerterminal, einheitliche Behördennummer, elektronische Verwaltungsverfahren sind nett und manchmal auch etwas Neues. Respekt und Dank vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich in der viel zu sehr versäulten Verwaltung unseres Freistaates mit konkreten Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger und Abläufe beschäftigen; sie bohren dicke Bretter.
Aber angesichts des großen Anspruchs von Sachsen als Vorreiter- und Spitzenland, den Sie wieder aufgemacht haben, ist Ihre Grundorientierung doch viel zu bescheiden.
Ganz ehrlich, Herr Dr. Martens, sind Sie wirklich der Auffassung, dass wir in einem Staat mit einer modernen Verwaltung leben, nur weil das Kabinett angeblich kein Papier mehr benutzt, weil es ein paar Handvoll Bürgerkoffer gibt und weil Sie schon ein paar längst nicht mehr angewandte Rechtsverordnungen außer Kraft oder durch anderes ersetzt haben? Oder verstehen Sie unter Staatsmodernisierung immer noch Ihr vor zwei Jahren vorgelegtes Standortkonzept, in dem Sie im Handstreich Behörden und Gerichte zusammengelegt oder an andere Standorte verschoben haben und mit denen Sie Kosten von mindestens über 300 Millionen Euro prognostiziert haben? Was ist denn aus diesem so großartig angekündigten Projekt geworden?
In den letzten Haushaltsverhandlungen fanden wir in den einzelnen Kapiteln kaum noch eine bauliche Umsetzung dieses Konzeptes. Umzüge wie die der Landesnaturschutzstiftung wurden ohne Erklärung vor Ort verschoben oder wie die der Bildungsagentur auf Eis gelegt. Natürlich sind diese Umzüge zu teuer, wir hatten Ihnen das ja bereits von vornherein prognostiziert. Wir finden, dass Sie da mit den Kostenfolgen für die weiter geplanten Umzüge der SAB, des Rechnungshofes und anderer Behörden gerade vor Wahlen transparent umgehen sollten und diese von vornherein auf den Prüfstand stellen müssen, sonst wird es gerade von Ihnen später heißen: viel versprochen, aufwendig geprüft, wenig umgesetzt, Bürgerhoffnung erst erweckt und dann wieder enttäuscht.
Wir GRÜNE verstehen unter Staatsmodernisierung etwas, was die Bürgerinnen und Bürger positiv und konkret wahrnehmen können, und zwar ohne teure Plakatkampagnen. Was spüren die Bürgerinnen und Bürger zuerst vom sächsischen Staat vielerorts? Personalmangel in Schulen,
Ihr Verständnis von Staatsmodernisierung gipfelte in dem vom Ministerpräsident angesagten Abbau von 15 000 Stellen bis 2020 ohne Rücksicht auf Arbeitsanfall, Wissenstransfer und Altersstruktur in den Behörden. Heute noch verfolgen Sie ausweislich der Homepage bei der Staatsmodernisierung selber diese Zielvorgabe von 70 000 Stellen, die öffentlich ja schon infrage steht. Dabei wissen Sie an den Regierungsspitzen selbst genau: Stellenabbau ohne Rücksicht auf Funktionsfähigkeit ist so etwa das Unmodernste, was eine Staatsregierung in eigener Verantwortung tun kann. Eine Verwaltung, die ihre Aufgaben nicht erfüllen kann, ist nicht modern, sondern nutzlos.
Bis heute hat die gesamte Regierung Tillich das Kernproblem ihrer auslaufenden Legislatur – die Altersstrukturen, die Zukunft unseres eigenen Personals – nicht einmal im Ansatz in den Griff bekommen. In Sachsen gehen in den nächsten sechs Jahren rund 11 000 der derzeitig 25 000 Bediensteten in den Ruhestand. Allein bei Lehrern und im Ressort des Kultusministeriums sind das 6 300 Bedienstete. Ab 2020/21 gehen dann in diesem Bereich jährlich 1 600 Bedienstete in Rente, und die Folgen der Fehlplanung bei Lehrerinnen und Lehrern erleben die Schulkinder schon jetzt landesweit – leider.
Das nächste brennende Problem – alle wissen es – zeichnet sich bei der Polizei ab. Dort wurde der Innenminister nach über vierjähriger Amtszeit im Februar dieses Jahres angeblich plötzlich und unerwartet von einem „vorübergehenden Galopp“ beim Stellenabbau überrascht. Für alle, die sich gefragt haben, wann denn Herrn Ulbig auf einmal diese Polizeistellen abhanden gekommen sind: Der Finanzminister hat in der Antwort auf meine Kleine Anfrage Drucksache 5/13788 Auskunft gegeben. Da hatte doch der 2012 dem Landtag vorgelegte Haushalt für 2013/2014 eine stattliche Anzahl von kw-Vermerken, nämlich 1 171 bis 2020, aufzuweisen. Herr Innenminister fand diesen Stellenabbau im Innenausschuss zur Haushaltsberatung noch vollkommen in Ordnung. Nun verkauft uns derselbe Innenminister den geplanten Stellenabbau als überraschenden Galopp und fordert jetzt vor der Wahl genau jene 100 Stellen mehr, die wir in den Haushaltsverhandlungen Ende 2012 beantragt hatten. Wie so häufig schafft es diese Regierung, erst die Probleme zu verursachen und dann die vermeintlichen Lösungen aus dem Hut zu ziehen, um sich als Heilsbringer aufzuführen. Nur so dreist wie hier habe ich das selten erlebt.
Selbst Sie, Herr Dr. Martens, sind in diesem Frühjahr aufgewacht und haben öffentlich gesagt, was alle Fachleute längst wissen und was die GRÜNE Fraktion seit 2010 in mehreren parlamentarischen Initiativen angemahnt hat, zuletzt auch bei den genannten Haushaltsberatungen: Die sächsische Justiz hat ein massives Problem mit Altersabgängen. Bis 2024 gehen innerhalb von sieben
Jahren 50 % der Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand. Wir dürfen gespannt sein, ob der Haushaltsplan 2015/2016 hier endlich umsteuert oder ob das Ankündigen eines Einstellungskorridors von 20 zusätzlichen Stellen pro Jahr genauso wie Ihre Fachregierungserklärung heute nur leeres Gerede vor Wahlen ist.
Was sagen Sie, Herr Justizminister, angesichts der langen Verfahrensdauern bei den Verwaltungsgerichten eigentlich dazu, dass der Finanzminister gerade die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit der vollkommen unnötigen Versendung von Tausenden von Widerspruchsbescheiden bei den Beamten quasi stilllegt?
Ähnlich sieht es bei den Stellen auch in kleineren Fachbehörden aus, wie zum Beispiel im Umweltministerium. Da kann man nicht einmal auf Abfrage die Anzahl künftiger kw-Stellen erfahren – aus guten Gründen, wenn man sich die Personalstruktur dort ansieht.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die GRÜNEVorstellung eines modernen Staates ist eine grundlegend andere als Ihre. Wir brauchen gerade im Wettbewerb um Fachkräfte mit den anderen Bundesländern und im Bund eine vorausschauende Personalpolitik mit festen Einstellungskorridoren für eine ausgewogene Altersstruktur. Ob und wo wir noch so viel Personal brauchen wie derzeit, muss sich zeigen. Das kann aber nur durch eine umfassende Aufgabenkritik in allen Bereichen festgestellt werden. Wo bleibt diese in Ihrer sogenannten Staatsmodernisierung? Sie fehlt vollkommen.
Pauschale Kürzungsziele lehnen wir ab. Ja, Personalkosten muss ein Staat auch sicher finanzieren können. Deshalb müssen wir parallel im Freistaat natürlich Einsparungspotenziale analysieren: bei den Verwaltungsstandorten, beim Standortekonzept, bei den internen Kosten der Verwaltung und im Straßenneubau zum Beispiel. Auch hier haben Sie bei Ihrer sogenannten Staatsmodernisierung nichts getan.
Aber sind es allein die Verwaltungsstrukturen oder die Verwaltungsverfahren eines Staates, die modernisiert werden sollten? Nein. Modern ist vor allem der Staat, der seinen Bürgern dient, der ihnen die Möglichkeit bietet, an Entscheidungen teilzunehmen und ihnen Entscheidungen erklärt, indem Verwaltungshandeln nachvollziehbar und allgemein verständlich ist. Natürlich wollen die Bürger das nutzen, selbstverständlich. Da hätte ich auch bei Ihnen mehr Leidenschaft erwartet, Herr Dr. Martens.
Nur: Woher bekommen die Bürgerinnen und Bürger eigentlich Informationen? Sachsen ist hier trotz der hohen elektronisch-technischen Ziele besonders rückständig. Wir haben in Sachsen kein Informationsfreiheitsgesetz, das es den Bürgerinnen und Bürgern rechtsverbindlich ermöglicht, Zugang zu amtlichen Informationen von Behörden zu finden. Dann wäre der 24-Stunden-Zugang interessant, Herr Staatsminister, den Sie anstreben. Auch der Entwurf des E-Government-Gesetzes aus Ihrem Haus enthält so eine Verpflichtung nicht. Das ist unser Verständnis von Freiheit: Zugriff auf amtliche Informationen,
Wenn wir tiefer in die Angebote hineinsehen, die es jetzt gibt, zum Beispiel das Amt24 – wie ist es denn mit den älteren Menschen? Sind diese Angebote barrierefrei, haben Sie das je gecheckt? – Nein? – Und das Ziel eines vorbildlichen Umgangs mit ökologischen Ressourcen in der sächsischen Verwaltung kommt bei Ihnen auch gar nicht erst vor. Es ist dringend, das zu ändern. Daran werden wir Staatsmodernisierung messen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben hier im Hohen Hause heute noch die Gelegenheit, den Freistaat Sachsen wirklich ein Stück moderner zu machen. Sie können unserem Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung zustimmen, übernächster Tagesordnungspunkt, der eine Absenkung der Quoren für die Volksbegehren vorsieht.
Wir würden, würde der Landtag das beschließen, den sächsischen Bürgerinnen und Bürgern echte Beteiligungsmöglichkeiten einräumen und auch das Gefühl vermitteln, in einem modernen Land zu leben; einem Land, in dem man sich als Bürgerinnen und Bürger für seine Ideen starkmachen kann. Das heißt für uns: stark für Sachsen. In diesem Sinn sage ich für die GRÜNEFraktion: Eine echte Staatsmodernisierung tut im Freistaat Sachsen wahrlich not. Das hat Ihre Bilanz heute wieder einmal gezeigt.