Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Jetzt möchte ich den Satz zu Ende bringen, den mir der Präsident vorhin nicht gestattet hat, zu Ende zu bringen. Ich war beim Angebot an möglichen Koalitionspartnern, wenn denn einer gebraucht wird. Ich kann nur die Empfehlung geben: Ein Koalitionsvertrag wird an einem Verbot des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen in Sachsen sicherlich nicht scheitern. Also bringen Sie das Verbot tapfer in die Koalitionsverhandlungen ein. Ich denke, daran werden die Verhandlungen nicht scheitern.

(Stefan Brangs, SPD: Danke für das Angebot, Herr Kollege! – Heiterkeit bei den LINKEN und der SPD)

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage die Staatsregierung. Die Staatsregierung möchte das Wort ergreifen. Herr Kupfer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war in der Tat eine müde Diskussion. Es gab überhaupt keine neuen Argumente. Sie haben pauschal Gentechnik schlechtgeredet, ohne zu differenzieren und ohne einen einzigen wissenschaftlichen Beleg dafür zu bringen, dass die grüne Gentechnik wirklich so gefähr

lich ist, wie Sie es hier immer propagieren. Es gibt keinen einzigen Beweis.

Die Forderung nach einer gentechnikfreien Region ist auch nur wieder ein Veralbern der Bevölkerung. Sie wissen genau, dass Sachsen nicht gentechnikfrei sein kann. Das beziehe ich jetzt nicht nur auf die grüne Gentechnik. Selbst bei der grünen Gentechnik werden wir nicht gentechnikfrei sein. Durch die Futtermittel, die nach Sachsen kommen und hier verfüttert werden, werden sie nicht gentechnikfrei sein. Durch die Lebensmittel, die nicht hier, sondern woanders erzeugt, aber hier verkauft und verzehrt werden, wird Sachsen niemals gentechnikfrei sein. Mit so einer Deklaration, wie Sie hier fordern, veralbern Sie die Menschen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie verunsichern sie durch diese Debatte sowieso. Mir konnte auch noch keiner erklären – weil Frau Kagelmann oder Frau Dr. Pinka gerade wieder einmal den Bacillus thuringiensis ins Spiel brachte –, was, bitte, der Unterschied ist, wenn ein Ökobetrieb den Bacillus thuringiensis als ganz normales Insektizid einsetzt, um Schädlinge zu bekämpfen, und im Gegensatz dazu der Bacillus thuringiensis in der Maispflanze MON 810 wirkt. Ich habe keine Ahnung, was hier der Unterschied sein soll, wirklich keine Ahnung.

Gentechnische Veränderung, meine Damen und Herren, ist ein Prozess, der hier durchlaufen wird, den Sie vom Ergebnis her aber genauso erzielen können, wenn Sie über lange Jahre züchten. Es entsteht der gleiche Effekt, nur dass es bei der Gentechnik schneller geht. Sie verdummen die Menschen, Sie schüren bewusst Ängste.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie verlangen von mir, dass ich Farbe bekennen soll, und selber malen Sie nur schwarz-weiß.

Nun zur aktuellen Diskussion – jetzt angeschoben vom Genehmigungsverfahren zum Mais der Linie 1507 auf der europäischen Ebene –, wie sich Deutschland und Sachsen verhalten: In Deutschland haben wir eine Mehrheit dafür, dass dieser Mais der Linie 1507 nicht angebaut wird. Wenn der Bund dies einheitlich für Deutschland so festlegt, wird sich Sachsen nicht dagegenstellen.

(Dr. Monika Runge, DIE LINKE: Wir sind Mitläufer!)

Das hat mit Mitläufer überhaupt nichts zu tun. Das hat nur etwas damit zu tun, dass wir nicht mit Schaum vor dem Mund und mit Scheuklappen vor den Augen die Menschen hier verdummen, sondern ganz bewusst und wissenschaftlich begründet an diese Thematik herangehen.

Wenn man sich freut, meine Damen und Herren, dass BASF in Deutschland nicht mehr forscht, dann sagt das doch alles: keine vernünftigen Gründe liefern, aber gegen alles sein, erzählen, dass Gentechnik schädlich ist, aber jede Forschung dafür nicht zulassen. Es kann überhaupt

keinen Nachweis geben, wenn man nicht forscht, ob Gentechnik schädlich ist oder nicht.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich darum, bei den Fakten zu bleiben, auch zur Kenntnis zu nehmen, dass in Sachsen seit 2009 überhaupt keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr angebaut sind. Wenn ich auf einzelne Wahlplakate schaue, gerade von den GRÜNEN, auf denen „GENug“ steht, dann impliziert das und gaukelt den Leuten vor, dass wir hier flächendeckend gentechnisch veränderte Pflanzen haben wollen. Dem ist nicht so.

Ich möchte auch nicht undifferenziert für GVO reden und richtig verstanden werden, dass wir hier flächendeckend gentechnisch veränderte Organismen anbauen. Nein, ich möchte nur einen fairen Umgang mit diesem Thema, und die Menschen sollen nicht hinters Licht geführt werden.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, habe ich mich bekannt, und ich füge meinen Ausführungen auch nichts weiter hinzu.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Frau Kagelmann? – Wir haben noch 3 bis 4 Minuten Zeit. Sie haben das Wort, Frau Kagelmann.

Danke schön, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich muss ich mich jetzt noch einmal äußern. Ich bin ja dankbar. Jetzt habe ich das offene Wort, das wir in der Vergangenheit vermisst haben, Herr Staatsminister Kupfer. Sie haben ganz eindeutig gesagt, was Sie von der grünen Gentechnik halten, nämlich sehr viel. Allen Gegnern halten Sie entgegen, dass sie die Bevölkerung veralbern. Wir fordern hier keine Deklaration, Herr Staatsminister, sondern eine klare Haltung, die auf EU-Ebene dann auch mal in einer klaren Abstimmung münden muss. Da kann man hier nicht darüber schwafeln, dass es nicht genug Forschung gibt. Selbstverständlich gibt es nicht genug Forschung, und es gibt schon gar keine unabhängige Forschung, wie es auch keine unabhängigen Zulassungsverfahren gibt. Das ist uns ja alles bekannt.

Aber genau darum geht es, Herr Staatsminister Kupfer. Die ethische Verantwortung für zukünftige Generationen für die Vielfalt auf unserem Planeten verlangt es, dass wir uns die Mühe machen und von einer Technologie eine Folgenabschätzung vornehmen. Genau das aber passiert nur in unzureichendem Maße. Wenn wir uns nicht sicher sind und wenn wir in einem offenen System herumexperimentieren – Herr Heinz, wir haben ja diese Diskussion nicht zum ersten Mal, es geht um das Herumexperimentieren im offenen System –, dann muss man sich schon sehr sicher sein, was man dort auf die Menschheit loslässt. Deshalb ist das für DIE LINKE auch ganz klar.

Ich konstatiere: Ihre Ministerkolleginnen und -kollegen in Bayern, Hessen, Thüringen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen verdummen ihre eigene Bevölkerung, indem sie sich klar zur Gentechnikfreiheit beken

nen. Das ist eine neue Erkenntnis für mich. Neu ist auch für mich die Einsicht, dass wir zumindest mit dieser Staatsregierung keinen Schritt weiterkommen in Sachen Gentechnikfreiheit in Sachsen. Ich halte das mit Hinblick auf die große Ablehnung durch die Bevölkerung tatsächlich für tragisch. Aber, meine Damen und Herren, Sie haben die Wahl.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das war Frau Kagelmann für die Fraktion DIE LINKE. Ich meinte natürlich, DIE LINKE hatte noch drei Minuten Zeit, die CDU hat 14 Minuten Zeit. Sollen diese noch in Anspruch genommen werden? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

2. Lesung des Entwurfs

1. Gesetz zur Modernisierung der Verfassung des Freistaates Sachsen

Drucksache 5/12162, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/14380, Beschlussempfehlung des

Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses

Wir beginnen mit der allgemeinen Aussprache. Zunächst die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, danach die CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Frau Abg. Jähnigen, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bitte.

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verfassungen sind Wertentscheidungen. Sie sollen die Grundlagen des Staatswesens beständig regeln und dabei doch nicht in Stein gemeißelt sein. Sie müssen sich im Konkreten der veränderten Gesellschaft anpassen.

Es gab, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Zeiten, da war Sachsen einmal Vorreiter in Demokratiefragen. 1831 wurden hier als einem der ersten deutschen Länder Bürgerrechte eingeführt. 1989 kamen aus sächsischen Städten wesentliche Impulse für die friedliche Revolution in der DDR.

Und auch 1992 wurden mit der Sächsischen Verfassung Neuerungen beschlossen, die damals Neuerungen für Länderverfassungen waren. Die gute Wirkung solcher früheren Impulse sollte für uns als Gesetzgeber jetzt Mahnung sein, uns aktuellen Entwicklungen in der Verfassungsgesetzgebung nicht zu verschließen. Wir müssen uns an modernen Standards für bürgerlichfreiheitliche Rechte orientieren und überlegen, was unter aktuellen Gesichtspunkten eine moderne Verfassung kennzeichnet.

Drei Herausforderungen seien hier benannt: Die Bevölkerungszahl sinkt. Die Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen schreitet voran. Und mit der Digitalisierung steigt das Informationsinteresse der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat.

Kaum eine Verfassung kann für sich in Anspruch nehmen, auf Dauer unverändert zu bleiben. So hatte das Grundgesetz länger als geplant Beständigkeit, ist aber seit seinem Inkrafttreten bisher 59-mal geändert worden, allein 23mal seit der Wiedervereinigung.

Vor diesen Hintergründen setzt sich die GRÜNE-Fraktion seit Längerem für Modernisierung und Fortentwicklung unserer Sächsischen Verfassung ein. Selbstredend haben wir diese Forderungen im Zuge der Verhandlungen zur Schuldenbremse weder zurückgenommen noch zurückgestellt.

Die Kolleginnen und Kollegen in der CDU und der FDP hingegen halten es ihren Aussagen nach noch nicht einmal für notwendig, über Veränderungsbedarf in der bestehenden Verfassung nachzudenken. Sie sind sich – anders als viele in Sachsen – felsenfest sicher, dass unsere Verfassung nicht fortgeschrieben oder angepasst werden müsse.

Warum eigentlich diese Starrheit? Wovor haben Sie in der CDU eigentlich Angst? Davor, dass die Leute in Sachsen mehr Freiheitsrechte bekommen würden und davon Gebrauch machen könnten?

Folgende besonders wichtige Punkte in unserer Verfassung wollen wir heute ändern:

Erstens, die Erweiterung des Umweltstaatsziels in Artikel 10. Damit soll der gesamte Freistaat verpflichtet werden, auch Atmosphäre und Biodiversität zu schützen. Bisher kennt unsere Verfassung nur den Schutz von Boden, Wasser und Luft, und das genügt nicht mehr. Klimaschutz ist aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse seit 1992 als zentrale Aufgabe international anerkannt.

Mit Einführung des Schutzgutes Atmosphäre wird Sachsen zu wirksamer Klimaschutz- und -anpassungspolitik verpflichtet wie zum Aufbau einer klimaverträglichen Energiewirtschaft. Und das ist notwendig. Umweltgüter werden nach modernem Verständnis nicht mehr nur als Rohstofflager, sondern als natürliche Lebensgrundlage der Menschen geschützt. Der derzeitige globale Hochverbrauch von Umweltgütern überschreitet die Tragfähigkeit der Erde und greift die Erneuerungsfähigkeit der Ökosysteme selbst an. Deshalb sollen Erhalt und Wiederherstellung der Erneuerungsfähigkeit der natürlichen Lebensgrundlagen auch bei uns in Sachsen Verfassungsrang

bekommen. Sachsen braucht einen Biotopverbund zum Schutz von Arten und Lebensräumen.

Wir wollen hier auch dem Verbandsklagerecht endlich zur weitergehenden Anwendung verhelfen. In der bisherigen Verfassung wird anerkannten Naturschutzverbänden das Recht gewährt, an umweltbedeutenden Verwaltungsverfahren mitzuwirken, und ihnen ist Klagebefugnis in Umweltbelangen einzuräumen. Trotz dieses eindeutigen Wortlauts „Umweltbelange“ regelt unser Naturschutzgesetz bis heute nur ein eng gefasstes Klagerecht in Naturschutzbelangen. Da der Sächsische Verfassungsgerichtshof diese einfachgesetzliche Regelung für verfassungskonform hielt, ist eine Klarstellung in der Verfassung unabdingbar; hier soll auch der Tierschutz endlich einbezogen werden.

Zweitens. Wir wollen ein Grundrecht auf Informationszugang. Mit der Neu- und Weiterfassung von Artikel 34 soll ein allgemeines Grundrecht auf Informationsfreiheit in unsere Verfassung eingeführt werden. Jede und jeder kann sich dann unmittelbar auf die Verfassung berufen, um bei Kommunen oder freistaatlicher Verwaltung Informationsansprüche geltend zu machen, soweit nicht Schutzrechte entgegenstehen. Das schlagen Expertinnen und Experten seit vielen Jahren vor, denn die aus Steuergeldern finanzierten Daten gehören der Öffentlichkeit – nicht dem Staat allein, der kein Recht auf ein Informationsmonopol hat.