Protokoll der Sitzung vom 21.05.2014

Klar ist: Mit der Regelung des Vergaberechts, Herr Kollege Bartl, meinen wir ein klares Regelbeispiel, insbesondere als Auslegungshinweis, aber nicht als Eingrenzung. Die Anwendungsauslegung von Kollegen Biesok über die Umweltgüter dürfte nach aller Auslegung von der Entstehungsgeschichte der Sächsischen Verfassung her wohl kaum vertretbar sein, ansonsten hätten wir diese Änderung nicht vorgeschlagen.

Kurzum: Ich bitte um eine punktweise Abstimmung unserer Vorschläge in Artikel 1, damit die Kollegen entsprechend abstimmen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Dr. Martens, Sie haben jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat: Wir haben am 10. Juli 2013 die Ände

rung der Artikel 85, 94 und 95 der Sächsischen Verfassung beschlossen, und nach Einschätzung der Staatsregierung ist die Mehrheit dieses Hauses der Auffassung, dass es damit zunächst auch sein Bewenden haben sollte.

Der Vorstoß der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf erneute Verfassungsänderung war in seinen inhaltlichen Punkten nach Einführung der sogenannten Schuldenbremse im letzten Jahr schon nicht mehr mehrheitsfähig. Dass man diesen Entwurf heute in dieser Weise hier zur Diskussion stellt, obwohl das Vorhaben erkennbar aussichtslos ist, lässt schon die Frage aufkommen, welche Absichten damit verfolgt werden. Das gibt inhaltlich eine Bauchlandung mit Anlauf. Man könnte höchstens versuchen, in der Haltungsnote noch etwas herauszuholen, aber das dürfte, Frau Hermenau, etwas schwierig fallen.

(Beifall bei der CDU und den LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Gründe, warum dieses Vorhaben aussichtslos ist, sind schon ausführlich erörtert worden. Aber auch inhaltlich kann man eigentlich keinem der drei Vorhaben zustimmen.

Zum ersten Punkt, der Einführung einer neuen Staatszielbestimmung, meine Damen und Herren: Mit Blick auf Artikel 10 Abs. 1 Satz 1 der Sächsischen Verfassung ist festzustellen, dass die Umwelt als Lebensgrundlage ausdrücklich schon erfasst ist.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Bitte.

Herr Staatsminister, würden Sie uns bitte einmal die parlamentarischen Initiativen, die Gesetzesvorschläge aus der Opposition nennen, die in dieser Legislaturperiode aussichtsreich gewesen sind und deshalb möglicherweise Unterstützung durch die Koalition gefunden hätten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es gab durchaus aussichtsreiche Vorhaben, die auch als Anregungen von der Koalition aufgegriffen worden sind.

Welche denn?

Das können wir nachher noch im Einzelnen heraussuchen.

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Aber: Die Frage einer Verfassungsänderung hat schon ein anderes Gewicht als ein einfacher Entschließungsantrag oder ein Vorschlag zur Gesetzesänderung. Sie wissen genau, welche Vorarbeiten für die letzte – und bisher

einzige – Verfassungsänderung in Sachsen notwendig waren. Dass das so, wie das die GRÜNEN hier vorhaben, nicht gelingen kann, wird Ihnen auch nicht verborgen geblieben sein, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich zu diesem Entwurf und der Einführung einer neuen Staatszielbestimmung zurückkommen.

Artikel 10 Abs. 1 Satz 1 nennt die Umwelt als Staatszielbestimmung, und anders, als Herr Bartl dies sieht, ändert sich durch die Aufzählung in Satz 2 der Umfang dieses Schutzes nicht. Natürlich bleibt auch der Schutz der Atmosphäre durch Satz 1 gewährleistet. Die Aufzählung in Satz 2 macht durch die Einführung des Wortes „insbesondere“ klar, dass die dort genannten Ziele auch insbesondere schutzwürdig sind, aber das ist keine abschließende Aufzählung, die alles andere ausschließt. Das verkennen Sie, und das verkennen auch die Antragsteller.

Über die Erforderlichkeit eines Verbandsklagerechts – für Tierschutzverbände etwa – ist hier schon ausführlich etwas gesagt worden, meine Damen und Herren. Das bedarf keiner Verfassungsänderung. Eine gesetzliche Regelung würde vollständig ausreichen. Aber auch ich habe Zweifel, ob das zum jetzigen Zeitpunkt noch sinnvoll sein kann.

Etwas anderes gilt auch nicht für die Regelung zur Informationsfreiheit. Hier wäre ein Gesetz der richtige Weg zur Einführung der verlangten Rechtsänderung.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Inhaltlich wäre der Entwurf im Übrigen auch deswegen abzulehnen, weil Sie ausdrücklich – in der Entwurfsbegründung ist das genannt – den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen relativieren möchten, meine

Damen und Herren. Auf der einen Seite treten Sie angeblich für Datenschutz ein, aber in diesem Gesetzentwurf geht es Ihnen ausdrücklich darum, den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, also von Daten der Wirtschaft, zu relativieren.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Das widerspricht sich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen lassen Sie mich eines sagen: Die Informationsfreiheit nach der Verfassung soll durch ein Gesetz ausgestaltet werden. Dazu heißt es: „Das Nähere regelt ein Gesetz.“

Was ist denn aber mit dem zeitlichen Zwischenraum zwischen dem Inkrafttreten der gewünschten Verfassungsänderung und dem Erlass eines Informationsfreiheitsgesetzes? Eine Antwort auf diese Frage bleibt uns der Gesetzentwurf ebenfalls schuldig.

Schließlich der dritte Punkt: Die Kombination eines 5-%Quorums für Volksbegehren mit einem quorenlosen Volksentscheid ist verfassungsrechtlich schlicht bedenklich, meine Damen und Herren. Es würden Gesetze zustande kommen können, die nur von einer verhältnis

mäßig kleinen Minderheit der Bevölkerung gewünscht wären.

Das ist auch der Unterschied zu den von Ihnen in der Begründung des Gesetzentwurfes angeführten Voraussetzungen für Quoren in anderen Ländern. In den Ländern Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, die Sie anführen, gelten Quoren für Volksentscheide. Das wollen Sie hier ausdrücklich nicht. Sie verschweigen das aber. So widersprechen sich der Antrag und dessen Begründung in diesem ganz erheblichen Punkt, meine Damen und Herren.

Konkret müssen bei Volksentscheiden über einfache Gesetze in Schleswig-Holstein und Brandenburg mindestens ein Viertel, 25 %, der Stimmberechtigten dem Gesetz zustimmen, in Mecklenburg-Vorpommern sogar ein Drittel aller Stimmberechtigten und in NordrheinWestfalen sind es noch 15 %. Das sind höhere Hürden als Sie die Verfassung von Sachsen momentan vorsieht.

Noch etwas zu dem sogenannten kassatorischen Volksbegehren. Sie verkennen, dass die Sächsische Verfassung von der Gleichrangigkeit des parlamentarischen Gesetzgebers und des Volksgesetzgebers ausgeht. Das wollen Sie jetzt umkehren. Jetzt soll der Volksgesetzgeber Gesetze, die der parlamentarische Gesetzgeber erlassen hat, außer Kraft setzen können. Das widerspricht der Gleichrangigkeit zwischen Volksgesetzgebung und parlamentarischer Gesetzgebung. Dafür werden Sie in diesem Haus keine Mehrheit finden, meine Damen und Herren.

Der Änderungsvorschlag, den Sie bringen, engt das Recht der Volksgesetzgebung in einigen Punkten sogar noch ein. Sie wollen eine Jahresfrist für die Aufhebung eines Gesetzes durch Volksentscheid einführen. Wenn Sie den Vorschlag allerdings dahin gehend verstanden wissen wollen, dass man auch rückwirkend Gesetze aufheben kann, dann geraten Sie in gefährliches Fahrwasser, jedenfalls verfassungsrechtlich; denn eine rückwirkende Aufhebung ist aus verschiedenen Gründen – etwa des Vertrauensschutzes oder der prinzipiellen Gleichbehandlung – mit Sicherheit unzulässig.

All dies sind Gründe, warum sich die Staatsregierung dafür ausspricht, diesen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung nicht anzunehmen.

(Beifall bei der FDP)

Frau Jähnigen, Sie wünschen?

Ich möchte drei Punkte zu der Erklärung des Ministers sagen.

Als Kurzintervention?

Ja, Herr Präsident.

Bitte schön.

Erstens, Herr Minister, Sie haben uns unterstellt, wir würden in unserem Gesetzent

wurf die geschützten Rechte Dritter auf Datenschutz ignorieren.

(Staatsminister Dr. Jürgen Martens: Ja!)

Ich werde Ihnen den bekannten Entwurf noch einmal vorlesen, damit auch Sie zur Kenntnis nehmen können, dass das nicht so ist: