Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

(Zurufe von der CDU: Feigling!)

Von Ihnen, Frau Windisch, gestatte ich keine Zwischenfrage. Das hatten wir schön öfter umgekehrt. Deswegen

lasse ich eine Zwischenfrage jetzt auch nicht zu. Vielen Dank!

(Oh! bei der CDU)

Liebe Kollegen, es ist klar, dass Sie sich jetzt aufregen. Aber ich habe schön öfter versucht, der Kollegin Windisch Zwischenfragen zu stellen, und sie hat diese auch nicht zugelassen. Jetzt machen wir es einmal so herum. Danke.

(Uta Windisch, CDU: Das stimmt nicht! Nicht in jedem Fall! – Christian Piwarz, CDU: Das ist ein kleiner Triumph, den man sich gönnt, solange man noch hier ist!)

Die Genehmigung, die die S. D. R.-Biotec-Anlage in Pohritzsch 1999 erhalten hatte, war so etwas wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Sie nahm hochgiftige Industrieabfälle herein und versprach, diese in ungiftige zu verwandeln. Das ist ein Geschäftsmodell, das in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Aufmerksamkeit erregt hat. Es war für uns sehr spannend, in den Akten 10, 15, 20 Anfragen anderer Behörden bzw. anderer Bundesländer zu lesen: Wie funktioniert das eigentlich bei euch? Warum habt ihr euch das genehmigt? Was machen die sächsischen Umweltbehörden? – Sie sagen: Alles in Ordnung, alles in Butter!

Wie es endete, wissen wir – Frau Dr. Pinka hat es dargestellt –: Fünf Jahre, nachdem es bekannt geworden war, gab es die erste Untersagungsverfügung, sechs Jahre später wurde der Betrieb behördlich geschlossen.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass nach dem Bericht des Landeskriminalamtes Sachsen aus diesem Geschäftsmodell tatsächlich erhebliche kriminelle Gewinne gezogen wurden. Das Amtsgericht hat bei der S. D. R. 3,6 Millionen Euro beschlagnahmt, weil diese aus kriminellen Geschäften stammten.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie können das alles nicht einfach wegwischen und so tun, als ob hier in Sachsen alles in Ordnung sei. Sie müssen sich auch vorurteilsfrei mit den Problemen befassen und dürfen nicht in Ihrer ideologischen Brille gefangen bleiben, Herr Hippold.

Die Linksfraktion und meine Fraktion haben tatsächlich erheblich weiterführende Vorschläge unterbreitet. Ich bitte Sie, diese in einer ruhigen Minute zu lesen. Vielleicht dienen sie Ihnen dazu, nach dem Schlachtgetümmel, das wir heute hier veranstalten, die eine oder andere Verbesserung einzuführen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Nun die NPD-Fraktion. Herr Abg. Löffler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, war ich zum Zeitpunkt der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses noch nicht

Mitglied des Sächsischen Landtags. Ich habe mir darum anlässlich der Vorbereitung auf diesen Plenartag das Protokoll der 14. Sitzung vom 29. April 2010 zur Hand genommen. Auch ohne damals live dabei gewesen zu sein, ist die angespannte und von Hektik geprägte Atmosphäre der Debatte herauszulesen. Mein Fraktionskollege Dr. Müller hat das schon damals zu Recht kritisiert, wenn er ausführte – ich zitiere –:

„Der vorliegende Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu den Vorgängen um die sächsischen Mülldeponien wurde seit Monaten angekündigt. Aus diesem Grunde erschließt sich für die NPD-Fraktion nicht, warum der Antrag derartig kurzfristig eingebracht wurde. […] Die Geschäftsordnung ist zwar formal noch eingehalten worden, aber für die nicht an der Antragstellung beteiligten Fraktionen ist es nach meiner Auffassung eine Zumutung, wenn wir heute über einen komplexen Antrag entscheiden sollen, den wir zumindest über den parlamentarischen Geschäftsgang erst seit gestern Nachmittag überreicht bekommen haben. Manche von Ihnen dürften ihn wohl erst heute Morgen zur Kenntnis genommen haben.“

Und weiter:

„Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass man sie einfach quasi zwischen Tür und Angel behandeln sollte. Vergessen wir nicht, dass Untersuchungsausschüsse eine Menge Geld kosten und deshalb wohlüberlegt sein sollten.“

Um diese Fragen drehte sich letztlich auch die Kontroverse zwischen den Vertretern der einbringenden Fraktionen und der Koalition. Muss sich die Staatsregierung, überspitzt gesagt, um jede einzelne Mülldeponie kümmern? Gibt es ein systematisches Behördenversagen im Freistaat? Wer ist für die Aufklärung der unbestreitbaren Fälle kriminellen Handelns im Müllsektor zuständig? Reichen Staatsanwaltschaft, parlamentarische Aktivitäten der

Opposition und die Enthüllungen der Medien aus, um das Phänomen hinreichend aufzuklären? Ist darüber hinaus die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wirklich notwendig? Man kann vier Jahre später noch immer geteilter Meinung dazu sein.

Vor Beginn der Tätigkeit des 1. Untersuchungsausschusses war bekannt, dass es in Mülldeponien häufig brennt. Es war auch bekannt, dass es neben Fällen von Selbstentzündung auch Fälle von Brandstiftung gibt, dass die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen ermittelt und dass Urteile gesprochen werden. Mehr wissen wir heute auch nicht. Die juristische Aufarbeitung verläuft mal mehr, mal weniger befriedigend, aber auf jeden Fall unabhängig. Dabei sollte es bleiben.

(Beifall bei der NPD)

Nicht nachgewiesen wurde, dass der Umweltminister harfespielend gelegte Brände etwa besungen hätte, wie es Kaiser Nero einst in Rom getan haben soll. Kurz: Ich sehe hier keinen nennenswerten Erkenntniszuwachs.

Bekannt war weiter, dass Müll aus Italien nach Sachsen geliefert wurde und dabei einiges nicht mit rechten Dingen zuging. Diese Vermutungen wurden bestätigt und nebenbei einige aufschlussreiche Erkenntnisse zutage gefördert. So haben die damit befassten Behörden trotz der Stichworte „Italien“, „Müll“ und „Mafia“, wie sie der aufmerksame Beobachter den Nachrichten entnehmen konnte, die in diesem speziellen Fall unbedingt notwendige Sensibilität vermissen lassen. Selbst Meldungen über Unregelmäßigkeiten, wie sie aus Österreich eintrafen, konnten nichts an routinemäßigen Arbeitsweisen ändern. Ich kann hier nur hoffen, dass künftige Weiterbildungen dem Personal entsprechende Informationen ohne bürokratische Hemmnisse für seine verantwortungsvolle Tätigkeit vermitteln.

Ähnlich blauäugig sind die Mitarbeiter der Deponie Cröbern an die Müllimporte aus Italien herangegangen. Auch sie hätten den Meldungen aus den Medien mehr Beachtung schenken müssen. Aber man war froh, diesen Auftrag an Land gezogen zu haben. Also unterblieb verantwortungsbewusstes Handeln. Man suchte und fand andere Wege, um aus der Situation herauszukommen. Ohne auf weitere Einzelheiten einzugehen: Die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses hat in diesem Punkt den beteiligten Parlamentariern einigen Erkenntnisgewinn gebracht. Ob dies aber die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses rechtfertigt, bleibt auch hier zweifelhaft.

Als Nächstes möchte ich mich der S. D. R Biotec Verfahrenstechnik GmbH in Pohritzsch, kurz Biotec genannt, zuwenden. Am Anfang stand ein Immobilisierungsverfahren, das versprach, aus gefährlichem Sondermüll ungiftige Stoffe herzustellen, die problemlos deponierbar sein sollten. Theoretisch funktionierte das auch. Unter Zugabe von sogenannten Additiven und nach einer Lagerungszeit von mindestens 28 Tagen sollte die Immobilisierung erfolgen. Profitgier und mangelnde Kontrolle machten dieses Verfahren zur Farce. Proben wurden von der Firma Biotec selbst gezogen. Die Verwaltungs- und Funktionalreformen in den Jahren 2004/2005 und 2008 wurden gnadenlos genutzt, oder sollte ich besser sagen, ausgenutzt, um dieses Treiben ungestört fortführen zu können. Aber schon Anfang 2010, noch vor Einsetzung dieses Ausschusses, war man der Firma auf die Schliche gekommen. 2011 war nach einem Jahr juristischen Tauziehens aber endgültig Schluss. Auch hier bleiben Zweifel, ob die Einsetzung des Ausschusses unbedingt notwendig war.

Ich möchte an dieser Stelle für mich selbst sprechen. Es sind nicht nur die finanziellen Aufwendungen, die es ratsam erscheinen lassen, Untersuchungsausschüsse nicht leichtfertig auf den Weg zu bringen. Es ist auch die Zeit, die den damit befassten Parlamentariern für andere aus meiner Sicht wichtigere Aufgaben fehlt. Es ist schon befremdlich mit anzusehen, wenn die Sitzungen zur Bühne für Auftritte werden, die eher der Selbstinszenierung einzelner Abgeordneter dienen als einer sachlichen Aufklärung.

(Beifall bei der NPD)

Es bleibt weiterhin die Frage, ob es unbedingt ein Untersuchungsausschuss sein muss.

Ich zitiere zum Abschluss noch einmal meinen Fraktionskollegen Dr. Müller: „Da man mit Müll bekanntlich viel Geld verdienen kann, werden auch Kriminelle angelockt. Ein ehemaliger Insider aus dieser Branche sagte mir schon vor Jahren, Müll sei härter als Rotlicht. Doch genauso, wie man die Verfolgung von Exzessen im Rotlichtmilieu in der Regel der Staatsanwaltschaft überlässt, sollte dies auch bei der Verfolgung der Müllmafia der Fall sein.“

Die NPD-Fraktion hat sich im April 2010 trotz dieser Bedenken dem Aufklärungswunsch und dem guten Recht von zwei Oppositionsfraktionen nicht verschlossen und aus diesem Grunde der Stimme enthalten. Diese Distanz hat sich über vier Jahre erhalten und das Votum meiner Fraktion wird heute nicht anders ausfallen. Wir nehmen den Abschlussbericht zur Kenntnis und enthalten uns abschließend der Stimme.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache aus den Reihen der Fraktionen. Jetzt besteht der Wunsch beim Berichterstatter des Untersuchungsausschusses, dem Vorsitzenden Herrn Mackenroth, das Wort zu ergreifen und danach die Staatsregierung. Herr Mackenroth, bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses ist es zunächst meine Pflicht, und eine angenehme Pflicht, den Beteiligten, die an diesem Ausschuss mitgewirkt haben, zu danken. Der Dank geht zunächst an die Obleute der Opposition, für DIE LINKE Frau Roth und später Frau Dr. Pinka, für die SPD-Fraktion Herr Jurk und danach Frau Dr. Deicke, die sich durch – wie ich finde – meist wohltuende Sachlichkeit ausgezeichnet haben. Gleichermaßen geht der Dank an die übrigen 19 Kollegen Abgeordneten, die in diesem Ausschuss mitgearbeitet haben, an die Mitarbeiter des Juristischen Dienstes, die Stenografen, die Geschäftsstelle, die parlamentarischen Berater, die Vertreter der Staatsregierung, unsere Übersetzerinnen und Herrn Albrecht, der uns bei der Berichterstattung geholfen hat.

Mein Dank gilt aber ausdrücklich auch unserem Staatsminister Herrn Kupfer und seinem Haus, der – soweit ihm das möglich war – stets die Arbeit dieses Ausschusses unterstützt hat und die Versuche, Kollege Lichdi, ihm hier wie Pinocchio die Nase lang zu ziehen, sind aus meiner Sicht völlig unbegründet. Das ist nicht fair. Sie haben doch gesehen, wie sich der Minister bemüht hat, über die ganze Zeit, mehrere Jahre, die wir daran arbeiten, zur Aufklärung des Sachverhaltes beizutragen. Dafür nochmals von mir ausdrücklichen und herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mein Kollege Hippold hat gesagt, dass dieser Ausschuss außer Spesen nichts hervorgebracht hat im Hinblick auf den Einsetzungsbeschluss oder so gut wie nichts. Ich möchte mich nicht dem Nichts zuwenden, was Kollege Hippold thematisiert hat, sondern den Spesen, weil ich finde, dass auch das zur Wahrheit gehört. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu wissen, dass und wie wir mit den Steuergeldern umgehen.

Wir haben, meine Damen und Herren, in 40 Sitzungen mit mindestens jeweils 30 Teilnehmern sechs bis zehn Stunden pro Sitzungstag gesessen. Das ergibt Personalkosten von einer knappen halben Million Euro. Kosten für Kopien sind in Höhe einer Viertelmillion Euro angefallen. Es ist gesagt worden, allein ein Beweisantrag mit mehreren Akten habe Kopierkosten in Höhe von 120 000 Euro verursacht. Wir haben über 1 000 Akten beigezogen und mussten jeweils hinterher Protokoll erstellen. Bei geschätzten 3 200 Stunden Protokollerstellung nach unseren stenografischen Aufzeichnungen sind noch einmal rund 100 000 Euro angefallen. Ich nenne weiter die Kosten der Vorbereitung der Sitzung, die Kosten der italienischen Akten, der Berichtserstellung, die Zeugenaussagen, Kosten der Vorbereitung durch die parlamentarischen Berater, die Zeugenbeistände und die Kosten der Exekutive – wir liegen bei Gesamtkosten von weit über 1 Million Euro allein für diesen Ausschuss.

Ich stelle das nur fest ohne jede Wertung und ich bin weit entfernt davon, das Recht der Opposition zur Einsetzung von Ausschüssen zu bestreiten oder das Vorgehen der Opposition hier im konkreten Untersuchungsausschuss auch nur infrage zu stellen.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, DIE LINKE)

Im Gegenteil – ich freue mich, dass es im Hohen Hause auch künftig ganz sicher nicht darum gehen wird, einen Untersuchungsausschuss auch zu dem Zweck einzusetzen, dass ein bestimmter Kollege den Vorsitz im anderen, im nächsten Untersuchungsausschuss übernehmen kann.

(Christian Piwarz, CDU: Das kann doch nicht sein!)

Und ich bin sicher, dass auch künftig die Untersuchungsgegenstände unserer Untersuchungsausschüsse nicht nach den Vorlieben einzelner Abgeordneter, sondern allein nach sachlicher Notwendigkeit ausgewählt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich erlaube mir diese Mahnung zum verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeldern auch deshalb, weil der Rechnungshof das nicht darf. Wer wenn nicht wir sollten uns selbst insoweit versuchen in die Pflicht zu nehmen.

Abschließend, meine Damen und Herren, ist zu sagen, die Arbeit des Ausschusses ist beendet. Wir haben diesen dicken dreibändigen Abschlussbericht vorgelegt. Ich gehe davon aus, dass er auch im Umweltministerium sorgfältig

gelesen wird und dass sich die sächsische Abfallwirtschaft weiterentwickelt. Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser werden könnte.

Vielen Dank.