Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir starten zu einem regelrechten Feuerwerk von Abschlussberichten. In den nächsten Wochen werden wir noch über die Berichte des 2. und 3. Untersuchungsausschusses unterrichtet,

heute nun zum Abschluss des 1. Untersuchungsausschusses.

Die SPD-Landtagsfraktion gehörte im Jahr 2010 nicht zu den Einsetzern des Ausschusses. Wir haben dennoch vor vier Jahren dem Einsetzungsantrag zugestimmt, weil wir den Problemen auf den Grund gehen wollten und interessiert daran waren, was die Gesamtuntersuchung ergeben wird.

Nach mehr als vier Jahren Untersuchungstätigkeit kann man heute mit Recht sagen: Jede Behauptung des Einsetzungsbeschlusses hat sich bestätigt und nicht alles konnte bis ins letzte Detail aufgeklärt werden. Aber die Untersuchung hat auch viele wichtige Ergebnisse zutage gefördert. Auf die aus unserer Sicht wichtigsten möchte ich nachfolgend eingehen.

Stichwort: Brände. Der Zeuge Thomas Redmer, Sachverständiger für Brandursachenuntersuchung im Kriminalwissenschaftlichen und -technischen Institut des LKA Sachsen, hatte in seiner Vernehmung deutlich erklärt, dass von jedem Brand in Abfallbehandlungsanlagen eine Gesundheitsgefährdung ausgeht, da bei den Bränden regelmäßig ein umfangreicher Cocktail gefährlicher Luftschadstoffe einschließlich Dioxinen, Furanen und Schwermetallen frei wird.

Auch der Zeuge Mathias Bessel, Sachgebietsleiter Einsatzplanung, Mess- und Gefahrgutdienst der Leipziger Berufsfeuerwehr, bestätigte die Gefährlichkeit von Bränden im Hinblick auf frei werdende Luftschadstoffe. Umso problematischer ist es daher, dass die Feuerwehren im Freistaat Sachsen zu entsprechende Messungen nicht flächendeckend imstande sind.

Dem Zeugen Thomas Redmer zufolge verfügt die Feuerwehr im Freistaat Sachsen nämlich nicht über die erforderliche Messtechnik, um alle bei Bränden entstehenden Schadstoffe zu ermitteln. Die Aussagen der Feuerwehren zur Gefährlichkeit des jeweiligen Brandes sind deshalb häufig nicht geeignet, die tatsächliche Gefährlichkeit wiederzugeben.

Der Zeuge kritisierte auch das Fehlen eines zentralen Bereiches, der die teure Messtechnik für die Kommunen im Freistaat Sachsen zur Verfügung stellt. Der Zeuge Mathias Bessel bestätigte, dass die Feuerwehren im Freistaat Sachsen ihre Analysetechnik in erster Linie für eigene Zwecke, zum Beispiel den Selbstschutz, einsetzen und verlässliche Einschätzungen der Umweltgefährdung durch Brandgase dadurch nicht möglich ist.

Für die Feuerwehren sind nicht die Mengen des Schadstoffes, sondern vielmehr die Grenze des Gefahrenberei

ches wichtig, welche momentan durch die Grenze der Rauchgaswolke beschrieben wird. Zudem sind die Messungen der Feuerwehr qualitativ nicht in jedem Fall für die weitere Verwendung durch Fachbehörden geeignet. Die Form und Farbe einer Rauchgaswolke gibt nicht unbedingt Auskunft über die inhaltlichen Schadstoffe.

Der Zeuge Mathias Bessel verwies auch darauf, dass die Anlagenbetreiber gemäß DIN 14 095 dafür verantwortlich sind, Feuerwehrpläne zu erstellen. Ein Schwachpunkt seien jedoch die fehlenden Aktualisierungen. Er bestätigte zudem, dass es im Freistaat Sachsen keine speziellen Schulungen für die Brandbekämpfung in Recyclinganlagen gibt.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme zu Bränden in Abfallbeseitigungsanlagen ist somit festzuhalten, dass im Freistaat Sachsen nicht genügend qualifizierte Messtechnik vorhanden ist, die Abgrenzung von Gefahrenbereichen für die Bevölkerung anhand der Rauchwolke und deren vermutlicher Zugrichtung erfolgt, Messungen, die qualifizierte Aussagen über die Konzentration der bei Bränden entstehenden Luftschadstoffe geben könnten, nur sehr eingeschränkt vorhanden sind und die Verfügbarkeit im Wesentlichen davon abhängt, ob Gemeinden und Landkreise bereit sind, in teure Messtechnik zu investieren. Eine zentrale Anschaffung und Koordination der speziellen Messtechnik im Freistaat Sachsen fehlt, die aufgrund der zahlreichen Brände in Abfallbeseitigungsanlagen und der hohen Kosten der Messtechnik jedoch dringend geboten wären.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bemerkenswert, dass die Überwachung von Brandereignissen im zuständigen Referat im Staatsministerium des Innern keine besondere Priorität hatte. So führte der Zeuge Jochen Rest, vom 18.06.2007 bis 30.06.2008 Leiter des Referates Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrohenschutz im Staatsministerium des Innern, aus, dass Bränden in Abfallbeseitigungsanlagen kein herausragender Stellenwert beigemessen wird, da hierfür die Kapazitäten im Referat auch nicht ausgereicht hätten.

Stichwort: Selbstentzündungen. Der Untersuchungsausschuss brachte auch die Problematik von Selbstentzündungen zutage. Der schon erwähnte Zeuge Thomas Redmer verwies darauf, dass erst in neuerer Zeit mit dem Entstehen von Recyclinganlagen in den Jahren 2000 bis 2002 die Problematik von Selbstentzündungen aufkam.

(Jan Hippold, CDU: Im gesamten Bundesgebiet, ja!)

Er verwies zudem auf die praktischen Schwierigkeiten, die bei der Ermittlung der Brandursache auftreten, da durch den Brand und gegebenenfalls auch durch eine schnelle Beräumung seitens der Anlagenbetreiber viele Spuren verwischt werden und meist ein unübersichtlicher Brandrest entsteht. Als Ursache für Selbstentzündungen nannte der Zeuge die Selbsterwärmung des gelagerten Mülls, bedingt durch Gärprozesse. Zusätzlich wurde durch den Zeugen deutlich gemacht, dass es, bedingt

durch die neu entstandene Problematik der Selbstentzündungen, mittlerweile zu einem Umdenken im Bereich der Brandursachenermittlung gekommen ist und man nicht mehr so schnell von einer Brandstiftung ausgeht. Um Selbstentzündungen zu vermeiden, empfahl der Zeuge, den Selbsterwärmungsvorgang nicht in kritische Temperaturbereiche kommen zu lassen, und verwies zudem auf bessere technische Vorkehrungen.

Darüber hinaus betonte der Zeuge Thomas Redmer, dass eine Vielzahl von Bränden durch eine bessere Mülltrennung seitens der Bürger vermieden werden könnte. Er verwies aber auch auf die Verantwortung der Betreiber von Recyclinganlagen und machte deutlich, dass in Sachsen entsprechende Richtlinien zur Problematik der Selbstentzündungen fehlen.

Als Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich somit festhalten, dass Brände in Abfallbeseitigungsanlagen ein Problem sind, welches erst um die Jahre 2000/2002 mit dem Entstehen von Abfallbeseitigungsanlagen in größerem Stil entstanden ist. Seitdem ist es immer wieder zu Bränden in Abfallbeseitigungsanlagen gekommen, die in etwa gleich häufig auf Brandstiftung und Selbstentzündungen zurückzuführen sind.

Stichwort Abfalllieferungen aus Italien: Ich möchte an dieser Stelle die von uns untersuchte Problematik von Abfalllieferungen aus Italien hervorheben. Hierzu wurden unter anderem zwei Zeugen gehört, der eine zurzeit im Dienst bei der Staatsanwaltschaft in Reggio Calabria, der andere Marschall der Carabinieri, der Sondereinsatztruppe für Umweltangelegenheiten; sie wurden am 25. November 2013 von uns vernommen. Beide Zeugen erläuterten sehr ausführlich und anschaulich die Art, die Herkunft und den Umfang der nach Sachsen verbrachten Abfälle. Insbesondere wurde deutlich, wie in Italien Notifizierungen gefälscht wurden, um Abfälle unbehelligt nach Cröbern verbringen zu können.

Was den Import von Abfällen aus Italien betrifft, kann im Ergebnis der Beweisaufnahme als sicher gelten, dass es in den Jahren 2007/2008 zu zwei verschiedenartigen Abfalllieferungen aus Italien zur WEV nach Cröbern gekommen ist. Die erste Gruppe bestand aus als gefährlich deklarierten Abfällen aus der Gegend um Corridonia, die wesentlich gefährlicher waren als angegeben. Die zweite Gruppe bestand aus an sich ungefährlichen Siedlungsabfällen aus der Region Kampanien, die jedoch nicht vorbehandelt waren und deshalb nicht hätten deponiert werden dürfen.

Die Beweisaufnahme brachte schließlich noch einen weiteren wichtigen Aspekt zutage: Der Zeuge Ulrich Fiedler, Diplom-Ingenieur für Elektronantriebs- und Automatisierungstechnik und Erster Beigeordneter des Landkreises Nordsachsen, erläuterte in seiner Vernehmung die Auswirkungen der Verwaltungs- und Funktionalreform zum 1. August 2008, besonders in personeller Hinsicht. Dabei wurde deutlich, dass der Ansatz, die Übergabe von Mitarbeitern an die Einwohner zu koppeln und nicht an die tatsächlich vorhandenen und zu überwachenden Anlagen, falsch war. Dies führte in der Praxis

dazu, dass die Stadt Leipzig drei Mal so viele Mitarbeiter erhielt wie der Landkreis Nordsachsen, der jedoch beinahe drei Mal so viele Anlagen zu überwachen hatte.

Zum Abschluss noch einige Gedanken zur Arbeitsweise unseres Untersuchungsausschusses im Sächsischen

Landtag: Wir haben in dieser Legislatur insgesamt drei Untersuchungsausschüsse. Zum Teil existieren alle drei parallel. Das bedeutet für die Fraktionen einen enormen Aufwand – auch in personeller Hinsicht. Mein Vorschlag wäre, jeder Fraktion pro Untersuchungsausschuss zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen,

(Lachen bei der CDU)

um den personellen Aufwand besser aufzufangen. Wir könnten damit sparen, für teures Geld externe Personen mit Teilen unserer Berichte zu betrauen.

(Christian Piwarz, CDU: Da darf der Steuerzahler noch einmal Geld in die Hand nehmen! – Gegenruf des Abg. Stefan Brangs, SPD – Christian Piwarz, CDU: Ach, hört doch auf!)

Ich hoffe daher, dass mit dem nächsten Doppelhaushalt die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

(Unruhe bei der SPD und der CDU – Glocke der Präsidentin)

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Herr Günther für die FDP, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht würde man, bevor man Untersuchungsausschüsse überhaupt einsetzt und über Sparen nachdenkt, über den Sinn der Untersuchungsausschüsse grundsätzlich nachdenken.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss hatte die Aufgabe, die sächsische Abfallwirtschaft auf ihre Konzeption und Struktur hin zu prüfen. Dazu zählten die Brände in Abfallanlagen sowie Abläufe in der Abfallanlage Cröbern und in der Firma S. D. R Biotec. In den Mittelpunkt rückten ebenso öffentlich-rechtliche Zweckvereinbarungen. Wie sich aber zeigte, enthielt bereits der Einsetzungsbeschluss Behauptungen. Von fehlerhaften Umstrukturierungen oder von zunehmender Wirtschafts- und Umweltkriminalität war die Rede. Man hätte denken können, es wäre schon alles klar, was da angeblich schiefgelaufen ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, die Show kann der Herr Lichdi dann abziehen. – Bloß dafür hätte man keinen eigenen Untersuchungsausschuss gebraucht. Wenn man bereits weiß, was angeblich alles nicht korrekt läuft, dann braucht man eigentlich keinen Untersuchungsausschuss.

Fakt ist: Es kann nicht von zunehmender Umweltkriminalität gesprochen werden. Ebenso wenig fand eine fehlerhafte Verwaltungsreform statt. Der Untersuchungsausschuss sollte natürlich nicht – nicht! – die Bühne für einzelne Abgeordnete sein, die sich dort als Scharfrichter profilieren wollen.

(Christian Piwarz, CDU: Da würden mir aber einige einfallen!)

Ein Untersuchungsausschuss hat auch nicht zum Ziel, Behauptungen einzelner Fraktionen zu bestätigen.

(Lachen bei der SPD)

Ein Untersuchungsausschuss soll aufklären, wie es wirklich war. Vieles war sehr spektakulär angekündigt worden, war es am Ende aber nicht. Umso spektakulärer war dafür so mancher Auftritt. Ich hatte bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses das Gefühl, die einsetzenden Fraktionen haben vor, einmal so richtig auf den Busch zu klopfen und zu sehen, was dabei herausfällt. Sie haben geklopft, und herausgefallen ist eine klitzekleine Verschwörungstheorie, mehr war es nicht.

(Christian Piwarz, CDU: Meistens war sie sehr groß!)

Ich weiß nicht, ob Sie den Namen Achim Held kennen. Achim Held ist ein bekannter Informatiker. Er hat im Internet die Bielefeld-Verschwörungstheorie erfunden. In dieser Verschwörungstheorie – an die übrigens viele glauben – hat er die Existenz der Stadt Bielefeld angezweifelt.

(Christian Piwarz, CDU: Besonders Dynamo Dresden!)

So ähnlich kommt mir das hier vor. Die Verschwörungstheorie bei der Einsetzung des Ausschusses ähnelte der Verschwörungstheorie des Herrn Held. Am Ende kam nichts heraus, nur, dass im Internet die Verschwörungstheorie „Bielefeld gibt es nicht“ weiter existiert, weil Herr Held eben keinen Untersuchungsausschuss eingesetzt hat, was die GRÜNEN und die LINKEN eingesetzt haben, und deshalb bei uns bestätigt wurde, dass es keine Verschwörung gab.

Aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses lässt sich der Schluss ziehen, dass den staatlichen Behörden weder Mängel noch Versäumnisse beim Schutz von Mensch und Umwelt vorzuwerfen sind.

(Kristin Schütz, FDP: Hört, hört!)

Viele Brände, die es gegeben hat, lassen sich laut Aussage der Sachverständigen schwer vermeiden. Ebenso spielte – nur logisch – Brandstiftung eine wesentliche Rolle. Auch Selbstentzündungen zählten zu den Ursachen.

Fakt ist: Jede Anlage muss vor ihrer Zulassung aufwendige Verfahren durchlaufen. Das Emissionsrecht stellt hier ebenso hohe Anforderungen wie die Vorgaben für die Störfallverordnung dar. Gleichzeitig gibt es ein dichtes Netz von Kontrollen durch das Ministerium. Dazu zählen Vor-Ort-Überwachungen, Emissionsberichte und vieles mehr. All das wird in Überwachungsprotokollen zusammengefasst. Die Behörden arbeiten hier zusammen. Sie tun dies natürlich auf verschiedenen Ebenen. Aber das war ja nie eine Erkenntnis der einsetzenden Fraktionen. Sie wollten es ja nicht wahrhaben. Stets schoss man immer wieder gegen das Umweltministerium. Der Umstand, dass der Brandschutz zur kommunalen Ebene gehört, führte nicht zu einem Erkenntniszugewinn. Das hat nicht geholfen. Überhaupt gab es nur immer wieder das Ministerium und die Verwaltung als Feindbild.