Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

Nicht nur bei Wohnhäusern, auch bei öffentlichen Gebäuden, wie Krankenhäusern oder Kitas, sind die Vorschriften des § 49 ein wahrer Kostentreiber, vor allem in den Innenstädten, wo der Raum sowieso knapp ist. So muss eine Vielzahl von Stellplätzen gebaut werden, ohne dass deren Notwendigkeit überhaupt geprüft wurde. Die Frage ist also, ob wir den § 49 der Bauordnung nicht komplett abschaffen sollten, anstatt ihn, wie es die GRÜNEN wollen, nur zu modifizieren. Dies hätte mehrere Vorteile:

Erstens würde damit die Thematik der Verkehrsmittelwahl von der Bauordnung entkoppelt. Mobilitätstickets sollten nicht über den Umweg des Bauordnungsrechts betrieben werden.

Zweitens könnten die Kommunen trotzdem weiterhin durch kommunale Satzungen eventuell als notwendig erachtete Stellplatzpflichten festschreiben, genauso wie die Ablösebeiträge, die heute bereits gang und gäbe sind. Die Zahl und Art der Stellplätze für ein bestimmtes Bauvorhaben würden dann nicht mehr von der Bauaufsichtsbehörde noch nach staatlichen Richtwerten festgesetzt, sondern von den Gemeinden bzw. Städten selbst auf der Grundlage ihrer gemeindlichen Satzungen.

Zusätzlich haben die Städte und Gemeinden noch andere Möglichkeiten, wie sie mit den parkenden Autos umgehen. Die Benutzung des öffentlichen Straßenraums sehe ich viel besser über die sogenannte Parkraumbewirtschaftung regelbar. Damit haben die Kommunen schon heute ein Instrument, wie sie das Verhältnis zwischen öffentlichem Raum und parkenden Fahrzeugen gezielt steuern können, etwa durch die Ausweisung von Anwohnerpark

plätzen, gebührenpflichtigen Parkplätzen, Kurzzeitparken usw. Auch die Ausweisung von Behindertenparkplätzen kann so geregelt werden. Die Städte, die bisher die Parkraumbewirtschaftung eingeführt haben, konnten

damit sehr gute Erfahrungen machen.

Drittens, und das ist vielleicht das Entscheidende, würde ein Wegfall des § 49 der Sächsischen Bauordnung den Wohnungsbau ganz generell begünstigen. Fiele der Zwang zur Herstellung von Stellplätzen weg, könnte oftmals günstiger gebaut werden; denn die in der Verwaltungsvorschrift zur Bauordnung festgelegten Richtzahlen sind vor allem in Innenstadtbereichen ein maßgeblicher Kostenfaktor. Da wir in unseren Großstädten Dresden und Leipzig schon jetzt eine steigende Nachfrage nach Wohnraum haben, der vor allem bezahlbar bleiben muss, wäre dies ein wichtiger Schritt, um den Wohnungsbau voranzubringen. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Stadt Hamburg im Oktober 2013 die Abschaffung der Stellplatzpflicht bei Wohnungsneubauten beschlossen.

Der Gesetzentwurf der GRÜNEN, so habe ich es zu verdeutlichen versucht, geht auf jeden Fall in die richtige Richtung. Deswegen werden wir uns wohlwollend der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das war Frau Köpping für die SPD-Fraktion. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Karabinski.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Jähnigen, Sie haben es nicht für nötig gehalten, sich mit der Regierungserklärung und der wirtschaftlichen Entwicklung des Freistaates Sachsen auseinanderzusetzen. Es ist an politischer Ohnmacht und politischer Dummheit nicht zu überbieten, die Nazis hier die Tagesordnung dominieren zu lassen. Das autofreie Wohnen hingegen ist Ihnen jetzt so wichtig, dass Sie Ihren Protest abbrechen.

Ich habe nun keine Lust, Ihnen und Ihrem Gesetzentwurf Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Ich sage nur kurz: Wir lehnen den Gesetzentwurf ab. Die Begründung dazu können Sie im Protokoll nachlesen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war für die FDPFraktion Herr Kollege Karabinski. – Die NPD-Fraktion hat zu diesem Tagesordnungspunkt 2 keinen Redebedarf. Jetzt erhält die Staatsregierung das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Beermann.

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich bitte, damit zufrieden zu sein, dass ich für die Staatsregierung spreche. Es sah vorhin so aus, als ob ein Teil des Parlaments Wert darauf legt, sich mit den Vorgängen des gestrigen

Abends zu beschäftigen. Es ist selbstverständlich, dass sich der für Polizei zuständige Minister, der Kollege Ulbig, darum kümmert. Deswegen bitte ich, damit einverstanden zu sein, dass ich einige Sätze zu diesem Gesetzentwurf sage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Staatsregierung lehnt den Gesetzentwurf ab. Ich möchte Ihnen kurz die Gründe dafür nennen. Es ist vorhin schon gesagt worden: Dem Gesetzentwurf liegt ein nachdenkenswerter Ansatz zugrunde. Man kann ihn erkennen, wenn man genau liest, zumindest soweit er auf eine Kommunalisierung der Stellplatzregelung gerichtet ist. Klar ist Folgendes: Die Freihaltung des öffentlichen Verkehrsraums von ruhendem Verkehr ist kein spezifisch bauordnungsrechtliches Anliegen. Es ist letztlich eine Frage von kommunaler Verkehrskonzeption und kommunaler Verkehrspolitik. Das sage ich so weit zu dem gedanklich ansprechenden Ansatz.

Dabei ist es leider geblieben. Denn, wie vorhin schon dargestellt, weist der Entwurf darüber hinaus Mängel sowie inhaltliche Lücken auf und geht sogar teilweise nicht weit genug. Wenn man Kommunen Kompetenzen geben möchte, dann sollte man das auch konsequent tun. Ansonsten befinden sich diejenigen, die davon profitieren, möglicherweise in einer Rechtsfalle. Man sollte die Anforderungen an die Kommunen nicht durch zusätzliche Vorgaben erhöhen. Das ist etwas, was dem Bürokratismus Vorschub leistet. Das kann nicht im Sinne aller Beteiligten sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wesentliche Kritikpunkte wurden im Hohen Hause schon genannt. Erlauben Sie mir, die aus Sicht der Staatsregierung wichtigsten Punkte noch einmal zu benennen.

Erstens enthält der Entwurf – anders als die Musterbauordnung – weiterhin sehr genau definierte Voraussetzungen für Stellplatzablösung und deren Berechnung. Hier kann also von freier kommunaler Gestaltung gar keine Rede sein.

Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang Folgendes: Kommunen sollen für die Stellplatzsatzung Verkehrs- und Mobilitätskonzepte heranziehen und erstellen. Dieser Punkt wurde in den Ausschüssen lange und breit diskutiert. Man kann dazu nur Folgendes sagen: Das ist nun wirklich auch übertrieben, das ist Bürokratie und nicht der Wunsch, eine die Gesellschaft befriedende Ordnung zu finden.

Zweitens fehlt für den Fall, dass die Stellplätze nicht auf dem Baugrundstück selbst errichtet werden sollen, eine Regelung zur Verpflichtung der rechtlichen Sicherung des Drittgrundstücks als Stellplatzgrundstück. Es ist überhaupt nicht klar, wie in diesem Fall verfahren werden soll. Das ist eine Rechtslücke, die aus Gründen der Rechtssicherheit so nicht bestehen bleiben kann.

Drittens macht der Entwurf keine genauen Aussagen zu Satzungsermächtigung für Behindertenstellplätze. Das ist

unerlässlich. Dort gibt es noch ganz erheblichen Klärungsbedarf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung empfiehlt, den vorliegenden Gesetzentwurf abzulehnen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war für die Staatsregierung Herr Staatsminister Beermann. Meine Damen und Herren, wir treten in eine zweite Runde ein. Das Wort ergreift erneut Frau Kollegin Jähnigen.

Ich möchte vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen.

Entschuldigung.

Das können Sie nicht sehen, wenn ich am Mikrofon stehe.

Sie können natürlich auch eine Kurzintervention vornehmen. Diese bezieht sich dann auf den Redebeitrag von Herrn Staatsminister Beermann.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank auch Ihnen, Herr Staatsminister Beermann.

Ja, wir legen großen Wert auf die Erklärung des Innenministers zu den gestrigen Vorfällen. Ich habe deshalb bewusst darauf verzichtet, seine Nichtanwesenheit zu diesem Tagesordnungspunkt in seinem Geschäftsbereich zu kritisieren. Wir hätten es natürlich gern schneller geklärt, als es die Verschiebung der Präsidiumssitzung in die Nacht nach dem jetzigen Plenum zulässt.

Das vorausgeschickt, komme ich auf einige Punkte, die Sie genannt haben, zu sprechen. Es ist natürlich ein Wertungswiderspruch, wenn Sie sagen – ähnlich wie auch die SPD –, dass kommunale Verkehrskonzepte das Parkproblem eigentlich lösen müssen, sie aber nicht möchten, dass die Kommunen zu solchen verpflichtet werden. Wir wollen das, weil wir glauben, dass dies ein Akt der Transparenz gegenüber den Bauherren ist. Sie wissen dann, was der Maßstab des kommunalen Satzungshandelns ist. Wenn es dazu Änderungsvorschläge gegeben hätte, dann hätten wir diesen gern zugestimmt. Wir waren verhandlungsbereit. Sie verschieben aber alles auf später. Sie konnten uns leider auch nicht sagen, wann die lange, lange, lange angekündigte Novelle der Sächsischen Bauordnung kommen soll.

Die Vorschriften für die Satzungsregelung der Kommunen, Herr Staatsminister, greifen exakt das auf, was bisher das Recht der geltenden Bauordnung ist. Wir haben dies bewusst nicht noch einmal verändert, um den Gebrauch der Kommunen nicht zu verändern. Bisher waren es die Bauordnungsbehörden, die die Anordnungen treffen konnten und mussten. Jetzt werden es die kommunalen Räte sein. Das ist der Vorzug. In diesem Punkt wären wir

aber auch gesprächsbereit gewesen. Es ist schade, dass Sie diesen Vorschlag blockieren. Ebenso ist es schade, dass diese Regierung nicht die Kraft hatte, das Sächsische Bauordnungsrecht zu novellieren und den Kommunen Handlungsspielräume einzuräumen. Das ist eine der vielen, vielen Aufgaben, bei denen Sie leider versagt haben.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Jähnigen. Das war eine Kurzintervention. – Herr Staatsminister Beermann, Sie können darauf reagieren.

Frau Abgeordnete, erlauben Sie mir, dass ich noch einen Satz dazu sage. Sie selbst haben es angesprochen, dass das bestehende Bauordnungsrecht möglicherweise an diesem Punkt nur eine Krücke liefert, die Sie benutzen möchten, um ein tatsächlich bestehendes Problem zu lösen. Ich möchte Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben, wann die Bauordnung geändert wird. Das werden wir in der nächsten Legislaturperiode machen. Wir sind guter Hoffnung, dass wir dafür auch das Mandat bekommen, und sehen dem ruhig und gelassen entgegen.

Vielen Dank. Das war die Reaktion auf die Kurzintervention.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. Zunächst liegt uns ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Drucksache 5/14643 vor. Soll dieser begründet werden? – Das ist nicht der Fall. Dann können wir über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Drucksache 5/14643 zu Drucksache 5/12881, Gesetz zur Aufhebung der Stellplatzpflicht, abstimmen. Wer diesem

Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmenthaltungen ist der Änderungsantrag mit der Drucksache 5/14643 abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Der Ausschuss hat die Ablehnung empfohlen. Entsprechend § 46 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise abzustimmen. Wenn es keinen Widerspruch dazu gibt, verfahren wir so. Ich beginne zunächst mit der Überschrift. Wer der Überschrift seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit ist die Überschrift abgelehnt.

Ich stelle jetzt Artikel 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Abstimmung. Wer ihm seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Es gibt einige Stimmenthaltungen. Damit ist der Artikel 1 abgelehnt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle Artikel 2 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs in der Drucksache 5/12881 zur Abstimmung. Wer dem Artikel 2 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Es gibt einige Stimmenthaltungen. Dennoch ist Artikel 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs abgelehnt.

Nachdem somit sämtliche Teile des Gesetzentwurfs abgelehnt wurden, findet über diesen Entwurf gemäß § 46 Abs. 7 der Geschäftsordnung keine Schlussabstimmung statt. Damit ist die 2. Beratung und der Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Erklärung zu Protokoll

Der uns vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN sieht vor, die generelle Stellplatzpflicht nach § 49 Sächsische Bauordnung abzuschaffen und stattdessen den sächsischen Gemeinden den Erlass von eigenen Stellplatzsatzungen zu ermöglichen. Der Gesetzentwurf zielt darauf, durch die Abschaffung der generellen Stellplatzpflicht den Kommunen in Sachsen mehr Freiräume zu geben.

Deregulierung ist aus unserer Sicht durchaus etwas Vernünftiges. Daher ist das grundsätzlich ein überlegenswerter Vorschlag – allerdings sollte es im Rahmen der Novellierung der Bauordnung betrachtet werden. Eine einzige Vorschrift der Sächsischen Bauordnung aufzugreifen ist doch wohl unsinnig.