Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Frau Windisch, bitte, Sie sind im Schlusswort.

Ja, ich komme zum Ende. Ist es nicht schlimm genug, dass die NPD im Landtag ist? Muss man sie noch durch solche Skandalisierung aufwerten?

(Zurufe von der SPD)

Frau Windisch!

Meine Damen und Herren! Die Vorgänger von Herrn Dulig, Herr Kunkel und Herr Jurk, hätten sich niemals so verhalten! Sie alle von der Opposition haben einen Eid geschworen, als Sie in den Landtag eingezogen sind, die Verfassung zu achten, den Nutzen für Sachsen zu mehren und Schaden vom Land abzuwenden.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das damit in Einklang zu bringen ist!

Frau Windisch, ich bitte Sie, die Geschäftsordnung einzuhalten!

Letzter Satz: Ob sich die Väter des Grundgesetzes, die das Demonstrations- und Gegendemonstrationsrecht ermöglicht haben, vorgestellt haben, dass das häufig in bürgerkriegsähnliche Zustände ausartet, ist eine Grundfrage, von der ich nicht weiß, ob sie noch beantwortet werden kann.

Frau Windisch, bitte!

Bitte sorgen Sie in der nächsten Wahlperiode dafür, dass die Demokratie in Sachsen weiter geschützt wird!

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/14385 zur Abstimmung. Es war punktweise Abstimmung gewünscht.

(Stefan Brangs: Der erste Punkt ist erledigt!)

Der erste Punkt ist erledigt, das habe ich jetzt vor lauter Zeitüberschreitung gar nicht mehr mitbekommen. Es bleibt nur noch der Punkt 2 übrig. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Vielen Dank, meine Damen und Herren. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen ist der Drucksache mehrheitlich entsprochen worden und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

DOPPIK-Einführung in Sachsen – zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Drucksache 5/12920, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, NPD, danach die Staatsregierung. Wir beginnen mit der Aussprache: Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Scheel; Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! „Die Doppik steuert nicht von selbst.“ Das ist eine Überschrift über einen Artikel der letzten Ausgabe „Der neue Kämmerer“, in dem sich die kommunale Ebene mit der Frage auseinandersetzt: Welche Vor- und welche Nachteile bringt die Einführung der doppelten Buchführung der kommunalen Ebene?

Wir haben einen Antrag auf die Tagesordnung gesetzt. Soweit ich recherchieren konnte, sind wir die einzige Fraktion, die in dieser Legislaturperiode das Thema Umsetzung der Doppik in der kommunalen Ebene überhaupt in diesem Hohen Hause thematisiert. Das gereicht einem zwar zur Ehre, aber es ist kein guter Zustand; denn der Umgang mit fast 500 Kommunen und den Problemen und Nöten, die sie gerade mit dieser Umsetzung haben, sollte uns alle sehr viel stärker beschäftigen.

Bevor ich auf den Antrag eingehe, möchte ich kurz den Rahmen skizzieren, worüber wir eigentlich reden. Mitte der Neunzigerjahre hat die kommunale Gemeinschaftsstelle – das ist eine Art Beratungsgremium für die kommunale Ebene – etwas aus England importiert: das „new public management“. Sie nannten das hier auf Neudeutsch „Neues Steuerungsmodell“. Damit ging die Frage einher: Wie können wir unsere Haushalte besser bewirtschaften?

Ein Aspekt war dabei, zu schauen, ob man es hinbekommt, den sogenannten Ressourcenverbrauch der kommunalen Ebene besser abzubilden. Es schien, dass die Kameralistik dafür insofern ungeeignet ist, da sie nur einen Einnahmen- und Ausgabenstrom darstellt, aber das, was man gemeinhin als Abschreibung bezeichnet, in keiner Weise berücksichtigt.

Daraufhin haben sich nach einigen Jahren die Innenminister zusammengesetzt. Sie haben am 21. März 2003 in der Innenministerkonferenz festgestellt: Wir werden die kommunale Ebene verpflichten, die doppelte Buchführung einzuführen. Das ist schon eine ganze Weile her – über zehn Jahre, um genau zu sein. Es hat auch vier Jahre gedauert, bis Sachsen überhaupt erst einmal eine gesetzliche Regelung geschaffen hat, nämlich erst am 24. November 2007, wie denn diese Umstellung – und das ist eine gravierende Umstellung – des Rechnungswesens von der Kameralistik hin zur doppelten Buchführung stattfinden soll.

Weitere fünf Jahre wurde Zeit gegeben, nämlich bis 2013, bis alle Kommunen in Sachsen die doppelte Buchführung eingeführt haben sollten. Nun haben wir 2013 festgestellt: Ups, irgendwie haben sie es nicht hinbekommen. Es gab diverse Gründe. Es gab ein paar Einsteiger, die das ganz gut hinbekommen haben, die anderen weniger. Sie hatten Probleme mit der Berechnung und Bewertung der Bäume, der Anlagen, der Straßen, der Parkplätze, der Bilder und Kunstschätze. Es gab diverse Steuerungs- und Lenkungsgruppen.

Fakt ist, dass es nicht gelungen ist, den eigentlich vom Gesetzgeber gegebenen Termin 2013 zu halten. Der Freistaat Sachsen hat dann eine Verlängerung bis 2016 gegeben. Wir sind alle guten Mutes, dass es bis 2016 auch wirklich wird. Ich komme gleich noch zu den Problemen, die vielleicht auch daran zweifeln lassen, dass es bis 2016 wird. Aber unter den Ländern hat mittlerweile ein gewisser Wettbewerb eingesetzt, wer denn längere Fristen anbietet. Baden-Württemberg ist Spitzenreiter. BadenWürttemberg ist kein armes Land. Die Kommunen sind auch gut aufgestellt. Sie haben jetzt die Frist bis 2022 verlängert. Vielleicht kommen wir auch noch auf die Idee, aber ich sage einmal, es gibt einen gewissen Wettbewerb unter den Ländern, weil alle gemeinsam ein riesiges Problem haben. Was einmal gewollt war – dass die Kommunen eine Art Konzernbilanz aufstellen, bei der über alles abgerechnet und Transparenz hergestellt wird und mit der man eine politische Steuerung erreicht, die sich an den Zielen orientiert –, wurde mit der angestrebten Einführung der Doppik nicht erreicht.

Warum ist es nicht erreicht worden? Dazu möchte ich zumindest auf zwei grundsätzliche Problemlagen aufmerksam machen. Die können uns nicht kalt lassen. Erste Problemlage, die Eröffnungsbilanz: Ich habe eben schon darüber gesprochen, wie es aussieht, welche Bewertungsprobleme eine Kommune hat zu sagen, was denn der Baum im Park überhaupt wert ist, damit sie ihren Anfangsbestand kennt. Ohne Anfangsbestand ist es auch schwierig zu sagen, wie sich das Jahr entwickelt hat.

Diverse Kommunen stehen vor der Herausforderung, für das Jahr 2011 überhaupt erst einmal den Anfang festzustellen, und wenn sie das erreicht haben sollten, für das Jahr 2012 einen Abschluss zu machen, für 2013, für 2014 und vielleicht für 2015. Das ist auf jeden Fall ein Riesenberg an Arbeit, den die Kollegen in der kommunalen Ebene vor sich haben. Es gibt wenig Aussicht, dass das wirklich gelöst werden kann.

Ein zweites und viel gravierenderes Problem ist die Frage der Abschreibung. Jede Rechtsaufsichtsbehörde ist nach Gesetzeskraft beauftragt, einen Haushalt nur dann zu genehmigen, wenn er ausgeglichen ist, und zwar nicht

nach den kameralistischen, sondern nach den doppischen Gesichtspunkten, also indem er es schafft, einen Haushaltsausgleich inklusive Abschreibungen zu erreichen. Das schaffen nur wenige.

Über 80 % der sächsischen Kommunen können nicht die Abschreibung erwirtschaften, die in ihren kommunalen Haushalten in der Doppik anfallen. Das soll heißen: Womit behilft man sich im Moment? Wir haben die Frist verlängert. Das haben wir gerade gehört. Wir nehmen jetzt die Doppik und denken kameral. Ob das im Sinne des Erfinders ist? Da mache ich einmal drei große Fragezeichen. Was hilft es uns am Ende auch im Umgang mit den Kommunen und der Rechtsaufsicht zu sagen: Dann macht es einfach so, wie ihr es vorher gemacht habt. Schaut euch die Ergebnisrechnung an, und dann ist alles gut. Wir lassen jetzt einmal die Abschreibungen außen vor.

Es gibt auch Kämmerer, die das Problem aus Sachsen in dem Artikel, den ich gerade genannt habe, folgendermaßen beschreiben – O-Ton –: „Krüger argumentiert, dass ab 2017 rund 80 % der sächsischen Kommunen keinen genehmigten Haushalt mehr hätten und ihnen damit die Grundlage für die Beantragung von Fördermitteln fehlen würde. Investitionen werden dann nicht mehr realisiert werden können, die Wirtschaft wird massiv leiden. Das kann doch nicht im Landesinteresse sein. Krüger fordert daher eine stufenweise Anpassung.“ Wie diese stufenweise Anpassung dann aussehen soll, ist allerdings fragwürdig.

(Lachen bei der Staatsregierung)

So viel Spaß an der Rede hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.

(Zuruf von der Staatsregierung)

Kaufmännisches Interesse, das nehme ich jetzt auch mal so wahr, Herr Innenminister.

Wir haben also, wie gesagt, diese zwei großen Probleme: 80 % der Haushalte, die wahrscheinlich nicht geschlossen werden können, und riesige Zahlenfriedhöfe, die produziert werden, wobei nicht klar ist, welche steuerungsrelevanten Elemente dort überhaupt noch zum Tragen kommen sollen, ob denn die Politik wirklich in der Lage ist, mit diesem doppischen Haushalt eine qualitative Verbesserung der Steuerung der kommunalen Ebene zu erreichen.

Worum es uns mit unserem Antrag geht, ist, erstens ein Problembewusstsein bei allen Landtagsabgeordneten zu wecken – in der Tat hat ja jeder in einer Kommune seinen Wahlkreis, dachte ich zumindest –, zweitens einen Arbeitsfortschritt anzumahnen und damit aufzuhören, sich dieser Problemlage zu verweigern.

Die Probleme, vor denen die Kommunen stehen, sind gravierend. Ein weiteres Problem kommt neuerdings hinzu – die Staatsregierung hat in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen –: Die Europäische Union erwägt, dass auch das Land vielleicht bald doppisch rechnen soll.

Es ist die Frage, wie weit wir darauf vorbereitet sind. Da wird auch wenig helfen, dass man sich dann auf Bundesebene dafür einsetzen wird, dass die Fristen besonders lang sind – wir sind wieder bei 2022 – und dass der Bund alle Kosten übernehmen soll, die dabei anfallen. Wenn wir das den Kommunen versprochen hätten, wären diese aber froh gewesen!

Meine Damen und Herren, Doppik mag ein Insiderthema sein, aber es geht uns alle an, und vor allen Dingen beschäftigt es verdammt viele Leute, ohne viel Nutzen zu bringen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Scheel. – Nun für die CDU-Fraktion Herr Abg. Patt. Herr Patt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein so spannendes Thema wie die Doppik führt große Besucherscharen zu uns. Es ist klar, dass wir einmal darüber sprechen müssen, wie wir insbesondere für die Kommunen und vielleicht auch für den Freistaat insgesamt und andere Verwaltungseinrichtungen eine Lösung finden.

Ich möchte zunächst darauf eingehen, warum wir überhaupt eine Doppik einführen. Seit Anfang der Neunzigerjahre gibt es in den öffentlichen Verwaltungen eine intensive Reformdiskussion, die zum Gegenstand hat, die Verwaltung mithilfe betriebswirtschaftlicher Managementmethoden stärker ergebnisorientiert zu führen und wirtschaftlich arbeiten zu lassen. Es geht also um die Überführung nach dem Leitbild eines modernen Dienstleistungsunternehmens. Angebote und Verwaltungsabläufe sollen an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet werden. Dazu hat man ein neues Steuerungsmodell entwickelt.

Dieses neue Steuerungsmodell erfordert aber qualitativ bessere Informationen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer umfassenden integrierten Reform des öffentlichen Rechnungswesens. Ich glaube, Kollege Scheel, dass uns diese Grundannahme nicht unterscheidet: die Notwendigkeit besserer Information zur Steuerung im kommunalen Bereich und überhaupt im öffentlichen Bereich, also auch im staatlichen Bereich und im Bund. Auf EUEbene kann ich das nicht so beurteilen.