Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

kommunale Steuerungsmodell einer eigenen Bestandsaufnahme sowie Bewertung unterzieht. Der Antrag enthält zwar allgemeine Hinweise für Bewertungen, die wir beim Sächsischen Rechnungshof, beim Statistischen Landesamt und beim Sächsischen Städte- und Gemeindetag nachlesen können, es fehlen aber Hinweise auf die politischen Bewertungskriterien der Antragstellerin selbst, also der Linksfraktion.

Stattdessen wird ein Katalog detaillierter technischer Fragen präsentiert, eine Fleißarbeit des Fragestellers, die allenfalls eine noch größere Fleißarbeit seitens des Sachbearbeiters im Ministerium auslösen könnte, aber keine haushaltspolitische Grundsatzdiskussion im Parlament, die in diesem Fall wohl eher angemessen wäre.

Indessen entnehmen wir der Antwort der Staatsregierung, dass der Innenminister seinen Sachbearbeitern wohlweislich diese Arbeit erspart hat. Er verweist darauf, dass das Sächsische Staatsministerium des Innern gemäß § 131 Abs. 9 der Sächsischen Gemeindeordnung gehalten ist, spätestens nach Ablauf des Haushaltsjahres 2016 die bestehenden Doppik-Regelungen zu evaluieren, insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen zum Haushaltsausgleich und zur Haushaltskonsolidierung. „Eine umfassende Bestandsaufnahme und Bewertung des eingeleiteten Reformprozesses zur Einführung der Doppik auf der kommunalen Ebene ist zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht“, heißt es lapidar in der Antwort der Staatsregierung.

Richtig so, denn das Parlament ist nicht der Ort, um über eine noch nicht abgeschlossene haushaltstechnische Umstellungsphase zu fachsimpeln. Die Umstellung auf ein neues Rechnungswesen ist eine komplizierte und langwierige Prozedur, in der sich die sächsischen Kommunen gerade mittendrin befinden. Nach meinem Eindruck kommt sie im Allgemeinen handwerklich relativ gut damit zurecht. Den genauen Stand könnte auf parlamentarischer Ebene vielleicht eine Arbeitsgruppe, zum Beispiel ein Unterausschuss, seriös untersuchen, nicht aber das Plenum aufgrund eines allgemeinen Antrages wie des heute vorliegenden. Über den grundsätzlichen Sinn und Zweck einer Rechnungslegung nach Aufwand und Ertrag statt nach Ausgaben und Einnahmen kann man zwar lang und breit debattieren, aber nicht einmal das erscheint mir nach dem derzeitigen Projektstand wirklich sinnvoll.

Es gibt aber durchaus Aspekte, die angesichts der künftigen Entwicklung im Parlament sehr wohl diskutiert werden könnten; nur finden diese im Antrag der Linksfraktion kaum Erwähnung. So haben wir heute zum Beispiel einen Wildwuchs unterschiedlicher Haushaltsregelungen in den Bundesländern, und das nicht zuletzt durch die Doppik-Einführung. Dadurch wird der Vergleich zwischen den Kommunen in den verschiedenen Bundesländern schwierig.

Schon jetzt werden Stimmen laut, die sagen, dass sie die Einführung einer einheitlichen Haushaltssystematik auf EU-Ebene brauchen, um auf dieser Ebene eine Vergleich

barkeit der Haushalte zu erreichen und die Transparenz zu erhöhen. Dementsprechend entwickelte die EU

Kommission bereits ein System namens EPSAS zur Hauptharmonisierung der öffentlichen Haushalte in allen EU-Staaten, und zwar auf allen Ebenen, also auch für die Haushalte der Bundesländer und Kommunen. Wozu dies im Endeffekt dienen soll, ist für jeden, der die Krake EU kennt, glasklar: Es soll als Vorstufe für die zentrale Steuerung aller Haushalte von Brüssel aus dienen und führt damit zur Beseitigung der Budgethoheit der nationalen Parlamente und zu einer radikalen Schwächung der kommunalen Selbstverwaltung. Denn wenn die kommunalen Haushaltspolitiker und Kämmerer nicht nur mit der landeseigenen Kommunalaufsicht zu tun haben, sondern auch noch von der Brüsseler Bürokratie beaufsichtigt werden, dürfte es auch schnell mit der Selbstverwaltung vorbei sein.

Die NPD-Fraktion wird sich deshalb bei der Abstimmung über den vorliegenden Antrag der Stimme enthalten. – Danke.

(Beifall bei der NPD)

Das war die erste Runde in der allgemeinen Aussprache. Mir liegen keine Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage trotzdem, ob ein Abgeordneter noch das Wort wünscht. – Frau Junge, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon sehr verwundert, dass zumindest ein Teil der Redner nicht die Notwendigkeit sieht, im Plenum über dieses wichtige Thema „Einführung der Doppik – Umgang und Umsetzung auf der kommunalen Ebene“ zu debattieren.

Wer auf der kommunalen Ebene tagtäglich unterwegs ist und mit den Kämmerern spricht, der weiß, wie viel Problematik in dieser Einführungsphase steckt. Ich möchte das anhand konkreter Beispiele benennen.

Ich beginne mit dem aktuellen Bericht des Sächsischen Rechnungshofes 2013. Dort ist eine Vielzahl von Problemen aufgezeigt, bei denen sich die kommunale Ebene mehr oder weniger alleingelassen fühlt. Das Land hat im Jahr 2007 dieses Gesetz erlassen. Es hat sicherlich Weiterbildungsangebote für Kämmerer bzw. die Finanzverantwortlichen gegeben, aber viel mehr Hilfe und Unterstützung haben sie nicht erfahren. Seit sechs Jahren wird die Doppik eingeführt. Wir erwarten, dass wir diesen Zwischenbericht – das ist unser Anliegen – entsprechend kritisch betrachten: Wo stehen wir? Welche Unterstützung muss vielleicht das Land den Kommunen geben?

Ich zitiere aus dem aktuellen Rechnungshofbericht, um Ihnen die Problematik noch einmal etwas zu verdeutlichen: „Der Umstellungsprozess wurde generell unterschätzt. Es kam zu Zeitverzögerungen bei der Aufstellung der Eröffnungsbilanz. In Einzelfällen wurden dafür mehr als drei Jahre seit dem Umstellungstermin benötigt.

Insbesondere der Aufwand für die Inventur und die Bewertung für das Infrastrukturvermögen und für die Vermögensgegenstände, die schon vor 1990 im Bestand der Kommunen waren, wurden verkannt. Neben der Aneignung von neuem Fachwissen in den Bereichen Finanzwesen und örtliche Rechnungsprüfung musste auch in den übrigen Fachbereichen die doppische Denkweise kommuniziert und betrachtet werden. Mangelnde Dokumentation und interne Kontrollsysteme bei der Aufstellung der Eröffnungsbilanzen führten zur Überschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Fristen.“ Das ist nur ein Teil der Problemlagen, die in diesem Bericht enthalten sind.

Jetzt frage ich Sie: Wie geht die Staatsregierung, wie geht die Koalition mit diesen genannten Schwierigkeiten um? Eine Antwort finden wir konkret in der Stellungnahme der Staatsregierung zu unserem Antrag. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Dort heißt es: „Wir haben eine Lenkungsgruppe eingerichtet, um die dringend zu lösenden Probleme zu identifizieren und auf der Grundlage einer intensiven Beobachtung und Analyse der Entwicklung der Kommunalhaushalte Vorschläge für eine strategische Ausrichtung der Doppikregelung, wie sie in der Zeit ab 2017 gelten soll, zu erarbeiten.“

Wow! Diese Aussage klingt erst einmal gut, hilft aber den 432 Kommunen derzeit überhaupt nicht. Die aktuellen Probleme beim sachgerechten und transparenten Aufbau eines doppischen Haushaltes müssen die Kommunen irgendwie allein bewältigen.

Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten mit Bürgermeistern, Finanzverantwortlichen, Kreis- und

Gemeinderäten gesprochen und immer wieder hinterfragt, ob und wie die Einführung des doppischen Haushaltes erfolgte. Die meisten Finanzverantwortlichen waren sehr unzufrieden mit dem Umstellungsprozess. Den Wust an Arbeit mussten sie mehr oder weniger allein bewältigen und auch finanzieren.

Die gesetzlichen Regelungen erfuhren im Umstellungszeitraum von nur sechs Jahren zahlreiche Änderungen. So wurden die Verwaltungsvorschrift Kommunale Haushaltssystematik als auch die Kommunalhaushaltsverordnung mehrmals geändert. Dies führt wiederum zur Änderung bei Kontenbuchungen und Bilanzierungen, sodass ein erheblicher Arbeits- und Personalaufwand zusätzlich entsteht. Die nicht vorhandenen verbindlichen Bewertungsrichtlinien und Dienstanweisungen erschweren die Arbeit der Kämmereien. Zahlreiche Überleitungs- und Bewertungsvorschriften blieben im Entwurfsstadium stecken und waren in sich widersprüchlich.

Positiv angemerkt wurde – das möchte ich auch benennen – die Zusammenarbeit des SSG mit dem SMI. In Arbeitsgruppen wurden ungenau geregelte Sachverhalte diskutiert und tragbare Lösungen gefunden. Aber es gibt dennoch großen Handlungsbedarf, und ich möchte drei Komplexe kurz benennen.

Erstes Problem: die sogenannten Fehlbeträge. Trotz Übergangsregelungen werden die meisten Kommunen

nicht bis zum Jahr 2016 allein ihre Fehlbeträge aus nicht zahlungswirksamen Leistungen ausgleichen können. Die tatsächliche Finanzlage der Kommunen wird jetzt durch die Doppik sichtbar. Das hat Herr Patt deutlich in seiner Einführungsrede zur Doppik dargestellt. Die Fehlbeträge in Millionenhöhe resultieren nicht aus dem Missmanagement der Kommunen, sondern zeigen deutlich die chronische Unterfinanzierung der kommunalen Ebene. Hier muss endlich der Freistaat gegensteuern und darf die Kommunen mit ihren Haushaltsproblemen nicht alleinlassen.

Zweites Problem: die Personalausstattung. Der Personalschlüssel der Kameralistik passt nicht zur Doppik. Durch die Einführung der Doppik besteht ein wesentlich höherer Personalbedarf, da zum Beispiel die Grundstücksverwaltung sehr aufwendig ist, wie mehrere Kämmerer sehr deutlich sagten. Sie brauchen, um diesen Prozess weiter aktiv zu begleiten, wesentlich mehr Personal. Das ist ein großes Problem, denn gerade im Kommunalbereich wird hier auf Personalabbau gesetzt.

Drittes Problem: der Prüfrückstand der SAKD. Die Sächsische Anstalt für kommunale Datenverarbeitung muss die Haushaltsprogramme der Softwareanbieter prüfen und zertifizieren. Die Prüfung zieht sich stark in die Länge und von der SAKD werden die Anforderungen immer wieder verändert. Die Softwarefirmen müssen alle gesetzlichen Änderungen anpassen, sodass auch hier wieder ein hoher Zeit- und Personalaufwand entsteht.

Es gibt also auf der kommunalen Ebene durch die Einführung der Doppik eine Vielzahl von Problemen. Ich habe nur drei Hauptschwerpunkte genannt. Die Staatsregierung sollte die öffentliche Debatte als Chance nutzen, um die Mängel und Probleme zeitnah zu beheben. Die chronische Unterfinanzierung der Kommunen wird durch die Doppik sichtbar und muss endlich durch das Land beseitigt werden.

(Jens Michel, CDU: Was, bitte?)

Ich bitte Sie, unserem Antrag hinsichtlich eines aus unserer Sicht notwendigen Zwischenberichtes gerade zum Prozess der Einführung der Doppik zuzustimmen. Setzen Sie sich bitte aktiv mit den kommunalen Problemen bei der Einführung der Doppik auseinander!

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Wünscht ein weiterer Abgeordneter in der zweiten Runde das Wort? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Einige Redner aus den unterschiedlichen Fraktionen haben gesagt: Das ist eine Diskussion, die unter Fachleuten geführt werden sollte. Ich kann Ihnen nur sagen, zumindest was die grundsätzlichen Aussagen

betrifft: Recht haben Sie. Die Fraktionen haben jetzt die jeweiligen Fachleute sprechen lassen, und deshalb möchte ich mich nur auf einige Dinge konzentrieren, meine Damen und Herren.

Zum Ersten habe ich herausgehört, dass es dem Grunde nach gegen die Doppik keine Einwände gibt, was die Aufklärung, Transparenz und Einbeziehung künftiger Ausgaben und damit die besseren Steuerungsmöglichkeiten betrifft.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Wenn wir sie hätten!)

Herr Scheel, wir wollen mal schauen, wo wir im Freistaat Sachsen wirklich stehen. Ich hätte zumindest erwartet, dass man, wenn man über dieses Thema spricht und den Stand im Freistaat Sachsen skizziert, die Ausgangssituation richtig beschreibt.

Richtig, seit dem Jahr 2007 besteht diese Möglichkeit. Sie wissen, ich habe den Vorteil, dass ich auf beiden Seiten der Theke gesessen habe: Ich war einst OB in einer der Frühstarterkommunen. Ich habe damals die Doppik eingeführt, und jetzt bin ich auf der anderen Seite als Minister dafür verantwortlich.

Ich würde sagen, was das Thema Doppik-Einführung im Freistaat Sachsen betrifft, sind wir auf dem Weg, eine Erfolgsgeschichte zu schreiben; denn 422 von

442 Kommunen arbeiten mittlerweile mit der Doppik. Das sind immerhin 95,2 %.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Weil sie parallel die Kameralistik haben!)

Die restlichen 20 machen von der Ausnahmegenehmigung Gebrauch, aber sie werden zum 01.01.2015 nachziehen. Das ist schon bemerkenswert.

Ein Großteil der Kommunen – das haben sie in ihrer kommunalen Selbstverwaltung entschieden – hat zugegebenermaßen sehr spät mit diesem Thema begonnen. Man kann sagen, dass sie sich die Probleme der Frühstarterkommunen erspart haben. Da war eine ganze Menge der Probleme geklärt.

Von 432 Städten und Gemeinden im Freistaat Sachsen haben derzeit 120 eine aufgestellte Eröffnungsbilanz. Ende dieses Jahres werden voraussichtlich nach allem, was wir wissen, noch einmal 254 hinzukommen. Herr Scheel, dann haben immerhin 87 % der Kommunen im Freistaat Sachsen eine Eröffnungsbilanz. Sie wissen dann, wovon sie ausgehen, was die Basis ist und was die Größenordnung für die Abschreibung ist. Der Rest zieht 2015/2016 nach.

Frau Junge, wenn Sie sich mit Kämmerern unterhalten, dann werden Sie, wenn Sie weiter nachfragen, bestimmt mitbekommen, dass man letztendlich durch die Eröffnungsbilanz in manchen Kommunen wahrscheinlich das erste Mal eine komplette Vermögensaufstellung hat und Bescheid weiß über die einzelnen Grundstücke, die in der Kommune vorhanden sind. Das ist durchaus auch ein Vorteil.

Natürlich ist es klar, dass die Umstellung ein Prozess ist; es wäre ja verrückt, wenn man das negieren würde. Aber klar ist auch – insofern bin ich dankbar, dass die Redner das hervorgehoben haben –, dass die Staatsregierung den Kommunen bisher umfänglich geholfen hat. Wir haben sie begleitet und unterstützt, und das werden wir auch weiterhin tun.

Wir haben durchaus auch auf Bitten der Kommunen noch einmal Übergangsvorschriften geschaffen. Diese haben aber nicht das Ziel, dass wir das Thema bis zum SanktNimmerleins-Tag – wie es in der Diskussion angesprochen worden ist – nach hinten ziehen, sondern wir wollen damit erreichen, dass dieser Umstellungsprozess für die Städte und Gemeinden, für die kommunale Ebene vernünftig erfolgen kann.

Das Ziel ist es: Die Kommunen sollten während der Übergangszeit in der Lage sein, einen gesetzmäßigen Haushalt auf den Weg zu bringen. Auch dazu kann ich sagen: Dieses Ziel haben wir erreicht. 97 % aller kreisangehörigen Gemeinden, Landkreise und kreisfreien Städte hatten im Jahr 2013 einen genehmigten Haushaltsplan, meine sehr verehrten Damen und Herren. Bei dem Stand 30.05. haben immerhin 65 % einen beschlossenen Haushalt.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Warum haben sie den?)

Weil sie mit den Rahmenbedingungen, die wir im Freistaat Sachsen haben, zurechtgekommen und damit in der Lage sind, einen Haushalt aufzustellen.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)