Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

Deshalb fordern wir in dem heute vorliegenden Antrag, dass Sie die vorhandenen Spielräume nutzen, um den Stellenabbau zu beenden und die Grundfinanzierung der Hochschulen zu erhöhen. Hierfür braucht es zunächst ein Stellenmoratorium. Der nächste Schritt ist die Revision des Stellenabbaus auf der Grundlage der Studierenden- und Absolventenzahlen und dann schrittweise die Anhebung der Grundfinanzierung von derzeit 6 350 Euro wenigstens auf den Bundesdurchschnitt von 6 830 Euro pro Studierendem und Jahr. Das dient auch der Verbesserung der Betreuungsrelation und der Stärkung guter Lehre.

Jetzt bin ich wenigstens einmal dankbar für eine Pressemitteilung der FDP-Fraktion, so spät sie auch kam. Ja, wir brauchen eine Korrektur der sächsischen Hochschulentwicklungsplanung. Die jetzige war schon bei Vorlage hinfällig, weil sie der Studierendenentwicklung weit hinterherhinkte, vor allem aber – so ist mein Eindruck –, weil sie bewusst ignoriert wurde. Nach Jahren des Verweises und der Debatten hier im Plenum, in denen Sie fälschlicherweise darauf rekurrierten, dass die Studierendenzahlen sinken würden – ein Lied, das man in Sachsen seit fünfzehn Jahren hört –, steht heute in der Antwort auf eine Kleine Anfrage relativ deutlich – man möchte fast meinen: ehrlich –: Die Prognose der Studienanfängerzahl steht mit dem Kabinettsbeschluss ZRB 2020 – Sie werden sich daran erinnern: dem zum zusätzlichen Stellenabbau – nicht in unmittelbarem Zusammenhang und war somit auch nicht dessen Beschlussgrundlage.

Schöner lässt sich im Amtsdeutsch kaum ausdrücken: Die Realität an unseren Hochschulen ist uns egal. Der Abbau ist beschlossen. Basta!

(Robert Clemen, CDU: Welcher Abbau?)

Deshalb sage ich: In die Hochschulentwicklungsplanung müssen nicht nur die Studierendenzahlen einbezogen werden, sondern auch die Berufsakademie Sachsen. Der Fokus ist auf den gesamten mitteldeutschen Raum zu erweitern; das ist eine Position, über die wir uns sicherlich gut austauschen können.

Zum Dritten fordern wir in unserem Antrag, auch das soziale Umfeld der Hochschulen zu stärken und gute Arbeit zu ermöglichen. Die drei Punkte, die ich in diesem Zusammenhang nennen möchte, sind Ihnen wohlbekannt. Wir wollen eine Erhöhung der Zuschüsse für die Studentenwerke auf 10 Millionen Euro, um die in den vergangenen Jahren gestiegenen Kosten und Herausforderungen zu

bewältigen. Wir wollen die Förderung familienfreundlicher Strukturen an den Hochschulen. Wir wollen in Zusammenarbeit mit den Hochschulen Mindeststandards für Arbeitsverhältnisse an den Hochschulen festlegen und dabei insbesondere die Situation von Lehrbeauftragten, Honorarkräften und Promovierenden berücksichtigen. Das alles sind aus unserer Sicht dringend notwendige Schritte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rückmeldungen aus den Hochschulen auf Ihren hochschulpolitischen Kürzungskurs – ich will es nicht „Entwicklung“ nennen – sind eindeutig. Die Landesrektorenkonferenz hat heute in einer Pressemitteilung unsere Forderung nach Rücknahme der Stellenkürzung und entsprechender Verwendung der aus der Übernahme der BAföGFinanzierung frei werdenden Gelder unterstützt. Am Mittwoch nächster Woche, am 25. Juni, werden Studierende und Mitarbeiter zu Tausenden unter dem Motto „Kürzer geht’s nicht!“ in Leipzig auf die Straße gehen. Wir wollen deshalb heute wissen: Wie stehen Sie zu unseren Forderungen, insbesondere nach Stopp des Stellenabbaus?

Zum Schluss: Heute feiert der Bologna-Prozess fünfzehnjähriges Jubiläum. Geschenke erwarten die sächsischen Hochschulen und ihre Angehörigen von Ihnen schon lange nicht mehr, aber wenigstens die Anerkennung dafür, dass dieser Prozess in den letzen Jahren quasi nebenher auch noch gestemmt wurde. Die in dieser Woche vermeldeten Rekordzahlen an Studienabschlüssen in Sachsen sind beredter Beleg dafür. Zugleich aber stecken darin noch viele Herausforderungen, wie das ungenügende Angebot an Masterplätzen in Sachsen zeigt.

Werte Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie machen mit Ihrer Politik – es ist eine Politik nur auf Sicht – die Hochschulen zunehmend kaputt.

(Robert Clemen, CDU: Quatsch!)

Sie sind im Zweifelsfall verantwortlich, wenn mehrere Institute und damit ganze Fachrichtungen und Kompetenzen unserem Land Sachsen verloren gehen. Sie haben deshalb heute die Gelegenheit, mit der Zustimmung zu unserem Antrag Ihre Entscheidung zu korrigieren.

Das Mindeste aber, was die SPD und die sächsischen Wähler von dieser Debatte erwarten können, ist, dass Sie darstellen, inwieweit Sie Ihre Position zu den von mir konkret beschriebenen Punkten korrigieren möchten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Dr. Gerhard Besier, DIE LINKE)

Nächster Redner ist Herr Clemen für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Mann, angesichts des Antrags, der uns vorliegt, verwundert es mich schon ein klein wenig, was Sie heute für eine Rede

gehalten haben. Ich möchte das nur sagen, bevor ich mit meiner Rede beginne.

(Holger Mann, SPD, führt im hinteren Bereich des Plenarsaals ein Gespräch.)

Können Sie mir vielleicht noch fünf Minuten Ihr Ohr leihen, Herr Kollege?

(Holger Mann, SPD, läuft hinter den Abgeordnetenplätzen entlang.)

Möchten Sie hier eine Debatte führen, oder wollen Sie einfach in der Gegend herumlaufen?

(Holger Mann, SPD: Ich lausche Ihnen, Herr Kollege!)

Ich würde zumindest so viel Anstand erwarten, dass Sie hier Platz nehmen und der Debatte lauschen, aber nicht durch die Gegend laufen.

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN – Stefan Brangs, SPD: Holen Sie am besten noch die Trompete heraus!)

Debattieren wir hier, oder veranstalten wir einen Wandertag, liebe Kolleginnen und Kollegen? Worum geht es hier eigentlich?

Die Mär vom Stellenabbau kann ich allmählich nicht mehr hören. Es geht lediglich um unbefristet zu besetzende Vollzeitstellen, um nichts anderes. Das ist aber nur ein ganz kleiner Teil der gesamten Stellen, über die wir hier reden.

Aber jetzt zu meiner Rede. Wie gesagt, nach dem Antrag der SPD-Fraktion war eine andere Debatte zu erwarten. Insofern werde ich versuchen, das Thema etwas komplexer anzugehen.

Meine Damen und Herren! Seit Monaten versucht die Opposition den Eindruck zu erwecken, die sächsischen Hochschulen seien chronisch unterfinanziert. Dies ist mitnichten der Fall, im Gegenteil – Herr Mann ist wieder auf seinem Platz –, so viel Geld, wie heute an den sächsischen Hochschulen in Wissenschaft und Lehre investiert wird, war noch nie im sächsischen Hochschulsystem vorhanden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das ist ein Fakt, und den bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn Ihnen das nicht passt. Die sächsischen Universitäten und Hochschulen sind gut aufgestellt und belegen Spitzenplätze im bundesweiten Vergleich. So verfügt Sachsen mit der TU Dresden über die einzige Exzellenzuniversität der neuen Bundesländer und die HHL Leipzig belegt den ersten Platz in mehreren bundesweiten Hochschul-Rankings,

(Widerspruch des Abg. Dirk Panter, SPD)

bei denen nicht auf eine Mindestzahl von Studierenden abgestellt wurde.

Im September 2012, also vor nunmehr zwei Jahren, haben wir in diesem Hohen Hause das Hochschulfreiheitsgesetz beschlossen. Dieses Gesetz ermöglicht den Universitäten und Hochschulen eine weitgehende Autonomie, die lediglich durch abgestimmte Zielvorgaben in eine bestimmte Richtung definiert wird. Diese Freiheit, meine Damen und Herren, bedeutet jedoch Freiheit in Verantwortung und nicht Freiheit von Verantwortung. Die Landesmittel für die Hochschulen insgesamt stiegen von 687,2 Millionen Euro im Jahr 2005 auf – und jetzt hören Sie genau zu – 803,4 Millionen Euro im Jahr 2012 an. Dies bedeutet, wenn Sie richtig rechnen können, eine Steigerung von 15 %. Von Kaputtsparen kann bei objektiver Betrachtung dieser Zahlen absolut keine Rede sein.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ja, ich wiederhole es gern noch einmal für diejenigen, die nicht richtig zugehört haben: von im Jahr 2005 – –

(Stefan Brangs, SPD: 2005!)

im Jahr 2005 687 Millionen Euro auf 803 Millionen Euro im Jahr 2012. Ist es jetzt angekommen? – Danke.

(Holger Mann, SPD: Das ist ja Wahnsinn!)

Das ist schon eine ganze Menge bei zurückgehender Bevölkerungszahl.

Allerdings, meine Damen und Herren, wird die Anzahl der unbefristet zu besetzenden Vollzeitstellen – darauf heben Sie immer ab – zwischen 2013 und 2020 um 1,5 % pro Jahr abgesenkt, um die Flexibilität im Sinne der Wissenschaftsentwicklung im Freistaat Sachsen bei der Ausrichtung der Universitäten und Hochschulen zu erhöhen. Das ist ein Teil dessen, was wir im Hochschulfreiheitsgesetz beschlossen haben.

(Beifall bei der FDP)

Insbesondere an der Leipziger Universität scheint dies zu gewissen Problemen bei der internen Planung und Umsetzung zu führen. Es wird argumentiert, einem permanenten Aufwuchs an Studierenden stünde ein Abbau an Personal entgegen. Das ist falsch. Die Studierendenanzahl an der Leipziger Universität betrug im Jahr 2005 29 147 Studierende und sank in den vergangenen Jahren bis 2013 auf – zuhören! – 25 751 Studierende. Demgegenüber gab es seit 2005 einen Personalzuwachs um rund 18 %.

(Staatsministerin Christine Clauß: Aha!)

Und dies, wie ich gerade erwähnt habe, bei sinkender Studierendenzahl. Seit 2006 ist die jährliche Zuweisung des Freistaates Sachsen an die Universität Leipzig, Kapitel 12 08, um circa 20 Millionen Euro gestiegen. Die Anzahl der Professoren stieg von 332 im Jahr 2005 auf 350 im Jahr 2012 an.

Natürlich habe ich ein gewisses Verständnis dafür, dass es für die Universitätsleitungen eine Herausforderung darstellt, die langfristige Planung und damit verbundene Stellenbesetzung mit dem gleichzeitigen Abschmelzen

von unbefristeten Vollzeitstellen zu harmonisieren. Jedoch beinhaltet die Hochschulautonomie auch genau diese Verantwortung. Vor dem Hintergrund der seit Längerem nicht besetzten Kanzlerstelle, dem Wechsel an der Spitze des Hochschulrates und der ungenügenden Kommunikation der strategischen Vorstellungen der Unileitung gegenüber Senat und Hochschulrat kann es nicht angehen, dass man nun interne Probleme nutzt, um alle ungelösten Fragen der Landespolitik vor die Tür zu kehren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Selbstredend bringen Neuprofilierung und strategische Ausrichtung einige Probleme mit sich, die jedoch zunächst im internen Diskurs beraten und erst dann, wenn sich tatsächlich keine vertretbaren Kompromisse erzielen lassen, in konstruktiven Verhandlungen mit dem Ministerium geklärt werden sollten.

Ich bin nach wie vor optimistisch, dass sich die offenen Fragen nach Neubesetzung der Kanzlerstelle und nach dem Wechsel an der Spitze des Hochschulrates im Interesse des Wissenschaftsstandortes Leipzig und der an der Leipziger Universität Studierenden zukunftsfähig klären lassen.

Grundsätzlich müssen wir uns im Hohen Hause die Frage stellen, wie viele Studierende es in Sachsen in den nächsten Jahren geben soll? Welche Schwerpunkte wollen wir dabei im Interesse der zukünftigen Entwicklung unseres Landes setzen? Welche Kooperationen mit den an uns angrenzenden Bundesländern sollen dabei möglich und zweckdienlich sein?