Meine Damen und Herren! Der NPD-Fraktion ist klar, dass sich der Landtag nicht unmittelbar in die Ermittlungen einschalten kann. Das ist und bleibt selbstverständlich die Aufgabe der Polizei. Der Landtag kann aber, nein, er muss sogar eingreifen, wenn erkennbar ist, dass die Leiter der Sicherheitsbehörden ihre Arbeit nicht ordentlich verrichten. In anderen Fällen wird die linke Seite dieses Hauses ja auch aktiv, wenn es irgendetwas an der Polizei zu kritisieren gibt. Aus diesem Grund haben wir diesen Antrag gestellt „Linksextremistische Gewalt in Leipzig bekämpfen – Antifa-Täter endlich konsequent verfolgen“.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Verfolgung von politischer Gewalt – und ich sage ausdrücklich: jeglicher politischer Richtung – sollte für jeden Abgeordneten in diesem Hause eine Selbstverständlichkeit sein. Falls es Ihnen schwerfallen sollte, sich von Gewalt gegen Kandidaten der NPD zu distanzieren oder die Behörden aufzufordern, die Ermittlungsanstrengungen zu intensivieren, dann sollten Sie wenigstens die Courage besitzen, dem Punkt 2 unseres Antrags zuzustimmen, der lautet: „Der Landtag bekräftigt, dass Gewalt generell kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf.“
Für die einbringende NPD-Fraktion war das der Abg. Szymanski. Als Nächstes erhält für die CDU-Fraktion Herr Kollege Pohle das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.“ – Artikel 16 Abs. 1 der Verfassung unseres Freistaates Sachsen. „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ – Artikel 18 Abs. 3 der Verfassung.
Die Verfassungsorgane des Freistaates setzen den Wortlaut unserer Verfassung konsequent um. Das ist ihre Aufgabe, und das tun sie auch ohne den uns vorliegenden Antrag der NPD-Fraktion.
Deshalb ist dieser Antrag überflüssig und folglich abzulehnen. An dieser Stelle könnte meine Rede an sich enden, dennoch muss hier ein Blick auf die leider wieder zunehmende und politisch motivierte Gewalt in unserem Lande und deren Protagonisten geworfen werden.
Im Jahr 2013 wurden laut Aussage des Innenministers in Sachsen 2 217 politisch motivierte Straftaten registriert. 1 635 davon wurden rechten, 582 linken Straftätern zugeordnet. Das sind zunächst 2 217 Fälle, die unsere Polizei davon abhalten, sich mit den echten Problemen unserer Bürger zu beschäftigen, und das nur, weil es an den politischen Rändern eine Handvoll Menschen gibt, die sich der demokratischen Gesprächskultur verweigern und auf Extremismus setzen. Ist das nur alles auf Unverständnis, mangelnde geistige Leistungsfähigkeit, sprich Dummheit, der Extremisten zurückzuführen? Ich behaupte, nein.
Es ist das Kalkül jener Gruppen am Rande der Gesellschaft, die sich wohl auch gegenseitig benötigen. Das behaupte im Übrigen nicht nur ich. Prof. Dr. Eckhard Jesse, Inhaber des Lehrstuhls Politische Systeme, Politische Institutionen an der TU Chemnitz, schreibt im Jahrbuch „Extremismus und Demokratie“: „Obwohl sich die unterschiedlichen Extremismen einander heftig bekämpfen, benötigen ihre Repräsentanten sich gegenseitig. Sie wollen die Existenzberechtigung der eigenen Richtung durch Kampagnen gegen das extremistische Pendant nachweisen.“ Wer auch den Professor für verdächtig hält, der lese beim alten Sokrates nach, denn das Wort ist wahr, dass ein Extrem regelmäßig das entgegengesetzte Extrem auslöst. Das gilt so beim Wetter, in unseren Körpern und erst recht bei den Staaten.
Worin besteht aber nun das Kalkül? Zum einen besteht es darin, Aufmerksamkeit für Meinungen herzustellen, die eigentlich kein normaler Mensch zur Kenntnis nehmen mag. Zum anderen zielt es offensichtlich darauf ab, Märtyrer zu schaffen.
Betrachten wir doch einmal den von den Herrschaften der NPD zum Opfer stilisierten neuen Leipziger Stadtrat Enrico B. Bereits vor seiner Kandidatur für den Leipziger Stadtrat und vor den kriminellen Attacken auf ihn hat sich Herr B. schon recht oft in die Berichterstattung eingebracht.
(Holger Szymanski, NPD: Jetzt wird das Opfer zum Täter gemacht! Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet, sondern von den LINKEN!)
Als Aktiver hat sich Herr B. schon oft in die Medienberichterstattung als aktives Mitglied der sogenannten Blue Caps gebracht, einer gewalttätigen, politisch extremen, rechtsverorteten, einem Leipziger Fußballklub nahestehenden Hooligangruppierung. Die Personalunion von Hool- und NPD-Kadern dürfte kaum ein Zufall sein, und ohne dazu alttestamentarisch werden zu wollen, fällt mir doch Buch Hosea Kapitel 8, Vers 7 ein: „Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten. Ihre Saat soll nicht
aufgehen. Was dennoch aufwächst, bringt kein Mehl. Wenn es etwas bringen würde, sollen Fremde es verschlingen.“
Noch jemand fällt mir ein, ein sogenannter Märtyrer Ihrer Vorläufer, sehr geehrte Dame und Herren der NPD: Horst Wessel – jene Führungsfigur der braunen Berliner SASchlägertrupps, die selbst der Gewalt zum Opfer fiel und von ihren geistigen Vätern tränenreich zum Märtyrer stilisiert wurde. Es tun sich Ähnlichkeiten aus den 33er- Zeiten auf. Abseits der disziplinierten Umzüge provozierten SA-Männer gewaltsame Zusammenstöße mit politisch Andersdenkenden. In einem Polizeibericht war von hochgradiger politischer Erregung zu lesen und von beinahe bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Aber geben Sie sich keinen Hoffnungen hin, wir leben nicht in den 30erJahren des letzten Jahrhunderts.
Die Polizei erledigt ihre Arbeit und schützt auch jene, die unsere eingangs zitierte Verfassung ablehnen und auszuhöhlen versuchen.
Der Polizeipräsident von Leipzig, Bernd Merbitz, versicherte mir erst vor zwei Tagen, dass in allen registrierten Strafsachen mit der üblichen Akribie und Zuverlässigkeit ermittelt wird.
Märtyrer wird es also nicht geben. Ihre Provokation, Ihre Aufmärsche, Ihre hinterhältigen Anschläge, Ihre nächtlichen Schmierereien halten lediglich unsere Polizei von ihren eigentlichen Aufgaben ab,
und sie bieten – damit sind wir wieder bei Sokrates und Prof. Eckhard Jesse – dem linksautonomen Personal und deren Helfern die ideologische Handlungsbasis. Betrachtet man nämlich die von mir vorhin genannten Zahlen genauer und zieht von den rechten Straftaten einmal die Fälle der Verwendung verbotener Symbole ab – ein Straftatbestand, den es bei den linksextremen Brüdern und Schwestern im Geiste eher selten gibt –, so ergibt sich auf dieser Seite ein Bild äußerster Gewaltbereitschaft und Menschenverachtung. Unsere Polizei hat auch das im Blick. Der von Ihnen so gern geschmähte Polizeipräsident von Leipzig eröffnete nicht von ungefähr ein Revier am Connewitzer Kreuz in Leipzig. Die Reaktion der linksautonomen Szene ist seither entsprechend.
Mindestens genauso schlimm aber ist für meine Begriffe, dass die Gewalt von Mitgliedern der Partei DIE LINKE – ich denke da auch, aber nicht nur an die neue Leipziger Stadträtin Juliane N. – mindestens sekundiert, ich meine sogar organisiert wird.
Erstaunlich ist es dann, dass genau der Personenkreis, der die Polizei von ihren eigentlichen Aufgaben ablenkt, sie diskreditiert und attackiert, zuerst und ganz besonders ihre Fürsorge einfordert. Wer mit Feuer hantiert, läuft Gefahr, sich selbst zu verbrennen. Man sollte dem Rechnung tragen und dies lassen.
„Keine Gewalt!“ war der zentrale Ruf der friedlichen Revolution insbesondere in meiner schönen Heimatstadt Leipzig.
Auch damals wollten Extremisten und Feinde der Demokratie etwas anderes und konnten die friedlichen Wegbereiter der Demokratie in Sachsen nicht aufhalten.
Sehr geehrte Damen und Herren! Kurz und gut, Polizei und Justiz in Sachsen leisten ihren verfassungsmäßigen Auftrag. Sie sind weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind und verfolgen jegliche Art der Kriminalität,
hinter welchem politischen Fähnchen Sie sich auch immer verstecken mögen. Der Antrag der NPD ist entbehrlich. Wir werden nicht dabei helfen, Wölfe zu Lämmern zu machen, und lehnen diesen Antrag ab.
Kollege Pohle sprach für die CDU-Fraktion. Wir sind nach wie vor in der ersten Rednerrunde. Gibt es jetzt in dieser Runde Redebedarf? – Das Wort ergreift Frau Köditz für die Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen zur Extremismusdoktrin möchte ich jetzt nichts weiter sagen, aber zurückweisen muss ich sie trotzdem. Ich möchte aber zum Antrag der NPD sprechen. Diesbezüglich kann ich mich relativ kurzfassen, denn er ist sehr widersprüchlich.
Die Staatsregierung wird aufgefordert, alle geeigneten Maßnahmen zu veranlassen, die zur Ergreifung der Täter führen, insbesondere auch durch die Bildung einer Sonderkommission zur Ermittlung. Da heißt es „Ermittlung“. Aber die Überschrift des Antrages verortet schon die Täter, und wenn die Täter schon bekannt sind, wie hier behauptet, braucht man doch nicht noch eine Sonderkommission zu bilden.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe ganz einfach, dass in alle Richtungen ermittelt wird. Mir sind keinerlei Bekennerschreiben zu den Taten bekannt.
Ich kenne aber eine Menge Menschengruppen, die genügend Grund und Anlass hätten, also eine mögliche Motivation für derartige Taten, –
konkurrierende Nazistrukturen oder im Bereich organisierte Kriminalität. Man hört ja immer wieder von Vorfällen im Drogenbereich.
Meine Damen und Herren! Wer einen verurteilten Gewalttäter als Kandidaten für den Leipziger Stadtrat aufstellt, der sollte sich mit Formulierungen, dass Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf, doch ein wenig zurückhalten. Ich sage Ihnen ganz klar in meinem persönlichen Namen und im Namen der Fraktion DIE LINKE: Wir lehnen Gewalt nicht nur in Bezug auf politische Auseinandersetzung ab, wir lehnen Gewalt prinzipiell ab, auch bei unpolitischen Auseinandersetzungen und im privaten Bereich.