Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

einfach auf Sachsen übertragen. Das gilt zum Beispiel für die rechtliche Betreuung oder auch für die Bewertung der Arbeit der Gemeinsamen Servicestellen. Das macht für mich deutlich: Die Staatsregierung schaut nicht genau hin, greift nicht gestaltend ein.

Jetzt möchte ich gern noch kurz auf einzelne Lebensbereiche eingehen. Eingehen möchte ich nur auf das Thema Bildung. Eine inklusive Schulbildung ist die Weichenstellung für alle weiteren Abschnitte im Leben: für die Partizipation in der Arbeitswelt, für das selbstbestimmte Wohnen und für den Radius der Freizeitgestaltung. Sie zu ermöglichen ist also absolut zentral und sollte das primäre Ziel der Staatsregierung sein. Auf die Arbeit des Expertengremiums und auf den ersten Aktions- und Maßnahmeplan wird im vorgelegten Bericht überproportional häufig verwiesen. Wenn ich das als Unwissende lese, kann ich zu dem Schluss kommen, hier passiert ja einiges.

Der Blick hinter die Kulissen macht jedoch deutlich, dass der Schein trügt. Die Vorlage des um die Empfehlungen des Expertengremiums fortgeschrieben Aktions- und Maßnahmeplanes wurde von der Ministerin Kurth bereits seit einem Jahr versprochen. Was ist passiert? Nichts! Stattdessen werden hier im Freistaat Sachsen weiterhin Kinder an der Teilnahme am Unterricht in einer Regelschule gehindert.

Erst kürzlich erreichte uns eine Petition. Ein Schüler wurde bis zur 4. Klasse integrativ an einer Regelschule unterrichtet. Er wollte auch in der 5. Klasse gemeinsam mit seinen Kumpels lernen. Die zuständige Behörde lehnte jedoch die Finanzierung eines Schulassistenten ab, die SBA verwies den Schüler dann auf eine Förderschule. Daraufhin erklärte sich die Mutter des Kindes bereit, die Schulassistenz zu übernehmen, was der Sächsischen Bildungsagentur nicht genügte. Das ist ein Skandal und vor allem hier in Sachsen kein Einzelfall! Eltern und Kinder müssen immer noch ihren Platz in einer Regelschule erkämpfen.

Missstände bei der Entwicklung eines inklusiven Schulsystems hat auch der kürzlich vorgelegte Nationale Bildungsbericht benannt. Im Rahmen einer vertiefenden Analyse wird in ihm der Situation von Menschen mit Behinderungen im Bildungssystem nachgegangen. Dass wir in diesem Bereich nicht vorankommen, liegt einzig und allein am mangelnden Engagement der Ministerin. Und dann trauen Sie sich auch noch, uns einen solchen Bericht vorzulegen! Das ist eine Frechheit!

Zum Bereich frühkindliche Bildung möchte ich nur kurz anmerken, dass ich mich frage, warum wir schon wieder ein Modellprojekt „Inklusion in Kindertageseinrichtungen“ durchführen, obwohl das letzte Projekt zum selben Thema im Jahr 1999 mit klaren Handlungsvorschlägen endete? Warum werden diese nicht einfach aufgegriffen und umgesetzt?

Zum Lebensbereich Arbeit: Ebenso wie der Aktions- und Maßnahmeplan im Bereich Bildung dominiert im Bereich Arbeit die vom SMS ins Leben gerufene Allianz für Beschäftigung den Bericht. Die Ergebnisse der Allianz

sind bescheiden und konzentrieren sich vor allem auf „Regelzugänge". Diskutiert wurden dort nicht zum Beispiel die Möglichkeiten des persönlichen Budgets oder auch die Auswirkungen des Mindestlohnes auf die Förderung der Zuverdienstfirmen.

Ja, dieser vorliegende Bericht zur Lage der Menschen mit Behinderungen ist unsere gesetzliche Pflicht. Und doch: Er ist noch viel mehr. Er ist Teil unserer Agenda Inklusion. Er ist eine umfassende Bestandsaufnahme der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen in unserem Land und damit Grundlage für anstehende Entscheidungen und Handlungen. So, wie wir es in der Agenda Inklusion beschrieben haben: Wir brauchen eine gesicherte Datenlage. Wir brauchen kein Korsett, das uns starr zu Maßnahmen zwingt, sondern einen Rahmen, in dem wir flexibel auch auf Änderungen in den Bedürfnissen eingehen können.

Diesen Rahmen schaffen wir nun mit diesem Bericht. Denn es sind nicht nur die Zahlen, die hier zählen. Hinter jeder Zahl steht ein Mensch, der teilhaben will. Deshalb war eine Bedingung für den Bericht, dass er mit Menschen mit Behinderungen besprochen wird und das daraus die Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Nichts über uns ohne uns.

Das von meinem Haus beauftragte Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik aus Köln hat die verfüg

baren Statistiken ausgewertet und die Ergebnisse nach Handlungsfeldern getrennt dargestellt. Dabei ist die Datenlage sehr unterschiedlich. Wo bisher nur wenige statistische Angaben vorliegen, kann künftig vielleicht ein bundesweit einheitlicher Teilhabe-Survey weitere Informationen liefern. Alles in allem bietet der vorliegende Bericht aber eine gute Analyse der Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderungen in unserem Land und ist damit eine Basis für die nächsten Jahre.

Noch viel wichtiger als Zahlen, Daten und Fakten ist unser Ziel, eine gesellschaftliche Debatte über die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft zu führen. Wir arbeiten deshalb intensiv an öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen. Der Bericht ist dafür eine gute Hilfe. Darüber hinaus brauchen wir Sie alle dazu. Seien Sie Botschafter in Ihrem Wahlkreis. Seien Sie Mittler für die Belange von Menschen mit Behinderungen. Sprechen Sie über positive Beispiele und nehmen Sie Kritiker die Angst vor diesem Thema, so wie mein Haus in Sachen barrierefreier Dokumente vorangeht und die anderen Häuser bei der Umsetzung unterstützt. Dann können wir eine selbstverständliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen erreichen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Fragestunde

Drucksache 5/14599

Ihnen liegen die eingereichten Fragen der Mitglieder als Drucksache 5/14599 vor. Die Fragen wurden der Staatsregierung übermittelt. Gleichzeitig ist Ihnen die Reihenfolge der Behandlung der eingereichten Fragen bekannt gemacht worden.

Meine Damen und Herren, wir beginnen mit Frage Nr. 2. Herr Kollege Kosel, Sie stellen diese Frage.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage bezieht sich auf die Novelle des Sorbengesetzes im Freistaat Sachsen.

Im Nachbarland Brandenburg ist am 01.06.2014 eine Novelle des dortigen Sorben/Wendengesetzes in Kraft getreten, die unter anderem ein Verbandsklagerecht für anerkannte sorbische Dachverbände und eine Stärkung des sorbischen Siedlungsgebietes im Falle von

Bergbaumaßnahmen vorsieht.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Beabsichtigt die Staatsregierung unter Berücksichtigung der Diskussionen in Brandenburg eine Novellierung des Sächsischen Sorbengesetzes und dabei auch die Einführung eines Verbandsklagerechts der sorbischen Dachverbände und eine Stärkung des sorbischen

Siedlungsgebietes im Falle von Bergbaumaßnahmen?

2. Wenn ja: Welchen zeitlichen Planungshorizont hat die Sächsische Staatsregierung für die Novellierung des Sächsischen Sorbengesetzes?

Das waren die Fragen. Sie werden von Frau Staatsministerin von Schorlemer beantwortet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Abg. Kosel!

Zu Frage 1: Wie bereits mit Schreiben vom 13.05.2014 an den Präsidenten des Sächsischen Landtages anlässlich der

Übermittlung des Berichtes der Sächsischen Staatsregierung zur Lage des sorbischen Volkes mitgeteilt – Landtagsdrucksache 5/14418 –, sieht die Sächsische Staatsregierung derzeit keine Notwendigkeit für eine Novellierung des Sächsischen Sorbengesetzes. Der Rat für Sorbische Angelegenheiten teilt diese Position.

Zu Frage 2: Die Antwort auf Ihre Frage entfällt somit.

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Sie haben noch eine Nachfrage, Herr Kosel?

Ja, Herr Präsident. – Frau Staatsministerin, es gibt, wie Sie wissen, internationale Verpflichtungen, die die Bundesrepublik unterschrieben hat. Eine davon ist die Europäische Sprachencharta. Darin heißt es im sogenannten Vierten Bericht der Bundesrepublik Deutschland, dass das Expertengremium des Europarates anregt, dass die Bundesländer, in denen Sprachminderheiten leben, einen weitergehenden Rechtsrahmen zum Schutz der regionalen Minderheitensprachen schaffen. Damit ist die Novellierung solcher Minderheitengesetze, in unserem Fall des Sorbengesetzes, intendiert. Wie gehen Sie mit dieser Empfehlung des Expertenrates um?

Bitte, Frau Staatsministerin.

Die Förderung der Sprache und Kultur des sorbischen Volkes, wie es in der Sächsischen Verfassung festgelegt ist und von der Staatsregierung umgesetzt wird, entspricht den europäischen Normen. Ihre Frage hat jedoch konkret auf das Verbandsklagerecht Bezug genommen. Dementsprechend habe ich meine Ausführungen zu Frage 1 auch formuliert. Um es noch einmal klarzustellen: Wir genügen auch den europarechtlichen Anforderungen und nehmen diese sehr ernst.

Vielen Dank an den Fragesteller und die Frau Staatsministerin. – Ich rufe nun die Frage Nr. 3 auf. Sie wird von Frau Kollegin Jähnigen, Fraktion GRÜNE, gestellt. Bitte.

Danke. – Das Thema lautet jetzt: Überarbeitung Sorbengesetz/Direktwahl Sorbenrat.

Im Nachbarland Brandenburg ist am 01.06.2014 eine überarbeitete Fassung des Sorbengesetzes in Kraft getreten, die eine Stärkung der Rechtsstellung des sorbischen Volkes, des Sorbenrates und eine Direktwahl des Sorbenrates durch die Sorbinnen und Sorben vorsieht.

Vor diesem Hintergrund stelle ich folgende Fragen an die Staatsregierung:

1. Beabsichtigt die Staatsregierung unter Berücksichtigung der Diskussion in Brandenburg eine Novellierung des Sächsischen Sorbengesetzes und dabei eine Stärkung des Sorbenrates durch eine Direktwahl der Sorbinnen und Sorben?

2. Wenn ja: Wann ist hierzu die Vorlage eines Gesetzentwurfes vorgesehen, um diese noch rechtzeitig vor der 2014 erforderlichen Neubestellung des Sorbenrates in Sachsen wirksam werden zu lassen?

Die Fragen werden wiederum von Frau Staatsministerin von Schorlemer beantwortet. Bitte, Frau Staatsministerin.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Abg. Jähnigen! Zu Frage 1: Wie bereits in der Beantwortung der vorherigen Frage ausgeführt, wurde mit Schreiben vom 13. Mai 2014 an den Präsidenten des Sächsischen Landtages anlässlich der Übermittlung des Berichts der Sächsischen Staatsregierung zur Lage des sorbischen Volkes mitgeteilt, dass die Sächsische Staatsregierung derzeit keine Notwendigkeit einer Novellierung des Sächsischen Sorbengesetzes sieht. Der Rat für Sorbische Angelegenheiten teilt diese Position.

Die Antwort auf Frage 2 entfällt daher ebenfalls.

Eine Nachfrage von Frau Kollegin Jähnigen.

Aus welchen Unterschieden zwischen den Bundesländern Brandenburg und Sachsen erklärt sich, dass in Sachsen nach Meinung der Regierung eine Stärkung des Sorbenrates durch Direktwahl durch das sorbische Volk nicht notwendig sei?

Die Frage der Novellierung des Sorbengesetzes wurde in ihren unterschiedlichen Perspektiven sorgfältig erwogen. Wir haben insofern auch den Rat für sorbische Angelegenheiten in die Beratung einbezogen. Unsere sorgfältige Prüfung ergab, dass vor dem Hintergrund der Regelungen im Freistaat Sachsen eine solche Novellierung derzeit nicht erforderlich ist.

Eine weitere Nachfrage von Frau Kollegin Jähnigen.

Welche Akteure des sorbischen Volkes oder sonstigen Akteure in Sachsen wurden, außer dem jetzigen Rat, zu dieser Überlegung konkret hinzugezogen?

Bitte, Frau Staatsministerin.

Frau Abgeordnete, ich würde gern die Antwort auf diese Nachfrage schriftlich nachreichen.