Protokoll der Sitzung vom 30.04.2015

Tagesordnungspunkt 9

„So geht sächsisch.“ – Standortkampagne für den Freistaat Sachsen

Drucksache 6/762, Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE,

und die Antwort der Staatsregierung

Als Einbringer spricht zuerst die Fraktion DIE LINKE, danach folgen CDU, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun Herrn Tischendorf das Wort.

(Präsidentenwechsel)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern haben Sie gegen die Stimmen unserer Fraktion die Fortführung der Kampagne „So geht sächsisch.“ im Doppelhaushalt beschlossen. Da haben Sie schon festgestellt, dass DIE LINKE nicht zu den großen Befürwortern dieser Kampagne gehört – jedenfalls nicht so, wie sie jetzt geführt wird. Ich muss sagen, nach den Antworten der Staatsregierung hat sich unser Eindruck noch verstärkt, dass es sich lohnt, so nicht weiterzumachen.

Nun ist der Chef der Staatskanzlei, Dr. Jaeckel, leider nicht da zu seiner eigenen Debatte; das hat auch schon etwas auf sich. Aber ich kann Dr. Jaeckel – wenn er es dann hört, vielleicht kann es Kollege Dulig überbringen – nur empfehlen, dass er zukünftig einfach besser liest, was er unterschreibt, bzw. dass er es nicht ungelesen unterschreibt.

(Beifall bei den LINKEN – Staatsminister Martin Dulig: Den Rat brauchen wir ihm nicht zu geben!)

Ja, bei ihm trifft das besonders zu. – Diesmal ist es mächtig schiefgegangen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Nicht, dass wir etwas gegen den Kampagnentitel „So geht

sächsisch.“ hätten – das ist es eigentlich nicht; der ist doch schon lange eingeführt im Marketing, wer sich da auskennt. Ich nenne Ihnen mal ein paar Beispiele: So heißt es zum Beispiel „So katholisch“ – so nennt das Bistum Fulda eine Wanderausstellung. Dann gibt es eine Bank, die Sie auch kennen, die nennen das „So geht Bank heute“ als Werbetitel. Selbst die GRÜNEN kann ich damit beglücken: Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat im vorigen Jahr ein Positionspapier überschrieben mit dem Titel „So geht Energiewende“. Und damit wir die Kollegen aus Bayern noch mit hineinziehen: Selbst in Bayern wirbt eine Reinigungsfirma mit dem Slogan „So geht sauber“.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Insofern, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist der Titel nicht ganz so modern und so außergewöhnlich. Sie sehen, er wird gut genutzt.

Aber ich sage Ihnen auch: Die Antwort hat ergeben, dass die Staatskanzlei mit der Kampagnensteuerung von Anfang an überfordert war. Wenn man sich einmal überlegt: Seit 2011 standen Gelder in Höhe von einer halben Million Euro zur Vorbereitung der Ausschreibung zur Verfügung und erst elf Monate später erfolgte die Ausschreibung zur Konzepterstellung. Wenn man sich noch überlegt, dass die Staatsregierung seit Mitte 2010 die Gelder im Entwurf geplant hat, dann frage ich mich, was Sie die ganze Zeit gemacht haben.

So ging es weiter, meine sehr geehrten Damen und Herren. Bereits das Ausschreibungsverfahren hat sage und

schreibe anderthalb Jahre gedauert. Geht so etwa sächsisch? Nein, es steckt ganz offensichtlich ein anderer Grund dahinter: Der Prozess wurde bewusst verzögert, um ein möglichst großes Budget regierungsfreundlicher Imagekampagne in die heiße Phase des Landtagswahlkampfes zu legen. Das war der eigentliche Grund.

Zum Kampagnenstart im Sommer 2013 standen auch nicht – wie es fälschlicherweise in der Antwort steht – die touristischen Themen im Vordergrund. Wenn man sich erinnert – der Staatsminister ist immer noch nicht zurück –, dann will ich einmal darauf hinweisen, dass das erste Geld dafür verwendet wurde, um den Helferinnen und Helfern der Flutkatastrophe zu danken. Das ist die erste Ausgabe gewesen; dagegen habe ich aber nicht unbedingt etwas.

Es gab noch einen anderen Grund, warum die ursprüngliche Kampagne, so wie sie angedacht wurde, mit erfundenem Titel bei der sogenannten Begleitkommission krachend durchfiel. Ich will noch einmal daran erinnern: Die Firma hatte als Erstes folgende Headlines vorgestellt – hören Sie es sich einmal an –: „Baden ohne Württemberg“ oder „Elbphilharmonie ohne Verstimmung“ – das waren die ersten Vorschläge der Titel, die auf Kosten der anderen Bundesländer unsere sächsische Kampagne tragen sollte.

(Beifall der Abg. Franziska Schubert, GRÜNE)

Zum Glück kamen sie nie zum Einsatz. Offensichtlich musste dank des öffentlichen Drucks, den auch die Presse dankenswerterweise erzeugt hat, das Gesamtkonzept noch einmal völlig über den Haufen geworfen werden.

Zur Sitzung des Kampagnenbeirates im April 2013 gab es dann endlich 18 Entwürfe für die Vermarktung von Sachsen. Die Aufteilung sagt schon alles: Davon waren fünf in Dresden angesiedelt, vier in Leipzig, gar keines in Chemnitz und vier waren ohne klare Zuordnung in der Region. Ich will bei meiner Heimat, dem Erzgebirge bleiben. Dort sollte – so lautete der Vorschlag – beispielsweise unter dem Slogan „Spielen ohne Bedenken“ ein Holzengel abgebildet werden.

(Heiterkeit des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Das konnte bei der ganzen Debatte ja nur auf Ablehnung stoßen.

Wenn man die Antwort so liest, kann man sagen, bei der Vergabe hat die Staatsregierung irgendwelche fachliche Kompetenz oder Beratung an sich genommen. Da war beispielsweise die Frage, ob bei der mündlichen Präsentation oder beim Erstellen des Leistungsverzeichnisses überhaupt jemand mit fachlichem Hintergrund anwesend war, wenn solche Dinge herauskommen. Nun, wenn Sie die Antwort lesen – keine Antwort ist auch eine Antwort.

Damit bin ich schon bei der Frage, warum bei der Auswahl von Vertretern im Begleitbeirat keine Personalvorschläge der regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften angefragt wurden. Auch hierzu will ich es aus meiner

Region erläutern; ich will ja niemandem zu nahe treten, aber das können Sie alles selbst überprüfen.

Als einziger Vertreter im Erzgebirge wurde der Museumsleiter des Bergbaumuseums Oelsnitz in den Beirat berufen. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Der Herr Färber leistet seit vielen Jahren Herausragendes bei der Weiterentwicklung des Bergbaumuseums. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist doch nicht der Punkt. Es geht eigentlich darum, dass wir eine landesweite Kampagne wirtschaftlich vermarkten wollen. Aber so entstand die Vorauswahl beschränkt auf scheinbar eine subjektive Wahrnehmung von der Staatskanzlei, und, mit Verlaub, ein Museumsleiter hat aufgrund seines beruflichen Hintergrundes nach meinem Dafürhalten andere ausgewiesene Fähigkeiten und Fertigkeiten als die fachliche Beurteilung von landesweiten Imagekampagnen.

(Beifall des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fraglich ist also, warum man bewusst keine Marketingexperten ins Gremium eingeladen hat oder ob man mit der Vorauswahl eine regionaltypische Orientierung geben wollte, die gezielt von den sächsischen Wirtschaftsförderungsgesellschaften nicht mehr beeinflusst werden kann. Da ist für mich der Verweis auf die Wirtschaftsförderung Sachsen auch nicht zielführend. Wenn Sie sich einmal das Aufgabenportfolio anschauen, dann geht es bei der Wirtschaftsförderung Sachsen um Standortmarketing im Sinne der Beeinflussung der Standortentscheidung von Unternehmen, also sehr extern gelegt.

Der Austausch übrigens mit den sächsischen Wirtschaftsförderungen im Zusammenhang mit der Imagekampagne bestand bis heute einzig und allein darin, dass die Ergebnisse vorgestellt wurden. Eine echte Mitwirkung hat es nie gegeben. Eine Präsentation durch den Geschäftsführer von Ketchum Pleom, Dirk Popp, als fachlich Verantwortlicher der Kampagne bei Terminen in der Wirtschaftsförderung wurde an verschiedenen Stellen ins Programm aufgenommen, zum Beispiel beim Zukunftsforum Wirtschaft und Bildung am 24.11. in Plauen. Doch er selbst trat trotz Ankündigung nie in Erscheinung – außer heute Morgen, als er sich einmal bei den Koalitionsfraktionen im Sächsischen Landtag hat sehen lassen, um sie vielleicht ein wenig für heute einzuspuren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist aus Sicht der LINKEN absolut nicht nachvollziehbar, warum die Staatsregierung erst mehrere Millionen Fördergelder zum Aufbau von Regionalmanagement bewilligt und im Nachgang dann die vorhandenen regionalen Expertisen überhaupt nicht in die Umsetzung einer Landeskampagne einbezieht.

(Ganz vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Die einzige Möglichkeit der bisher angefragten Einbindung war eine recht unstrukturierte Abfrageliste, die Sie sich einmal anschauen müssen, mit den genannten Maßnahmen zur Präsentation der Kampagne. In der Region

konnte man also Termine benennen, an denen die Kampagne vor Ort vorgestellt wird. Aber aus der Liste wurde weder deutlich, worin die Präsentation bestand, noch welche Kriterien für die Auswahl von Terminen überhaupt wichtig waren. Das zeigt ganz deutlich: Die von der Staatsregierung bestellte Agentur war offensichtlich weder beauftragt, noch hatte sie Zeit, im Vorfeld der Kampagne eine Analyse als Beweis der Imagekampagne durchzuführen. – Ach, jetzt ist er da, der Herr Dr. Jaeckel.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aber er hat die ganze Zeit draußen zugehört!)

Ja, genau. – Dann kann ich es Ihnen auch gleich sagen: Aus unserer Sicht, der LINKEN, wäre es für ein professionelles Konzept aber zwingend notwendig gewesen, erstens, Marktentwicklungskonzeptionen mit konkreten Zielen und konkreten Zielgruppen vorzulegen; zweitens, eine Markenarchitektur zur Einbindung aller vorhandenen Marken, die wir in Sachsen haben, in die avisierte Dachmarke aufzustellen; und, drittens, die Ableitung eines Markenversprechens sowie klarer Corporate-IdentityRichtlinien zu entwickeln.

Das alles fehlt. Stattdessen ist mir unerklärlich, warum Sachsen zusätzlich zur Arbeit der TMGS eine weitere Tourismuskampagne ins Leben gerufen hat. Aus meiner Sicht arbeitet die TMGS gut; sie braucht dieses zusätzliche Geld nicht.

Dass eine Kampagne mit vertiefenden Informationen über Sachsen verknüpft ist, ist gut und richtig. Die Verbindung zur Aktivitätsebene gelingt jedoch nur über eine konsequente Umsetzung der Kampagne auf der Ebene der Leistungsanbieter. Diese Strecke fehlt vollkommen, und das kritisieren wir nachdrücklich.

Die Antwort auf Frage 11, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist schon etwas für den Rechnungshof. Dort steht – ich greife nur ein Beispiel heraus –, im Falle eines vielseitigen Wirtschaftsmagazins habe man im Rahmen der Kampagne 263 000 Euro für Konzeption und Layout ausgegeben, davon allein 250 000 Euro für die Konzeption. Hinzu kommen 468 000 Euro für Druck und Vertrieb. Wenn man bedenkt – das weiß jeder, der die Broschüre gesehen hat –, dass noch einige Seiten abgezogen werden können, weil man für Anzeigen, Grußwort, Adress- und Impressumsangaben keinen hohen konzeptionellen

Aufwand hat, stellt sich für mich die Frage, wie die zur Verfügung stehenden Gelder verwendet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, allein dieses Beispiel verdeutlicht: Fehlende Markenkonzeptionen werden dauerhaft zu höheren Preisen und höheren Folgekosten führen. Ich werfe Ihnen vor, Herr Dr. Jaeckel, dass es eine Markenkonzeption bis heute nicht gibt. Das hat nichts mit professioneller Arbeit zu tun. Ganz klar: Das ist Verschwendung von Steuergeldern, weiter nichts.

(Beifall bei den LINKEN)

Wenn ich mir die sächsische Landkarte der Innovationen anschaue, dann gewinne ich den Eindruck, dass Innovati

on nur entlang der Autobahnen A 72 und A 4 von Plauen nach Görlitz zu finden seien. Die Auswahl wurde anscheinend willkürlich getroffen nach dem Motto: „Nein, nein, ins Hinterland muss man nicht fahren!“ Hätte an der Stelle ein Redaktionsteam mitgearbeitet, das eine klare Zielvorgabe für Zuarbeiten gehabt hätte, dann wäre die regionale Ausgeglichenheit wohl etwas anders ausgefallen.

(Beifall der Abg. Franziska Schubert, GRÜNE)

Die Kosten wären niedriger gewesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das alles war Vorspiel. Jetzt kommt der „Hammer der Woche“: Meine Fraktion wollte bei der „digitalen“ Staatsregierung in Erfahrung bringen, wie hoch jeweils der Anteil an organischen und an bezahlten „Gefällt-mir“-Angaben auf der Facebook-Seite „So geht sächsisch.“ ist. Unfreundlich formuliert: Die Antwort ist eine Missachtung des Parlaments und von uns Abgeordneten. Ich weiß gar nicht, ob wir uns das gefallen lassen. Da schreibt der Staatskanzleichef ernsthaft, es könnten aus den Statistiken von Facebook keine Schlüsse darüber gezogen werden, welcher Anteil an „Gefällt-mir“-Angaben auf organisches Wachstum und welcher auf bezahlte Bewerbung zurückzuführen ist.

Herr Staatsminister, für jeden Facebook-Nutzer gibt es eine einfach erkennbare Statistik. Wer mit Facebook umgehen kann, der kann das wahrscheinlich auch kontrollieren. Schon die Farbunterscheidung bei „Gefällt-mir“Angaben verdeutlicht, wie viele bezahlte Klicks man erhalten hat. Nur die Farbunterscheidung!

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Aber vielleicht gibt es bei der „digitalen“ Staatsregierung nur noch Schwarz-Weiß-Bildschirme; ich weiß es nicht. Ein Ausweg wäre der Transfer in eine Excel-Datei gewesen; dann wäre die Auswertung am besten möglich gewesen. Ich kann Ihnen zeigen, wie das geht; vielleicht laden Sie mich ein.

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN)