Ihr eigener Entschließungsantrag hat es auf den Punkt gebracht. Er ist in sich absolut widersprüchlich.
Sie fordern auf der einen Seite eine sachlich konstruktive Debatte und ein sachliches Niveau im Hinblick auf die Auseinandersetzung und schreiben, dass Sie den Antrag sowieso ablehnen.
Sie haben sogar dazwischengerufen, dass Sie TTIP ablehnen. Wieso wollen Sie die sachliche Debatte, wenn Sie sowieso ablehnen? Ihnen geht es gar nicht um die sachliche Auseinandersetzung, sondern es waren die gleichen Gründe, die ich drüben gehört habe, purer Antiamerikanismus.
Können wir vielleicht mal wieder auf den Punkt kommen, der uns interessiert? Ich bin durchaus trotz einer sehr distanzierten Haltung der GRÜNEN für den differenzierten Beitrag dankbar. Denn es geht – das müssen Sie doch in unserem Antrag auch wahrgenommen haben – nicht um Jubel, Trubel, um Euphorie für ein Freihandelsabkommen, sondern es geht ganz genau darum, diese kritischen Punkte zu benennen, die man als Voraussetzung überhaupt benötigt, um ein Freihandelsabkommen abzuschließen.
Ich bekenne: Ja, ich bin für ein Freihandelsabkommen. Die Frage, ob ich für TTIP bin, kann ich Ihnen aber jetzt noch nicht beantworten. Nur, Sie wissen vorher schon, dass Sie dagegen sind. Auf welcher sachlichen Grundlage wollen wir uns jetzt auseinandersetzen? Ich denke, dass die Chancen durch ein Freihandelsabkommen für ein Industrieland wie Deutschland und ein Industrieland wie Sachsen richtig und wichtig sind, wenn die Voraussetzungen, die Rahmenbedingungen stimmen.
Nur, worüber reden wir? Es gibt keinen Vertrag. Es gibt keine Texte, nach denen Sie sagen können: Das ist beschlossene Sache. Es gibt das nicht. Deshalb müssen wir uns auf das konzentrieren, was vorliegt, das sind die Verhandlungsmandate. Sie können das Verhandlungsmandat der Europäischen Union sehen, Sie können zum Beispiel auch die Beschlüsse der Bundesregierung sehen. Und nehmen Sie das doch auch einmal als Erfolg der kritischen Auseinandersetzung der letzten Wochen und Monate. Die kritische Auseinandersetzung und auch das Konsultationsverfahren haben doch dazu geführt, dass wir inzwischen einen Fortschritt bei der Diskussion um die Schiedsgerichte erkennen. Das ist doch ein Erfolg derjenigen, die sich kritisch auseinandergesetzt haben, um etwas zu erreichen.
Bei der Frage der Transparenz sollten wir auch noch einmal sortieren. Dass Verhandlungen geheim geführt werden, ist das Wesen von Verhandlungen. Das hat aber noch nichts mit Intransparenz zu tun. Es ist sogar Sinn und Zweck, dass wir dann die Punkte finden, bei denen natürlich Transparenz hergestellt werden muss. Dabei wurden durchaus viele Fehler gemacht. Man hat zu spät für Transparenz gesorgt, und dadurch ist natürlich eine Stimmung entstanden, die auch mit dazu geführt hat, dass man sich eben nicht sachlich kritisch auseinandersetzt, sondern inzwischen nur noch in Kampagnenformen miteinander redet und schon klar ist, ob man dafür oder dagegen ist. Es ist durchaus ein Grundfehler, dass die Transparenz zu spät eingeführt wurde. Man hat es erkannt. Das Konsultationsverfahren hat dazu geführt, dass viele wichtige Punkte nachgebessert wurden.
Deshalb kann ich zu fast allen Punkten, die Sie genannt haben, sagen: Schauen Sie sich doch das Verhandlungsmandat an! Die kommunale Daseinsvorsorge wurde in einer Sonderverhandlung, im Übrigen transparent und öffentlich, dahin gehend verabredet, dass die kommunale Daseinsvorsorge geschützt ist und damit auch die Wasserversorgung, weil sie explizit als Kern der kommunalen Daseinsvorsorge definiert wurde, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Kulturbereich ist explizit geregelt und geschützt worden. Das betrifft auch die Buchpreisbindung, die immer mal diskutiert wurde. Es ist explizit im Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission festgelegt, dass das geschützt ist. Das betrifft genauso die sozialen und Verbraucherschutzstandards. Das ist der Bereich, den Sie im Verhandlungsmandat der Europäischen Union nachlesen können.
Wenn Sie einmal auf die gestrige Entscheidung schauen, erkennen Sie: Gestern hat das Europäische Parlament eine Resolution angenommen und damit das Verhandlungsmandat der Europäischen Union definiert, und zwar deshalb definiert, weil am Schluss das Europäische Parlament dem Verhandlungsergebnis zustimmen muss.
Es wurde explizit zum Investitionsschutz klargestellt – ich zitiere –: „Die Zukunft von ISDS gibt es nicht, keine geheim tagenden Tribunale, keine privaten Anwälte, die über Gesetze urteilen, keine Einschränkungen von Regulierungen im allgemeinen Interesse, keine Zahlungen an multinationale Unternehmen, die verborgen bleiben – wir haben erreicht, dass sich das Europäische Parlament für ein demokratisches, transparentes System ausgesprochen hat –: unabhängige Richter, von Staaten ernannt, vollständige Transparenz der Verfahren, eine Revisionsinstanz; aus Schiedsstellen, die zum Missbrauch einladen, haben wir unabhängige Gerichte gemacht.“ So die Pressemitteilung des sozialdemokratischen Verhandlungsführers
Herr Staatsminister, können Sie mir bitte helfen beim Lesen unseres Entschließungsantrages, wo es steht, dass wir das ablehnen?
Sie haben auf mehreren Seiten viele Punkte aufgeschrieben. Unter anderem bei Punkt 2 sagen Sie erst einmal, dass alle Menschen Sorgen hinsichtlich TTIP haben, und begründen das mit den historischen Erfahrungen eines Staates in Vormachtstellung, bezeichnen das als altes Denken und beschreiben, dass diese Befürchtungen gegenüber diesen alten Vormachtstellungen sozusagen zu neuen Konfrontationen führen. Das ist doch nichts anderes, als dass Sie sagen: Die Menschen haben Angst, dass die Vormachtstellung der Amerikaner zu neuen Konfrontationen und Vormachtstellungen weniger Staaten in Europa und in der Welt führen wird.
Das ist der Punkt, aus dem ich nur herauslesen kann: Es geht Ihnen nicht um die Sache, sondern Ihr Urteil steht fest. Das haben Sie auch vorhin hereingerufen. Deshalb sind die Sätze, die hinten stehen, einfach nur widersprüchlich. Wenn Sie sagen, dass eine Versachlichung der Debatte stattfinden soll, dann frage ich: Wenn Sie vorher schon wissen, dass Sie dies ablehnen, wozu wollen Sie dann noch eine sachliche Debatte haben? Was ist dann Ihre Motivation, eine sachliche Debatte zu führen? Sie haben doch Ihr Urteil schon gesprochen.
Gehe ich also recht in der Annahme, dass ich Sie richtig verstanden habe, dass in dem Entschließungsantrag nicht explizit in irgendeinem Punkt steht, dass DIE LINKE TTIP ablehnt?
Sie haben am Anfang der Debatte auf die rhetorische Frage, die der erste Redner gestellt hat, ob Sie denn in Ihren Entschließungsantrag hineinschreiben, dass Sie gegen TTIP sind, hereingerufen: „Ja, wir sind gegen TTIP.“ Sie haben Ihren eigenen Entschließungsantrag so erklärt. Entschuldigung, das können Sie so im Protokoll nachlesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hatte ausgeführt, dass das Europäische Parlament gestern eine klare Entscheidung zum Thema Schiedsgerichte getroffen hat. Das alles sind Punkte, die Sie auch im Antrag der Koalition finden, als Voraussetzung dafür, dass wir einem Freihandelsabkommen mit den USA zustimmen oder eben nicht zustimmen können.
Herr Staatsminister, eine Frage: Gehen Sie davon aus, dass, sobald TTIP beschlossen worden ist, automatisch die Leute aufgrund von TTIP mehr konsumieren und dadurch mehr Steuereinnahmen generiert werden?
Nein. Politik ist leider nicht so einfach, wie Sie es immer darstellen. Gerade beim Freihandelsabkommen handelt es sich um ein komplexes System. Es ist nicht so simpel, wie Sie es jetzt darzustellen versuchen, sondern es geht schlichtweg darum, inwieweit ein Freihandelsabkommen für ein Industrieland Deutschland und ein Industrieland Sachsen, für ein Exportland Deutschland und ein Exportland Sachsen mehr Chancen oder mehr Risiken mit sich bringt.
Von uns spricht keiner in Euphorie von dem „goldenen Zeitalter“. Von uns spricht keiner davon, dass dann sozusagen alles in Ordnung ist, sondern es geht darum, die Chancen zu nutzen, die mit einem solchen Freihan
delsabkommen verbunden sind. Wichtig ist nur, dass das, was wir selbst von der Europäischen Union einfordern, nämlich Transparenz, auch in der Debatte zum Tragen kommt. Denn nicht immer wird die Debatte – da beziehe ich mich jetzt nicht nur hier auf das Hohe Haus, sondern in der Öffentlichkeit – tatsächlich mit Sachargumenten geführt, wirklich so geführt, dass man hinterfragt, ob es mehr Risiken oder mehr Chancen gibt. Ich erlebe zurzeit, dass es im Rahmen einer Kampagne läuft, die ich für gefährlich halte. Ich halte sie vor allem aus einem Grund für gefährlich: Die Diskussionen, die in anderen Bereichen der Welt geführt werden, zum Beispiel mit China, werden doch dazu führen, dass die Amerikaner, wenn sie mit den Chinesen ein Freihandelsabkommen abschließen, nun nicht Rücksicht nehmen auf europäische Standards.
Glauben Sie denn wirklich, dass die Europäische Union dann, wenn sie nach einem Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen China und den USA sagt, dass wir jetzt unsere Standards definieren wollen, dann bessere Chancen hat, unsere hohen europäischen Standards durchzusetzen? Es ist also auch unser strategisches Interesse, in der veränderten globalisierten Welt unsere Interessen als Europa und als Deutschland zu wahren, weil andere sich gerade gar nicht dafür interessieren.
Deshalb werbe ich dafür, erst einmal mit einer grundpositiven Haltung in Freihandelsabkommensverhandlungen zu gehen und dabei eben das zu berücksichtigen, was an kritischen Fragen zu Recht gestellt wird. Die Kritikpunkte werden nicht infrage gestellt. Wir müssen sie lösen.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch zum Änderungsantrag der GRÜNEN nur folgender Hinweis: Es geht am Schluss nicht darum, inwieweit die Voraussetzungen, die Sie beschrieben haben, die vorn in den Punkten genannt sind, erfüllt werden. Wir wissen doch gar nicht, was am Schluss konkret als Lösung vorgeschlagen wird. Als das erste Mal über die Schiedsgerichte diskutiert wurde, hat niemand zu dem Zeitpunkt über Modelle diskutiert, die dann angeboten wurden, um es zu lösen. Das wissen wir heute auch nicht. Deshalb sollten wir nicht nur über die Worte reden, also inwieweit Voraussetzungen erfüllt sind, sondern um das Wie, was konkret angeboten wird. Ich glaube, dass die Entscheidungen, die wir in Deutschland in den nationalen Parlamenten getroffen haben, die wir in der Europäischen Kommission und gestern im Europäischen Parlament getroffen haben und die wir bitte auch – ich werbe sehr dafür – mit dem Antrag der Koalition heute für uns beschließen können, die Grundlagen dafür sind, einem Freihandelsabkommen mit den USA zuzustimmen. Wenn genau diese Voraussetzungen erfüllt werden, dann sind die Chancen für Sachsen und die sächsische Wirtschaft, für die Menschen in Sachsen größer als die Risiken.
Möglichkeit eines Schlusswortes zum Prioritätenantrag. Wenn das vorgetragen werden soll, bitte ich um das Schlusswort der einbringenden Fraktionen. – Ich sehe keinen Bedarf an einem Schlusswort.
Meine Damen und Herren, dann können wir zur Abstimmung kommen. Wie immer wieder deutlich geworden ist, liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Drucksache 6/2010 vor. Dieser Änderungsantrag ist die Drucksache 6/2113. Ich bitte jetzt um Einbringung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Minister Dulig hat dankenswerterweise schon mit der Einbringung unseres Antrages begonnen. Ich setze das fort.