Gerd Lippold

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche nicht über Heiko. Ich erzähle auch keine Geschichten. Ich spreche über die AfD und ihren unsinnigen Antrag.
Es beginnt damit, dass es Ihnen noch gar nicht aufgefallen ist, dass in der Realität die Zielvereinbarung mit den Hochschulen und die vier Gründerinitiativen an sächsischen Hochschulen zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Zielvereinbarungen zum Thema Ausgründung und Transfer gibt es mit fast allen Hochschulen. Wie diese von der Transferstelle bis zur Professur umgesetzt werden, liegt in deren Ermessen. Die Gründerinitiativen SAXEED in Chemnitz, EXIST in Dresden, SMILE in Leipzig und die Gründerakademie an der Hochschule Zittau/Görlitz sind etwas ganz anderes, anders finanziert und anders strukturiert. Sie werfen das in Ihren Forderungen zu Punkt 2 einfach in einen Topf.
Sie steigern sich noch in Ihrem Antrag. Mit Ihrer Begründung zu Punkt 3 diskutieren Sie Anlaufkurven, Mittelausreichungen, Meilensteinpläne etc. Für das Technologiegründerstipendium im Antrag fordern Sie unter Punkt 3 die Überarbeitung der Förderrichtlinie für den Technologiegründerfonds: wiederum völlig verschiedene Dinge.
Nehmen wir einmal an, Sie meinen das, was Sie schreiben, nämlich den Förderzeitraum des Technologiegründerfonds TGFS auf fünf Jahre zu verlängern, ernst. Bereits heute hält der TGFS seine Beteiligung meist länger als fünf Jahre. Denn erst 2027 sind Exits geplant, zum Beispiel durch Weiterverkauf. Die Forderung ist also völlig überflüssig und nicht begründbar. Der Nachweis der Firmengründung soll erst nach 24 Monaten eingefordert werden. Das geht aber nicht, denn der TGFS kann sich nur an bereits gegründeten Unternehmen beteiligen,
also: kompletter Unsinn. Sachmittel für die Entwicklung von Pilotprodukten und Reisekosten in bestimmter Höhe auszuweisen ist unnötig. TGFS prüft Businesspläne und schaut auf die Unternehmensentwicklung. Da diskutiert man schon einmal mit der Geschäftsführung über strategische Ausrichtungen, aber doch nicht über die Mittelverwendung von 5 000 Euro Reisekosten. Das sind doch keine Drittmittelprojekte an Hochschulen, Herr Weigand. Das sind reale Wagnisse kapitalfinanzierter Unternehmen.
Die AfD möchte Meilensteine einführen. Die einzelnen Tranchen werden im TGFS stets erst nach der Erfüllung von Meilensteinen freigegeben.
Einen Nachtragshaushalt braucht es nicht, weil alle anderen Punkte unsinnig sind.
Den Technologiegründerfonds können Sie also wirklich nicht meinen. So lässt das krasse Auseinanderklaffen von Inhalt und Begründung zu Ziffer 3 nur den Schluss zu, dass Sie zwar eigentlich über das Gründerstipendium reden wollten, doch Begriffe und Inhalte der verschiedenen Instrumente in der Gründungs- und Wachstumsfinanzierungslandschaft einfach nicht auseinanderhalten
können.
Damit könnte man die Befassung eigentlich beenden und dies unter „AfD-Bullshit-Bingo“ abheften.
Doch einen Hinweis gestatte ich mir noch: Der AfDAntrag ist nicht nur inhaltlich miserabel, er blendet auch die Mehrzahl sächsischer Gründerinnen und Gründer einfach völlig aus. Gegründet wird auch und besonders im ländlichen Raum nämlich vor allem im Dienstleistungsgewerbe – das sind zwei Drittel aller Gründungen – und im Handwerk. Das sind vielfach keine Hightech-Startups, sondern Alltagsgeschäftsideen, die jedoch Arbeit und Lebensqualität im ländlichen Raum schaffen.
So ist es einfach nur ein schlechter Witz, dass Sie im ländlichen Raum für Ihre hohlen Sprüche gewählt werden, die Existenzgründer und deren spezifische Interessen aber einfach ignorieren.
Ihr Antrag zum Gründergeist ist in Wahrheit Ausdruck einer Geisterdebatte. Er richtet sich keinesfalls auf die effektive Förderung des Unternehmertums, wie die Überschrift suggeriert. Er richtet sich auf die Produktion einer kampagnenfähigen Überschrift kurz vor der Wahl. Dahinter steht nichts, absolut nichts, insbesondere nichts, was Sachsen voranbringt.
Im Gegenteil: Wie gestern schon in der Windkraftdebatte angesprochen, ist Ihr Wirken vor Ort eben nicht auf Lösungen ausgerichtet, sondern nimmt in Kauf, Probleme zuzuspitzen und weitere Empörung darüber zu schüren. Denn je größer die Schwierigkeiten, desto größer das erhoffte Empörungspotenzial, das Sie zu heben gedenken – ohne jede Lösungskompetenz.
Das ist in einem derart hohen Maße zerstörerisch für das Gemeinwesen, dass man auch angesichts dieses letzten
AfD-Antrags in der 6. Wahlperiode noch einmal wiederholen muss: Auf keinen Fall, auf gar keinen Fall dürfen Sie auch nur in die Nähe von Macht kommen.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich leiste es mir jetzt einmal, etwas dichter am Thema Fachkräftestrategie zu bleiben.
Ich habe von meiner Fraktion auch nicht den Auftrag bekommen, den Absturz bei der Europawahl noch zu bekämpfen.
Sachsen hat eine neue Fachkräftestrategie. Nach einem Beteiligungsverfahren hat das Kabinett am vergangenen Dienstag die Fachkräftestrategie 2030 verabschiedet. Die Fachkräftestrategie umfasst vier Haupthandlungsfelder mit zehn strategischen Zielen.
Über 40 % der Unternehmen suchen gegenwärtig bereits Fachkräfte. Bis 2030 wird das Erwerbspersonenpotenzial in Sachsen – das sind alle erwerbsfähigen Menschen zwischen 15 und 65 Jahren – um rund 328 000 Personen zurückgehen. Bereits in den nächsten zehn Jahren wird jeder fünfte Beschäftigte in Sachsen in die Rente gehen. Die für mich zentrale wirtschaftspolitische Aussage der Fachkräftestrategie ist – ich zitiere: „Der Fachkräftemangel wird zum größten Wachstumsrisiko für den Wirtschaftsstandort Sachsen.“ Weil man über Wachstumsdefinitionen immer streiten kann, füge ich hinzu: Der Fachkräftemangel wird zur wahrscheinlich größten Existenzbedrohung für viele gerade kleine und mittlere Unternehmen, von denen Sachsen geprägt ist.
Die Fachkräftestrategie ist zunächst einmal ein recht umfangreicher Problemaufriss. Die eigentliche Herausforderung ist es und wird es sein, geeignete und konkrete Maßnahmen und Projekte abzuleiten, Verantwortlichkeiten zu benennen, Ressourcen bereitzustellen, den Erfolg zu evaluieren, um gegebenenfalls nachsteuern zu können.
Das drückt etwa die Vizepräsidentin der IHK Chemnitz aus, wenn sie einschätzt: Wir begrüßen, dass die Fachkräftestrategie 2030 an vielen Stellen konkrete Ziele, Empfehlungen und Verantwortlichkeiten zur Fachkräftesicherung im Freistaat benennt. Entscheidend bleibt aber, welche Maßnahmen tatsächlich abgeleitet werden und schlussendlich auch in der Wirtschaft zu spüren sind.
Oder um es mit Winston Churchill zu formulieren: „Egal wie wunderbar die Strategie, von Zeit zu Zeit sollte man mal einen Blick auf die Ergebnisse werfen.“
Da es nicht die erste Fachkräftestrategie ist, sondern eine Fortschreibung, und daraus nicht zum ersten Mal Maßnahmen und Richtlinien resultieren, sondern es schon welche gibt, kann man einmal genauer hinschauen. Dann wurden und werden eben mit einer Fachkräfterichtlinie, über die die Landkreise mit Budget ausgestattet werden, bisher auch Projekte gefördert, die nicht nachhaltig waren oder sind. Die x-te Internetplattform für Rückkehrer oder Busfahrten zu regionalen Unternehmen, bei denen außer Busfahrer und Veranstalter niemand mitgefahren ist, sind nur zwei Beispiele.
Als weiteren Kritikpunkt hört man draußen mangelnde Transparenz zu den Kriterien für die Förderwürdigkeit der Projekte. Völlig unverständlich ist, wie Institutionen, die über die Förderwürdigkeit bestimmen, selbst Projektträger werden können. Es kann doch nicht im Sinne der Förder
politik des Freistaates sein, Schlupflöcher zu schaffen, mit denen es möglich wird, sich selbst auf Staatskosten mit Projektmitteln auszustatten.
Es ist viel Wichtiges und Richtiges geschrieben und gesagt worden, Herr Minister Dulig – über gute Löhne und Tarifbindung, über Schule und Ausbildung und viele andere Themen –; die Probleme sind identifiziert und es gibt Ziele und viele Handlungsansätze in dieser Strategie, um die Ziele zu erreichen.
Nur auf einen einzigen Punkt will ich die Aufmerksamkeit noch einmal näher richten, weil er mir bei der Suche nach gangbaren und vor allem sofort wirksamen Wegen zur Minderung des Fachkräftemangels wirklich zu kurz gekommen ist: Fachkräfte kann man neu ausbilden, man kann sie auch anwerben – man kann aber auch mit den am besten Ausgebildeten und den Erfahrensten besser arbeiten.
Ich hatte eingangs erwähnt, dass in den nächsten zehn Jahren jeder fünfte Beschäftigte in Sachsen in die Rente geht. Doch diese Zahl spiegelt nur einen Teil des Themas wider. Bereits unter den 60- bis 65-Jährigen, meine Damen und Herren, geht nur noch knapp die Hälfte einer Beschäftigung nach. Damit scheidet ein erheblicher Teil der Älteren bereits einige Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze – je nach Jahrgang zwischen 65 und 67 Jahren – aus dem Erwerbsleben aus. Oftmals spielen gesundheitliche Gründe eine Rolle.
Mitunter fehlen aber den Arbeitgebern Konzepte, um älteren Beschäftigten erfüllende Perspektiven zu bieten. Das muss doch wirklich besser gehen. Die Fachkräftestrategie beschreibt das auch kurz mit dem Ziel 8: Beschäftigte sind entsprechend den Voraussetzungen ihres Arbeitsplatzes flexibel erwerbstätig, um ihre Lebens- und Berufssituation vereinbaren zu können. Wie das ginge, wird auch beschrieben: nämlich die Unterstützung von Arbeitgebern bei der Etablierung von lebensphasenorientiertem Personalmanagement und die stärkere Einbeziehung älterer Mitarbeiter in die strategische Personalarbeit.
Das lebensphasenorientierte Personalmanagement richte sich zwar an alle Beschäftigten; aufgrund der Altersstruktur sächsischer Belegschaften müsse ein Schwerpunkt aber auf der Zielgruppe der älteren Beschäftigten liegen. Es sei unerlässlich, die Beschäftigungsquote der Älteren durch attraktive Angebote deutlich anzuheben, und es brauche daher Anstrengungen, damit Erwerbstätige über ihr ganzes Erwerbsleben hinweg gesund und qualifiziert arbeiten können. Die Flexirente ist da bereits ein Anreiz.
Das Arbeiten bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter und gegebenenfalls auch darüber hinaus muss sich materiell sowie ideell jedoch noch mehr lohnen. Der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand muss viel flexibler gestaltbar sein, um es attraktiv zu machen, sich weiter einzubringen und gerade die wertvollen lebenslangen Erfahrungen und Kompetenzen auch weiterzutragen.
Wir brauchen deshalb Strategien für generationenübergreifendes Lernen und für die Gesunderhaltung. Wir
brauchen Angebote, die vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in körperlich besonders anstrengenden Berufen einen zeitigen Wechsel in weniger belastende Tätigkeiten oder Branchen erlauben, wo ihre Berufserfahrung aber dennoch einen hohen Wert für die Unternehmen und Gesellschaft darstellt. Mentorenmodelle und Jobtandems zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitern werden in der Fachkräftestrategie bereits benannt.
Ich denke, dass hier ein weites Feld ungenutzter Möglichkeiten vor uns liegt, den in vielen Branchen drohenden Fachkräftemangel zumindest abzumildern und zugleich ganz wertvolle Beiträge zum generationenübergreifenden Zusammenhalt der Gesellschaft zu leisten. Nehmen wir die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutlich ernster als bisher, meine Damen und Herren. Sie haben es nicht nur mit ihrer Lebensleistung verdient, sie sind auch ein großer und wertvoller Schatz unserer Gesellschaft.
Eines hätte ich mir noch gewünscht, Herr Staatsminister Dulig, nämlich eine regionalisierte Betrachtung dieser Strategie. Es gibt eben nicht den sächsischen Arbeitsmarkt und die sächsische Demografie. Die Situation ist vielmehr regional sehr verschieden. Eine boomende Großstadt und eine über längere Zeit stiefmütterlich behandelte ländliche Region stehen da vor völlig unterschiedlichen Aufgaben.
Die wird man nicht mit denselben Zielen und Mitteln angehen können, die in dieser Strategie beschrieben sind.
Ganz besonders klar wird es dort, wo näher hingeschaut wurde. So gibt es im Zusammenhang mit der Arbeit der Kohlekommission sehr gründliche Strukturdatenerhebungen in den Kohlerevieren. Wenn Sie dann etwa sehen, dass in der Lausitz bereits in den nächsten 15 Jahren circa 100 000 Menschen im erwerbsfähigen Alter fehlen werden, dann sind wirtschaftspolitische Zielstellungen zur Ansiedlung großer neuer Unternehmen mit vielen neuen Industriearbeitsplätzen doch zumindest kritisch zu hinterfragen. Wer, bitte, soll denn dort arbeiten? Wer soll investieren, wenn er diese Frage nicht geklärt bekommt? Wenn sie dann vielleicht doch mit exorbitanter Subventionierung solch ein Vorhaben umsetzen, holen sie sich dann ihre qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den mittelständischen Betrieben in der Umgebung, die heute bereits einen Mangel haben?
Denn um tatsächlich einen Zuzug zu erreichen, reicht ein Betrieb auf der grünen Wiese nicht aus. Dazu braucht es vor allem attraktive Lebensverhältnisse. Es ist nämlich meistens die Familie, die zu überzeugen ist, dorthin zu ziehen. Nachhaltige Wirtschaftspolitik bedeutet dann zunächst einmal Investitionen in Bildung und Erziehung, in Kultur und Sport, in Freizeitqualität und Verkehrsanbindung, und zwar Anbindung für die ganze Familie und nicht nur für Lkws und Autofahrer.
So zeigt sich, dass diese Strategie, so umfassend sie ist, trotzdem nur ein Anfang sein kann. Um tatsächlich vor
Ort zu helfen und die Mittel zu diesem Zweck auch sinnvoll einzusetzen, muss man genauer hinschauen und dann im politischen Handeln auch ernst nehmen, was die Wissenschaft analysiert hat.
Ich danke Ihnen.
Danke, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Mit Erstaunen stellt man beim Lesen der beschlossenen Eckpunkte fest, dass sich darin Leitbilder der Kohleregionen befinden. Für die sächsische Lausitz und das Mitteldeutsche Revier wurden diese offenbar in Dresden entwickelt. Wie verträgt sich das damit, dass in den Regionen Leitbilder in Werkstattprozessen entwickelt werden sollten und diese Prozesse bereits durch die Staatsregierung aufgesetzt worden sind? Bekommen die Akteure vor Ort dies jetzt vor die Nase gesetzt oder sind sie dort eingebunden worden? Wird es zwei Leitbilder geben, oder wie kann man sich das vorstellen?
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Ich weiß nicht, wie Sie auf die Idee kommen, dass sie in Dresden entwickelt worden sind. Ich habe soeben gesagt, dass wir einen intensiven Dialogprozess mit den Regionen, mit den Bürgermeistern, in Bürgerversammlungen geführt haben. Diese Kriterien und Leitbilder sind dort
diskutiert und besprochen worden. Sie sind auch weiter geschärft worden.
Aber es ist richtig. Wir haben parallel dazu entsprechende Projekte zur Leitbildentwicklung aufgesetzt. Das ist vernünftig; denn es geht darum – wie Sie beschrieben haben –, jetzt das große Leitbild für die Region zu entwickeln. Aber es muss in der Region mit konkreten Maßnahmen ausgefüllt werden, wie das Leitbild, das Sie zitiert haben, zum Beispiel für die Umwelt in Schleife, in Weißwasser, in Niesky. Was heißt das für Borna und für Espenhain? Wie kann man sich mit welchen Projekten einbringen? Wie fügt man sich dort ein?
Es ist sinnvoll, beides zu tun. Im weiteren Prozess kommt es aber darauf an, die Dinge sinnvoll miteinander zu verzahnen. Das gelingt nur mit diesen Werkstätten, mit den Vorhaben, die wir dort fördern. Diese Möglichkeiten bieten der Region, sich in diesen Prozess einzubringen. Mir wird auch gespiegelt, dass das geschätzt wird und dass diese Möglichkeit, dies im Dialog weiterzuentwickeln, vor Ort gern aufgenommen wird. Man will sich in diesen Prozess gern einbringen. Insofern habe ich dabei ein gutes Gefühl.
Ich beginne mit dem Komplex zwei. Herr Staatsminister, welche Ziele hat die Staatsregierung bei den kürzlich vorgenommenen Vorstößen in Brüssel in Zusammenarbeit mit den anderen ostdeutschen Bundesländern in Bezug auf spezielle Beihilfebedingungen in den Kohleregionen verfolgt und auf welche Arten von Vorhaben und Richtlinien zielt das ab?
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Ich denke, es ist mehr als sinnvoll, das Gespräch nicht nur in Richtung Bundesregierung, sondern auch in Richtung EU-Kommission zu suchen. Das, was wir jetzt mit dem Braunkohleausstieg machen, ist etwas, das vielleicht am Ende für andere Regionen in Europa eine Art Blaupause darstellt.
Auf der europäischen Ebene gibt es eine Initiative, die ich ausdrücklich unterstütze. Das ist die sogenannten Kohleplattform, in der sich 40 Kohleregionen Europas auf Initiative der Generaldirektion Energie zusammengeschlossen haben. Man hat ein Austauschformat gefunden, um Best-Practice-Beispiele zu entwickeln und zu definieren.
Natürlich braucht man für diesen Transformationsprozess, wie wir ihn hier gerade diskutieren, viel Geld. Unser Anliegen war zum einen, für diese Kohleplattform zu werben und zu signalisieren, dass wir das, was sie vorhat, unterstützen. Wir wollen in der neuen Mittelfristigen
Finanzplanung eine eigene Finanzierungsmöglichkeit für diese Kohleplattform schaffen. Das war unsererseits eine Unterstützung gegenüber der Generaldirektion Energie. Wenn wir auf der anderen Seite für diese Regionen bei uns eine neue Attraktivität schaffen wollen durch Investitionen in Infrastruktur, Forschung, aber auch unternehmerisches Engagement – wie ich sie beschrieben habe –, dann brauchen wir letztendlich einen attraktiven Beihilferahmen, der diese Dinge zulässt. Wir brauchen Förderkriterien, Fördermöglichkeiten für diese Regionen, die im Einklang mit dem europäischen Beihilferecht stehen.
Aus heutiger Sicht ist es notwendig, dass wir zu Modifikationen kommen. Am Ende steht die Frage, ob wir immer eine sogenannte Einzelnotifizierung durchführen, was sehr bürokratisch wäre – aber wenn es die Bereitschaft dazu gebe, wäre das auch schon ein Fortschritt –, oder ob man zu einer allgemeinen Regelung kommt. Ich will als Beispiel aus dem Bereich der Mikroelektronik das sogenannte IPCEI nennen. Das ist ein Vorhaben von großer europäischer Bedeutung, für das man eine generelle Rahmenvereinbarung schafft.
In den Gesprächen seitens der betroffenen Länder ging es genau darum, gegenüber der Kommission zu signalisieren, dass wir einen konkreten Bedarf haben. Die Kommission war vor Kurzem selbst in der Region unterwegs und wir haben diese Fragen miteinander diskutiert. Diese Gespräche sind meiner Meinung nach sinnvoll, weil sie die Problemsicht auf die Herausforderungen schärfen.
Am Ende ist es die Aufgabe der Bundesregierung, diese Vereinbarung abzuschließen. Die Bundesregierung wird das nur im Gleichklang mit den Ländern tun. Deshalb ging es uns darum, dafür zu werben, diesen Prozess, vor dem wir stehen, seitens der Kommission zu unterstützen.
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Spielt unter den Zielen, die mit der Diskussion auf europäischer Ebene verfolgt werden, auch das Konzept von Sonderwirtschaftszonen eine Rolle und – wenn ja – werden dort steuerliche Sonderbedingungen angestrebt?
Herr Staatsminister! Meine Frage lehnt sich sehr eng an die Frage des Kollegen Baum an. Es gab noch in den letzten Stunden vor der Beschlussfassung im Bundeskabinett Forderungen weiterer Bundesländer etwa zur Förderung gasbasierter Stromerzeugung. Meine Frage hat zwei Zielrichtungen: Ist dieser Antritt weiterer Länder und Regionen bereits innerhalb des Bundeskabinetts für Sie ein Vorgeschmack darauf, was einem Gesetzentwurf im Bundestag und Bundesrat noch blüht? Wurde das Thema der Gas-KWK-Förderung auch aus Sachsen mit Blick auf die sächsischen Kommunen, die jetzt aus der Braunkohle aussteigen wollen oder müssen, mit vorangetrieben?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, der ausdrücklich als dringliches Handlungspaket zu verstehen ist. Über die darin festgestellten Grundlagen, die aufgeführten Rahmensetzungen und die im Einzelnen geforderten Maßnahmen haben wir hier in den letzten Jahren wieder und wieder und wieder geredet. Wir haben Ihnen das vorgerechnet, wir haben das allseits begründet, und es sind weitere Jahre ohne Handeln vergangen.
Beim Klimaschutz geht es aber nicht um ein Thema, bei dem sich durch Nichthandeln der Zeitraum für das Handeln einfach nach hinten verschiebt; nein, er verkürzt sich. Die Anpassungskurve wird steiler und der Kurs wird härter. Wer nicht handelt, weil er niemandem wehtun möchte, der muss am Ende allen wehtun.
Es geht auch nicht um ein in der Ferne liegendes Zieldatum. Es geht um ein Emissionsbudget, das uns noch bleibt. Mit jedem Jahr, das Sie später anfangen, die Emission pro Jahr um einen vorgegebenen Betrag bis auf null herunterzufahren, müssen Sie ein Jahr früher damit fertig sein. Das ist die brutale Wahrheit bei der Berechnung von Dreiecksflächen. Das haben Sie alle mal gelernt, und das lässt sich auch nicht durch Abstimmung ablehnen. Aber zur Bildung kommen wir später.
Fazit: Mit jedem verbummelten Jahr verlieren wir zwei. Es wird allerhöchste Zeit, endlich anzufangen, und deshalb werde ich heute bei der Begründung der Forderungen des Antrags nicht erneut bei null beginnen, denn es geht heute ums Ganze.
Da draußen vor dem Landtag waren heute Tausende junge Menschen; einige davon sitzen jetzt auch hier und haben sogar krude AfD-Anträge durchgehalten. Sie sind Teil von vielen Millionen in der Welt, die heute gleichfalls demonstrieren – unterstützt von ebenso vielen Menschen aus allen heute lebenden Generationen. Sind die etwa auf den Straßen, meine Damen und Herren, weil sie keine Ahnung haben? Muss denen etwa erst der Ministerpräsident am 22. Juni erklären, dass sich die heute 16-Jährigen nach seiner Meinung zu gedulden hätten, bis sie 36 seien – noch 20 Jahre! –, bis sich in Sachsen beim Klimaschutz irgendetwas bewegen lasse?! Die letzten Tage müssen Ihnen doch die Augen geöffnet haben – auch vor dem
kommunikativen Abgrund, auf den er sich mit seiner CDU zubewegt.
Die Jugend ist da draußen, weil sie in der Schule aufgepasst hat, meine Damen und Herren.
Sie haben nicht nur gelernt, dass zwei und zwei vier ist – sie haben auch gelernt, dass ein Topf mit Wasser, dem man Energie zuführt, sich erwärmt und warum es schneller geht, wenn der Deckel drauf ist. Sie können sogar ausrechnen, wie lange das dauert. Wie viele von uns hier hätten das eigentlich noch drauf?
Genau deshalb sind die Forderungen dieser jungen Menschen an uns eben nicht irgendwelche Wunschvorstellungen, sondern Ergebnis ihrer Bildung. Diese Forderungen sind die Forderungen der Wissenschaft, und zwar präzise, jede einzelne – sage ich als Wissenschaftler –, seit Jahren vorgebrachte Forderungen, seit Jahren ignoriert und jetzt endlich so weit verstärkt, dass sie nicht mehr zu überhören sind.
Es wird höchste Zeit, dass auch wir hier in diesem Landtag deutlich machen: Wir hören zu und wir verstehen auch. Es ist die Natur, die uns Grenzen setzt, und die verhandelt nicht darüber. Deshalb hat sich der in der Wissenschaft bestehende Konsens auch in einer völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung aller Länder dieses Planeten manifestiert.
Die feste Obergrenze unseres Emissionsbudgets als Konsequenz der definierten Temperaturobergrenze ist nicht verhandelbar – sie steht da als eine feste Wand. Wir fahren alle gemeinsam mit Vollgas auf diese Wand zu. Wir sind jetzt bei 415 parts per million (ppm) CO2Konzentration – von 280 kommend. Das ist ein Anstieg von 45 %. Diese 45 % sind zu 100 % durch den Menschen gemacht – das steht völlig außer Zweifel. Bei 415 sind wir und bei etwa 450 ppm CO2-Konzentration steht diese Wand. Dahinter beginnt unbekanntes Territorium. Dahinter verwandelt sich das Großexperiment mit dem Klimasystem in unserem Labor, das zugleich der einzige Lebensraum für uns und alle, die nach uns kommen, ist, in das, was der weltweit renommierte Wissenschaftler Hans Joachim Schellnhuber einen kollektiven Suizidversuch nannte.
Was passiert dann? Nein, wir sterben nicht gleich alle aus. Und doch wird es ernst, es wird sehr ernst. Ein Beispiel: Wir wissen alle, wie wichtig Trinkwasser ist. Wir geben jede Menge Geld dafür aus, die Versorgung mit sauberem Wasser zu sichern. Und wer keines hat, der setzt alles in Bewegung, um welches zu bekommen – vor allem sich selbst. 450 ppm – jenseits dieser Grenze kippt die Trink
wassernot für 500 Millionen Menschen in eine Trinkwassernot für 3,5 Milliarden Menschen. Man muss schon sehr, sehr naiv oder dumm sein, wenn man glaubt, das habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Rest der Welt.
Die Wissenschaft ist sich sehr, sehr sicher, wenn sie warnt und mahnt: Wenn ihr jetzt sofort bremst, dann könnt ihr noch mit quietschenden Bremsen einen harten Aufprall verhindern. Fahrt ihr aber noch wenige Meter weiter, dann werdet ihr den schmerzhaften Crash nicht mehr verhindern können, denn wie sehr ihr auch bremst: Diese Meter werden euch am Ende fehlen.
Sie, meine Damen und Herren, wollen natürlich auch nicht aufprallen, denn das tut weh. Sie wollen aber auch nicht bremsen. Also machen Sie, was Sie politisch gewohnt sind: Sie beschließen mehrheitlich, dass Sie nicht aufprallen werden, und fahren ungebremst weiter geradeaus.
Wir sitzen alle gemeinsam in diesem Fahrzeug, das in voller Fahrt auf eine Wand zurast. Am Steuer sitzen hier in Sachsen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, denn Sie sind diejenigen, die den Auftrag haben zu handeln – oder eben auch nicht. Und auf dem Rücksitz melden sich jetzt die Kinder: Mama, Papa, seid ihr verrückt? Bremsen, dort kommt eine Wand! Und Sie antworten: Schaut in eure Bücher, Kinder, wir wollen für einen wunderbaren letzten Moment den Fahrtwind im Haar genießen.
Können Sie da vielleicht verstehen, dass sie nicht in ihre Bücher schauen; dass sie im Gegenteil alles tun, um irgendwie an die Bremse zu kommen?
Meine Damen und Herren, so kann es nicht weitergehen und so wird es nicht weitergehen. Uns allen läuft die Zeit davon, und deshalb legen wir hier erneut ein Handlungspaket vor. Denn wenn wir uns mehrheitlich entscheiden, dann wird auch gehandelt. Wir 126 Abgeordnete sind in Sachsen die Menschen, die dafür die höchste Verantwortung auf ihre Schultern laden. Deshalb werden auch wir es im besonderen Maße sein, die sich die bohrenden Fragen stellen lassen werden müssen: Oma, Opa, wie konnte es so weit kommen? Habt ihr denn davon wirklich nichts gewusst?
Ich danke Ihnen.
Ja, danke für die Zwischenfrage. Herr Kollege Vieweg, können Sie mir sagen, wie Sie ökonomisch sicherstellen wollen, dass die Kohlekraftwerke bis 2038 laufen können? Unabhängig davon, mit welchem Instrument wir die CO2-Reduktion durchführen, ob mit einem Kettner und ETS oder mit einem CO2-Preis fliegen die auf jeden Fall vorneweg aus dem Rennen. Hat die SPD vor, ein großes Subventionsprogramm für die Braunkohle aufzulegen? Das ist meine Frage.
Ja, danke, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Kollege Vieweg! Jetzt hören Sie mir bitte einmal zu, Herr Kollege Vieweg. Es ist abstrus, wie Sie in Ihrer Argumentationsnot und in Ihrer Panik vor Sonntag die Dinge, die in dem Antrag stehen, verdrehen, wirklich verdrehen. Sie stellen dar, wir würden irgendwo ein 2030Datum festsetzen, selbst an den Stellen, wo es schneller geht. Das ist absolut absurd.
Das, was in diesem Antrag unter 7. steht, ist: Wenn die Paris-Ziele auf Bundesebene zum verbindlichen Maßstab für Klimaschutzpolitik werden – – Das müssen sie am
Ende, weil sie folgerichtig verbindlich sind. Sie wissen genau, dass die Kohlekommission in ihrem Einsetzungsbeschluss nicht die Paris-Ziele hatte, sondern den nationalen Klimaschutzplan der Großen Koalition, der nicht Paris-konform ist. Also kann das 2038 nicht Pariskonform sein. Wenn das nachgeschärft wird, wenn in der Bundesrepublik Paris-Ziele angelegt werden, muss sich Sachsen darauf einstellen, dass das viel schneller gehen kann. Das steht bei uns drin.
Liebe Staatsregierung, triff Vorkehrungen in der Braunkohleplanung, die die Tagebaue betrifft, dass man dort Szenarien fährt, die davon ausgehen, es könnte auch schon 2030 so weit sein. Lasst uns auch in jeder anderen Hinsicht darauf einstellen. Das steht hier drin. Es geht an dieser Stelle um Vorsorge. Es geht nicht um das Setzen irgendwelcher festen Daten, ohne dass sie Instrumente in der Hand haben, sie auch durchzusetzen. Weder in Sachsen noch in Berlin gibt es ein Politbüro, Herr Kollege Vieweg. Das machen nur Sie.
Lieber Herr Kollege Hartmann, Sie haben jetzt wortreich erläutert, was alles Tolles von Frau Merkel und anderen getan worden ist und wie man sich bemüht und angestrengt hat.
Nehmen Sie aber bitte zur Kenntnis, dass auf diesem Politikfeld nur zählt, was hinten herauskommt: Fallen die Emissionen oder steigen sie an? Das mag bei jedem anderen Politikfeld anders sein – da ist man meist schon Sieger, wenn die Leute glauben, man hätte etwas Gutes gemacht. Aber hier geht es wirklich nur um das Ergebnis.
Denn das Klimasystem interessiert sich einfach nicht dafür, was wir hier für Sprüche ablassen.
Jetzt komme ich zum weltweiten Problem: Wir können das nicht delegieren. Wenn man in Schwellenländer wie China, Indien usw. schaut, die immer als Beispiele herangezogen werden, dann haben auch diese ihren Teil am globalen Verschmutzungsrecht, den wir weitgehend ausgeschöpft haben. Damit haben wir unseren Wohlstand geschaffen! Diese Länder nehmen das Recht für sich in Anspruch, sich ebenfalls ihren Wohlstand schaffen zu können, und zwar auf die gleiche Art und Weise wie wir – solange wir ihnen nicht zeigen, dass es auch anders geht.
Denn was zum Teufel soll denn diese Länder dazu bringen, darauf zu verzichten, weitere Kohlekraftwerke aufzubauen, wenn wir hier mit unserer Hochtechnologie im Land der Ingenieure, die wir alle Möglichkeiten haben, es anders zu machen, den Offenbarungseid leisten und sagen, wir bekommen das nicht hin, wir wollen das nicht hinbekommen, und deshalb machen wir nichts und stellen die Forderung an euch?
Natürlich müssen wir an dieser Stelle vorangehen, ansonsten wird uns hier niemand folgen.
Im Übrigen: 2,3 % sind kein Grund, nichts zu tun.
Wenn die Welt aus 50 Verschmutzern besteht, wo jeder 2 % ausstößt und jeder von diesen sagt, mein Beitrag sind nur 2 %, die anderen mögen beginnen, dann beginnt niemand. Das ist der Punkt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Hartmann, wir machen uns auch große Sorgen um die demokratische Akzeptanz.
Deshalb wäre es gut gewesen, wir hätten vor zehn oder 15 Jahren begonnen, die Emission zu reduzieren. Das wäre ein sehr sanfter Prozess gewesen. Es wäre ein sehr sanfter Anpassungsprozess gewesen und hoch kompatibel mit Demokratie und Akzeptanz in der Bevölkerung. Jetzt müssen wir wesentlich steiler vorgehen. Es sind wesentlich härtere Anpassungen vorzunehmen. Je länger wir warten, desto schwieriger wird es. Der Endpunkt ist nicht verhandelbar. Wir müssen ihn erreichen.
Das ist das Problem. Deshalb hätten wir sehr schnell handeln müssen. Was meinen Sie, was Ihnen Ihr Volksparteisensor für das Spannungsgefüge in der Gesellschaft nützt, wenn innerhalb weniger Jahre das dritte Hochwasser durchmarschiert, der nächste Hitzesommer kommt oder ein Tornado durch eine Großstadt marschiert? Dieser Sensor nützt für das Gefüge nichts. Das konnten Sie merken bei Fukushima und Co. Es ist dann plötzlich alles ganz anders. Es entstehen ganz andere Wahlergebnisse.
Deshalb sollten wir vorsorgen.
Herr Kollege Vieweg, was Sie hier von sich gegeben haben, war einfach nur „trumpesk“.
Wenn jemand, der Fake News verbreitet, denjenigen, der das Gegenteil sagt, der Fake News in Bezug auf das Abkommen von Paris bezichtigt, dann ist das absurd.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage mich, warum man eigentlich in einer Großen Koalition nicht wirklich auf die Wissenschaft hört. Ich denke, weil Sie primär immer nach solchen Lösungen suchen, die es Ihnen ermöglichen, irgendwie im Wesentlichen so weiterzumachen wie bisher. Die Wissenschaft sagt Ihnen an dieser Stelle aber, dass es solche Lösungen nicht mehr gibt. Die Zeit für solche Lösungen ist längst vorbei und vertan. Genau deshalb hören Sie nicht auf die Wissenschaft. Sie nennen fundierte Erkenntnisse eine Meinung und stellen Ihre Meinung dagegen, als ob Wahrheit nicht eine Frage
von überprüfbaren Fakten sei, sondern mit Macht und Mehrheit einfach definierbar.
Der Natur da draußen ist es aber völlig egal, Herr Kollege Vieweg und meine Damen und Herren, was Sie hier mehrheitlich als wahr definieren.
Sie folgt nicht unseren, sondern ihren eigenen Gesetzen. Wir haben nichts Besseres als unsere seit Jahrtausenden fortentwickelten Methoden der wissenschaftlichen Erkenntnis, um diese Gesetze und ihre Konsequenzen zu begreifen. Das hat uns sehr weit gebracht.
Wir sind jetzt das Ergebnis und wahrscheinlich die einstweilige Krone von 3,8 Milliarden Jahren Evolution. Nun wird es höchste Zeit, dass wir uns auch so benehmen. Wenn ich sehe, dass wir es so weit gebracht haben, dass unsere Kinder draußen für ihre Zukunft demonstrieren müssen und nicht um Rentenpunkte oder Freifahrtscheine, sondern für ihr Recht auf die Grundlagen ihrer physischen Existenz, dann muss uns das wirklich die Schamesröte ins Gesicht treiben.
Was soll ich noch zu dem Antrag sagen? Wir benennen die Wand, auf die wir mit Vollgas zurasen. Wir erinnern an den Konsens, sich nicht umzubringen. Wir zeigen, wo die Bremsen sind, und fordern Sie auf, diese endlich zu bedienen. Ein allererster Schritt dazu, wenigstens ein Zeichen, ist heute möglich. Stimmen Sie diesem Antrag zu.
Wenn Sie angesichts einer heraufziehenden Krise weiterhin nicht in der Lage sind, ernsthaft zu handeln, meine Damen und Herren, dann sind Sie in einer solchen Situation da am Steuer völlig fehl am Platz. Diese Erkenntnis, die im Moment wie ein Lauffeuer um sich greift, wird die, die als Kinder, als Studierende, als Wissenschaftler, als Eltern, als Großeltern da draußen jeden Tag lauter werden, am Ende mit uns gemeinsam in die Lage versetzen, Ihnen das Steuer aus der Hand zu nehmen und hoffentlich gerade noch rechtzeitig das zu tun, was getan werden muss.
Ich danke Ihnen.
Danke schön. Herr Minister, ich gehe davon aus, dass rund 170 Anträge gestellt wurden; das entnehme ich Ihren Angaben – 14 Anträge bzw. 8 %. Sind darunter auch Anträge, die nach formalen Kriterien sofort abgewiesen werden mussten? Oder gibt es zusätzlich Anträge, die gleich abgelehnt wurden?
Welches waren die Hauptabweisungsgründe? Spielte beispielsweise der 50-Kilometer-Radius eine wesentliche Rolle?
Ich habe eine kurze Nachfrage zur Richtlinie: Es gibt ja bis zu 50 % Zuschuss auf
zuwendungsfähige Ausgaben. Da gibt es regionale und innerbetriebliche Kriterien. Sind die regionalen Kriterien, von denen es am meisten gibt, an die große GA angelehnt, oder gibt es andere regionale Schwerpunkte? Und was sind bei den innerbetrieblichen Kriterien diejenigen, von denen es am meisten gibt?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit mir gerungen, ob ich in den fünf Minuten Redezeit wenigstens einzelne Punkte aus Ihrem umfangreichen Antrag diskutiere. Das haben wir allerdings zu verschiedenen dieser Punkte hier im Sächsischen Landtag schon im Detail getan. Deshalb möchte ich mich lieber mit der grundsätzlichen Zielrichtung beschäftigen.
Zur Diagnose vieler alter Verwerfungen und Ungerechtigkeiten aus einer Zeit des Systembruchs und der folgenden Strukturbrüche besteht durchaus breiter Konsens, liebe LINKE. Auch wir stecken täglich in solchen Themen, und auch Frau Köpping und die SPD-Fraktion beschäftigen sich intensiv damit.
Doch die Ansätze der Parteien, um wirklich Hilfe zu ermöglichen, sind erklärtermaßen unterschiedlich. Vor allen Dingen sind die Möglichkeiten in hohem Maße problemspezifisch und oftmals von Fall zu Fall individuell zu betrachten. Das alles wurde bereits debattiert. Es ist müßig, die gemeinsamen und unterschiedlichen Standpunkte wieder und wieder zu Protokoll zu nehmen. Wenn Sie nun hier mit einem zum Antrag verdichteten Narrativ Ihres Wahlprogramms antreten, liebe LINKE, dann wird es Sie nicht verwundern, wenn wir nicht genügend Schnittmenge sehen, um Ihrem Antrag in Gänze zustimmen zu können; wir haben schließlich ein eigenes Wahlprogramm.
Ihr Antrag gleicht inhaltlich geradezu einem Schrotschuss. Sie streuen aber auch Salz in Wunden, in Kränkungen, in jahrzehntealte, noch nicht vernarbte persönliche Verletzungen. Gleichzeitig erwecken Sie den Eindruck, mit irgendwelchen ganz einfachen Entscheidungen diese immer wieder neu gefühlten Schmerzen lindern und viele alte immer wieder aufbrechende Wunden sogar heilen zu können.
Der gravierende Systembruch nach 1989 und die folgenden Strukturbrüche waren gemeinsam Ursache für viele Probleme. Doch einen solchen Systembruch kann man nur in eine Richtung durchschreiten: nämlich vorwärts. Man kann ihn nicht rückgängig machen. Das will auch niemand, und ich denke, auch bei Ihnen nicht. Weil es keine Lösung durch das Zurückdrehen eines Systembruchs gibt, kann man die Auswirkungen auch nicht ungeschehen machen, ohne dabei zugleich im Hier und Heute neue Ungerechtigkeiten und neue Probleme im System heraufzubeschwören.
Es ist das eine, liebe LINKE, wenn Sie den Menschen den Eindruck vermitteln, Sie hätten die Lösungen, um viele Ungerechtigkeiten und Benachteiligungen spät, aber dennoch rasch und gründlich zu heilen. Das ist Ihnen unbenommen, und das können Sie selbstverständlich gern in Ihr Wahlprogramm schreiben und versprechen für den Fall, dass Sie die Mehrheiten bekommen, um das auch zu zeigen. Doch ausgerechnet eine CDU-geführte Staatsregierung per Antrag dazu aufzufordern, wesentliche Teile des Wahlprogramms der LINKEN umzusetzen, und wenn der Sächsische Landtag ihnen nicht folgt, das dann als fortgesetzte Ignoranz gegenüber Ungerechtigkeiten zu interpretieren, macht vor allen Dingen eines: nämlich draußen Politikverdrossenheit nähren und die Überzeugung, dies hier sei nur eine Quasselbude.
Es ist richtig, meine Damen und Herren, die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost und West und
mittlerweile übrigens auch zunehmend in Nord und Süd und in Stadt und Land ganz oben auf die politische Agenda zu setzen.
Es ist wichtig, Lohn- und Rentenniveaus – ich sage ausdrücklich, auch die Produktivität – endlich auf ein ähnliches Niveau zu heben. Doch wir sehen es als Aufgabe täglichen vorwärtsgerichteten politischen Handelns, mit allen und für alle heute lebenden und auch künftigen Generationen. Wir sehen es nicht als Reparaturaufgabe, denn es ist keine Wiederherstellung eines Zustandes, den es schon mal gegeben hätte.
Wer Ihren Antrag liest, gewinnt den Eindruck, Sie hätten, wenn man Ihnen eine Zeitmaschine schenkte, die Sie 25 oder auch 29 Jahre in die Vergangenheit tragen würde, eine Menge an Ideen, wie man die Dinge so lösen könnte, dass dann in 2019 eine deutlich bessere und gerechtere Welt in diesem Land herauskäme. Das ist aber ein Trugschluss, denn viele der damals gewählten Lösungsansätze waren in der damaligen Zeit genauso gewollt, und zwar von Mehrheiten. Diese haben zur heutigen Welt geführt. Wenn es andere Mehrheiten gegeben hätte, dann hätte es vielleicht andere Lösungsansätze gegeben – dann wären wir heute in einer anderen Welt. Das sind wir aber nicht.
Wenn schon eine funktionierende Zeitmaschine nicht helfen würde, um nachträglich den Verlauf der Geschichte auf demokratisch-rechtsstaatliche Weise zu korrigieren, dann hilft Ihr Antrag erst recht nicht. Er hilft nicht, um den Menschen bei Problemen, zu deren Beschreibung wir mit Ihnen an vielen, wenn auch nicht an allen Stellen übereinstimmen, wirklich konkret zu helfen. Dafür braucht es konkrete problemspezifische Instrumente statt einer allgemeinen Gerechtigkeitsdebatte.
Wir werden aufgrund der bereits diskutierten Schnittmengen zwar nicht gegen Ihren Antrag stimmen, aber zustimmen können wir auch nicht.
Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stellungnahme der Staatsregierung zu diesem Koalitionsantrag offenbart ja erstaunliche Informationsdefizite. Offensichtlich kümmert sich die Staatsregierung um die Analyse des Ausgründungsgeschehens aus Hochschulen sowie deren Tochterunternehmen ja nicht wirklich aus eigenem Interesse und schon gar nicht kontinuierlich, sondern nur genau dann und auch nur insoweit, wie Abgeordnete auf dem Weg der Kleinen Anfrage solche Daten haben wollen, also regiert man sozusagen im Blindflug.
Eine ganze Seite der Stellungnahme der Staatsregierung ist dem relativ neuen Förderinstrument InnoStartBonus gewidmet. Deshalb will auch ich mich einmal näher auf solche Instrumente konzentrieren, um irgendetwas Konkretes im Handeln der Staatsregierung zu diskutieren, nachdem der Antrag ja so ziemlich voller Worthülsen daherkommt.
Wir reden hier zu diesem Antrag gerade über die Hochschulen als Keimzelle von Innovation und Unternehmertum. Ausdrücklich nicht gefördert werden mit dem Instrument InnoStartBonus, dem die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme eine ganze Seite widmet, jedoch Studierende, Hochschulabsolventen und Absolventen von Berufsakademien, wissenschaftliches Personal von
Hochschulen, Berufsakademien und Forschungseinrichtungen sowie ehemaliges wissenschaftliches Personal, die die Gründung eines innovativen Unternehmens beabsich
tigen. Erst wenn der Abschluss oder das letzte versicherungspflichtige Arbeitsverhältnis an einer solchen Einrichtung länger als zehn Jahre zurückliegt, entsteht Förderfähigkeit.
Wer aber vor neun Jahren wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Hochschule war, der scheidet deswegen aus dem Programm aus und muss noch ein Jahr mit seiner Geschäftsidee warten, bis er förderfähig wird, einer Geschäftsidee übrigens, die zwar innovativ sein soll, aber nicht zu innovativ. Das machen Sie an 15 % der Betriebsausgaben im F- und E-Bereich fest. Das heißt, es bedarf eines detaillierten Businessplans; gleichzeitig darf aber das Unternehmen noch nicht gegründet sein. Ein Gründerteam ist aber bereits dann eine GbR, wenn es eine gemeinsame wirtschaftliche Tätigkeit verabredet, und das muss man ja irgendwie machen, um einen Businessplan zu erstellen. Es passt also vorne und hinten an dieser Stelle nicht zusammen.
Was ist nun mit jenen, die wirklich etwas Spannendes mit mehr als 15 % Innovationshöhe haben und aus einer Hochschule oder Forschungseinrichtung gründen wollen? Für sie gibt es ja ein ziemlich genau komplementäres Instrument, das Technologiegründerstipendium, komplementär, weil genau das dort ausgeschlossen ist, was im InnoStart möglich ist und umgekehrt.
Aber es wäre ja kein sächsisches Gründerförderprogramm, wenn es da nicht entscheidende Haken gäbe, die den Kreis der infrage kommenden Interessenten zum Punkt schrumpfen lassen. Mit der Lupe muss man da nicht lange suchen. Ich nenne nur mal die hochschulrelevanten Punkte: Ausgeschlossen sind Antragsteller, die zeitgleich eine Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, also BAföG, einem anderen Stipendium, einem Beschäftigungsverhältnis oder einer anderen Förderung zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes erhalten. Eine Förderung ist auch ausgeschlossen, wenn neben der Arbeit am Gründungsvorhaben andere entgeltliche Tätigkeiten durchgeführt werden.
Ein kleiner Vergleich mit der Lebenswirklichkeit: Stellen Sie sich eine Studentin vor, die sich in ihrem Studium mit einem kleinen Stipendium und mit Nebenjobs so leidlich durchschlägt, vielleicht noch ein Kind hat. Außerdem hat sie eine tolle innovative Softwaregeschäftsidee und vielleicht zum ersten Mal von einigen Anwendern ihrer App ein paar Euro bekommen. Nun kann sie sich gut vorstellen, daraus mehr zu machen, und stellt fest, dass sie das nicht wirklich zum Laufen bringt, wenn sie nur am Abend mal eine Stunde Zeit hat. Da kommt ihr das Technologiegründerstipendium wie gerufen, um Freiräume für einen ernsthaften Geschäftsaufbau zu schaffen.
Doch halt! Denn da steht ja: Brich erst alle deine Brücken in deine kleine, selbst gebaute finanzielle Lebensgrundlage ab, und dann winken 1 000 Euro für zwölf Monate, obgleich es doch nahezu ausgeschlossen erscheint, dass ein soeben gegründetes Technologieunternehmen nach zwölf Monaten seiner Gründerin ein finanzielles Auskommen ermöglicht. Das heißt, die bisherige Absicherung
ist aufgegeben; nach zwölf Monaten in höchster finanzieller Not ist nach 15 Monaten die Geschäftsidee für eine Anstellung wieder an den Nagel gehängt.
Die Entscheidung zum Gründen ist eine individuelle Abschätzung des Verhältnisses von Chance und Risiko. Die Risikotoleranz sinkt heute in dem Maße, wie es für gute Absolventen immer mehr gut bezahlte Jobs in der Wirtschaft gibt. Da ist es gänzlich kontraproduktiv für die Praxistauglichkeit eines Förderinstruments, wenn es überhaupt nur infrage kommt, wenn sich Interessenten gleich vorab zum Seiltanz ohne Netz bereit erklären müssen. Das ist wirklich zum Haare raufen, meine Damen und Herren! Für viele Gründungswillige da draußen ist es eine nachhaltige Enttäuschung auf dem Feld zwischen Programmflyern der SAB und der täglichen Realität. Es ist ein Grund für sie, ihre Zeit lieber für ganz andere Wege einzusetzen. Wenn dies also das Ziel sein soll, dann sei es drum – da könnte man Geld sparen. Nur wozu dann all das Personal, das solche Programme aufsetzt, Anträge entgegennimmt, Nachweise kontrolliert, Hochglanzprospekte entwirft und Präsentationsevents für Minister organisiert?
Fazit am Ende meiner Redezeit: Es gibt noch wahnsinnig viel zu tun, bis hier wirklich praxistaugliche Instrumente existieren, die Sachsens Gründerinnen und Gründer voranbringen. Der Antrag fordert zumindest Informationen und Überlegungen von der Staatsregierung. Deshalb stimmen wir diesem Antrag auch zu.
Ich danke Ihnen.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Liebe Frau Springer! Wenn Sie aus diesem Hummelparadoxon ableiten wollen, dass die CDU auch künftig gedenkt, sich im Freistaat Sachsen nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu orientieren,
dann kann ich Sie nur warnen: Das Hummelparadoxon ist eine ganz alte Kiste. Das ist längst widerlegt, wissenschaftlich. Das hat etwas mit den kleinen Flügeln und mit den Wirbeln zu tun. Die Hummel kann fliegen, und zwar in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Naturwissenschaft. Das kann ich Ihnen bestätigen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sachsen hat sich für seine Entwicklung viel vorgenommen. Die sächsische Wirtschaft hat sich viel vorgenommen. Das sollten wir auch; denn die anderen schlafen auch nicht. Die Basis all dessen ist eine zukunftsfähige, günstige Energieversorgung. Ohne Energie geht in unserer Gesellschaft einfach nichts, meine Damen und Herren.
In Sachsen kommt der Strom heute zu 75 %, also zu drei Vierteln, aus der Braunkohle. Wir leben in einer Zeit, in der klar ist, dass spätestens in 19 Jahren und circa 290 Tagen in Deutschland der letzte Kohlekraftwerksblock vom Netz geht. Ob er hier in Sachsen steht, ist keineswegs klar. Das entscheiden nicht wir und auch nicht die Staatskanzlei; denn auch in der Energiewirtschaft ist die Planwirtschaft abgeschafft. Es werden ökonomische Entscheidungen getroffen. Dabei kann es auch sehr viel schneller gehen.
Drei Viertel der Stromerzeugung im Kohleland Sachsen stehen definitiv vor dem Auslaufen – das ist die Situation. In dieser Situation blockiert die CDU den Novellierungsprozess für das Energie- und Klimaprogramm des Freistaates für die langfristige Energiestrategie in Sachsen. In dieser Situation knallt die CDU aus ideologischen Gründen jeden Versuch, den Ersatz der wegfallenden Stromerzeugung im Noch-Energieland Sachsen auch nur zu planen, hart gegen die Wand. Das tut sie ganz öffentlich – wie im alten Rom: erst einmal vor großem Publikum durch die Arena gezogen und dann den Daumen gesenkt. Sind Sie denn wahnsinnig? Wo ziehen Sie denn unser Land hinein?
Wie sollte man es denn nennen, was Sie in der letzten Phase des Kohlezeitalters befällt? Energiepolitische Todessehnsucht, wirtschaftliche Selbstverstümmelung? Wer heute eine Manifestation politischer Unzurechnungsfähigkeit sehen will, der muss nicht bis an die Themse fahren, meine Damen und Herren – willkommen an der Elbe!
Ich möchte heute überhaupt nicht zurückschauen, wer wann die Kurve nicht bekommen hat. Wir haben ein Problem zu lösen, dabei geht der Blick nach vorn. Dazu
gehört erst einmal die Erkenntnis, dass der Strom zwar meist aus der Steckdose kommt, aber dass er auch in Sachsen nicht dort entsteht. Wir brauchen eine Strategie, wie wir ihn künftig erzeugen können, wenn wir ein Energieland bleiben wollen. Dabei machen wir gern Vorschläge.
Zur Frage, was energiewirtschaftlich passiert, wenn wir das in Sachsen nicht hinbekommen: Das, meine Damen und Herren, werden Sie sich in den nächsten Jahren im Süden Deutschlands anschauen können. Dort hat man sich nämlich in größter Sturheit im Angesicht wegfallender Erzeugungskapazitäten und der Blockade der Energiewende sowie des Netzausbaus in eine ähnliche Trotzecke begeben oder „hineingeseehofert“, wie Sie es hier in Sachsen machen.
Die Energiewirtschaft und der Energiemarkt finden für alles eine Lösung. Wenn kostengünstige Erzeugung knapp wird, dann greifen teurere Optionen. Weil der Rest der Bundesrepublik und der Rest des europäischen Strommarktes es überhaupt nicht einsehen, für eine bayerische Erpressungsstrategie mehr zahlen zu müssen, werden die Bayern mehr für ihren Strom zahlen müssen. Die Instrumente für unterschiedliche Strompreiszonen werden in Brüssel geschärft und im Bund lebhaft diskutiert. Genau das schafft in der Marktwirtschaft die nötigen regionalen Investitionsanreize. In der Demokratie und in den Wirtschaftsverbänden – möchte ich hinzufügen – schafft das die Mehrheiten zum Umsteuern.
Natürlich wird es eine Zeit lang möglich sein, sich regional als Trittbrettfahrer durch die Energiewende zu bewegen, meine Damen und Herren, die anderen die Zielkonflikte vor deren Tür lösen zu lassen und sich selbst zurückzulehnen. Aber das wird seinen Preis haben, erst in der Energieversorgung und dann auch politisch. Wenn Sie heute glauben, für den Augenblick politisch billiger davonzukommen, wenn Sie der Auseinandersetzung mit der Propaganda des Herrn Urban
oder eines Herrn Zastrow ausweichen, statt sich zu stellen, dann werden Sie am Ende den politischen Preis dafür zahlen – mit Zins und Zinseszins.
Ach, Verzeihung, Herr Kollege Wild, ich habe Ihre Propaganda ganz vergessen, nicht dass Sie sich vor Verzweiflung wieder in die falsche Fraktion setzen wie gestern.
Vielleicht glauben Sie aber auch nur, meine Damen und Herren in der CDU-Fraktion und der Staatskanzlei, die Nummer mit der gemeinsamen Druckausübung der Ostkohleländer auf den Bund, mit der Sie den Preis für den Kohleausstiegsbeschluss hochgetrieben haben, war so schön, dass man sie eigentlich noch weitermachen könnte. Warum das krachend scheitern muss, erzähle ich Ihnen in der nächsten Runde.
Herr Heidan, ich verstehe Ihren Ausgangspunkt nicht. Wir leben in einer Welt, in der ein Kohleausstieg beschlossen wurde. Wir haben im letzten Plenum aus Ihrer Fraktion gehört, dass auch Sie davon ausgehen, dass das beschlossen ist.
Sie müssen doch jetzt einmal davon ausgehen, dass es so ist.
Wenn Sie sich hier hinstellen – –
Erklären Sie mir bitte, warum Sie wieder mit derselben Leier anfangen, dass Sie nicht auf die Braunkohle verzichten können.
Sie werden darauf verzichten müssen. Deshalb brauchen Sie als Regierung einen Plan, –
– wie Sie es machen. Wie wollen Sie es machen?
Danke, Herr Kollege Vieweg.
Ich habe bisher immer gedacht, dass maßgeblich für den Ausbau der erneuerbaren Energien der Landesentwicklungsplan und dessen Durchgriff auf die Regionalpläne ist. Können Sie mir sagen, auf welche Art und Weise jetzt das Pariser Klimaschutzabkommen direkt auf den Ausbau erneuerbarer Energien in Sachsen wirkt und wie uns das weiterhelfen kann?
Danke. Ich habe eine Kurzintervention zum Beitrag von Kollegen Vieweg.
Zum Ersten, Herr Kollege Vieweg, ist es höchst löblich, was für eine Energiestrategie der Energieversorger Nummer eins in Chemnitz fährt. Aber das hat überhaupt nichts mit der Energiepolitik des Freistaates zu tun. Ganz im Gegenteil, was dort passiert, passiert eigentlich gegen den energiepolitischen Willen des Freistaates.
Das hat man dort durchaus auch gesagt bekommen.
Der zweite Punkt. Ich habe an keiner Stelle suggeriert, dass die Versorgungssicherheit in Sachsen in Gefahr wäre. Im Gegenteil.
Ich habe gesagt: Die Energiewirtschaft und der Energiemarkt finden für jedes Thema an dieser Stelle eine Lösung. Es ist nur eine Frage des Preises. Wenn die kostengünstigsten Optionen, nämlich den Strom vor Ort kostengünstig zu produzieren, wegfallen, dann bleiben teurere Optionen, diesen von irgendwo heranzuschaffen. Das ist der Punkt.
In diesem Zusammenhang kommen wir auch auf die Kosten der Netze. Wenn es in der Energiewende in Deutschland Trittbrettfahrer gibt, dann werden Sie das an dieser Stelle über regionalisierte Netzentgelte etc. zu spüren bekommen. Das heißt, diese Kosten werden gerecht verteilt werden, und wer dort nicht mitmacht und seinen Teil trägt, der zahlt das mit höheren Strompreisen. Nichts anderes habe ich gesagt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte angekündigt, dass ich kurz etwas dazu sage, warum nach meiner Meinung der Schulterschluss mit den anderen Ostkohleländern – der ja recht gut funktioniert hat, um für die Strukturwandelförderung eine ganze Menge Geld herauszuholen – nicht funktionieren wird, wenn Sie versuchen, weiterhin die Energiewende zu blockieren, und einfach nichts machen.
Die anderen Ostkohleländer, mit denen Sie Arm in Arm gegenüber dem Bund agiert haben, waren beim Thema Energiewende viel schlauer. Sie sind ganz anders aufgestellt. Sie können sich beim Kohleausstieg bilanziell weitgehend ohne Kohle versorgen. Sie haben sehr viel mehr erneuerbare Energien als Sachsen aufgebaut, und dennoch haben sie eine messbar höhere Akzeptanz bei den Menschen aufrechterhalten, die damit in ihrer Nachbarschaft konfrontiert sind. Sie werden davon profitieren, uns mit ordentlicher Gewinnspanne mit dem Strom zu versorgen, den wir in Sachsen nicht mehr zu produzieren gedenken.
Das heißt, Sie werden bei dem Versuch, eine neue energiepolitische milde Erpressungsfront gegen den Bund zu formieren, scheitern. Dann ist es mit dem Schulterschluss vorbei. In dieser Auseinandersetzung, als Trittbrettfahrer der Energiewende dennoch eine günstige Energieversorgung zu behalten, steht Sachsen ziemlich allein in einer Situation, in der eine eigene Fähigkeit zur Energieversorgung aus eigener Erzeugung nach dem Kohleausstieg nicht absehbar ist, in der die Akzeptanz für deren Schaffung massiv beschädigt ist, in der die landesplanerischen Grundlagen boykottiert und die regionalplanerische Umsetzung in eine Sackgasse manövriert wurden. Sie haben es – ich formuliere es etwas vornehmer als der Herr Kollege Böhme gestern – gründlich vergeigt, wirklich vergeigt.
Das ist ein wirklich übler Schlamassel, meine Damen und Herren, den es demnächst aufzuräumen gilt.
Eine kurze Bemerkung zu Kollegen Heidan, der grüne Wunschvorstellungen in der Kohlekommission vermutete und meinte, dass ja nachts die Sonne nicht scheint etc.
Das ist richtig, ja. – Zunächst etwas zu den grünen Wunschvorstellungen: Sie erinnern sich vielleicht noch an die Jamaika-Sondierungen. Den GRÜNEN wurden Wunschvorstellungen, Fantasien vorgeworfen, weil sie meinten, man könne, um die Regierungsziele im Klimaschutz für 2020 einigermaßen zu schaffen, 7 Gigawatt Überkapazität der Kohlekraftwerke vom Netz nehmen. In der Kohlekommission saßen die Arbeitgeberverbände, der BDEW, und sie wurden beraten von dem Who’s who der deutschen Stromwirtschaft und der Netzbetreiber. Mit Zustimmung dieser Experten hat man jetzt einvernehmlich beschlossen: 12,5 Gigawatt gehen vom Netz. Wenn man alles abzieht, was sowieso abgeschaltet wird, dann bleiben 4 Gigawatt Steinkohle und 3 Gigawatt Braunkohle. Rechnet man es zusammen, sind es genau 7 Gigawatt. Das ist also das, was dort passiert. Es ist keine Umsetzung einer grünen Ideologie, sondern es ist einfach so, weil die damalige Analyse auf denselben Fakten beruhte wie heute.
Das ist also möglich, das kann man machen. Ich höre aus Ihren Worten nur den Wunsch heraus, Revisionsklauseln, die im Beschluss dieser Kommission sind, möglicherweise dann doch zu nutzen und das alles noch irgendwie zu umschiffen, indem man nur ausreichend lange die Umsetzung blockiert, boykottiert etc.
Ich kann davor nur ausdrücklich warnen. Diese Revisionsklauseln sind symmetrisch aufgebaut, denn sonst hätte es niemals eine Zustimmung von allen gegeben. Symmetrisch heißt, dass auch die Klimaschutzziele erreicht werden müssen, die jeweils stehen. Wenn das nicht der Fall ist, werden beide Kapitel – das Energiekapitel und das Strukturwandelkapitel – neu aufgemacht und neu diskutiert. In einer möglicherweise wirtschaftlich viel schwierigeren Situation im Bund wird dann neu geschaut, wie man mit dem Geld die grundlegenden Rahmenanforderungen, nämlich das Klimaschutzziel 2030, schaffen kann.
Man kann wirklich nur warnen, hier die Büchse der Pandora aufzumachen und etwa zu hoffen, man könne das durch eine energiepolitische Blockade aus Sachsen irgendwie umschiffen. Davor kann ich Sie an dieser Stelle nur warnen. Mehr dazu in der nächsten Runde.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Rohwer, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie jetzt die Zustimmung zu einem sächsischen EKP davon abhängig machen wollen, ob im Bund die Milliarden in Gesetze gegossen werden?
Das ist sehr seltsam; denn das ist ja wie jemand, der damit droht, sich selbst zu verletzen, damit er etwas vom Gegenüber bekommt. Das ist denen im Bund herzlich egal, ob wir in Sachsen ein EKP machen.
Das ist auch den anderen Bundesländern egal, ob wir hier erneuerbare Energien ausbauen. Sie verkaufen uns sehr gern den Strom. Dann sind wir an dieser Stelle die Gelackmeierten.
Was passiert denn, wenn das im Bund nicht kommt? Dann stehen Sie ohne Milliarden und ohne Plan da. Meinen Sie, es ginge dann einfach alles so weiter wie bisher? Es geht natürlich nicht so weiter, denn der Braunkohleausstieg ist eine ökonomische Tatsache. Ab Mitte der 2020er-Jahre – das sagt Ihnen jeder Ökonom – gibt es Knappheitspreise im ETS. Allein schon das sorgt dafür. Die Grenzwerte, die die Kraftwerke kaum einhalten können, tun ihr Übriges. Sie sind darauf angewiesen, endlich eine neue Strategie für Sachsen zu schaffen.
Noch ein Wort dazu, dass die CDU nach dem 1. September wieder über ein EKP – als Verhandlungsmasse – reden wolle: Was meinen Sie, was diese Nummer mit dem EKP war – das war kein Prüfauftrag –, die Sie hier, in aller Öffentlichkeit, abgezogen haben? Was meinen Sie, was dies mit dem Vertrauen in Politikerinnen und Politiker in diesem Haus bezüglich der Verbindlichkeit von Vereinbarungen, dem Wert von Verträgen macht, ebenso mit der Bereitschaft von Parteigremien, Absichtserklärungen ernst zu nehmen?
Sie haben sich hier ganz klar als Risikofaktor bei der Einhaltung von Abmachungen und Verträgen geoutet. Machen Sie das mal im Geschäftsleben! Dann gibt es straffe Risikoaufschläge dafür, mit jemandem ins Geschäft zu kommen, bis hin zur Vorkasse, meine Damen und Herren. So etwas kann Ihnen nur auf die Füße fallen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Ja, danke. Herr Kollege Rohwer, es ist eigentlich völlig egal, ob Sie einfach nur politische Glaubensbekenntnisse äußern oder ob Sie diese noch mit Knotenregeln würzen. Sie werden es nicht – –
Oh, Entschuldigung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dann kann ich das, was als dritte Kurzintervention gestartet wurde, doch noch sagen.
Herr Kollege Rohwer, es ist völlig egal, ob Sie Glaubensbekenntnisse nur politisch motivieren oder mit einer Knotenregel begründen. Am Ende steuert niemand aus der Politik, wann welches Kraftwerk vom Netz geht und wie lange die Kohle betrieben wird. Die Planwirtschaft ist auch an dieser Stelle in der Energiewirtschaft abgeschafft worden. Es gibt auch nirgendwo ein Energiepolitbüro. Das macht die Energiewirtschaft ganz allein nach ökonomischen Kriterien.
Es gibt aber eine große Gefahr. Es ist so, dass wir an dieser Stelle diese Kapazitäten aus ökonomischen Gründen verlieren. Ich hatte hierfür zwei Gründe genannt: den europäischen Emissionshandel. Ich hatte die Grenzwerte genannt, bei denen diese Kraftwerke große Probleme haben, und zwar ohne dass wir zuvor eine Strategie haben, wie wir damit umgehen.
Deshalb kann ich nur noch einmal zur Eile anhalten, auch bei dem Thema Energie- und Klimaprogramm, beim Ausbaupfad, der hier notwendig ist. Wenn Sachsen ein Energieland bleiben soll und bleiben will, dann brauchen wir an dieser Stelle eine Strategie, die aufzeigt, wie wir damit umgehen. Sie können sich nicht darauf verlassen, dass am 31.12.2038 irgendjemand die Schalter in sämtlichen sächsischen Kraftwerken umlegt. Das wird mit Sicherheit so nicht passieren. Das wird mit Sicherheit schon deshalb nicht passieren, weil es energiewirtschaftlich nicht geht. Nachdem die ersten Überkapazitäten abgebaut werden, ist keine Überkapazität mehr im Netz. Sie können immer nur in kleinen Schritten diese Blöcke aus dem Netz nehmen, weil ansonsten irgendetwas mit der Versorgungssicherheit passiert.
Diese Legende, die hier aufgebaut wird, wir hätten 20 Jahre Zeit und könnten erst einmal 20 Jahre so weitermachen, können Sie den jungen Leuten auf Ihrer Klimakonferenz nicht erzählen. Sie können dort einem 16-Jährigen nicht sagen: Sieh bitte ein, dass wir, bis du 36 Jahre bist, im Wesentlichen erst einmal so weitermachen wie bisher. Das wird nicht funktionieren, und das funktioniert auch in der realen Energiewelt nicht. Deshalb sollten wir solche Optionen überhaupt nicht in den Raum stellen.
Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass eine Novellierung des Sächsischen Vergaberechts erfolgen muss, ist doch eigentlich unstrittig.
Sie ist schon deshalb erforderlich, weil sich der Rahmen auf europäischer und Bundesebene seit der letzten sächsischen Novelle maßgeblich geändert hat. Deshalb hatte ich gehofft, dass wir uns hier im Zuge der Diskussion über das Vergaberecht auf die Ebene einer inhaltlichen Debatte begeben würden. Die Fragen, die man diskutieren kann und muss, sind: Wie weit geht man bei der Novellierung und Modernisierung in den einzelnen Punkten? Stattdessen geht es wieder einmal darum, ob man sich überhaupt bewegt. Das ist leider mittlerweile auch in den anderen Bereichen für den Freistaat Sachsen typisch: Man lässt sich unter hinhaltendem Widerstand fünf vor zwölf oder auch fünf nach zwölf zu den allernötigsten Trippelschrittchen zwingen oder gar aus der politischen Sitzblockade schleppen, anstatt selbstbestimmt entschlossene Modernisierungsschritte zu gehen, die dann auch eine Weile tragen.
Jede und jeder von uns macht es doch im persönlichen Bereich längst genauso. Wir schauen bei der Beauftragung von Dienstleistungen und beim Kauf von Gütern durchaus auf eine ganze Reihe von Kriterien neben dem Preis: die Zuverlässigkeit des Anbieters, die Langlebigkeit, Lebenszykluskosten, Entsorgungsaufwand, Energieverbrauch; an all das denkt jeder von uns selbstverständlich bei größeren Anschaffungen. Genau dieses Mitdenken hat auch dazu geführt, dass die Anbieter auf diese Kriterien achten, dass sie ihre Produkte und Dienstleistungen dahin gehend weiterentwickeln, dass sie Interesse an Gütesiegelsystemen haben, um ihre Vorteile klar und transparent darstellen zu können. Die Lebenswirklichkeit zeigt also: Es funktioniert auf diese Weise, meine Damen und Herren.
Eine evidenzbasierte Politik sollte das doch zur Kenntnis nehmen und überall mit solchen hybriden Marktmechanismen arbeiten, die eine Selbststeuerung erlauben, statt anschließend mit Ordnungsrecht Fehlentwicklungen
eindämmen zu müssen. Der Gegenentwurf heißt zwar einerseits freies Spiel der Kräfte auf Basis günstigster Angebote, andererseits aber ein Wust an Vorgaben, Regulierungen und Einschränkungen für die einzelnen
Produkte und Dienstleistungen zur Verhinderung zerstörerischer Fehlentwicklungen und Auswirkungen auf Gemeinwohlinteressen.
Fakt ist: Als Gesellschaft können wir es uns nicht weiter leisten, gegenüber einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung der Preiswahrheit weitgehend blind zu bleiben, einfach deshalb, weil es uns selbst und unsere Kinder am Ende viel zu teuer kommt. Wer zwecks Vereinfachung von Leistungsbeschreibungen und Vergabeverfahren
lieber hinterher mit ganzen Vorschriftenbergen nachsteuert, der schafft in der Summe keine Entbürokratisierung, keine Verschlankung, der verlagert den Aufwand nur an eine andere Stelle. Das gehört zur Ehrlichkeit der Diskussion auch dazu. Deshalb, meine Damen und Herren, ist auch der Einwand des höheren Aufwandes und der höheren Kosten im Bereich der öffentlichen Verwaltung kein wirklich gewichtiges Argument gegen die vorgeschlagene Novellierung des Vergaberechts, weil es in der volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung, die die Folgekosten heutigen Handelns mitberücksichtigt, keine Mehrbelastung bedeutet – im Gegenteil. Das ist es, was verantwortungsvolle Politik im Auge haben muss.
Wir werden dem Gesetzentwurf der LINKEN zustimmen, auch wenn wir einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt haben. Er bringt das sächsische Vergaberecht mit etwas anderen Schwerpunkten voran als unser Entwurf, aber er bringt es voran. Das ist es, was hier zählt.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie wir alle wissen, hat beim Vergaberecht nicht nur der Prüfauftrag des Koalitionsvertrages zur Erhöhung der Tarifbindung sowie zu sozialen und ökologischen Kriterien zu nichts geführt, Herr Kollege Pohle, sondern die nicht als Prüfauftrag, sondern fest vereinbarte Überarbeitung und Anpassung einer europarechtlichen Vorgabe ist gleich komplett ausgefallen.
Weil wir eine konstruktive Oppositionsarbeit machen, beschränken wir uns nicht aufs Kontrollieren und Kritisieren, sondern schlagen dort Lösungen vor, wo diese Koalition und die Staatsregierung nicht zu Potte kommen.
Es ist offensichtlich durchaus eine Grundsatzdebatte zwischen den Koalitionspartnern und auch hier in diesem Haus, die sich um das Vergaberecht abspielt. Dabei geht es wirklich ums Prinzip, wie etwa in der Position des Sächsischen Städte- und Gemeindetages deutlich wird, die da lautet – ich zitiere –: „Die Aufnahme von vergabefremden Kriterien in die Regelungen des Sächsischen Vergabegesetzes ist abzulehnen.“ Ich zitiere weiter: „Die dem Wettbewerb sowie einer sparsamen Haushaltsführung unterliegenden vergaberechtlichen Bestimmungen werden ansonsten umfunktioniert, um bestimmte politische Ziele durchzusetzen. Das Vergaberecht eignet sich jedoch nicht, gesellschaftspolitische Entwicklungen zu