Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 56. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags.

Meine Damen und Herren! Am vergangenen Freitag starb Helmut Kohl. Wir trauern um einen deutschen Patrioten und großen Europäer, der, wie ich von ihm selber weiß, Sachsen und uns Sachsen sehr verbunden war. Ihn prägte eine tiefe Liebe zu Deutschland, die er in eine tiefe europäische Verbundenheit zu übersetzen wusste.

Helmut Kohl ist der Kanzler der Einheit – der Einheit der Deutschen und der Einheit der Europäer. Unvergessen bleibt mir seine historische Rede vor der Ruine der Dresdner Frauenkirche im Dezember 1989, als er seinen Willen zur Einheit unserer Nation bekräftigte und ihn unmittelbar mit dem Ruf nach einem geeinten Europa verknüpfte. Was in Vergessenheit zu geraten drohte, das war damals insbesondere wegen Helmut Kohl urplötzlich unsere Zukunft und ist heute unser ganz aktueller Auftrag.

Helmut Kohl hat immer betont, dass das Haus Deutschland unter einem europäischen Dach gebaut werden müsse. Ihm war der vertrauensvolle Ausgleich mit den Nachbarn in Ost und West eine zentrale Lehre aus dem blutgetränkten 20. Jahrhundert.

Ohne Bundeskanzler Kohl, ohne dessen Weitsicht, Instinkt und Geschick wäre insbesondere die Erweiterung der Europäischen Union nach Mittel- und Osteuropa so

nicht möglich geworden. Er war davon überzeugt, dass der Osten und der Westen Europas durch die deutsche Einheit zueinander finden. Es ist sein gewaltiges Lebenswerk, es ist sein Vermächtnis.

Verehrte Abgeordnete, ich bitte Sie sowie unsere Gäste auf der Besuchertribüne, sich von den Plätzen zu erheben und in einer Minute des Schweigens dieses deutschen Staatsmannes zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich.)

Vielen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Lauterbach, Herr Gemkow, Frau Klotzbücher, Frau Kersten, Frau Nagel, Frau Dr. Petry und Herr Prof. Schneider.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 2 bis 8 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 105 Minuten, DIE LINKE 70 Minuten, SPD 56 Minuten, AfD 49 Minuten, GRÜNE 35 Minuten und Staatsregierung 70 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf diese Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Ich sehe keine Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. – Die Tagesordnung der 56. Sitzung ist damit bestätigt.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

Erste Aktuelle Debatte: 15 Jahre Sanierung sächsischer Wismut-Standorte:

erfolgreiche Arbeit auch in Zukunft fortsetzen

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Zweite Aktuelle Debatte: Von allen guten Geistern verlassen –

Innenminister auf dem Weg in eine andere Republik?

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Die Fraktion DIE LINKE hat von ihrem Recht Gebrauch gemacht, das Thema ihrer Aktuellen Debatte entsprechend § 55 Abs. 1 Satz 4 unserer Geschäftsordnung zu ändern.

Mir liegen die rechtzeitig eingegangenen Anträge auf Aktuelle Debatten vor. Die Verteilung der Gesamtredezeit

der Fraktionen und der Staatsregierung hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 25 Minuten, SPD 18 Minuten, AfD 14 Minuten, GRÜNE 10 Minuten; Staatsregierung zwei Mal 10 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen jetzt zu

Erste Aktuelle Debatte

15 Jahre Sanierung sächsischer Wismut-Standorte:

erfolgreiche Arbeit auch in Zukunft fortsetzen

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort. Die weitere Reihenfolge ist Ihnen geläufig: DIE LINKE, AfD, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht.

Für die einbringende Fraktion ergreift Herr Kollege Alexander Krauß hier vorn am Rednerpult das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 15 Jahre Sanierung an den sächsischen Wismut-Altstandorten – das sind 15 gute Jahre für die Menschen hier in Sachsen, insbesondere im Erzgebirge. Aber es sind eben auch 15 gute Jahre für die Natur. Die Sanierung ist eine Wiedergutmachung an Mensch und Natur.

Ich möchte ganz kurz auf die Geschichte eingehen, um den Rahmen dessen zu beleuchten, was wir beim Thema Wismut wissen müssen. Die Wismut ist ein Bergbauunternehmen, das 1946 mit dem Uranerzbergbau begonnen hat. Am Anfang standen die wilden Wismut-Jahre, als man auf Mensch und Natur keine Rücksicht genommen und zum Beispiel die Altstadt von Johanngeorgenstadt abgerissen hat. Die Wismut war damals der viertgrößte Uranproduzent der Welt.

Der Bund hat sich nach der Wiedervereinigung der Sanierungsaufgabe gestellt, und zwar für alle Standorte, die ab 1962 entstanden waren, weil es seitdem eine Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft war. Die Wismut gab es aber auch schon vor 1962; darauf werde ich noch eingehen.

Für die Sanierung der Standorte, die ab 1962 entstanden waren, hat der Bund 6,7 Milliarden Euro in die Hand genommen. Dort sind wirklich blühende Landschaften entstanden, wenn man zum Beispiel an Bad Schlema denkt. Also eine große Leistung, was diese WismutSanierung betrifft!

Wir haben aber, wie gesagt, auch Standorte, die vor 1962 aufgelassen worden waren. Für diese hätte der Bund nicht mehr in der Verantwortung gestanden, sodass wir, das Land, als Einzige übrig geblieben wären, die in der Verantwortung gestanden hätten. Es ist schön – deswegen dieses Jubiläum –, dass sich Bund und Länder dazu entschlossen haben, gemeinsam für die Sanierung dieser Standorte aufzukommen. Es begann mit einem Abkommen mit einem Volumen von 78 Millionen Euro. Dessen Fortschreibung – dieses Abkommen läuft noch – sieht schon 138 Millionen Euro vor, hälftig finanziert von Bund und Land.

Wir haben uns auch im Landtag mit der Thematik befasst, zum Beispiel im Haushaltsausschuss. Ich glaube, hier sagen zu können: Herzlichen Dank an alle Kollegen, die

sich hier eingebracht haben! Unser Dank gilt aber auch der Staatsregierung, dass sie dieses Thema immer als wichtig erachtet hat.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Worum geht es? Es geht um die Sanierung von alten Bergbauhalden bergbaulich genutzter Flächen, wo zum Beispiel Schachtgebäude oder Uranverladestationen

standen, tagesnahe Grubenbaue, Gewässer usw. Ich will ein Beispiel nennen, wo etwas von heute auf morgen passiert ist. Vor vier Jahren gab es in Annaberg-Buchholz einen Tagebruch. Zuerst war da ein Loch mit einem Durchmesser von fünf Metern. Es hat sich dann erweitert auf 17 mal 15 Meter mit einer Tiefe von 14 Metern. Also man kann sagen, da passt ein großes fünfstöckiges Haus hinein. Das Loch hat sich auf einmal auf einem Weg aufgetan. Die Leute kamen nicht mehr zu ihrer Wohnung, in ihr Wohngebiet, und auch die Gärtnerei konnte nicht mehr bedient werden. Die Altlastenstandorte sind vor allem im Erzgebirge, aber eben auch darüber hinaus, zum Beispiel die Collmberghalde in Dresden-Coschütz, Objekte in Zwickau, Freital, Bad Brambach, insgesamt über 1 000, also eine ganz große Breite auch an Standorten.

Lassen Sie mich aber noch einen Satz dazu sagen, wie es weitergeht. Wir hatten in der vergangenen Woche eine Festveranstaltung. Ein herzliches Dankeschön an Staatsminister Dulig und Staatsminister Unland, die nicht nur da waren, sondern eben auch die Position des Freistaates Sachsen vertreten und gesagt haben, wir wollen dort weiter vorankommen. Auch das Bundeswirtschaftsministerium war vertreten und hat sich dafür ausgesprochen, dass man Gespräche beginnen möchte, um das Abkommen fortzuschreiben. Ich glaube, das war eine sehr wichtige Etappe, die dort in Bad Schlema genommen wurde.

Jetzt muss es aber weitergehen. Der Sanierungsbeirat muss eine Prioritätenliste erstellen, denn wir wissen, dass auch die Kostenschätzungen angepasst werden müssen. Die Kostenschätzungen für das laufende Abkommen sind vom Jahr 2006. Seitdem haben sich die Kosten entwickelt und – ich habe das Beispiel von Annaberg gebracht – es kommen neue Projekte hinzu, denen man sich stellen muss. Das Zeichen, dass es weitergehen soll, ist dankbar angenommen worden. Es ist gut für Sachsen, wenn sich der Bund weiter beteiligen möchte und wir dann jemanden haben, der uns zur Seite steht.

Ich mahne aber auch zur Demut. Wir haben mit dem Bund noch nicht über das Geld gesprochen. Wenn man anfängt, über Geld zu sprechen, wird es meistens ein bisschen interessanter, als wenn man nur eine grundsätzli

che Absichtserklärung abgeben muss. Vor uns liegt noch ein hartes Stück Arbeit. Ich bin aber sicher, dass wir das bewerkstelligen werden. Ich bin dem Wirtschaftsministerium, dem Finanzministerium und auch dem Bund dankbar, dass sie sich dieser Aufgabe stellen wollen. Gehen wir diese Aufgabe gemeinsam an!

Glück auf!

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Unser Kollege Krauß sprach für die einbringende Fraktion der CDU. Jetzt spricht für die einbringende SPD-Fraktion Frau Kollegin Simone Lang.

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Leitmotiv zur Debatte ist, Schäden der Vergangenheit zu beseitigen. Der aktuelle Anlass, wie mein Vorredner schon sagte, ist das 25jährige Bestehen der Wismut GmbH. Im Juni 2017, also diesen Monat, war das 15-jährige Jubiläum der Sanierung der Wismut-Altstandorte in Schlema gewürdigt worden.

Im Gespräch war klar geworden, dass es Zeit für uns ist, vorauszuschauen und festzulegen, was künftig nötig ist, um Schäden zu beseitigen. Die Schäden der Vergangenheit sind enorm. Allein die Sanierung der seit 1990 zu berücksichtigenden offiziellen Standorte, das heißt die, die im Einigungsvertrag nicht vergessen wurden, verschlang bisher 6,2 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte der Standorte liegt in Sachsen. Das Problem ist, dass viele der Altstandorte noch nicht bekannt sind. Das Altlastenkataster weist zurzeit über 1 000 Objekte aus. Die Wismut vermeldet aktuell mehr als 100 Halden, Gebäude, Gewässer als Sanierungsfläche und mehr als 1 400 Tagesöffnungen, Schadstellen und tagesnahe Grubenbaue, die noch zu sanieren sind. Von 2003 bis 2016 wurden 318 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 136 Millionen Euro saniert. Das zeigt, welche Dimensionen noch vor uns stehen.

Der Bund ist in der Pflicht. Seit 1990 sucht Sachsen gemeinsame Lösungen mit dem Bund. Die SPD war dabei immer Treiber für eine umweltgerechte und verantwortungsvolle Aufteilung der Kosten. Im Archiv habe ich eine Rede von Thomas Jurk, unserem ehemaligen Wirtschaftsminister, und einen Antrag mit dem Titel „Sanierung von Wismut-Altstandorten“ aus dem Jahr 2000 gefunden. Die Begründung von damals ist heute noch aktuell: „Die Sanierung der großflächig kontaminierten Wismut-Altlasten in Sachsen und Thüringen stellt eine der größten ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen im wiedervereinigten Deutschland dar.“