Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Raether-Lordieck, Herr Prof. Wöller und Herr Lehmann.
Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 4 bis 8 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 80 Minuten, DIE LINKE 56 Minuten, SPD 42 Minuten, AfD 38 Minuten, GRÜNE 30 Minuten, Staatsregierung 54 Minuten. Die
Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.
Ich weise Sie nochmals darauf hin, dass wir heute Abend nach Beendigung der Tagesordnung, aber noch innerhalb dieser Sitzung unseren stellvertretenden Verfassungsrichter – von vielen von uns gewählt – vereidigen werden. Das einfach als Hinweis. Erst dann kann diese Landtagssitzung beendet werden.
Ich sehe keine weiteren Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. – Die Tagesordnung der 17. Sitzung ist damit bestätigt.
Ich übergebe das Wort an unseren Ministerpräsidenten, Herrn Stanislaw Tillich. Bitte, Herr Ministerpräsident.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wenn wir morgen in die parlamentarische Sommerpause gehen, liegt das erste Jahr der 6. Legislaturperiode hinter uns. In diesem Jahr ist in Sachsen sehr viel passiert. Deshalb ist es mir wichtig, hier und heute noch einmal das Wort zu ergreifen.
Ich habe vor zwei Wochen die Unterkunft für Asylsuchende in Freital besucht und mit den Flüchtlingen und den Verantwortlichen vor Ort gesprochen.
Am Sonntag darauf war ich in Meißen, wo es einen feigen Brandanschlag auf eine geplante Unterkunft für Asylbewerber gegeben hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mich ganz persönlich machen diese Ereignisse zutiefst betroffen. Sie verletzen mein christliches Menschenbild und die gesellschaftlichen Werte, die mir, aber, wie ich glaube, auch Ihnen allen wichtig sind. Denn es geht um Menschen, die – wenn auch vielleicht mit einer anderen Religion, einer anderen Hautfarbe oder einer anderen Kultur – Asylsuchende sind. Asylsuchende sind Menschen, die bei uns Schutz und ein besseres Leben suchen.
Mich machen die Bilder von überfüllten Booten und den Flüchtlingslagern im Nahen Osten und in Afrika zutiefst traurig. Wen, frage ich, können diese Bilder kaltlassen? Es geht um Menschen, die vor Krieg und Katastrophen auf der Flucht sind, Menschen, die für ein sicheres Leben viel
aufs Spiel gesetzt haben – manchmal sogar ihr eigenes Leben. Diese Menschen müssen bei uns gut aufgenommen werden. Sie haben Anspruch auf ein faires Asylverfahren und eine gute Unterbringung. Dieses Bekenntnis gilt für alle: das Land, alle Landkreise, alle Städte und Gemeinden. Es gilt für den gesamten Freistaat Sachsen.
Hass oder Gewalt gegen diese und gegen alle anderen Menschen verurteilen sicherlich wir alle auf das Schärfste; ich für meinen Teil zumindest tue es. Ich erwarte, dass alle im Freistaat Sachsen dem entschieden entgegentreten; denn hier hört jegliche Toleranz auf.
Ich sage es klar und deutlich: Rassismus ist eine Schande! Rassismus ist der Nährboden für Verbrechen. Diesen Nährboden darf es nicht geben. Wir müssen uns immer wieder bemühen, rassistische und menschenverachtende Haltungen aus den Köpfen zu bekommen.
Dabei darf niemand wegsehen, wenn eine Minderheit in unserem Land gegen alle Werte von Moral und Anstand verstößt. Denn es ist unsere Pflicht, die Pflicht der großen Mehrheit, sich dagegen zu stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die anhaltenden Flüchtlingsströme sind für Europa, Deutschland und
Sachsen eine enorme Herausforderung. Es ist eine große Aufgabe, bei der wir immer wieder vor neue Situationen gestellt werden. Sicherlich haben auch wir Fehler gemacht. Die Kommunikation auf und zwischen den verschiedensten Ebenen der Verwaltung ist nicht immer gut gelungen.
Tatsache ist und bleibt aber: Niemand weiß, wie viele Menschen wo in der Welt gerade zu diesem Zeitpunkt aufbrechen, um in Deutschland Schutz und ein besseres Leben zu finden. Deshalb stehen wir vor einer Aufgabe, die uns nicht nur heute, sondern auch in den kommenden Jahren fordern wird. Denn es wird lange, sehr lange dauern, bis Kriege und Krisen beendet und vor allem bewältigt sind. Es werden also noch viele Flüchtlinge zu uns kommen. Europa und Deutschland müssen beweisen, dass wir damit umgehen können. Hier beweist sich, ob wir unsere westlichen Werte leben, wie stark Humanismus und unsere Zivilisation sind. Aufklärung und Freiheit, Menschlichkeit und Toleranz sind mehr denn je gefragt.
(Beifall bei der CDU, der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der AfD – Beifall bei der Staatsregierung)
Aber ich wünsche mir auch, dass wir in unserem Land über das Thema Asyl anständig diskutieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir viele Probleme lösen können, wenn wir Fragen beantworten, Unwissenheit begegnen oder Missverständnisse beseitigen. Wir müssen uns bemühen, die Herzen der Menschen zu erreichen. Das geht nur im Gespräch, das geht nur im Dialog.
Sachsen war und ist ein weltoffenes Land. Diese Weltoffenheit hat einen Rahmen: Wer in Sachsen leben und arbeiten möchte, muss seine Herkunft und seine Überzeugung nicht verleugnen oder verstecken. Im Gegenteil, er soll unsere Gesellschaft damit bereichern. Das heißt aber auch, dass er unsere Werte teilt, dass er unsere kulturellen Wurzeln, die gewachsenen Strukturen und das gesellschaftliche Miteinander akzeptiert und sich an die Spielregeln hält.
Dazu gehört auch und vor allem, dass er unsere Sprache lernt. Ich bin überzeugt, wenn uns diese Übereinkunft gelingt, können wir die Geschichte Sachsens als weltoffenes Land weiter fortschreiben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erwarte auch, dass sich der Bund deutlich stärker finanziell engagiert; denn es handelt sich nicht nur um eine Aufgabe für die sächsischen Städte und Gemeinden oder für den Freistaat Sachsen, sondern es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe.
Die Staatsregierung ihrerseits verbessert die Bedingungen für die Erstaufnahme in Sachsen. Am Dienstag hat das
Kabinett dazu umfangreiche Beschlüsse gefasst, die Ihnen der Innenminister gestern erläutert hat. Die Kommunen bitte ich, sich beherzt der Aufnahme von Asylbewerbern anzunehmen; denn wir haben viele unzählige Beispiele in Sachsen, wo dies gut gelingt. Lernen wir auch hier voneinander.
Ich möchte an dieser Stelle denjenigen danken, die sich bei uns um die Asylsuchenden kümmern. Das gilt insbesondere den Mitarbeitern in den Verwaltungen und in der Landesdirektion, den Landkreisen und Gemeinden, aber vor allem auch den vielen ehrenamtlichen Helfern in den Städten und Gemeinden vor Ort.
Ich finde es bewundernswert, wie sie nach allen Kräften daran arbeiten, eine gute Aufnahme von Menschen bei uns zu schaffen. Wir tun das Mögliche, dass diese Bedingungen besser werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Asylpolitik ist keine Willkür. Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. Unser Grundgesetz fasst damit in Worte, was sich aus unserer christlichen abendländischen Kultur und aus den schrecklichen Erfahrungen der NS-Zeit herleiten lässt. Das Grundrecht auf Asyl ist ein wichtiges Bekenntnis von uns Deutschen zu Schutz und Hilfe für Menschen, die bedroht sind. Asyl ist ein Beitrag Deutschlands in einer Welt, die nach wie vor noch Kriege und Krisen kennt. Wir fragen dabei nicht zuerst, woher der Mensch kommt, was er mitbringt. Zuerst bieten wir Hilfe an. Das ist christlich. Das ist humanistisch.
Ich kann verstehen, dass es Menschen gibt, die davon träumen, in Europa ein Leben mit mehr Wohlstand zu führen, ohne davor vor Kriegen geflohen zu sein. Auch sie haben alles zurückgelassen. Ich sage ganz klar: Auch sie haben ein Recht darauf, ein faires Asylverfahren zu bekommen und sich bei uns sicher zu fühlen. Auch sie dürfen nicht Hass und Gewalt spüren.
Meine Damen und Herren! Wir können hier in Europa und in Deutschland aber nicht alle Probleme dieser Welt lösen. Wer das Grundrecht auf Asyl missbraucht, verletzt Recht und Gesetz. Er erschwert auch, dass denen geholfen wird, die wegen Krieg und Verfolgung unsere Hilfe brauchen. Wer in der Debatte den Missbrauch leugnet oder sich vor Problemen mit Asylbewerbern aus einzelnen Ländern wegduckt, zerstört Vertrauen in unseren Staat und in seine Verfahren.
Unsere Aufgabe ist es, dass die Asylverfahren so schnell wie möglich entschieden werden. Daran anschließen muss sich eine zügige Integration der Menschen in unsere Gesellschaft. Wir müssen dafür Angebote machen, damit sie unsere Sprache lernen und hier arbeiten können. Auf
der anderen Seite muss auf die Ablehnung des Asylgrundes konsequent eine zügige Ausreise erfolgen. Das heißt auch, unsere Rechtsordnung ist nicht disponibel. Aber auch die, die wir abschieben, sollen zu Hause sagen können: Ich bin nach einer schwierigen Flucht in Sachsen gut behandelt worden; ich durfte zwar nicht bleiben, aber die Deutschen sind anständig mit mir umgegangen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung hat in den vergangenen Monaten zu vier gesonderten Dialogforen eingeladen. Übrigens noch einmal für diejenigen, die es bislang nicht gewusst haben: Es waren keine Auserwählten. Sondern es gab mehr Bewerber als Plätze. Deshalb gab es ein notariell beglaubigtes Auslosverfahren. Es waren Bürger aller gesellschaftliche Gruppen, auch Asylsuchende unter denjenigen, die an den Dialogforen, selbst am ersten Dialogforum, teilnahmen. Das wollte ich der Vollständigkeit halber hier noch einmal erwähnen.
Mitglieder der Staatsregierung und ich haben vor allem eines gemacht: zugehört. Wir konnten erklären, wir konnten oft auch überzeugen. Ich danke allen, die als Mitglieder ihrer Fraktionen diese Dialogforen durch ihre Teilnahme aktiv begleitet haben. Wir sind als Politiker eigentlich ständig im Dialog. Aber ich weiß auch, dieser Dialog muss ordentlich geführt werden. Wer menschenfeindlich, rassistisch oder extremistisch ist, mit dem spreche ich genauso wie Sie auch nicht.