Protokoll der Sitzung vom 09.07.2015

Mitglieder der Staatsregierung und ich haben vor allem eines gemacht: zugehört. Wir konnten erklären, wir konnten oft auch überzeugen. Ich danke allen, die als Mitglieder ihrer Fraktionen diese Dialogforen durch ihre Teilnahme aktiv begleitet haben. Wir sind als Politiker eigentlich ständig im Dialog. Aber ich weiß auch, dieser Dialog muss ordentlich geführt werden. Wer menschenfeindlich, rassistisch oder extremistisch ist, mit dem spreche ich genauso wie Sie auch nicht.

(Beifall bei allen Fraktionen und der Staatsregierung)

Im Ergebnis der Dialogforen will ich, dass wir uns über neue Formen demokratischer Prozesse Gedanken machen. Ich werde daher mit Partnern aus Österreich und der Schweiz nächstes Jahr zu einer Sächsischen Demokratiekonferenz einladen. Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, weiter im Dialog zu bleiben. Wir müssen immer wieder vor Ort Entscheidungen aus Brüssel, aus Berlin und Dresden einordnen und erklären. Wir werden dabei nicht jeden überzeugen, aber es versucht zu haben – auch das macht Demokratie aus.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft meistern, wenn wir stetig an einer wichtigen Voraussetzung arbeiten: Unser Freistaat muss ein starkes, ein erfolgreiches Land bleiben, das allen Bürgern Sachsens und denen, die zu uns kommen, ein gutes Leben ermöglicht. Vor wenigen Wochen haben wir dazu den Haushalt des Freistaates Sachsen verabschiedet. Er ist, wie ich damals sagte, ein Zukunftswerk. Viele Bereiche werden wir damit stärken. Wir setzen unsere Vorhaben auf der Basis des Koalitionsvertrages um.

Wir stellen im laufenden Schuljahr über 1 000 Lehrer unbefristet ein und werden insgesamt in den nächsten Jahren 6 100 Lehrerinnen und Lehrer neu einstellen. Unser Ziel muss sein, dass von diesen Einstellungen alle Regionen des Landes gleichermaßen profitieren.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den LINKEN und der Staatsregierung)

Ich möchte an dieser Stelle den Lehrerinnen und Lehrern danken, die sich auch um die Integration von Flüchtlingskindern kümmern. Besonders die Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache sind wichtige Paten für diese Kinder und helfen beim Start in ein neues Leben in Sachsen.

(Beifall bei allen Fraktionen und der Staatsregierung)

Ich möchte aber auch eine zweite Berufsgruppe namentlich erwähnen: unsere sächsischen Polizistinnen und Polizisten. Sie sind in den vergangenen Monaten immer wieder besonders gefordert gewesen. Wir haben zur Stärkung der Polizei den Einstellungskorridor erweitert. Die zusätzlichen 100 Kräfte werden wir in Schneeberg an einem neuen Standort ausbilden. – Ich warte hier auf den Beifall von Kollegen Colditz.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die Kommission zur Zukunft der sächsischen Polizei hat auch ihre Arbeit aufgenommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Staatsregierung steht die Sicherheit aller Menschen in Sachsen an erster Stelle. Sicherheit schafft Freiheit. Sicherheit schafft Lebensqualität. Deshalb muss die Polizei für die Bürgerinnen und Bürger da sein, wo sie auch gebraucht wird.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die sächsischen Polizistinnen und Polizisten leisten einen sehr schweren Dienst. Einsätze wie in Leipzig, als randalierende Chaoten durch die Stadt zogen, Angriffe auf Polizeidienststellen, das Attackieren von Beamten bei Demonstrationen und Fußballspielen und Gewaltausbrüche gegenüber der Polizei sind nicht hinzunehmen.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der AfD)

Das ist Gewalt gegen Menschen in Uniform, die Lebenspartner, Mutter, Sohn oder Freundin sind. Und es ist Gewalt gegen unseren Staat und eine Missachtung unserer rechtsstaatlichen Ordnung. Diese Täter werden mit der Null-Toleranz unseres Staates nicht nur rechnen müssen, sondern sie werden sie auch spüren.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)

Unsere Polizistinnen und Polizisten leisten einen unersetzlichen Beitrag zur Demokratie. Sie sichern genau die Rechte, die sich die Menschen 1989 in Sachsen erkämpft

haben. Das Recht auf freie Rede, auch bei Demonstrationen, ist ein hohes Gut.

Wir haben alle erfahren dürfen: Meinungsfreiheit kann auch sehr anstrengend sein. Wir müssen auch aushalten können, was uns nicht gefällt. Es gibt nur die eine Meinungsfreiheit; es gibt nicht eine gute und eine schlechte, sondern nur eine Meinungsfreiheit, die nicht unterteilt werden kann. Gleichwohl gilt: Es gibt Grenzen des erträglichen und des politischen Anstandes, und es gibt Grenzen durch Gesetz – auch für die Meinungsfreiheit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind in Sachsen von vielen Entwicklungen beeinflusst, auf die wir auch jetzt reagieren. Dazu möchte ich im Folgenden noch weitere Erläuterungen geben.

In der vergangenen Woche hat sich die Koalition im Bund auf wesentliche Schritte in der Energiepolitik verständigt. Mit vielen Kraftanstrengungen ist es uns gelungen, den Plan einer Strafabgabe auf die Braunkohle zu verhindern. Hierfür hat es eine ausgezeichnete Arbeitsteilung zwischen der Staatskanzlei und dem Wirtschaftsministerium auf der einen Seite, den Bergbauunternehmen, den anderen Kohleländern und der IG BCE auf der anderen Seite gegeben. Das vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Papier diente nicht dem Klima, sondern es trug die Überschrift: Die Braunkohle muss weg. Im Ziel, das Klima zu schützen, sind wir uns alle einig, aber ich werde für dieses Ziel keine Arbeitsplätze, keine Lebensgrundlage von Menschen in der Lausitz oder im Leipziger Revier opfern.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der Staatsregierung)

Wir brauchen Planungssicherheit in der Energiepolitik. Darunter verstehe ich, dass wir noch für einige Jahrzehnte eine Perspektive brauchen, auf die wir uns auch verlassen können. Mit den Menschen und den Unternehmen wie Vattenfall und MIBRAG können wir gemeinsam die nächsten Jahre gestalten – so wie sie es zu Recht geplant haben. Erst mit dieser Verlässlichkeit können wir die weiteren Aufgaben lösen: Wie entwickeln wir die Lausitz oder das Leipziger Revier weiter? Welche Zukunftsperspektiven hat die Region neben und irgendwann nach der Braunkohle?

Meine Damen und Herren, erinnern wir uns: Die NettoCO2-Reduktion der deutschen Energiewirtschaft zwischen 1990 und 2013 wurde einzig und allein im Osten erbracht. Circa 55 der 60 Millionen Tonnen Einsparung wurden zulasten der hiesigen Beschäftigten bei Vattenfall und MIBRAG bzw. ihren Rechtsvorgängern erbracht. Zu welchem Preis? Nicht zehn, nicht 20, sondern nahezu 100 000 Menschen haben dafür ihren Arbeitsplatz verloren. Es ist fast zynisch zu sagen: Ohne diesen Beitrag hätte Deutschland die zugesagten Ziele für Kyoto nicht erreicht – zum Preis von fast 100 000 Menschen und ihren Arbeitsplätzen im Osten Deutschlands.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Zahlen sollen Ihnen zeigen: Die Reviere in Sachsen leisten ihren

Beitrag zum Klimaschutz. Es gibt auch einen sich über Jahrzehnte erstreckenden Strukturwandel, und wir haben dazu bereits auch einen bitteren Beitrag geleistet. Die Beschlüsse der Koalition im Bund werden wir uns ganz genau ansehen. Wir sind davon überzeugt, dass die Braunkohle ein wichtiger Partner der Energiewende ist und das auch bleibt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ab heute Abend werden wir in Berlin weiter über die föderalen Finanzbeziehungen verhandeln. Morgen treffen wir uns als Ministerpräsidenten. Ich möchte keine Prognose abgeben über das Ergebnis. Aber ich sage Ihnen, was die sächsischen Ziele sind – nicht der sächsischen, sondern die der ostdeutschen Länder in der Gesamtheit:

Erstens: Wir wollen uns auch nach 2019 gut entwickeln können. Das heißt, wir brauchen planbare und zuverlässige Mittel, die auch unsere Schwäche bei der Wirtschafts- und Steuerkraft ausgleichen.

Zweitens: Wir wollen auch in diesem Bereich die deutsche Einheit weiter vollenden und nicht mehr eine Sonderzone sein bzw. als diese gelten.

Drittens: Wir wollen, dass alle 16 Bundesländer einem Ergebnis zustimmen können. Das heißt, dass keines dabei überfahren wird, sondern dass alle damit leben können.

Ich bin überzeugt, dass sich der derzeitige Länderfinanzausgleich bewährt hat. Er muss aus unserer Sicht nur so weiterentwickelt werden, dass er den Bedürfnissen aller Länder – ob in Ost, in West, in Nord oder in Süd – bis weit über das Jahr 2030 hinaus entspricht. In diesen Zielen sind wir uns mit den Kollegen – ob in SachsenAnhalt, in Brandenburg, in Thüringen, in MecklenburgVorpommern oder auch in Berlin – einig.

Wir sind uns über die Bedeutung von geordneten Staatsfinanzen in diesem Haus, meine sehr verehrten Damen und Herren, immer einig gewesen. An unserer Seite wissen wir die Städte und Gemeinden, aber auch die Landkreise im Freistaat Sachsen.

Lassen Sie uns jetzt bitte gemeinsam beginnen, Brücken in die Zukunft zu schlagen. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir die zusätzlichen Zuweisungen des Bundes über rund 156 Millionen Euro für den Freistaat Sachsen effektiv einsetzen und nicht pro Kopf oder Einwohner in den Landkreisen und Gemeinden verteilen. Ich stelle mir vielmehr eine hohe Planungssicherheit und eine hohe Investitionsquote für die sächsischen Kommunen vor, nicht nur für die Periode eines Doppelhaushaltes.

Im Namen der Sächsischen Staatsregierung, aber ich glaube auch in Ihrem Namen, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, möchte ich an dieser Stelle den gewählten Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern herzlich zu ihrer erfolgreichen Wahl gratulieren.

(Beifall bei allen Fraktionen und der Staatsregierung)

Kommunale Verantwortung zu übernehmen ist ein wichtiger Dienst an unserem Land. Ohne starke Kommunen gibt es auch keinen starken Freistaat. Deshalb verspreche ich für die Staatsregierung, dass wir die gute Zusammenarbeit mit unserer kommunalen Familie fortsetzen. Land und Kommunen gemeinsam bilden als eine Einheit den Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der Staatsregierung)

Mir ist es ein Anliegen, gerade in der aktuellen Lage deutlich zu machen, was für die Zukunft wichtig ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ein gutes Leben in Sachsen ist vor allem mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung verbunden. Dafür sind fünf Ziele meiner Meinung nach wichtig, „fünf i“ für ein erfolgreiches Sachsen: ein innovatives Sachsen, ein industrielles Sachsen, ein investitionsfreundliches Sachsen, ein internationales Sachsen und ein integrationsstarkes Sachsen.

Meine Damen und Herren! Wir werden keines dieser Ziele erreichen, wenn wir uns vor der Welt verschließen. Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir uns selbst und anderen keine Grenzen setzen.

Deutschland ist in den vergangenen Jahren so erfolgreich gewesen, weil es zwei Dinge richtig gemacht hat:

Erstens: Es hat auch in der Finanz- und Wirtschaftskrise in Bildung und Forschung investiert. Der Etat im Bundeshaushalt hat sich seit 2005 in diesem Bereich verdoppelt und auch für uns in Sachsen gilt: Wir investieren kontinuierlich ein Drittel unserer Ausgaben in die Bildungsbereiche.

Zweitens: Deutschland hat sich nie deindustrialisiert. Wir sind eine Industrienation und haben eine solide Wertschöpfung. Sachsen ist auch ein Industrieland. Das ist die Basis für unsere Erfolge. Daher müssen wir hierbei konsequent an unserer unternehmens- und technologieoffenen Politik weiterarbeiten und auch künftig die richtigen Schwerpunkte setzen. Dazu brauchen wir auch Investoren aus ganz Deutschland und der ganzen Welt. Wir brauchen eine noch stärkere Vernetzung, eine internationale Vernetzung mit Europa und darüber hinaus. Wir brauchen die besten nationalen und internationalen Köpfe, die mit neuen Ideen und viel Gestaltungswillen unseren Freistaat Sachsen mit voranbringen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Es sind sich heute alle einig, dass wir nur so viel teurer sein können wie wir besser sind. Wir werden nur erfolgreicher sein, wenn wir schneller als die anderen sind. Das heißt, die Schritte von einer neuen Idee hin zu einem innovativen Produkt müssen in Sachsen unter einem besonders guten Rahmen erfolgen können. Der Schritt von der Idee zum Produkt sowie von Wissen zu Geld muss bei uns kleiner und schneller sein. Denn wir möchten eine stärkere Wertschöpfung. Wir möchten erfolgreicher als andere sein, um die Lebensqualität der Sachsen

zu erhalten und die gesellschaftliche Teilhabe aller immer mehr zu verbessern.

Sachsen hat sich zu einem Innovationsland entwickelt, weil wir von Anfang an in Wissenschaft und Forschung investiert haben. Zahlreiche außeruniversitäre Einrichtungen bilden zusammen mit den sächsischen Hochschulen ein Innovationsnetz, das in Deutschland und in Europa seinesgleichen sucht. Diese starke sächsische Forschungslandschaft ist ein Stolz unseres Freistaates Sachsen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, und vereinzelt bei der AfD – Beifall bei der Staatsregierung)

Ich frage Sie Folgendes: Warum sollte nicht in den nächsten Jahrzehnten ein Nobelpreisträger ausgezeichnet werden, der auch bei uns in Sachsen geforscht hat? Für die Unternehmen in unserem Land sind die Wissenschaftler ganz wichtige Partner.

Sachsens Wirtschaft ist durch kleine und mittlere Unternehmen geprägt. Sie können sich anders als große Konzerne keine eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen leisten. Stattdessen bieten wir mit unseren sächsischen Hochschulen und den nationalen Wissenschaftsorganisationen Innovationsdienstleistungen von der Grundlagenforschung bis zur angewandten Entwicklung für diese kleinen und mittelständischen Unternehmen. Ihre Ergebnisse setzen unsere Unternehmen schnell und flexibel zu innovativen Produkten um, zum Teil als Weltmarktführer.