Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

(Christian Piwarz, CDU: Das ist nicht richtig! – Zuruf des Abg. Frank Kupfer, CDU)

Nach unserer Auffassung reicht die Einstellung von 6 100 Lehrern keinesfalls aus, um die vorhandenen Fehlstunden wegen Krankheit, Fortbildung und Beurlaubung von Lehrern auszugleichen,

(Christian Piwarz, CDU: So ein Unsinn!)

die wöchentliche Vor- und Nachbereitungszeit der Lehrer ausreichend zu finanzieren, den Anstieg der Schülerzahlen zu bewältigen oder die Herabsetzung der Mindestschülerzahlen in kleinen Schulen zu verwirklichen.

Die Notwendigkeit von Schulsozialarbeit dürfte bereits durch diese Maßnahmen von allein sinken. Sozialarbeit behandelt nur die Symptome, ohne die Ursachen zu beseitigen. Eine zusätzliche Stunde der Klassenlehrer zur Aufarbeitung von Problemen würde kostengünstiger und schneller zu besseren Ergebnissen führen. Der Reparaturstau an sächsischen Schulgebäuden ist immer noch erheblich. Das kann jeder unschwer in seiner Region erkennen.

Ich weise nochmals darauf hin: Wir halten es für sinnvoller, das frei werdende Geld an Schulen für die unbefristete Einstellung von mehr als 6 100 Lehrern bis 2019 und die Behebung des Sanierungsstaus an Schulgebäuden zu verwenden.

Die Antragstellerin möchte ferner, dass zwei Drittel der frei werdenden Mittel als Zuschüsse für die sächsischen Hochschulen und für die Studentenwerke verwandt werden. Wir würden diese globale Aussage gern etwas konkretisieren: Die frei werdenden Mittel für Hochschulen sollten ausgegeben werden für die Sanierung von Hochschulgebäuden, für die Aufstockung von Sachmitteln, für die Aufstockung der Personalkosten, um wissenschaftliche Stellen zu entfristen und Mindesthonorare zu zahlen, und auch für ein Programm zur Vereinbarkeit von Studium und Kind.

Aus den genannten Gründen werden wir den Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Frau Dr. Muster hatte soeben das Wort für die AfD-Fraktion. Wir sind am Ende der ersten Rednerrunde angelangt. Das Wort hätte jetzt die Staatsregierung. Ich frage vorsichtshalber noch einmal, ob noch Redebedarf besteht. – Es gibt noch Redebedarf aus den Fraktionen. Wir eröffnen eine neue Runde. Möchte die einbringende Fraktion noch einmal das Wort ergreifen?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein!)

Keine Redezeit mehr, nur noch 30 Sekunden; sie ist praktisch aufgebraucht. Als Nächste könnte die CDU das Wort ergreifen. – Bitte, Herr Kollege Schreiber.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Da zumindest zu einem geringen Teil das Thema Schule angesprochen worden ist und mein Kollege Mackenroth für die CDU-Fraktion vorrangig die Ausführungen für den Hochschulbereich vorgenommen hat, möchte ich noch einmal auf einige Aspekte eingehen, die von verschiedenen Rednern angesprochen worden sind.

Frau Dr. Muster, Sie sind neu hier im Haus und deshalb sehen wir Ihnen das nach. Vielleicht können wir in einer Fachdebatte im Ausschuss etwas tief gehender darüber sprechen. Aber gerade für Vor- und Nachbereitungszeiten von Lehrern ist das System so gestrickt, dass Lehrer nicht 40 Wochenstunden vor einer Klasse stehen, sondern entsprechend weniger, nämlich zum Beispiel 28 in der Grundschule und 26 am Gymnasium – mal 45 Minuten –, sodass sie in Gänze dann auf eine entsprechende Arbeitszeit kommen.

(Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Muster, AfD)

Frau Dr. Maicher, Sie haben die Regelung zur Schulsozialarbeit angesprochen und dazu den Koalitionsvertrag zitiert. Ich will dazu Folgendes ausführen: Es gibt im gesamten Sozialgesetzbuch VIII, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, nicht ein einziges Mal das Wort „Schulsozialarbeit“. Der Begriff Schulsozialarbeit als solcher existiert überhaupt nicht. Es gibt im SGB VIII den § 11 Jugendarbeit und den § 13 Jugendsozialarbeit. Auch in diesen beiden Paragrafen existiert das Wort Schulsozialarbeit an keiner Stelle.

Genau das ist das Problem. Es gibt keine Normierung dafür, was Schulsozialarbeit eigentlich ist und was Schulsozialarbeit in den Schulen – egal, ob in der Grundschule oder in der Berufsschule – überhaupt leisten soll. Genau das ist der Grund für dieses Vorhaben, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass dies normiert wird, damit man Kriterien ansetzen kann, wofür überhaupt ein Landesprogramm aufgestellt werden soll. Wir sind uns darüber einig, und ich denke, auch die Schulen. Es gibt ja mittlerweile zahlreiche Schulen in Sachsen – vom Grundschulbereich bis zum Gymnasium –, in denen Schulsozi

alarbeit angeboten und durchgeführt wird. Sie wird aber in absolut unterschiedlichen Varianten angeboten und durchgeführt.

Wenn die Bundesebene sagt – ich zitiere Sie jetzt einmal –, Schulsozialarbeit müssen Länder und Kommunen selbst machen, dann ist das natürlich grundsätzlich richtig. Aber wenn das Land oder die Kommune etwas machen sollen oder das Land etwas für die Kommunen bezahlen soll, dann muss vorher klar sein, was vor Ort mit dem Geld passieren soll.

Das ist genau das Problem: dass wir an den zahlreichen Orten, wo Schulsozialarbeit angeboten und durchgeführt wird, unterschiedliche Ansätze haben. Wir hatten erst vor zwei Wochen im Unterausschuss des Landesjugendhilfeausschusses eine Darlegung, wie unterschiedlich die Form dessen ist, was in den Kommunen unter Schulsozialarbeit zu verstehen ist.

Solange im SGB VIII Schulsozialarbeit nicht definiert ist, dort das Wort „Schulsozialarbeit“ an keiner Stelle vorkommt und bis dato Schulsozialarbeit nur als eine Form der Jugendarbeit im SGB VIII steht, so lange ist es zuvorderst Aufgabe der Kommunen. Deswegen ist es selbstverständlich richtig, dass die Kommunen beispielsweise die Jugendpauschale nutzen, um Schulsozialarbeit zu finanzieren, oder Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket verwenden, die für Schulsozialarbeit durchgereicht worden sind; das ist alles richtig. Aber Landesmittel setzen aus unserer Sicht – deswegen ist es im Koalitionsvertrag so aufgenommen – eine Normierung voraus.

Ich selbst bin immer etwas vorsichtig, wenn es darum geht, Landesaufgaben durch Mittel zu finanzieren, die uns aus welchen Gründen auch immer von einer höheren Ebene großzügigerweise zugestanden werden. Deswegen habe ich ein riesiges Problem damit, wenn Sie sich hier hinstellen und fordern, dass mit diesen BAföG-Mitteln auf einmal die Unterrichtsversorgung finanziert werden soll. Die Unterrichtsversorgung – dazu stehen wir – ist ureigenste Aufgabe des Freistaates Sachsen, und dafür muss Geld, das der Freistaat Sachsen selbst besitzt, aufgewendet werden.

Kein Mensch kann heute sagen, wie lange dieser Kompromiss, dieser Konsens, dass der Bund das BAföG vollumfänglich selbst bezahlt, hält. Ich möchte nicht erleben, dass wir bei Steuermindereinnahmen im Bund oder Ähnlichem irgendwann in die Situation kommen, dass es wieder rückgängig gemacht werden muss, und dann stehen wir mit den ureigensten Aufgaben des Landes da und haben im schlimmsten Fall Millionenlöcher.

Deswegen kann es nur so sein, dass wir über die Verwendung der Mittel im Rahmen der Haushaltsverhandlungen beraten. Außerdem sollten wir darüber diskutieren, wie diese Mittel verwendet werden: ob sie im konsumtiven Bereich eingesetzt werden, ob sie für Aufgaben eingesetzt werden, für die bisher vorrangig die Kommunen verantwortlich sind, oder ob sie beispielsweise im investiven Bereich für Schulhausbaumaßnahmen eingesetzt werden können.

Es bleibt am Ende festzustellen, dass wir froh sind über jeden Cent, den wir als Freistaat Sachsen von wem auch immer bekommen und den wir im Zweifel vielleicht auch nicht zurückzahlen müssen. Aber es muss genau überlegt sein, wie und an welcher Stelle wir dieses Geld einsetzen. Deswegen kann dieser Antrag am heutigen Tag hier auch nicht positiv beschieden werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Das war Herr Kollege Schreiber. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Den kann ich nicht erkennen. Damit erteile ich der Staatsregierung das Wort; das Wort ergreift Frau Staatsministerin Dr. Stange.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz herzlichen Dank für die Debatte. Ich glaube, sie wurde im Vorfeld der Haushaltsberatungen, der Haushaltsbeschlussfassung im Landtag, sicherlich heute ganz vernünftig platziert.

Ich möchte vorwegschicken, bevor ich in diese Debatte einsteige: Ich habe vorhin gerade über den Ticker gelesen, dass der Bundestag heute der Grundgesetzreform zugestimmt hat, dass zukünftig die Finanzarchitektur zwischen Bund und Ländern im Hochschulbereich neu gestaltet wird. Ich denke, der Freistaat wird dem im Bundesrat sicherlich auch die Zustimmung erteilen. Damit sind wir einen weiteren Schritt gegangen, das schwierige Thema der Finanzierung Hochschule und Wissenschaftseinrichtungen zwischen Bund und Ländern in Zukunft doch etwas ausbalancierter zu finanzieren.

Nun aber zum Antrag. Die die Bundesregierung tragenden Parteien SPD und CDU/CSU hatten sich im Mai 2014 nach langjähriger Diskussion darauf verständigt, zur Umsetzung des Koalitionsvertrages auf Bundesebene einen Teil der vereinbarten insgesamt 9 Milliarden Euro für Bildung, Wissenschaft und Forschung zur Finanzierung des BAföG für Studenten und Schüler zu 100 % ab 2015 zu übernehmen. Das ist kein Geld, das wir vom Bund bekommen, sondern der Bund übernimmt Lasten, die wir ansonsten immer mit 63 % selbst zu tragen hatten.

Dadurch werden die Länder dauerhaft um 1,17 Milliarden Euro pro Jahr entlastet und zu Recht erwartet der Bund von den Ländern, dass diese frei werdenden Mittel in den Landeshaushalten zusätzlich zur Finanzierung von Bildungsausgaben für Hochschulen und Schulen eingesetzt werden. Der Bund hat sich dafür entschieden, den Ländern jeweils selbst die Prioritätensetzung beim Einsatz dieser Mittel zu überlassen – ein großzügiges Verhalten, sicher auch mit gewissen Gefahren verbunden. Der Antrag zeigt, wir sollten aufpassen, was mit dem Geld passiert.

Die Sächsische Staatsregierung hat sich selbstverständlich an die entsprechenden Zusagen der Länder an den Bund

gehalten. Es ist ja hier mehrfach von einigen Abgeordneten zitiert worden, dass wir im Koalitionsvertrag sehr deutliche Worte zu diesem Geld gefunden haben. Bisher verteilten sich die Aufwendungen in Sachsen für die Ausbildungsförderung etwa in einem Verhältnis von zwei Dritteln für das Studierenden-BAföG zu einem Drittel für das Schüler-BAföG – insgesamt immerhin 85 Millionen Euro, die dem Haushalt jetzt zusätzlich zur Verfügung stehen.

Die die Sächsische Staatsregierung tragenden Parteien SPD und CDU haben sich im Koalitionsvertrag – das ist sowohl von Kollegen Mackenroth als auch von meinem Kollegen Mann gesagt worden – klar darauf verständigt, dass diese frei werdenden BAföG-Mittel auch künftig vollumfänglich im bisherigen Verhältnis zwischen Studierenden- und Schüler-BAföG im Haushalt veranschlagt werden.

Für den Hochschulbereich bedeutet dies – lassen Sie mich das hier einflechten – natürlich eine Veranschlagung neben den durch die Vereinbarung zwischen der Sächsischen Staatsregierung und den staatlichen Hochschulen im Freistaat Sachsen über die Höhe der staatlichen Zuschüsse von 2014 bis 2016 vereinbarten Zuschüsse. Das heißt, es ist wirklich zusätzliches Geld.

Aus der Sicht der Staatsregierung bedarf es daher der Beschlussziffer 1 des Antrages von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht, da wir das im Koalitionsvertrag verankert haben, und ich denke, es ist logisch, dass wir jetzt Wert darauf legen, dass es in den Haushaltsberatungen umgesetzt wird.

Für den Haushaltsplan 2015/2016, der jetzt zügig auf den Weg gebracht werden muss, wird die Staatsregierung – ich kann das zumindest für mein Haus mit Sicherheit sagen, und ich denke, auch für Frau Kurth – in wenigen Wochen den Entwurf, den Sie von uns erwarten – nämlich auszuweisen, was mit dem zusätzlichen Geld, das frei geworden ist, passiert –, vorlegen. Eine Vorfestlegung zum heutigen Zeitpunkt – das sage ich jetzt für meine Person – würde uns auch ein Stück weit überfordern. Wir sollten uns schon die Freiheit lassen, den Haushalt im Ganzen anzusehen.

Ich kann nur wiederholen, was von den Vertretern von SPD und CDU, aber auch von anderen gesagt wurde: Alle drei Punkte sind im Koalitionsvertrag verankert. Wir haben uns zur Schulsozialarbeit und zur zusätzlichen Finanzierung der Hochschulen – siehe die Rücknahme der ursprünglich vorgesehenen Streichung von 754 Stellen – geäußert.

Von daher betone ich: Lassen Sie uns den Haushaltsplan abwarten! Messen Sie uns daran, ob sich darin die BAföG-Millionen – 85 Millionen Euro – wiederfinden! Für mein Haus kann ich das garantieren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Dr. Stange. Damit hat die Staatsregierung Position bezogen.

Wir kommen zum Schlusswort, das die Fraktion GRÜNE als einbringende Fraktion hat. Bitte, Frau Dr. Maicher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Man kann es nicht oft genug sagen: Das sächsische Bildungs- und Hochschulsystem steht vor gewaltigen finanziellen Herausforderungen. Diese können sicherlich nicht über Nacht gelöst werden. Entsprechend können unser Antrag und die heutige Debatte hier nicht das Ende, sondern nur ein Anfang sein. Wir werden darüber weiter diskutieren müssen. Wir finden es aber angebracht, schon vor den Haushaltsverhandlungen genau hier, im Parlament, darüber zu sprechen.

Primäres Ziel unseres Antrags ist es, dass wir die frei werdenden BAföG-Mittel des Bundes verbindlich und verlässlich für Schulen und Hochschulen verwenden. Wir sind der Meinung, dass wir das im Parlament, dem gesetzgebenden Organ, beschließen sollten. Mit Verlaub, wenn man den Koalitionsvertrag liest, stellt man fest: Vieles bleibt vage. – Das Plenum ist der Ort, an dem die verbindlichen Entscheidungen getroffen werden, auch darüber, wofür das Geld verwendet wird. Deswegen haben wir unseren Vorschlag so unterbreitet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unser Antrag verfolgt das Ziel, neben der Umsetzung eines Landesprogramms für Schulsozialarbeit die Grundfinanzierung unserer Hochschulen zu stärken, das heißt, die Mittel zu steigern. Wenn Sie, Herr Mackenroth, sagen, auch Sie hätten dieses Ziel, dann sprechen wir über unterschiedliche Wege dorthin. Sie wollen das über die im Koalitionsvertrag beschlossene Senkung der Studierendenzahlen erreichen. Ich hatte in der Debatte über die Regierungserklärung heute Morgen nicht den Eindruck, dass das auf sehr viel Begeisterung bei Ihrem Koalitionspartner SPD stößt.

Wir unterbreiten einen anderen Vorschlag. Wir wollen, dass die Hochschulen in der Verwendung ihrer Mittel autonom entscheiden können. Deswegen sollen die zusätzlichen Mittel in die Grundfinanzierung fließen. Wir haben auch unsere Vorstellungen dargelegt, wie das Geld konkret verwendet werden kann: zum Abbau von Befristungen im Hochschulbereich und zur Besserstellung von Lehrbeauftragten. Das sind unsere Vorschläge, weil wir sehen, dass das im Moment die drängendsten Probleme sind. Die Landesrektorenkonferenz sieht es übrigens ähnlich.

Wir werden die Debatte weiter führen. Ich freue mich über Ihre Unterstützung.

Danke schön.