Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

Herr Präsident, ich belasse es beim Reagieren. – Zu Punkt 1, noch einmal klarstellend: Genau das ist das Thema: Die Mehrheit der Asylsuchenden und Flüchtlinge ist nicht straffällig. Es gibt auch

keinen signifikanten Anstieg an straffälligen Asylbewerbern, das ist nicht das Thema.

Es geht um eine kleine Gruppe von Intensivstraftätern, die immer wieder, mehrfach in Erscheinung treten, insbesondere bei schweren Straftaten, und es geht darum, dagegen konsequent vorzugehen.

Im Übrigen: Lesen Sie nicht nur die Überschriften von Presseveröffentlichungen, sondern lesen Sie die Texte. Der Staatsminister des Innern hat eine Konzentration von Fachkräften hinsichtlich der Verfahrensbearbeitung dieser Intensivstraftäter gefordert. Dagegen kann man nun wahrlich nicht sein – außer, man möchte das ganze Thema politisch instrumentalisieren. Wir halten es – noch einmal – für richtig:

Erstens: Es geht nicht darum, dass Asylbewerber grundsätzlich straffällig sind – davon distanzieren wir uns –, sondern es geht darum, dass die kleine Gruppe der Intensivstraftäter konsequent zur Verantwortung gezogen wird, um einen Schutz für die gesamte Gruppe und für das gesamte Thema zu bewahren.

Zweitens, zu dem Thema, das Sie angesprochen haben, Frau Zais, zur Spaltung einer Gesellschaft: Nein, es geht nicht um die Spaltung einer Gesellschaft, sondern es geht um den Dialog, und zwar nicht mit den PegidaOrganisatoren, sondern es geht um die Menschen, die da draußen stehen. Da können wir eigene Veranstaltungsplattformen anbieten. Da können wir aber auch den Diskurs vor Ort suchen. Ich weiß nicht, wie Sie das sehen, aber da stehen nicht nur Rechtsextremisten, sondern vor allen Dingen auch die Bevölkerung, die verunsichert ist. Da stehen auch meine Nachbarn. Zu denen muss ich einen Diskurs und einen Dialog suchen, und das muss ich nicht immer über große fahnenschwenkende Programme machen.

Letzter Punkt: Wir haben den Diskurs gesucht – ich sage es ausdrücklich: die Union hat eine Wertschätzung vor all jenen, die sich bezüglich Asylunterbringung engagieren, auch ehrenamtlich, und dort Prozesse begleiten –, aber es geht eben immer um einen Ausgleich eines Sowohl-alsauch.

Die Redezeit ist abgelaufen.

Insofern: Versuchen Sie nicht, das Thema schwarz-weiß zu malen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von den LINKEN)

Vielen Dank. Vielleicht noch ein Hinweis: Sowohl unsere Kurzinterventionen als auch die Reaktion darauf sind redezeitbegrenzt. Ich erinnere noch einmal an die 2 Minuten.

Wir könnten jetzt in der dritten Rederunde fortfahren. Hat die SPD-Fraktion noch Redebedarf in dieser 1. Aktuellen Debatte? – Das ist nicht der Fall. DIE LINKE? – Auch

nicht. Die GRÜNEN haben noch 5 Minuten. – Es besteht jedoch kein Redebedarf. Besteht überhaupt noch Redebedarf seitens der Fraktionen? – Es besteht kein Redebedarf mehr seitens der Fraktionen. Damit hätte die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift Frau Staatsministerin Köpping. Bitte, Sie haben jetzt das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank! Es wurde in den Reihen ein wenig geschaut, warum ich jetzt aufstehe und nicht der Staatsminister des Innern. Wir haben uns im Vorgespräch ein wenig abgestimmt, dass wir die beiden Aktuellen Debatten, die eng miteinander zusammenhängen, ein Stückchen strukturieren und aufteilen. Deswegen würde ich gern den ersten Teil, was das Thema Integration betrifft, bearbeiten, und der Herr Innenminister dann den Teil, den das Innenministerium betrifft, nämlich die Aufnahme von Asylbewerbern.

Ich bin jetzt seit vier Wochen im Amt, und am Anfang dachte ich, dass sich der eine oder andere fragen wird, ob es dieses Ministerium braucht. Mir wurde diese Frage in den ersten vier Wochen nicht ein einziges Mal gestellt, weil das Thema aktuell – aktueller denn je ist.

Ich möchte nun auf die einzelnen Punkte eingehen. Es ist ein sehr emotionales Thema, und es gibt ganz viele Standpunkte und Meinungen, wie wir das inhaltlich auffüllen. Ich bin seit der ersten Demonstration, die auf der Straße stattgefunden hat, immer präsent gewesen, habe mir alle Seiten angehört, habe mich natürlich auch aktiv beteiligt, das wissen Sie; Sie haben die Presse verfolgt. Ich glaube, dass wir die Menschen, die auf der Straße stehen – auch bei Pegida – nicht alle über einen Kamm scheren dürfen. Wir haben ein klares Angebot gemacht. Wir haben gesagt: Mit den Köpfen von Pegida, die ganz klar rassistische und menschenverachtende Äußerungen treffen, werden wir nicht reden, aber die Demonstranten von Pegida, die dürfen wir nicht verlieren. Insofern mache ich unser Gesprächsangebot auch heute noch einmal.

Wir hatten diese Woche eine Podiumsdiskussion bei „Fakt ist…!“, und ich habe nach dieser Podiumsdiskussion viele Briefe und E-Mails bekommen – ich hätte das nicht gedacht –, unter anderem auch von Pegida. Da kommen Probleme auf den Tisch, die ganz wenig mit Asylpolitik, Zuwanderung, Einwanderung und Flüchtlingen zu tun haben, nämlich die sozialen Probleme, die wir in Deutschland haben. Die Menschen sind sozial gespalten, und daran müssen wir arbeiten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir auch in der Zukunft in der Debatte hier in Sachsen nicht vernachlässigen dürfen.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Trotzdem möchte ich hier gern noch einmal darauf eingehen, was wir in Sachsen tun können. Wir haben bereits drei Tage, nachdem ich als Ministerin ernannt wurde – geleitet durch den Ministerpräsidenten –, den

ersten Asylgipfel veranstaltet, denn wir haben gesagt: Wir können nicht nur reden, sondern wir müssen handeln.

Wir haben für Sachsen ganz klare Strukturen vorgeschlagen. Wir wollen uns in vier Bereichen ganz aktiv sofort und schnell einsetzen. Das ist zum einen der Bereich Unterbringung; er ist heute mehrfach angesprochen worden. Wir haben in unserem ersten Gipfel die Landräte, die Bürgermeister und Oberbürgermeister gehört, und sie sind natürlich im Brennpunkt. Dort, wo Einrichtungen eröffnet werden müssen, gibt es Bürgerberatung, Bürgergespräche, und die Bürger wollen alles wissen, die wollen informiert sein.

Die erste Sache, die uns auffällt, ist, dass viele Bürger falsch oder gar nicht informiert sind. Das heißt, wir müssen eine große Informationskampagne starten, die Antwort auf folgende Fragen liefert „Was sind Flüchtlinge in Deutschland? Welche Bedingungen haben sie hier? Was sind ihre Rechtsgrundlagen?“, damit man von dem Vorurteil wegkommt, dass Flüchtlinge vielleicht besser behandelt würden als Menschen, die hier leben. Ich habe immer den Standpunkt, dass jeder Flüchtling so behandelt werden sollte, wie ich selbst behandelt werden möchte, wenn ich in ein anderes Land ausreisen müsste.

Insofern ist der erste Punkt die Aufklärung; das ist auch gleich meine Bitte an das Hohe Haus: dass wir hier als Abgeordnete in der Pflicht stehen. Wir alle haben Wahlkreise. Wir sind alle präsent vor Ort. Und wenn Bürgermeister und Landräte dort ihre Informationsveranstaltungen durchführen, sollten wir präsent sein und mit den Bürgermeistern und Landräten in Unterstützung diskutieren.

Das zweite wichtige Thema ist der Deutschunterricht. Uns schwebt vor, bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen mit Deutschkursen für Flüchtlinge und Asylbewerber zu beginnen – sofort und augenblicklich –, da wir in den Erstaufnahmeeinrichtungen Beratungsstellen brauchen, um den Menschen, die aus fremden Ländern hierherkommen, sagen zu können, wie unsere Rechtsnormen sind, was sie hier erwartet, welche Bedingungen sie hier vorfinden und wo sie Hilfe und Unterstützung bekommen können. Ich glaube, das muss vom ersten Tag an passieren.

Der dritte wichtige Punkt ist der Zugang zu Arbeit: Auch dort gibt es Verbesserungen, die auf der Bundesebene geschaffen worden sind und die wir hier in Sachsen durchführen müssen. Auch dort habe ich lernen müssen, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nicht immer wissen, wie das umzusetzen ist, damit man, wenn die Menschen in ihre Städte und Gemeinden kommen, sofort reagieren kann. Auch dort besteht Aufklärungs- und Handlungsbedarf.

Nicht zuletzt ist es der Zugang zu Freizeitangeboten, zu Sport, zu kulturellen Möglichkeiten. Das geht natürlich nur, wenn die Menschen es verstehen – da bin ich wieder bei der Sprache, beim ersten Punkt. Ich hoffe, wertes Hohes Haus, dass wir Ihre Unterstützung finden, wenn es darum geht, dass sich das auch im Haushalt niederschlägt.

Denn ohne finanzielle Ausstattung dieser vier genannten Brennpunkte wird es nicht gehen.

Wir haben also auf der einen Seite unseren ersten Asylgipfel gehabt und auf der anderen Seite unseren Koordinierungsausschuss einberufen. Der hat vergangene Woche das erste Mal getagt. Neu an diesem Ausschuss ist, dass wir jetzt alle miteinander arbeiten. Ich habe dort, in der ersten Runde, wenn ein Ministeriumsvertreter „Ihr …!“ und „Da solltet ihr mal …!“ usw. gesagt hat, unterbrochen und gesagt „Nein, wir …!“.

Es ist unsere gesellschaftliche und politische Verantwortung, für Flüchtlinge, die nach Sachsen kommen, eine Integration zu schaffen, damit sie sich hier wirklich wohlfühlen und integriert werden. Des Weiteren ist es wichtig, dass wir dort Vertreter des BAMF haben. Ich glaube auch, dass Ehrlichkeit angesagt ist, dass wir den Menschen sagen sollten, wie viele Flüchtlinge zu uns kommen, wo sie herkommen und wie wir ihnen helfen können, sich hier kulturell zu integrieren.

Wir haben die Malteser dabei, die die Betreuung vor Ort machen. Auch das wird eine Aufgabe sein, die sich im Haushalt niederschlagen wird, wo wir bei der Betreuung tatsächlich etwas verbessern müssen. Ich weiß nicht, ob der Schlüssel der richtige Weg ist. Das werden wir miteinander diskutieren. Ich glaube, dass es besser ist, dass wir Schlüssel bzw. Betreuung so einsetzen, wie es die Notwendigkeiten ergeben. Das kann im ländlichen Raum anders aussehen als in Ballungsgebieten. Auch dort haben wir eine Flexibilität, um Betreuung so einzusetzen, dass es den Menschen, die sie brauchen, tatsächlich nützt. Wir haben dort einen engen Kontakt zwischen SSG und SLKT. Wir haben am Freitag vergangener Woche 17 Aufträge erteilt, die durch die einzelnen Ministerien, aber auch durch den Sächsischen Städte- und Gemeindetag und durch den Sächsischen Landkreistag umzusetzen sind.

Was meine ich damit? Zum Beispiel, dass wir in Sachsen immer noch Landkreise haben, bei denen die Landräte mit ihren Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sprechen und manche sich so hinterm Gebüsch wegducken und

sagen, sollen doch mal die anderen handeln: Bei mir fehlt die Wohnung, ich habe keine Einrichtung, bei mir gibt es dieses und jenes Problem. Die Landräte sind dafür gewählt worden, mit ihren Kommunen Vereinbarungen zu treffen. Sie haben das meistens aufgeteilt. Es gibt auch Landkreise, in denen das sehr gut läuft, dass man einfach sagt, jeder ist in der Verantwortung und in der Pflicht, und jeder wird hier seinen Beitrag leisten.

Ich komme noch einmal zu den eingangs genannten Zahlen. Ich glaube, dass es für Sachsen kein Problem ist,

(Beifall der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

die momentan bei uns ankommenden Flüchtlinge und Asylbewerber aufzunehmen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Wir haben noch zu einer zweiten Runde aufgerufen, dem Verbändegespräch. Da komme ich zu Frau Zais, die ich im Moment gar nicht sehe. Frau Zais hatte angemahnt, dass wir auch mit den Betroffenen sprechen müssen. Das sehe ich genauso. Das Verbändegespräch soll dazu dienen, mit allen Partnern – und ich sage bewusst Partnern – das Gespräch zu suchen und die richtige Lösung zu finden, damit wir gemeinsam in Sachsen ein Integrations-, ein Willkommensland sind. Insofern werden wir uns beim Verbändegespräch darüber austauschen, was notwendig ist und was wir gemeinsam tun können, damit Integration in Sachsen nicht nur auf dem Papier steht, sondern erlebbar wird, damit wir ein Land sind, das in Zukunft mit unserem neuen Ministerium und den Arbeitsstrukturen, die wir uns schaffen werden, beispielgebend sein kann. Danach lasse ich mich gerne abrechnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den LINKEN)

Das war für die Staatsregierung Frau Staatsministerin Köpping. In dieser 1. Aktuellen Debatte sehe ich keinen Redebedarf mehr. Sie ist damit abgeschlossen.

Wir treten ein in die

2. Aktuelle Debatte

Wie solidarisch ist das „Abendland“?

Sorgen ernst nehmen, Willkommenskultur entwickeln!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Zunächst ergreift für die einbringende Fraktion DIE LINKE Frau Klepsch das Wort. Bitte, sehr geehrte Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie solidarisch ist das „Abendland“? Muss das „Abendland“ – nur wenige Meter von hier – verteidigt werden? Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer Woche werden wahrscheinlich die

meisten von Ihnen unter dem Tannenbaum sitzen, vielleicht mit Ihrer Familie. Einige von Ihnen hören sicher im Konzert oder von einer Musik-CD das Weihnachtsoratorium. Was hören wir dort? Die Weihnachtsgeschichte. Das ist eine Flüchtlingsgeschichte, nämlich die älteste Flüchtlingsgeschichte der Welt.

Um so verwunderlicher ist es, dass gerade in der von der FDP benannten Weihnachtshauptstadt Dresden seit

einigen Wochen Demonstrationen und Spaziergänge stattfinden und Dresden als Landeshauptstadt des Freistaates bundesweit und international in die Schlagzeilen gerät. „So geht sächsisch“ hatte ich mir anders vorgestellt.