Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

könnten, wird ein wichtiger Anreiz gesetzt, den eigenen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.

Wichtig ist natürlich die Frage, wie das Ganze finanziert wird. Herr Krauß hat es schon gesagt: Nach Berechnun

gen der Bundesebene gehen wir davon aus, dass die Kosten 104 Millionen Euro betragen werden.

Herr Krauß hat auch schon über die Rückgriffsquoten gesprochen und darüber, was wir dahingehend unternehmen möchten. Ich möchte an dieser Stelle die Erwartungen dämpfen; denn ein wichtiger Fakt bei den Rückgriffsquoten ist natürlich die Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen. Diese liegt nur dann vor, wenn das bereinigte Nettoeinkommen 1 080 Euro übersteigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Solange wir viele Unterhaltspflichtige haben, die im Niedriglohnbereich tätig sind, werden wir die Rückholquoten nicht wirklich optimieren können. An dieser Stelle müssen wir uns ehrlich sagen: Wir können von den Müttern und Väter nur dann mehr Leistungsfähigkeit erwarten, wenn wir in Sachsen deutlich höhere Löhne zahlen können.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Auf Frau Kollegin Pfeil folgt jetzt Herr Kollege Schollbach für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geraume Zeit wurde über die Änderungen beim Unterhaltsvorschussrecht debattiert. Als Bund und Länder sich schließlich im Herbst vergangenen Jahres dazu verständigten, drohte nicht mehr und nicht weniger als politisch organisiertes Chaos. Die Kommunen befürchteten offenbar landesweit Zustände wie auf den Bürgerämtern in Berlin. Sie wandten sich im November mit einem eindringlichen Appell an die Öffentlichkeit und forderten eine Verschiebung der Reform.

Die Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes warnten nachdrücklich. Zitat:

„Die Kommunen sehen sich nicht in der Lage, ein Gesetz, das frühestens Mitte Dezember verabschiedet werden kann, zwei Wochen später auszuführen. Das geht personell und organisatorisch nicht. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die zusätzlichen finanziellen Belastungen der Kommunen vollständig ausgeglichen werden. Aussagen dazu liegen bisher überhaupt nicht vor.“

Und weiter:

„Wenn kurzfristig die Zahl der Leistungsanträge massiv zunimmt, müssen wir befürchten, dass die Unterhaltsvorschuss-Stellen in den Kommunen überfordert werden.“

„Avanti Dilettanti!“ kann man da nur sagen, und zwar so dilettantisch, dass das Inkrafttreten der Reform vorsichtshalber erst einmal um ein halbes Jahr verschoben werden musste.

Aber damit nicht genug der Probleme! Mit dem neuen Unterhaltsvorschussgesetz drohen den Kommunen

erhebliche Mehrbelastungen aufgebürdet zu werden. So rechnet etwa das Fraunhofer-Institut mit einer Zunahme

der Leistungsbezieher von derzeit rund 450 000 auf 710 000. Die Kommunen gehen gar von einer Verdopplung der Fallzahlen aus. Die Folge ist ein massiver Anstieg von Personal- und Arbeitsplatzkosten und auch der Leistungsausgaben für den Unterhaltsvorschuss in den Kommunen. Allein die Kosten für die damit verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufgaben werden vom Deutschen Städtetag auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt.

Wir von der LINKEN schließen uns ausdrücklich der Forderung des Deutschen Städtetages nach einem vollständigen Ausgleich der finanziellen Mehrbelastungen der Kommunen sowohl bei den Leistungsausgaben als auch bei den Verwaltungsausgaben an. Dies ergibt sich im Übrigen ohnehin bereits aus dem Konnexitätsprinzip. Schon jetzt haben viele Kommunen Schwierigkeiten, einen tragfähigen Haushalt aufzustellen. So waren etwa Mitte des vergangenen Jahres 58 Gemeinden sowie zwei Landkreise im Freistaat Sachsen noch immer ohne beschlossenen Haushalt.

Dieser Umstand, meine Damen und Herren, verdeutlicht, dass es bei den Kommunalfinanzen erhebliche Probleme gibt. Vielfach reichen die vorhandenen Gelder schlicht und ergreifend nicht aus, um wichtige kommunale Aufgaben zu erfüllen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass durch den Staat immer wieder Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt werden, ohne die dafür erforderlichen Gelder in vollem Umfang dazuzugeben. Auf diese Weise hat die CDU-geführte Regierung bereits zahlreiche Kommunen in erhebliche Schwierigkeiten gebracht. Da geriert man sich immer wieder gern als finanzpolitischer Musterknabe, wälzt aber in Wahrheit seine Lasten auf andere ab. Das muss endlich aufhören!

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Auf Herrn Kollegen Schollbach folgt jetzt Herr Kollege Wendt. Er spricht für die AfD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, endlich hat es die Bundesregierung geschafft. Sie möchte das Unterhaltsvorschussgesetz ändern – pünktlich vor der Bundestagswahl, damit es bei den Bürgern im Kurzzeitgedächtnis bleibt.

(Beifall bei der AfD)

Das ist dann schon einmal einen Applaus wert.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Heiterkeit der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Das haben die Damen und Herren in Berlin nämlich ganz gut hinbekommen. Grundsätzlich ist dieser Gesetzesvorstoß natürlich zu begrüßen; er kam in unseren Augen aber einfach zu spät. Das Thema liegt ja schon seit Jahren auf dem Tisch und hätte also schon viel früher angegangen und umgesetzt werden müssen. Hätten Sie unserem Antrag, den wir im letzten Jahr, im August 2016, gestellt

haben, zugestimmt, dann hätte man den Alleinerziehenden diese Hilfe schon viel früher zukommen lassen können und hätte die Betroffenen dann auch rechtzeitig unterstützt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, das können Sie Ihren Kollegen in Berlin sagen: Wenn Sie es mit den Alleinerziehenden wirklich ernst meinen, dann sollten sie dieses Gesetz rückwirkend zum 01.01.2017 in Kraft treten lassen, wie es eigentlich angedacht war. Damit würden sie schon einen großen Schritt nach vorne tun.

Dennoch, und das gehört zur Wahrheit dazu, ist dieses Gesetz ein Hüftschuss aus einem verstopften Bundestagswahlkampfrevolver, weil noch gar nicht klar ist, welche Auswirkungen dieses Gesetz auf Alleinerziehende und Kommunen tatsächlich hat. Viele Kommunen befürchten nämlich einen Mehraufwand, zumal die Doppelstrukturen, die bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes weiterhin existent bleiben, nicht abgebaut werden.

Des Weiteren gehen viele Alleinerziehende leer aus. Stellen Sie sich einmal eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern auf dem Land vor, die keinen Arbeitsplatz findet oder nur einen Arbeitsplatz auf 450-Euro-Basis vorweisen kann. Sie profitiert von diesem Gesetz eben nicht. Das ist ein großer Haken; dies muss auf jeden Fall vorgetragen werden.

Deshalb hätte man, wie wir es damals in unserem Antrag gefordert haben, dafür Sorge tragen müssen, dass das Kindergeld analog zum Unterhaltsrecht nicht mehr vollumfänglich, sondern nur zur Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet wird. Dafür setzen wir uns weiterhin ein. Ich hoffe, dass die Damen und Herren von der Regierungskoalition dies auch nach Berlin tragen.

Des Weiteren sehen viele Kommunen die Finanzierung skeptisch, auch wenn der Bund den Eigenanteil auf 40 % erhöht hat, denn durch den höheren Verwaltungsaufwand entstehen auch mehr Verwaltungskosten. Deshalb sollte sich der Bund stärker an diesen Kosten beteiligen.

(Zuruf von der CDU: Macht er doch!)

Mit 40 %. – Kurzum, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich der schwarz-roten Bundesregierung abschließend ein Arbeitszeugnis ausstellen müsste, würde ich folgenden Satz verwenden: Sie waren stets bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden.

(Heiterkeit bei der AfD)

Letztendlich war es aber doch nur ein Rohrkrepierer, der gute Absichten erkennen lässt, der aber stark überarbeitungsbedürftig ist und die Kinderarmut sicherlich nicht bekämpft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Auf Herrn Kollegen Wendt folgt jetzt Herr Kollege Zschocke mit seinem Redebeitrag. Er vertritt die Fraktion GRÜNE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche einmal, mich am Debattentitel entlangzuarbeiten. Da heißt es als Erstes: „Kinder stärken“. Ja, es ist unstrittig: Armut grenzt Kinder im Alltag aus. Überdurchschnittlich häufig sind Kinder von alleinerziehenden Eltern davon betroffen, insbesondere dann, wenn sich ein Elternteil nicht oder nur unzureichend am Unterhalt beteiligt.

Der Unterhaltsvorschuss soll nun künftig auf unbegrenzte Dauer und bis zur Volljährigkeit der Kinder gezahlt werden. Das ist ein wichtiger und auch richtiger Schritt zur Armutsvermeidung. Aber trotzdem hat die Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes einen Haken, meine Damen und Herren, weil es bei Kindern ab zwölf Jahren nämlich nur dann einen Anspruch geben wird, wenn das Kind nicht auf Hartz IV angewiesen ist.

Hier werden Alleinerziehende eigentlich doppelt benachteiligt. Oft sind sie für ihre Armut nicht selbst verantwortlich. Sie finden einfach nur schwer einen Job, der Familie und Beruf ermöglicht und dann auch noch ausreichend Geld für ein gutes Leben bringt.

Schaut man sich die Zahlen in Sachsen an, zeigt sich die Dramatik ganz besonders: Alleinerziehende sind nämlich überproportional oft von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Die Zahlen sind seit 2008 alarmierend hoch. Reichlich 40 % aller arbeitslosen alleinerziehenden Frauen sind Langzeitarbeitslose. Bei arbeitslosen alleinerziehenden Männern liegt der Anteil mit 45 % sogar noch höher.

Diesen Arbeitslosen mit Kindern über zwölf Jahren wird der Unterhalt dann quasi angerechnet. Das verschärft ihre Armut eigentlich noch ein Stück weit, statt ihnen aus dieser Lebenssituation herauszuhelfen. Der Titel „Kinder stärken“ sagt also erst einmal nur die halbe Wahrheit.

„Kommunen entlasten“ sagen Sie als Nächstes. Wie von uns GRÜNEN schon lange gefordert, übernimmt der Bund nun einen höheren Anteil an den Kosten und will sich an den Mehrausgaben mit 40 % beteiligen. Die Finanzierungsdetails kenne ich noch nicht; ich weiß nicht, ob Sie sie kennen. Den Rest müssen allerdings die Länder tragen, die wiederum einen Teil davon den Kommunen aufbürden. Sachsen möchte sich ja mit bis zu einem Drittel an den Kosten beteiligen. Außerdem sind die Kommunen aber für die Bearbeitung der Anträge zuständig, sie müssen das Personal stellen. Das Ganze ist für die Kommunen also erst einmal eine deutliche Mehrbelastung, keine Entlastung.

Jetzt hat Sachsen im Doppelhaushalt Geld eingestellt, um die Kostensteigerung durch die Reform abzufedern. Eine zusätzliche finanzielle Entlastung der Kommunen ist damit aber noch nicht erreicht, meine Damen und Herren. Unter dem Strich ist eine Entlastung der Kommunen in Sachsen, wie es im Titel der Debatte heißt, noch nicht zu erkennen.

Drittens sagen Sie: „Unterhaltsschuldner heranziehen“. Ich bin ja schon froh, dass die Koalition nicht den Begriff „Rabenväter“ verwendet, den Herr Alexander Krauß hier ja gerne verwendet. Ich hoffe, dass Sie auch künftig nicht mehr mit solchen stigmatisierenden Redewendungen arbeiten und hierauf verzichten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun wollen Sie Unterhaltsschuldner stärker heranziehen. Ich hatte ja auf den hohen Anteil alleinerziehender Familien, die von ALG II abhängig sind, hingewiesen. Diese Familien stecken oft jahrelang im Leistungsbezug fest. Der Unterhaltsvorschuss soll aber keine reine Sozialleistung sein, sondern eine familienpolitische Leistung für die Kinder Alleinerziehender. Sie bekommen den Unterhaltsvorschuss also nicht, weil sie arm sind, sondern weil ein Elternteil nicht zahlt. Dieser Anspruch wird allerdings durch die Abschaffung der Vorrangigkeit ab dem zwölften Lebensjahr quasi aufgelöst.

Wenn jetzt viele Alleinerziehende, die Hartz-IV