Frau Dr. Muster, wenn Sie die Rundfunkstaatsverträge respektive Änderungsstaatsverträge ansprechen, dann will ich nur darauf hinweisen, dass, bevor die Ministerpräsidenten diese Verträge unterschreiben, der Landtag hierüber Kenntnis hat und all das, was in den Verhandlungen zu den Verträgen geschieht, letztlich tatsächlich Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung ist. Von einem Informationsdefizit der Opposition kann man aus diesen Gesichtspunkten mit Sicherheit nicht sprechen. Aus Sicht der Staatsregierung erweist sich der Antrag aus diesen Gründen als nicht zielführend.
Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Gemkow. Jetzt hat die einbringende AfD-Fraktion die Möglichkeit eines dreiminütigen Schlusswortes. Bitte, Frau Dr. Muster.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich für Ihre Redebeiträge bedanken. Herr Kirmes, es stimmt tatsächlich: Wir haben einen Verfassungstext und wir haben eine sehr detaillierte Rechtsprechung; das ist unstreitig.
Ich hatte in meinem ersten Redebeitrag von den zwei Stufen gesprochen, von den laufenden und den bereits abgeschlossenen Vorgängen, und darauf hingewiesen, dass nach meiner Auffassung Beschlüsse abgeschlossene
Vorgänge sind. Ich befinde mich in guter Gesellschaft, denn die Parlamentsinformationsgesetze von Bayern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sehen es ähnlich. Wenn wir uns einmal deren Wortlaut anschauen, dann wird der Landtag nach § 1 des schleswig-holsteinischen Gesetzes frühzeitig und vollständig informiert über die Vorbereitung von Gesetzen und Staatsverträgen; Grundsatzfragen der Landesplanung, der Standortplanung und der Durchführung von Großvorhaben und, soweit es sich um Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung handelt, über die Vorbereitung von Verwaltungsabkommen, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften; die Mitwirkung im Bundesrat und die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen, insbesondere der Europäischen Union.
Herr Bartl und Herr Lippmann, ich kann es verstehen: Das Zitat von Montesquieu hat Sie ein wenig irritiert, auch durcheinandergebracht.
Ich habe mir noch einmal genau die von Ihnen beantragte Verfassungsänderung angeschaut. Ich hatte sie damals abgelehnt; das würde ich heute wieder tun. Der Grund ist ganz einfach, liebe GRÜNE: Es kann kein Recht auf Zugang zu Behörden und Dienststellen oder ein umfassendes Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht der Opposition geben. Ich wollte und will keine Änderung des Artikels 50. Das habe ich deutlich gesagt.
Liebe GRÜNE und liebe LINKE, die Stellungnahmen des Landtags müssen nicht ausdrücklich und nicht immer berücksichtigt werden.
Ganz klar: Ich habe das damals abgelehnt. Seien Sie keine beleidigte Leberwurst! Die Ablehnung hatte nichts damit zu tun, dass Sie LINKE und GRÜNE sind; die Ablehnung hatte mit dem Inhalt zu tun. Diesen habe ich bei Ihnen ein bisschen vermisst.
Noch einmal zum Mitschreiben: Staatsverträge scheinen hier ein sehr spannendes Thema zu sein. Wir machen das noch einmal ganz kurz. Bei den Rundfunkstaats – –
Staatsverträge werden zunächst von den Ministerpräsidenten unterschrieben. Bei den Rundfunkstaatsverträgen ist es bei uns so, dass sie ungefähr ein halbes Jahr, nachdem sie von den Ministerpräsidenten unterschrieben worden sind, den Landtagen, dort den betreffenden Ausschüssen, zugeleitet werden.
Dann erst wird darüber gesprochen. – Aus diesem Grunde: Stimmen Sie unserem Antrag zu! Das wäre gut für das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun den Antrag in der Drucksache 6/9178 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag in der Drucksache 6/9178 nicht beschlossen.
Die Fraktionen können in gewohnter Weise Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: die GRÜNEN als Einbringer, CDU, DIE LINKE, SPD, AfD; Staatsregierung, wenn gewünscht.
bemerkenswertes BGH-Urteil Aufsehen. Es stellte fest, dass die Inhaftierung zum Zwecke der Abschiebung von Herrn C. rechtswidrig war. Herrn C. erreichte das Urteil nicht mehr. Der 58-jährige Vater und Großvater armenischer Abstammung hatte sich in der Abschiebehafteinrichtung das Leben genommen.
Was, verehrte Kolleginnen und Kollegen, hat dieser Fall mit unserem Antrag zu tun? Dieser Fall, aber auch zahl
reiche Studien belegen, dass Abschiebungshaft, die Inhaftierung von Menschen, die keine Straftat begangen haben, aber wie Straftäter behandelt werden, enorme psychische und physische Auswirkungen hat. Ausreisegewahrsam und Abschiebungshaft machen krank, verstärken Depressionen und Verzweiflung und erhöhen die Suizidgefahr.
Aufgrund des starken Eingriffs in das JedermannGrundrecht der Freiheit der Person hat der Bundesgesetzgeber deshalb geregelt, dass Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam nur als allerletzte Mittel, als allerletzte Möglichkeiten, also als Ultima Ratio, zum Einsatz kommen dürfen. Vorher müssen andere – mildere – Mittel gescheitert sein. „Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes anderes Mittel erreicht werden kann.“ So steht es in § 62 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz. Auch die EURückführungsrichtlinie fordert das ausdrücklich.
In ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag behauptet die Staatsregierung nun, dass vor der Beantragung von Abschiebungshaft durch die Ausländerbehörde und vor der Anordnung durch das Gericht stets der Einsatz milderer Mittel geprüft werde. Ich behaupte, dass dies allenfalls formelhaft geschieht; denn die Nachweisführung ist die Staatsregierung bisher schuldig geblieben. Zu Recht befürchtet nicht nur der Jesuiten-Flüchtlingsdienst, dass es so zu einer Reihe von rechtswidrigen Haftanordnungen kommen kann.
Aber auch, weil es sich um eine komplizierte Rechtsmaterie handelt, ist es schwierig. So ist die Frage, ob ein Abschiebungshindernis vorliegt, grundsätzlich nicht vom Haftrichter, sondern auf dem Verwaltungsrechtsweg zu klären. Wenn eine Abschiebung wegen des Gesundheitszustandes des Betroffenen und der Versorgungslage im Zielland jedoch ganz offensichtlich Verfassungsrecht verletzen würde, ist dies auch vom Haftrichter zu beachten und die Haft aufzuheben. So urteilte das Landgericht Hannover im Mai 2010.
Deshalb muss der Freistaat nach unserer Auffassung den Ausländerbehörden und den Gerichten konkrete Modelle für solche milderen Mittel zur Sicherung der Abschiebung anbieten. Nicht mehr und nicht weniger fordern wir mit unserem Antrag.
Mildere Mittel können neben Meldeauflagen die verpflichtende Abgabe des Reisepasses, die Zahlung einer Kaution, die Übernahme einer Bürgerschaft oder auch die Übergabe in den Verantwortungsbereich von Sozialarbeitern, Migrantenorganisationen oder Seelsorgern sein. In Belgien wurden positive Erfahrungen mit der im Gemeinwesen verankerten Einzelfallbetreuung für Familien im Asylverfahren gemacht. Dass Frauen und Kinder, wie in unserem Antrag gefordert, nicht in Ausreisegewahrsam oder Abschiebehaft genommen werden sollten, dürfte aufgrund ihres besonderes Schutzbedürfnisses selbstverständlich sein.
Ausreisegewahrsam und Abschiebungshaft sind darüber hinaus teuer, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen. Zu
den Baukosten kommen Betriebs- und Personalkosten hinzu. Allein für die Haftanstalt hier in Dresden wird mit einer Angestelltenzahl zwischen 70 und 80 gerechnet. Die Frage, woher diese Angestellten kommen sollen, ist bisher ungeklärt.
Wir fordern in unserem Antrag, dass die Staatsregierung eine Studie – übrigens, da haben wir den Termin geändert – in Auftrag gibt, in der die Kosten, der Nutzen und die Machbarkeit von nicht freiheitsentziehenden Alternativmodellen im Vergleich zur Abschiebungshaft dargestellt werden. Auch hier folgen wir der Anregung eines Sachverständigen vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst in der Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Sächsisches Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetz.
Bemerkenswert ist, dass in den Jahren 2011 bis 2013 in Sachsen noch bis zu 300 Menschen jährlich in Abschiebungshaft genommen wurden, die Zahlen in den Folgejahren jedoch massiv zurückgegangen sind. In den Jahren 2015 und 2016 wurden nur noch 12 Personen auf Anordnung sächsischer Gerichte in Abschiebungshaft genommen. Der Grund für den starken Rückgang liegt wohl darin, dass seit dem Urteil des EuGH aus dem Jahr 2014 die räumliche Trennung von Strafgefangenen und Abschiebehäftlingen gilt. Da bis zum Bau einer eigenen sächsischen Abschiebungshaftanstalt noch einige Monate ins Land gehen werden, setzt der Innenminister nun auf den sogenannten Ausreisegewahrsam, der hier in Dresden vollzogen werden soll.
Ich und meine Fraktion, wir befürchten ganz konkret, dass mit Inkrafttreten des Ausreisegewahrsamsvollzugsgesetzes und mit Fertigstellung der Einrichtung in der Hamburger Straße in Dresden die zuletzt rückläufigen Zahlen wieder massiv ansteigen werden und die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams künftig nicht mehr vier, sondern zehn Tage – so in einem Referentenentwurf der Bundesregierung zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vorgesehen – betragen wird.
Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass sich die Staatsregierung verstärkt der Anwendung milderer Mittel zuwendet. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.
Der Antrag ist durch Frau Kollegin Zais, Fraktion GRÜNE, eingebracht worden. Für die CDU-Fraktion spricht Kollege Hartmann.