Petra Zais

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Über die Fragen des eigenen Lebensumfeldes mitzubestimmen ist ein wichtiger Bestandteil der Demokratie und der Integrationsförderung. Integrationspolitik bedeutet neben Spracherwerb, Ausbildung und Arbeit vor allem auch gleiche Rechte, Diskriminierungsfreiheit und politische Teilhabe. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir einen entscheidenden
Teil für die politische Teilhabe dauerhaft in Sachsen lebender Nicht-EU-Ausländerinnen und -Ausländer
ermöglichen.
Wir haben im Innenausschuss dazu eine spannende Diskussion in der Anhörung mit den Sachverständigen erlebt. Die Botschaft war eine deutliche: Kein Sachverständiger konnte mit Blick auf das seit den 1990er-Jahren geltende Kommunalwahlrecht von Unionsbürgern sagen, dass ein kommunales Wahlrecht für dauerhaft hier in Deutschland, in Sachsen lebende Drittstaatler nicht möglich sei. Insofern ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes überholt. Die Sachverständige
Wallrabenstein hat es treffend formuliert: Wir sollten uns nicht hinter einem 25 Jahre alten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verstecken. Nach 25 Jahren kann die Verfassungsrechtsprechung anders ausfallen.
Deshalb hat uns die Anhörung darin bestärkt, dass das Gesetz in dieser Form möglich und natürlich auch wichtig ist. Wir alle sprechen darüber, dass auch oder gerade für Sachsen Integration eine der drängendsten Aufgaben ist, und sie wird – auch wenn das der eine oder andere Landrat in Sachsen nicht so sieht – eine Daueraufgabe insbesondere in den Kommunen bleiben.
Zu Recht hat der Sachverständige Schwarz Integration als Staatsaufgabe bezeichnet, die es rechtfertigen kann, das Wahlrecht in den Kommunen für dauerhaft hier lebende Nicht-EU-Ausländerinnen und -Ausländer zu öffnen. Auch in diesem Punkt waren sich alle Sachverständigen einig: Ein Kommunalwahlrecht fördert die Integration.
Ich möchte das noch präzisieren. Es geht nicht nur um Integration – die meisten sind bereits gut integriert, sprechen Deutsch, gehen arbeiten, zahlen Steuern –, es geht uns vor allem auch um Partizipation. Der Aussage einiger Sachverständiger, es gäbe andere Partizipationsmöglichkeiten hier in Sachsen – etwa in Vereinen oder kommunalen Ausländerbeiräten – und man bräuchte deshalb das Kommunalwahlrecht nicht, möchte ich widersprechen. Es fehlt in Sachsen an genau diesen verbindlich geregelten Teilhabestrukturen, denn ein Blick in die Realität zeigt, dass trotz bestehender Möglichkeiten zum Beispiel zur Bildung von freiwilligen Ausländerbeiräten ganze vier Ausländerbeiräte in Sachsen existieren.
Deshalb haben wir im Landtag auch einen Gesetzentwurf für ein Teilhabegesetz eingebracht, das dafür sorgt, dass solche Strukturen tatsächlich verbindlich geschaffen werden müssen. Für unsere Fraktion gehören beide Gesetze – das heutige und das Teilhabegesetz – deshalb zusammen und dringend auf die integrationspolitische Agenda.
Widersprechen möchte ich der Aussage des Sachverständigen Patzelt, dass Ausländer, denen das Wahlrecht zustehen würde, eher eine niedrige Wahlbeteiligung hätten. Diese Aussage – das hat die Anhörung auch gezeigt – ist empirisch nicht belegt. Belegt dagegen ist, dass der Wunsch nach mehr politischer Teilhabe als stärkstes Motiv für die Einbürgerung genannt wird – und das sage ich mit Verweis auf die im Auftrag des Auslän
derbeauftragten erstellte Studie des Dresdner Forschungswerkes.
Jetzt werden einige von Ihnen sicher sagen, dann sollen sie sich doch einbürgern lassen, wenn sie unbedingt wählen wollen, doch auch hierzu liefert die Studie Fakten: Ein Einbürgerungsprozess dauert in Sachsen durchschnittlich 16 Jahre und ist nach unserer Auffassung viel zu lang. Hierzu müssten die Hürden im Staatsangehörigkeitsrecht gesenkt werden. Wir hier im Landtag sollten aber nicht warten, bis der Bundesgesetzgeber tätig wird, sondern dort aktiv werden, wo wir es können, zumal das Kommunalwahlrecht auch dazu ermutigen kann, sich alsbald einbürgern zu lassen.
Wenn wir über das kommunale Wahlrecht für Nicht-EUAusländerinnen und -Ausländer diskutieren, dann sollten wir das auch tun und uns nicht auf die Spielwiese des Staatsbürgerrechts schieben lassen. Die Frage, wer das Volk ist und wer wählen darf, ist und bleibt eine essenzielle und doch auch eine nicht unumstrittene. Deshalb hilft das Staatsbürgerrecht eben nicht in allen Fällen weiter.
Für das Kommunalwahlrecht bietet uns Artikel 86 unserer Sächsischen Verfassung die richtige Antwort. Es geht bei den Kommunen um die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Das Volk wird in diesem Fall durch die Menschen vor Ort, die Einwohnerinnen und Einwohner in den Kommunen, repräsentiert. Die Sachverständige Wallrabenstein hat dies gut dargelegt. Daran, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sollten wir uns orientieren.
Wenn wir einmal in die anderen 15 Länder der Europäischen Union schauen, zum Beispiel nach Dänemark, wo es ein Kommunalwahlrecht für Drittstaatler seit den 1980er-Jahren gibt, dann wird deutlich: Nichts von dem, was ursprünglich an negativen Auswirkungen prognostiziert wurde, ist tatsächlich eingetreten. So sind auch wir davon überzeugt, dass die Vorteile eines Kommunalwahlrechts für Nicht-EU-Ausländerinnen und -Ausländer überwiegen.
Ich frage Sie also: Wollen wir in einer Demokratie leben, in der die einen, nämlich die EU-Ausländer, ihr Lebensumfeld in den Kommunen mitbestimmen dürfen, und die anderen, die ebenso seit Jahren bei uns leben, nicht, oder wollen wir in einer Demokratie leben, die allen dauerhaft in einer Kommune lebenden Menschen tatsächlich eine Teilhabe und Mitbestimmung an Kommunalwahlen erlaubt?
Auch wenn wir nicht immer mit Herrn Patzelt einer Meinung sind, hat er es in der Anhörung doch treffend formuliert – ich zitiere –: „Wer für eine möglichst gute und umfassende Integration, eine Einwanderungsgesellschaft eintritt und deshalb die Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern wünscht, der kann dann auch nicht mit guten Gründen ein kommunales Ausländerwahlrecht ablehnen.“
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie es ernst meinen, dass Sachsen attraktiver werden muss und
Zuwanderung braucht, dann stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Kollege Voigt, zu dem letzten Argument, das Sie gebracht haben, muss ich Ihnen natürlich die Frage stellen, warum Sie nicht fordern, dass sich EU-Bürgerinnen und -Bürger genauso einbürgern lassen müssen, ehe sie wählen dürfen. Wieso machen sie diesen Unterschied? Worin besteht eine logische Begründung für dieses Argument, das Sie jetzt gebracht haben?
Ich möchte eine Kurzintervention machen, Herr Präsident.
Danke. – Ich möchte hier ausdrücklich noch einmal an die Adresse von Herrn Wild Folgendes sagen: Herr Wild, ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, dass es tatsächlich sachliche Gründe dafür gibt, dass wir dieses Gesetz eben für die Kommunalwahl vorgelegt haben. Wir haben natürlich auch diskutiert, ob man das nicht zum Beispiel auch auf die Landtagswahl, die Europawahl und so weiter ausdehnen könnte, aber es gibt tatsächlich sachliche Gründe dafür, dass wir das nur für die Kommunalwahl machen.
Es ist unsere eigene Gesetzgebungskompetenz, sodass wir das machen dürfen. Es gibt sozusagen auch kein großes Risiko; denn wenn es eine Normenkontrollklage geben würde, würde das Bundesverfassungsgericht dann entscheiden, ob das richtig ist oder nicht. Das ist das Erste. Es gibt also wirklich rein sachliche Gründe.
Der zweite sachliche Grund ist, dass es uns tatsächlich darum geht, dass die Betreffenden auf der Ebene, wo Partizipation und politische Teilhabe direkt erlebbar sind, nämlich in der Kommune, wo die Menschen leben, wo sie Steuern zahlen, wo ihre Kinder in die Schule gehen – Kollegin Nagel hat darauf verwiesen –, dort auch tatsächlich das Recht bekommen, mitzubestimmen, was zum Teil mit ihren Steuern passiert.
Abschließend möchte ich Ihnen noch sagen: Es nimmt mir immer die Luft, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, es entwerte das deutsche Staatsbürgerrecht, wenn man zum Beispiel einer Frau aus Kanada, die seit 20 Jahren hier lebt und Steuern zahlt, das Kommunalwahlrecht gebe. Da frage ich mich: Wo leben Sie denn eigentlich? Wie großspurig und großkotzig wollen Sie sich hier noch aufführen?
Danke.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wendt, das ist wieder typisch gewesen: Wenn die Juden mehr bekommen, dann sollen, bitte schön, auch alle anderen mehr bekommen. Das ist so Ihre Rhetorik: zustimmen, aber gleichzeitig durch die Hintertür sozusagen Ihre wahren Intentionen, die Sie auch mit Blick auf die Juden in Deutschland vertreten, hier deutlich werden lassen – von wegen Westtarif.
Es geht um 120 000 Euro, es geht um drei Gemeinderabbiner für drei jüdische Gemeinden. Wenn Sie sich das einmal ausrechnen, dann sind das keine horrenden Summen – das liegt weit unter dem, was man so als Durchschnittsverdienst benennen könnte.
Im Übrigen möchte ich Ihnen noch sagen: Die AfD, die sich so gern – vor allem in den letzten zwei, drei Jahren – als Freund der Juden in Sachsen oder in Deutschland aufspielt, ist es keineswegs. „Wenn Juden auf die AfD als Garant für jüdisches Leben in Deutschland angewiesen wären, dann wäre es um jüdisches Leben schlecht bestellt. Die AfD ist eine Partei, die Juden hasst und bei der die Relativierung bis zur Leugnung der Shoah ein Zuhause haben.“
„Sie sind antidemokratisch, menschenverachtend und in weiten Teilen rechtsradikal.“ – Das ist ein Zitat, das 42 jüdische Verbände und Vereine deutschlandweit unterschrieben haben, darunter unter anderem der Jüdische Wohlfahrtsverband, die Zentrale Wohlfahrtsstelle, der Zentralrat der Juden, Makkabi Deutschland, der Jüdische Frauenbund, die Union progressiver Juden oder der Bund traditioneller Juden, um einige Beispiele zu nennen. Also gerieren Sie sich hier nicht so als der Freund der Juden. Mit Ihrem Seitenhieb auf die Muslime, die den
Antisemitismus hier vorantreiben würden, haben Sie auch gesagt, was wirklich eigentlich dahintersteht.
Ich möchte noch etwas zum Staatsvertrag sagen. Unsere Fraktion begrüßt natürlich diese Vertragsänderungen und wir werden selbstverständlich zustimmen. Bereits in meiner Rede aus Anlass der letzten Änderung und, sehr geehrter Herr Modschiedler, in vorangegangenen Reden – das war nicht 2015, sondern das haben wir im März 2016 in diesem Hohen Hause gemacht – habe ich darauf verwiesen, dass der Staatsvertrag zügiger an veränderte Rahmenbedingungen für die Arbeit der jüdischen Gemeinden in Sachsen angepasst werden muss.
Mit der heutigen Änderung wird im positiven Sinne ein Teil dessen nachgeholt, was im Jahr 2016 hinsichtlich der Finanzausstattung der jüdischen Gemeinden für Kritik sorgte. Ein festes Budget für die Gemeinderabbiner ist ein wichtiger und richtiger Schritt bei der Unterstützung der jüdischen Gemeinden, ebenso – das möchte ich hier ausdrücklich erwähnen und das ist meine persönliche Meinung – wie die Besetzung der Stelle des Beauftragten für jüdisches Leben und der Finanzausstattung für dessen Geschäftsstelle.
Ich freue mich sehr, dass wir es in dieser Legislatur geschafft haben, diese wichtigen Beschlüsse vor allem im Einvernehmen mit den jüdischen Gemeinden zu fassen. Gerade was die Besetzung der Stelle des Beauftragten für jüdisches Leben anbelangt, gab es die eine oder andere Kritik. Aber ich denke, man sollte da zurückhaltend sein. Wenn die jüdischen Gemeinden mit dieser Besetzung einverstanden sind, dann ist das auch so in Ordnung.
Allerdings – und das ist der Wermutstropfen – hat die Koalition es erneut nicht geschafft, die wichtige jährliche Dynamisierung der Leistungen für die jüdischen Gemeinden in die Änderung des Staatsvertrages aufzunehmen. Diese Kritik möchte ich hier noch einmal deutlich anbringen. Während in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Thüringen oder Baden-Württemberg, analog der Regelungen in Staatsverträgen mit den Kirchen jährliche Dynamisierungen vorgesehen sind, fehlt eine solche Regelung, und das trotz des ausdrücklichen Wunsches des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Sachsen auch im neuen Änderungsgesetz – leider.
Seit Jahren leben die Gemeinden mit einer Unterfinanzierung des Verwaltungsapparates, steigenden Kosten für die Instandsetzung und Erhaltung der Synagogen, –
Sehr geehrter Herr Kollege Patt, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie etwas ruhiger wären.
Gemeindehäuser, Friedhofsgebäude und Friedhöfe. Das geht zulasten des Personals und der baulichen Substanz wichtiger religiöser und kultureller Bauten.
Die drei jüdischen Gemeinden leisten gerade auch auf sozialem Gebiet viel für eine gelingende Integrationsarbeit und auch – das beobachte ich mit großer Freude – in
einem zunehmenden Maße bei der historischen und politischen Bildung, insbesondere in Schulen und in anderen Einrichtungen. Schaut man sich die Summe der Dotation an und vergleicht sie mit der in den Verträgen in anderen Bundesländern, dann wird auch hierbei deutlich: Trotz lang anhaltender guter Einnahmesituation in Sachsen gibt der Freistaat auch nach dieser Anpassung deutlich weniger Geld pro Gemeindemitglied aus als in anderen Bundesländern, weniger als Sachsen-Anhalt und weniger als Thüringen und Brandenburg. Das ist und bleibt nach meiner Auffassung kein Ruhmesblatt für Sachsen.
Diese Aufgabe endlich wirklich zu lösen, im Einvernehmen mit den jüdischen Gemeinden, bleibt dem neuen Landtag vorbehalten. Ich persönlich hoffe sehr, dass sie mit noch mehr Mut angegangen wird. Dass wir zustimmen werden, habe ich bereits gesagt.
Ich danke Ihnen.
Ich würde antworten.
Genau. – Herr Kollege Wurlitzer, ich habe Ihren Kollegen nicht einen Antisemiten genannt. Ich habe aus einer gemeinsamen Erklärung von 42 jüdischen Verbänden und Vereinen Deutschlands zitiert.
Herr Wendt, ich weiß nicht, was Sie jetzt sozusagen von mir wollen. Antisemitismus ist ein Problem. Wenn Sie sich die Zahlen in Deutschland anschauen, dann sind die Aussagen in der Kriminalstatistik und in allen Befunden, die der Verfassungsschutz und ähnliche Institutionen liefern, ganz klar: Die Mehrzahl der antisemitischen Übergriffe, Belästigungen und Straftaten kommt aus dem rechtsextremen Milieu.
Sie haben hier in Ihrer Rede ausdrücklich Muslime sozusagen als Verursacher – –
Doch. Das haben Sie in Ihrer Rede gemacht.
Das können Sie dann noch einmal nachlesen.
Sie haben sie als Verursacher antisemitischer Übergriffe und als Ursache dessen genannt, dass sich Juden in Deutschland nicht wohlfühlen.
Das ist schlicht und ergreifend falsch, Herr Wendt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine hochverehrte Kollegin Conny Falken hat es schon gesagt: Niemand ist im Kampf gegen Mobbing unglaubwürdiger als die AfD, die selber nichts anderes tut, als tagtäglich anzuschwärzen, zu diffamieren und zu hetzen, und das im realen und virtuellen Leben.
Wer gegen Diversität und Inklusion wettert, ist unglaubwürdig, wenn er auf einmal den Kampf gegen Diskriminierung ausruft. Frau Wilke, der beste Weg, Mobbing ernst zu nehmen und Lehrerinnen und Lehrer zu schützen, wäre, Ihren unsäglichen Lehrerpranger abzuschalten.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seitdem Mobbing in der Schule stärker im Fokus steht, haben einige Landtage entsprechende Anträge verabschiedet. Allerdings unterscheiden sich jene, die ich gelesen habe, unter anderem von SPD, CDU und FDP, wesentlich von dem hier vorliegenden, einem – so muss ich sagen – von einer üblen Regelungswut geprägten Antrag der AfD.
Im Kern geht es darum – und diese Auffassung teilen wir GRÜNEN bei den nach meiner Auffassung wirklich guten Anträgen in anderen Bundesländern –, dass gemeinsam mit der Schulaufsicht, den Schulträgern, den Vertretungen der Lehrerinnen und Lehrer und den Vertretungen der Schülerinnen und Schüler und den Eltern eine Strategie für den Kampf gegen das Mobbing in den Schulen entwickelt wird. Das wäre wirklich das, was wir unter Eigenverantwortung der Schule verstehen und nicht das, was sozusagen von außen aufoktroyiert wird.
Wenn ich an die von Ihnen vorgeschlagene Handyregelung denke, dann stehen mir die Haare zu Berge. Sie werfen uns GRÜNEN immer vor, dass wir alles vorschreiben und regeln wollen. Aber eine solche überbordende Regelungswut bezüglich der Handynutzung in einer Schule des 21. Jahrhunderts habe ich noch nicht erlebt, Frau Wilke.
Wenn es um Mobbing geht, dann geht es nicht nur um Cybermobbing, auf das Sie sich in Ihrem Redebeitrag explizit bezogen haben. Ausgrenzungen, Anfeindungen und körperliche Angriffe passieren tagtäglich in der realen Welt der Schule. Noch viel zu oft stehen die Betroffenen ohne Hilfe da oder werden nicht ernst genommen.
Es gibt – diesbezüglich muss ich, liebe Sabine Friedel, ein bisschen widersprechen – tatsächlich Handlungsbedarf zum Umgang mit Mobbing an sächsischen Schulen; allerdings – das ist ganz klar – leistet der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion weder hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der einreichenden Fraktion noch mit Blick auf die inhaltliche Qualität einen substanziellen Beitrag und wird deshalb von unserer Fraktion abgelehnt.
Ich danke Ihnen.
Also, wahrscheinlich liegt es an der späten Stunde. Ich kann den Ausführungen jetzt echt nicht folgen. Ich weiß nicht, woher das kommt. Ich bin das erste Mal sprachlos. Ich weiß nicht, was ich erwidern soll.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schulen in freier Trägerschaft sind ein fester Bestandteil des sächsischen Schulsystems. Im Schuljahr 2017/2018 besuchte mittlerweile jeder
siebente Schüler eine Schule in freier Trägerschaft, und jede zehnte Grundschule, jede fünfte Oberschule und jedes vierte Gymnasium in Sachsen hat einen freien Träger.
Im Jahr 2013 fällte der Sächsische Verfassungsgerichtshof ein wegweisendes Urteil und präzisierte den Grundsatz der Gleichberechtigung. In dieser Legislaturperiode haben wir diesen Grundsatz an prominenter Stelle sowohl im Sächsischen Schulgesetz als auch im Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft verankert. Dort heißt es: „Schulen in freier Trägerschaft wirken neben den Schulen in öffentlicher Trägerschaft und an ihrer Stelle bei der Erfüllung der allgemeinen öffentlichen Bildungsaufgaben eigenverantwortlich mit. Sie sind gleichermaßen wie Schulen in öffentlicher Trägerschaft Adressaten des Bildungsauftrages der Verfassung des Freistaates Sachsen, ohne dass ein Vorrang der einen oder anderen besteht.“
Wir haben im letzten Jahr eine Große Anfrage zu diesem Thema eingereicht, um zu prüfen, inwieweit dem Grundsatz der Gleichberechtigung Rechnung getragen wird. Das Ergebnis hat uns nicht wirklich überrascht. Die bestehenden Regelungen und die Praxis staatlichen Handelns werden dem in der Verfassung formulierten Grundsatz nicht immer gerecht. Nach wie vor gibt es eine Reihe von Baustellen. Die größte Baustelle ist nach unserer Auffassung nach wie vor die Finanzierung der freien Schulen. Die Personalkosten werden durch den Absenkungsfaktor von 0,9 kleingerechnet. Lehrerinnen und Lehrer an freien Schulen müssen Gehaltseinbußen von 10 % bis 20 % hinnehmen.
Dabei sind Schulen in freier Trägerschaft im gleichen Maße wie Schulen in öffentlicher Trägerschaft vom Lehrermangel betroffen. Die Entscheidung zur Lehrerverbeamtung hat die Einstellungsverfahren weiter erschwert und eine Abwanderung von Lehrkräften in den staatlichen Schuldienst in Gang gesetzt. Abwerbeversuche – so berichten uns Träger – sind keine Seltenheit.
Die freien Schulträger hatten deutlich gemacht: Aufgrund der Situation auf dem Lehrerarbeitsmarkt muss endlich Tarif gezahlt werden. Deshalb, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, fordern wir auch in unserem Entschließungsantrag: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Der Absenkungsfaktor von 0,9 bei der Berechnung der Personalkosten muss endlich der Vergangenheit angehören.
Nicht mehr kostendeckend ist die Situation an den berufsbildenden Förderschulen. Mehr als jeder zweite Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf lernt an einer berufsbildenden Förderschule in freier Trägerschaft. Von knapp 4 000 Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt Lernen werden etwa die Hälfte an berufsbildenden Förderschulen in freier Trägerschaft unterrichtet, zudem alle Schülerinnen und Schüler in den Förderschwerpunkten Hören, Sehen sowie emotionale und soziale Entwicklung.
Im Zuge der Gesetzesnovelle wurde der gesonderte bedarfserhöhende Faktor für diese Schulart gestrichen. Berufsbildende Förderschulen werden heute wie alle anderen berufsbildenden Schulen behandelt. Das ist nach unserer Auffassung nicht sachgerecht und schon gar nicht gerecht.
Wir fordern deshalb, dem erhöhten Finanzbedarf Rechnung zu tragen und einen bedarfserhöhten Faktor von 1,5 für diese Schulart festzusetzen.
Die Sächsische Verfassung hat in Bezug auf freie Schulen eine Besonderheit – darum beneiden uns übrigens viele Bundesländer: Sie formuliert den Anspruch auf finanziellen Ausgleich, soweit Schulen in freier Trägerschaft auf Schul- und Lernmittelgeld verzichten.
Bei der Gesetzesnovelle wurde schlichtweg behauptet, Gründung und Betrieb einer freien Schule seien ohne Schulgeld möglich; allerdings fehlt bis heute ein Beweis für diese These.
Für uns steht fest: Mit der vorhandenen staatlichen Finanzierung können entweder die Lehrerinnen und Lehrer angemessen bezahlt oder auf Schulgeld verzichtet oder notwendige Investitionen getätigt werden – aber nicht alles auf einmal. Wir halten deshalb an unserer Forderung fest, den freien Trägern einen Ausgleich zu zahlen, soweit sie auf Schulgeld verzichten.
Im Handlungsprogramm wurde vereinbart, die für die freien Schulen aus der Lehrerverbeamtung entstehenden Nachteile ohne Zeitverzug auszugleichen. Zwar wurde der zeitliche Bezugsrahmen tatsächlich angepasst, das aber nur, ohne einen entsprechenden Nachteilsausgleich zu leisten. Wir fordern deshalb die unverzügliche Ermittlung und Auszahlung der erhöhten Zuschüsse.
Zusätzlich wollen wir ermöglichen, dass verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer an den staatlichen Schulen auch an freien Schulen zum Einsatz kommen können. Auch das wäre ein Beitrag zur Gleichberechtigung.
Eine weitere Baustelle, die besonderes Augenmerk verdient, ist der Genehmigungsprozess. Das Misstrauen und die Vorurteile gegenüber freien Schulen sind nach wie vor groß. Die Große Anfrage hat gezeigt, dass über 300 Verfahren zur Genehmigung freier Schulen an sächsischen Gerichten anhängig sind. Das Schicksal der Natur- und Umweltschule Dresden war gestern Abend bereits Thema.
Wie uns die freien Schulträger berichtet haben, ist die Verunsicherung nach dieser Geschichte groß. Für die Genehmigung von Grundschulen in freier Trägerschaft muss laut Grundgesetz ein besonderes pädagogisches Interesse nachgewiesen werden. Was das bedeutet, definiert letztlich die Genehmigungsbehörde, also das Landesamt für Schule und Bildung. Dass es dabei, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, zu Interessen- und Zielkonflikten kommt, ist vorprogrammiert. Deshalb fordern wir ein transparentes Genehmigungsverfahren
und eine bessere fachliche und personelle Aufstellung der Schulaufsicht.
Als letzten Punkt bezüglich dieser genannten Baustellen möchte ich folgendes Thema aufgreifen: Ich würde es, sehr vorsichtig gesagt – aber diese Bezeichnung trifft es tatsächlich –, als Mangel an Anerkennung, Wertschätzung und Respekt für freie Schulen bezeichnen. Freie Schulen leisten einen wichtigen Beitrag überall dort, wo sich der Freistaat zum Teil in erheblichem Umfang aus der Verantwortung gezogen hat. So werden neun von zehn angehenden Altenpflegerinnen und drei von vier angehenden Erzieherinnen an Schulen in freier Trägerschaft ausgebildet. Während die Integrationsquote im Schuljahr 2017/2018 an Schulen in öffentlicher Trägerschaft 31,9 % betrug, lag sie an Schulen in freier Trägerschaft bei 47,3 %. Auf der anderen Seite – auch das hat die Große Anfrage ergeben – profitieren Schulen in freier Trägerschaft nicht in gleichem Maße von staatlichen Förderprogrammen, Projekten und Maßnahmen. Ich möchte in diesem Kontext nur an das Thema Schulhausbau und Förderquoten für freie Schulen erinnern, aber auch an das Thema Schulsozialarbeit. Das haben Sie sicherlich alle auf dem Schirm. Die Oberschulen werden in öffentlicher Trägerschaft zu 100 % gefördert. Bei den Schulen in freier Trägerschaft ist das nicht der Fall.
Oft – und das werden wir dann sicherlich auch hören – wird als Argument in die Runde geworfen: gleiche Rechte, gleiche Pflichten, um sozusagen diese unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verkannt wird dabei oft, welche Nachteile sich aus den Strukturvorgaben und der Verwaltungslogik im öffentlichen Schulsystem ergeben. Es wäre doch widersinnig, diese auf die freien Träger zu übertragen und von ihnen das Auskommen mit den schlechteren Bedingungen zu fordern.
Sollten wir nicht besser fragen, was wir von den freien Schulen tatsächlich lernen können, sollen bzw. müssten? Was sollte zum Beispiel in Schulversuchen weiter erprobt und gegebenenfalls ins staatliche Schulsystem übernommen werden?
In zahlreichen Bereichen sind freie Schulen Motoren der Entwicklung. Viele unterrichten zum Beispiel seit Jahren inklusiv und jahrgangsübergreifend. Schulen in öffentlicher Trägerschaft könnten viel stärker vom Know-how und den Erfahrungswerten der Schulen in freier Trägerschaft profitieren. Das wäre ein Gewinn für alle. Hierbei, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, bleiben nach unserer Auffassung zu viele Ressourcen ungenutzt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die bereits eingeleitete Evaluation des Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft soll bis zum Ende des laufenden Schuljahres abgeschlossen werden. Sie sollte genutzt werden, um die genannten Baustellen und weitere anzugehen.
Schulen in freier Trägerschaft sind keine Bittsteller. Sie sind auch keine Störfaktoren. Sie sind gleichberechtigte
Adressaten des staatlichen Bildungsauftrages. Als solche sollten wir sie auch anerkennen und behandeln.
Ich danke Ihnen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. Es folgt die CDU-Fraktion; Frau Firmenich, bitte.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Piwarz! Auch meine Fraktion sieht es so, dass wir beim Thema freie Schulen in Sachsen auf einem guten Weg sind. Aber – und das möchte ich auch an die Adresse meiner sehr verehrten Kollegin Firmenich nochmal sehr deutlich sagen – es ist immer Aufgabe der Opposition gewesen, beim Thema
freie Schulen dafür zu sorgen, dass der verfassungsmäßig garantierte Anspruch auf Gleichbehandlung auch durchgesetzt wird.
Wir haben es in diesem Hohen Haus bereits erlebt, dass das Gesetz das eine ist und das andere, was die Legislative und die Exekutive daraus machen. Insofern nehme ich für meine Fraktion in Anspruch, dass wir anhand der Daten, die uns im Rahmen der Antworten auf diese Große Anfrage zur Verfügung gestellt wurden, viele Fehlstellen ausgemacht haben. Es ist unsere feste Überzeugung, dass es Fehlstellen gibt. Das betrifft die Finanzierung, das habe ich vorhin in meiner Rede zur Großen Anfrage gesagt, und das finden Sie auch im Entschließungsantrag wieder.
Es wäre schon mal ein guter Anfang, liebe Sabine Friedel, das Thema Absenkungsfaktor als etwas zu betrachten, was eigentlich der Vergangenheit angehören müsste; denn es gibt keinen belastbaren Grund, dass man ausgerechnet, wenn es um die Bezahlung der Lehrerinnen und Lehrer geht, sagt, sie sollen per Gesetz weniger bekommen als die Lehrerinnen und Lehrer an Schulen in öffentlicher Trägerschaft.
Was die Schülerkostensätze anbelangt, dass wir diese evaluieren wollen, ist alles richtig. Ich bin aber auch Stadträtin in einer Kommune, in Chemnitz, und habe zum Beispiel – es gibt ja dieses Thema Schlüsselprojekte im Rahmen der Umstellung der Haushalte – einmal angefragt, was denn ein Schüler die Kommune im Jahr kostet. Das sind Zahlen, die überhaupt nicht belastbar sind; sie werden auch nicht komplex erfasst.
Wenn es um die Validität und Belastbarkeit der Schülerkostensätze bei den freien Schulen geht, dann brauchen wie dieses Thema für die Vergleichbarkeit auch an den staatlichen Schulen. Es gibt einfach auch einige Punkte, bei denen wir sagen: Hier gibt es Handlungsbedarf und es ist unser Job – natürlich als Opposition –, das zu machen. Was wir keinesfalls gemacht haben, liebe Frau Firmenich, ist, dass wir das schlechtreden. Deshalb – in unserem Entschließungsantrag die ersten beiden Punkte, der Minister hat es nochmals zitiert – loben wir sozusagen das System. Wir als Opposition möchten, dass das auch erhalten wird, dass dieser große Schatz, den wir mit den freien Schulen haben, auch zum Tragen kommt und sich diese Schulen auch weiterentwickeln können. Deshalb ist unser Entschließungsantrag ein Weg, und ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.
Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hätte unsere Fraktion einen Berichts- und Prüfantrag mit einer solchen Stellungnahme der Staatsregierung zur Abstimmung im Plenum gestellt, hätten Sie ihn mit der Begründung, der Antrag hätte sich erledigt und sei somit überflüssig, abgelehnt. Das wird Sie heute sicherlich nicht davon abhalten, diesen Antrag zur Stärkung der sächsischen Sportschulen zu beschließen.
Natürlich steht meine Fraktion hinter den sächsischen Sportschulen. Das ist unbenommen. Sie sind – das zeigt der Berichtsteil ausführlich – ein wesentliches strukturelles Rückgrat der Talenteförderung in Sachsen. Sie sind mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet und werden – auch das muss man feststellen, und das kenne ich aus meiner praktischen Arbeit vor Ort, Sie sicherlich auch – mit Blick auf den Bildungsweg ihrer Kinder zunehmend für mehr Eltern interessant, weil die Qualität und die Ausstattung an diesen Schulen einfach besser ist.
Die Verwaltungsvorschrift für die Arbeit der sportbetonten Schulen ist die Grundlage für die Möglichkeit, den schulorganisatorischen Ablauf an den Bedarfen der Leistungssportlerinnen und -sportler auszurichten. Das Thema duale Karriere wird – das lesen wir in der Stellungnahme der Staatsregierung – über die Möglichkeit der gedehnten Fachoberschule und die Ausweitung dieses Projektes unterstützt. Das alles sind positive Antworten auf das, was Sie in Ihrem Antrag formulieren.
Auch die Prüfung zur Einrichtung einer Sportfördergruppe bei der sächsischen Staatsverwaltung läuft bereits. Auch dieser Punkt des Antrages ist erledigt. Man könnte heute sagen: Alles easy, wir brauchen diesen Antrag überhaupt nicht.
Trotzdem möchte ich – damit möchte ich mich ausdrücklich auf den Berichtsteil beziehen – auch etwas Kritisches sagen. Mit Blick auf die Bestandsaufnahme zeigt sich nämlich, dass die Koalition nicht bereit ist, sich mit kritischen Fragen zu den sportbetonten Schulen auseinanderzusetzen. So wäre es aus unserer Sicht zum Beispiel notwendig gewesen, die Kosten der Sportschulen detaillierter nachzufragen und sich mit der Kritik, dass heutige Sportschulen teuer und mit Blick auf den sportlichen Erfolg ineffizient wären, auseinanderzusetzen.
Diese Kritik verstummt nicht und hat mit dem Dritten Kinder- und Jugendsportbericht 2015 neue Fahrt aufgenommen. Ich hätte gern über diese kritischen Fragen im Plenum einmal diskutiert. Vielleicht schaffen wir es, dass wir darüber auch im Ausschuss diskutieren. Belastbare Zahlen über die Entwicklung des Verhältnisses zwischen leistungsorientierten Schülerinnen und Schülern und sogenannten talentierten Schülerinnen und Schülern, bei denen klar ist, dass es keine leistungssportliche Spitzenkarriere sein wird, wären interessant gewesen, etwas darüber zu erfahren.
Ich bin Verena Maiwald dankbar dafür, dass sie die Quote zumindest für Altenberg formuliert hat. Wenn ich richtig mitgerechnet habe, kommen auf einen leistungsorientier
ten Schüler drei andere Schüler. Ich glaube, dabei muss man schon einmal fragen: Was wollen wir mit dem System der sportbetonten Schulen erreichen? Ist die Struktur richtig? Oder wo muss man gegebenenfalls etwas ändern? Trifft die Kritik zu, dass, bezogen auf den leistungssportlichen Erfolg, der immer gern an Medaillen, an Titeln bei Europameisterschaften, bei Weltmeisterschaften, bei Olympiaden, bei nationalen Meisterschaften gemessen wird, die sportbetonte Schule oder die Sportschule tatsächlich effizienter ist als bei den Kindern und Jugendlichen, die über den Vereinssport zu Spitzenleistungen gebracht werden?
Das wären Fragen, die uns interessiert hätten. Diese sind leider im Antrag nicht zu finden. Insgesamt – damit möchte ich das, was Verena Maiwald hier festgestellt hat, unterstützen – ist der Antrag halbherzig und wird in der jetzigen Form – das muss klar gesagt werden – dem gestaltenden Anspruch des Titels nicht gerecht. Aus diesem Grund werden wir uns bei diesem Antrag der Stimme enthalten.
Ich danke Ihnen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. Das Wort erhält Frau Kersten. Bitte.
Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Sabine Friedel! Ich möchte zunächst etwas zu Deinem Beitrag sagen. Ich fand schon, dass das sehr vom hohen Ross herunter gesprochen war.
Du hast das überhaupt nicht nötig, so über scheinbar qualitative Mängel von Anträgen der Opposition zu reden. Wir hatten vorhin den Antrag. Über die Qualität haben wir herzlich gelacht. Ich fand das wirklich absolut unangemessen und möchte hier noch einmal meine Kollegin Falken in diesem Kontext verteidigen. Wenn man sich dann lustig macht und sagt, ja, diesen Antrag, darüber könnte man mathematisch-naturwissenschaftlich... das ist doch traurig.
Sich darüber lustig zu machen, das geht überhaupt nicht. Das musste ich, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, hier noch einmal sagen.
Der künstlerische Fachunterricht führt an sächsischen Schulen ein Schattendasein. Das muss man einfach so sagen. Zu oft wird beim Kompetenzniveau genau darauf fokussiert, was sich messen lässt und letztlich Leistung abbildet. Sehr schnell verschwinden die weichen oder die Nebenfächer Kunst und Musik vom Radar. Dabei ist kulturelle Bildung in der Schule – bzw. im engeren Sinne der künstlerische Fachunterricht – Teil einer ganzheitlichen Bildung.
Ich möchte das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst zitieren, das es auf den Punkt gebracht hat: „Es geht darum, über eine rein kognitive Wissensvermittlung hinaus Gestaltungskompetenz zu fördern, im Sinne der
Kernkompetenzen Erkennen – Bewerten – Handeln.“ Nun ist der Antrag der LINKEN tatsächlich älter als zum Beispiel der Beschluss der Staatsregierung zur Kürzung der Stundentafel. Aber es macht sich nicht allein an der Stundentafel fest, in welchem Umfang an den sächsischen Schulen kulturelle Bildung wertgeschätzt wird. Es betrifft auch den deutlich über dem Durchschnitt liegenden Unterrichtsausfall – was auch die Anfrage der Kollegin Falken gezeigt hat –, und es betrifft den Mangel an Fachlehrern in diesen Unterrichtsfächern.
Ich nenne die Zahlen noch einmal: Im Schuljahr 2015/16 – das hat sich seither auch nicht verbessert – hatte ein Viertel der Lehrerinnen und Lehrer an sächsischen Grund- und Oberschulen, die im Musikunterricht eingesetzt waren, keine Ausbildung im Fach Musik. Noch gravierender sind die Lücken im Kunstunterricht. Nur gut die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer, die an Grund- und Oberschulen im Kunstunterricht eingesetzt wurden, hatte eine entsprechende Ausbildung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte keine weiteren Ausführungen über das hinaus machen, was die Kollegin Falken gesagt hat, zum Beispiel das Thema GTA. Wir sind der gleichen Auffassung, dass die Defizite nicht über GTA abzudecken sind. Man kann im Unterricht auch nicht immer, wenn Defizite in der Debatte deutlich gemacht werden, darauf verweisen, dass wir alle eine Verantwortung haben. Dann brauchen wir überhaupt nicht mehr über Unterrichtsabsicherung diskutieren. Nach unserer Auffassung muss im Sinne einer ganzheitlichen Bildung das Ziel sein, einen lebendigen, fachlich guten und modernen Unterricht in den künstlerischen Fächern abzusichern. Dabei sind die Staatsregierung und die staatsregierungstragenden Fraktionen in der Verantwortung. Leider gibt es dazu keine Antwort; deshalb werden wir diesem Antrag der LINKEN zustimmen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Danke schön. Es folgt eine Kurzintervention von Frau Kollegin Friedel.
Ich kann die Entschuldigung schlecht annehmen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Das bezog sich auf Ihren Redebeitrag. Deshalb musste ich Sie fragen. – Meine Damen und Herren! Gibt es weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Herr Sodann, bitte. – Entschuldigung, Frau Kersten, bitte.
Fehlstunden von Schüler(inne)n sächsischer Schulen, die sich in der Unterrichtszeit an den Demos „Fridays for Future“ beteiligt haben
Fragen an die Staatsregierung:
1. In welchen Fällen werden Fehlstunden von Schüler(inne)n sächsischer Schulen, die sich in der Unterrichtszeit an den Demos unter dem Motto „Fridays for Future“ beteiligt haben, als entschuldigt bzw. unentschuldigt gewertet, entsprechend vermerkt und auf (Halbjah- res-)Zeugnissen ausgewiesen?
2. Welche Konsequenzen haben (unentschuldigte) Fehlstunden aufgrund der Teilnahme an den Demonstrationen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Schicksal der Natur- und Umweltschule Dresden deckt wie kein anderer Fall Schwierigkeiten und Defizite im Genehmigungsprozess von Schulen in freier Trägerschaft auf. Zu diesem Schluss muss jeder kommen, der den jahrelangen Gründungsprozess dieser Schule verfolgt und die entsprechende Akteneinsicht vorgenommen hat. Denn was hier passiert ist, wirft nach unserer Auffassung rechtliche und fachpolitische Fragen auf, die mit dem vorliegenden Petitionsbericht leider nur unzureichend beleuchtet, geschweige denn beantwortet werden.
Festzustellen ist: Seit dem Antrag auf Genehmigung zum Schuljahr 2011/2012 war die NUS vor allem eines: nicht gewollt. Der Betrieb wurde über Jahre hinweg nur gedul
det und Bescheide mit teils nicht nachzuvollziehenden Auflagen und Bedingungen versehen. Das Urteil des OVG vom 9. Mai 2018 stellte klar, dass dies keine Nebenbestimmungen im Rechtssinn waren. Vielmehr wurden Voraussetzungen aufgelistet, die die NUS erfüllen sollte, um nach Ansicht der Schulaufsichtsbehörde genehmigungsfähig zu sein bzw. zu werden. Ich möchte ein großes Fragezeichen dahinter setzen, ob das Landesamt für Schule und Bildung – damals noch die Bildungsagentur Dresden – noch in den Grenzen seiner Zuständigkeit agierte.
Richtig ist, dass die Rechtsaufsichtsbehörde die Rechtsaufsicht über die Schulen in freier Trägerschaft hat; die Fachaufsicht obliegt ihr jedoch nicht.
Was aber am schwersten wiegt, ist der Umstand, dass immer wieder in Zweifel gezogen wurde, dass das besondere pädagogische Interesse am Betrieb der Natur- und Umweltschule nicht existieren würde.
Da dieses besondere pädagogische Interesse eine im Grundgesetz verankerte wesentliche Voraussetzung für die Gründung einer Grundschule ist, ist die Auslegung immer wieder Anlass für Streit; denn unklar bleibt, wodurch dieses besondere Interesse bestimmt wird, und vor allem, wer darüber entscheidet. Ein Urteil des BVG aus dem Jahr 1992 gibt dazu einige Anhaltspunkte. Dennoch bleiben für die Schulaufsicht Ermessensspielräume, die sie im Falle des LASuB Dresden offenkundig zum größtmöglichen Nachteil für die NUS benutzt hat. Gerade deshalb fordert die Petition zu Recht – das fehlt im vorliegenden Bericht völlig – zur Kontrolle des Verwaltungshandelns auf.
Auch in Anlehnung an das Urteil des BVG von 1992, das hinsichtlich der Entscheidung über das besondere pädagogische Interesse von wertenden Erkenntnissen spricht, ist es aus unserer Sicht dringend geboten, klare Leitlinien genau darüber zu definieren; denn anders, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist dem Eindruck von Willkür in diesem konkreten Fall nicht entgegenzuwirken.
Ich habe zu dieser Petition Akteneinsicht genommen, und für mich steht fest: Wenn es einen Willen gegeben hätte, dieses wunderbare Schulprojekt, geschätzt von Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Kindern, zu ermöglichen und auf stabile Füße zu stellen, dann hätte es auch einen Weg gegeben.
Dass sich das Kultusministerium in diesem Fall zurückgehalten und als oberste Schulaufsichtsbehörde nicht eingegriffen hat, spricht nach unserer Auffassung Bände. Wir, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – auch deshalb haben wir es heute nochmals thematisiert –, wollen nicht, dass die NUS zum Präzedenzfall für das Verhindern einer freien Grundschule wird. Wir wollen, dass die Geschichte der NUS aufgearbeitet und endlich aus den Fehlern gelernt wird.
Aus diesem Grund haben wir zum vorliegenden Petitionsbericht eine abweichende Meinung zu Protokoll gegeben.
Ich danke Ihnen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Vielen Dank. Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist Kollege Bienst von der CDU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Für eine bewegte Schulzukunft unserer Kinder und Jugendlichen“– auch diese Petition gehört aus Sicht meiner Fraktion heute Abend auf die Tagesordnung. Das begründet sich natürlich aus unserer Perspektive zum einen aus dem völlig berechtigten Anliegen der Petition selbst und zum anderen aus dem nach meiner Auffassung geradezu arroganten Umgang mit dieser Petition.
Kurz zum Inhalt: Die Pläne zur Überarbeitung der Stundentafeln waren nicht gänzlich neu, als im Frühjahr 2018 die Medien darüber berichteten. Neu war jedoch, mit welcher Heftigkeit es gerade die sogenannten persönlichkeitsbildenden, weichen Fächer treffen sollte: Sport, Musik und Kunst. Die Debatte führte zu wenigen Korrekturen. Es gab das Versprechen, alle Fächergruppen gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Im Juni 2018 wurde jedoch deutlich, dass beim Schulsport dennoch über Gebühr gekürzt werden wird. Sowohl an Grundschulen, Klassenstufe 4, als auch an Oberschulen, Klassenstufen 7, 8, 9 und 10, und an Gymnasien, Klassenstufe 7, wird künftig weniger Sport unterrichtet werden. Diese Pläne wurden vom Kabinett beschlossen und werden zum Schuljahr 2019/2020 greifen. So viel zu dem veralteten Satz im Petitionsbericht – der ganze Bericht ist nicht auf der Höhe der Zeit – : „Weitergehende Festlegungen“ – in Klammern: zur Überarbeitung der Stundentafeln – „sind bisher nicht getroffen worden.“
Ich spare mir an dieser Stelle Ausführungen zur allgemeinen Bedeutung des Sports. In Bezug auf den Schulsport möchte ich aber unterstreichen, was die Petentinnen formulieren: Nur Schulsport bewegt alle.
Auch die angekündigte Erhöhung der Mittel für die GTA, also die Ganztagsangebote, wird diese Kürzung nicht kompensieren können, ganz zu schweigen von den fehlenden infrastrukturellen und personellen Bedingungen hinsichtlich zusätzlicher Ganztagsangebote. Das bestätigen auch alle Trainerinnen und Trainer und Sportvereine, mit denen ich in diesem Kontext zum Beispiel in Chemnitz gesprochen habe.
Lange – das muss man dazusagen – war die reguläre dritte Sportstunde in allen Schularten und Klassenstufen tatsächlich ein hart erkämpftes sächsisches Alleinstellungsmerkmal, etwas, auf das wir stolz sein konnten, eine wirklich gute Sache. Diesen Vorteil aufzugeben, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist nach unserer Auffassung ein schwerwiegender Fehler. Deshalb haben wir die Initiative des Sportlehrerverbandes begrüßt und unterstützt.
Mit beherzten und kreativen Aktionen ist es gelungen, innerhalb kurzer Zeit fast 30 000 Unterstützerinnen und Unterstützer zu gewinnen. Ich und andere Kollegen, auch Herr Minister Piwarz, waren bei der Übergabe der Petition dabei. Wir waren eigentlich alle davon beeindruckt, was auf die Beine gestellt wurde, und vor allem von dem breiten Erfolg in der sächsischen Gesellschaft. Gerade deshalb macht es mich fassungslos, wie mit dem Enga
gement und mit der Unterstützung so vieler Menschen für dieses Anliegen umgegangen wird.
Ich habe im Nachgang viele Gespräche mit Sportlehrerinnen und Sportlehrern, aber auch mit Eltern geführt. Alle sagten – ich zitiere es wörtlich –, dass man eigentlich entsetzt darüber sei, wie mit diesem Anliegen, für das so viele Unterschriften gesammelt worden sei, umgegangen werde.
Wenn Kultusminister Piwarz beschwichtigt, bei der Diskussion über Stundenkürzungen gehe es naturgemäß um Befindlichkeiten und daher immer emotional zu – das haben Sie gesagt –, dann verkennt er nach meiner Auffassung die Brisanz des Themas.
Wenn die sportmotorische Ausbildung an den Schulen vernachlässigt wird – das wird sie konsequenterweise; denn GTA ist immer freiwillig und ein Großteil der Kinder wird durch Ganztagssportangebote eben nicht mehr erreicht –, dann hat es langfristige Folgen mit enormen gesamtgesellschaftlichen Kosten. Dann müssten auch bei Krankenkassen, Versicherungen und der Wirtschaft sämtliche Alarmglocken schrillen. Sie haben auch geschrillt; denn nicht nur ich werde Briefe von der IHK und von Wirtschaftsverbänden genau zu diesem Thema bekommen haben. Ich gehe davon aus, dass auch Sie solche Briefe bekommen haben.
Dass der Petitionsbericht veraltet ist – ein Zitat habe ich bereits genannt –, kommt erschwerend hinzu und zeugt nicht eben von Wertschätzung und Sorgfalt gegenüber dem Anliegen der zahlreichen Petentinnen. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: So kann man nach Auffassung unserer Fraktion mit den Leuten in diesem Land nicht umgehen. Wir halten die Ablehnung der Petition für grundfalsch und haben deshalb eine abweichende Meinung zu Protokoll gegeben.
Ich danke Ihnen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Es folgt Kollege Bienst für die CDU-Fraktion, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wippel, ich glaube nicht, dass Ihre Partei dazu geeignet ist, das Leben der Juden in Deutschland sicherer und friedlicher zu machen. Ich möchte nur kurz zitieren, was Franziska Schreiber, die ehemalige Vorsitzende der Jungen Alternativen in Sachsen, in ihrem Buch „Inside AfD“ über Sie geschrieben hat: „In keiner Partei in Deutschland wird Antisemitismus so offen gelebt wie in der AfD.“
Ich glaube nicht, dass die Juden Sie brauchen, um ihre Rechte und ihr Leben in Deutschland zu verteidigen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, dass diese Debatte heute im Sächsischen Landtag stattfindet. Es ist der zentrale Ort der Demokratie in Sachsen, und ich möchte meinen ausdrücklichen Dank an die einreichenden Fraktionen für die Gelegenheit zur heutigen Aktuellen Debatte geben.
Es ist unsere feste Überzeugung, dass Exekutive und Legislative es nicht allein den jüdischen Gemeinden und der Zivilgesellschaft überlassen dürfen, an den Beginn der Novemberpogrome in Sachsen zu erinnern: die offene Gewalt gegen Juden, staatlich inszeniert, aber nicht nur von fanatischen Nationalsozialisten verübt, sondern auch von Menschen, die vordem Nachbarn und friedliche Bürgerinnen und Bürger waren.
Das, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind auch die Parallelen zu heute. Ich erinnere daran, dass morgen, Freitag, am Gedenktag in Chemnitz, Nazis gemeinsam mit sogenannten friedlichen Bürgern gegen Minderheiten und damit gegen die Demokratie auf die Straße gehen.
Daniel Ristau, Historiker und Macher der Ausstellung „Bruchstücke, die Novemberpogrome in Sachsen 1938“, sagt über die historischen Parallelen: „Doch gerade die Pogromgewalt sagt uns heute etwas über das Zusammenleben von Menschen und bleibt deshalb in vielfacher Weise auch in der modernen Gesellschaft anschlussfähig. Sie markiert den Verlust ethisch-moralischer Grundlagen des Miteinanders, stellt einen Höhepunkt der fortschreitenden Ausgrenzung einer Gruppe von Menschen dar und berührt die aktuelle und gesellschaftliche Wertedebatte in vielen Punkten.“
In diesem Kontext stellen wir fest, dass es unerträglich ist, dass im Jahr 2018 in unserem Land, auch in Sachsen, Synagogen, jüdische Kindergärten, jüdische Restaurants, wie das „Schalom“ in Chemnitz, und Gemeindehäuser
von Sicherheitskräften beschützt werden müssen. Es ist unerträglich für uns, dass offen antisemitische Parolen auf Demonstrationen skandiert werden und gegen Israel gehetzt wird.
Zur Antwort auf die Frage, was wir heute tun müssen, gehört deshalb zuallererst, auch jüdisches Leben in seiner Vielfalt zu stärken. Sachsen braucht vielfältiges jüdisches Leben und starke jüdische Gemeinden und Vereine. Wer es ernst damit meint, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, muss auch die entsprechende Unterstützung sichern.
Bereits bei den Debatten zum Staatsvertrag hat unsere Fraktion darauf verwiesen, dass die Finanzierung jüdischer Gemeinden nicht ausreichend ist und jährliche Anpassungsschritte fehlen. Hier hoffen wir, dass den Worten endlich Taten folgen. Gleiches gilt für die Einführung des jüdischen Religionsunterrichts sowie die Umsetzung der Empfehlungen der Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission.
Antisemitismus, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, hat viele Gesichter. Genauso vielfältig müssen die Ansätze zu seiner Bekämpfung sein. Das Thema stärker in den Schulen aufzugreifen ist richtig und wichtig, aber genauso wichtig ist es, das Thema in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern, bei der Polizei und der Justiz zu setzen.
Oft fällt es schwer, Antisemitismus als solchen zu erkennen, zumal dann, wenn er sich gegen den Staat Israel richtet. Ein Beispiel dafür ist die Boykottbewegung BDS. Aus „Kauft nicht bei Juden!“ ist ein „Boykottiert Israel und kauft keine israelischen Waren!“ geworden. Das, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist die gleiche Diffamierung, die gleiche hässliche Sprache, es ist die Sprache des Antisemitismus, und das dürfen wir nicht ignorieren.
Wir GRÜNE, der Landesverband BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat sich gerade zum Thema BDS und Boykott gegen Israel mit einem Beschluss unseres Landesparteitags im Frühjahr dazu positioniert. Ich finde, es würde jeder demokratischen Partei in Sachsen gut zu Gesicht stehen, sich mit dieser aktuellen Form des Antisemitismus auseinanderzusetzen.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe wenige Bemerkungen zu Herrn Wippel. Ob eine Partei antisemitisch ist oder nicht, das macht man nicht an den Worten fest, sondern an ihren Taten. Da haben Sie einiges zu leisten, um Ihre Behauptungen tatsächlich zu stützen. Wir haben daran erhebliche Zweifel. Auch das, was Sie zum Thema muslimischer Antisemitismus gesagt haben – – Man muss ganz klar sagen, dass es für Islamkritiker und Muslimfeinde – dazu rechne ich Sie – einfach ist, alle Flüchtlinge grundsätzlich als Antisemiten zu bezeichnen,
weil – das muss man so sagen – das ein zusätzliches Argument gegen Zuwanderung ist, und in diesem Kontext äußern Sie sich entsprechend.
Ich möchte noch einmal etwas zum Thema rechtsextrem motivierter Antisemitismus und den Problemen sagen, die wir mit den Straftaten haben. Kollegin Köditz ist darauf eingegangen. Natürlich ist das ein Problem. Aber nach meiner Auffassung ist das die Spitze des Eisberges. Das größere Problem, das unsere Gesellschaft hat, ist, dass es über Jahrzehnte hinweg einen latenten Antisemitismus gibt, der in die Mitte der Bevölkerung hineinreicht. Wenn wir, gerade was rassistische Parolen betrifft, heute feststellen müssen, dass sich die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschieben, dann müssen wir beachten – da ist dringendes Handeln geboten –, dass das beim Antisemitismus noch nicht ganz so ist. Insofern sind die Straftaten die Spitze des Eisberges. Das muss man so sagen. Aber was darunter köchelt, ist nach unserer Auffassung viel gefährlicher.
Der Bundestag hat sich in einer gemeinsamen Erklärung Anfang des Jahres in einem fraktionsübergreifenden Antrag zu dem Thema positioniert. Unsere Fraktion möchte für diesen Landtag anregen, dass wir das auch machen, und wir laden Sie herzlich zur Mitarbeit ein.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wendt, Sie haben wieder einmal alles durcheinandergehauen und verschiedene Rechtsgrundlagen verwechselt. Aber das sind wir gewohnt. Insofern will ich nicht näher darauf eingehen. Ich möchte mich lieber mit dem Antrag befassen.
Meiner Fraktion, das muss ich ehrlich zugeben, war beim erstmaligen Lesen dieses Antrages auch nicht ganz so klar, wohin dieser Antrag eigentlich soll, was also das Ziel dieses Antrages ist. Wir wissen natürlich – das wurde hier auch schon gesagt –, dass es hier im Sächsischen Landtag im Jahr 2015 eine große Übereinstimmung gab, als wir diese Wegweiserkurse bzw. Erstorientierungskurse eingeführt haben.
Diese Kurse richten sich an eine spezielle Zielgruppe. Das muss man klar benennen: Es geht um Asylsuchende, die keinen Zugang zu Integrationskursen haben und eben
nicht aus einem sicheren Herkunftsland kommen. Das ist an dieser Stelle wichtig.
Meine Fraktion steht ohne Wenn und Aber zu diesen Erstorientierungskursen.
Was man aus diesem Antrag und seiner Begründung herausliest, ist das Thema der Unzufriedenheit mit den Teilnehmerzahlen. Wir konnten heute in der „Morgenpost“ in Dresden mittelgroß aufgemacht lesen, dass es diese Unzufriedenheit gibt.
Ich schließe mich Kollegin Nagel an. Mit Blick auf die Zielgruppe muss man bedenken, dass diese Menschen, wenn sie sich in der Erstaufnahmeeinrichtung aufhalten, eigentlich völlig andere Probleme haben. Sie sind zum Teil in einer Situation, in der komplizierte Asylverfahren bevorstehen. Es fehlt an Informationen. Viele von ihnen sind traumatisiert.
Das Thema Kinderbetreuung hat durchaus eine Rolle gespielt. Insofern freuen wir uns, dass es demnächst, wie wir aus der Stellungnahme der Staatsministerin entnehmen konnten, in allen Erstaufnahmeeinrichtungen die entsprechende Kinderbetreuung gibt. Die Frauen spielen eine ganz wichtige Rolle, wenn es um das Ankommen in der Gesellschaft geht. Deshalb ist es wichtig, dass die Frauen an diesen Erstorientierungskursen teilnehmen können.
Das Zweite, was in dem Antrag und vor allem in der Begründung eine Rolle spielt, ist die Frage der Motivation. Wie kann man die Motivation erhöhen, an diesen Kursen teilzunehmen? Dazu muss ich Ihnen ganz klar sagen – das ist auch der Grund für die Enthaltung meiner Fraktion zu diesem Antrag –: Wer hier ein Obligo fordert, also die Pflicht, an diesen Erstorientierungskursen teilzunehmen, verstößt unserer Auffassung nach nicht nur gegen das Gesetz, sondern – das muss ich wirklich sagen – er macht sich dann lächerlich, wenn es ihm nicht gelingt, das Recht auf Bildung, das Kindern entsprechend der UN-Kinderrechtskonvention zusteht, für die Kinder in den Erstaufnahmeeinrichtungen durchzusetzen, er aber gleichzeitig eine De-facto-Schulpflicht für die Erwachsenen fordert. – So viel vielleicht zu diesem Antrag.
Allen, die dazu etwas nachlesen wollen, möchte ich sagen, dass es im Oktober, eingeladen durch das BAMF, ein Vernetzungstreffen gegeben hat. Dort wurde eine sehr positive Bilanz dieser Erstorientierungskurse gezogen.
Zur Frage der Evaluierung: Natürlich kann man immer etwas besser machen. Aber erstens werden die Erstorientierungskurse in Sachsen begleitet. Wir konnten im Anhang der Stellungnahme etwas von ARBEIT UND LEBEN finden. Aber es gibt eben auch eine Evaluierung, die im Auftrag des BAMF durchgeführt wird. Insofern sind wir ganz zufrieden.
Ich sage es noch einmal: Wir enthalten uns, weil diese Obligoforderung nicht aus dem Antrag herausgenommen wurde.
Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Auch meine Fraktion lehnt diesen Änderungsantrag ab. In vielem schließe ich mich Frau Pfeil-Zabel an.
Als ich den Änderungsantrag heute früh durchgelesen habe – das muss ich ehrlich sagen, Herr Wurlitzer –, ist mir sofort ein Wort in den Kopf geschossen. Dieser Antrag hat mich an etwas erinnert, das es eigentlich vor 70, 80 Jahren gab: Man nannte es damals „Ariernachweis“. Ich fand das ganze Ding arg mit diesem Duktus versehen.
Damit machen Sie deutlich, für welche Ideologie Sie letztendlich stehen: Werte des Grundgesetzes, Werte des Zusammenlebens an die Herkunft zu binden und sie daran festzumachen. Das lehnen wir von Grund auf ab.
Danke.
(Beifall bei den GRÜNEN – Uwe Wurlitzer, fraktionslos: Vielleicht haben Sie einen verkehrten Änderungsantrag gelesen? Nichts von dem, was Sie gesagt haben, steht dort drin!)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in Sachsen in einer Gesellschaft, die gekennzeichnet ist von Vielfalt in Herkunft, Sprache, Religion und kulturellem Hintergrund. In Zahlen heißt das: Im Freistaat Sachsen leben derzeit circa 200 000 Menschen mit Migrationshintergrund. Das entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von rund 7,2 %.
Menschen mit Migrationshintergrund verfügen aber in Bezug auf Bildungserfolge, Ausbildungs- und Erwerbsbeteiligung sowie das gesellschaftliche Leben erkennbar noch nicht über die gleiche Teilhabe. Integration kann jedoch nur dort gelingen, wo es umfassende Teilhabemöglichkeiten zum Mitmachen und Gestalten des eigenen Lebensumfeldes gibt.
Laut dem Jahresbericht der Bundesagentur für Arbeit arbeiteten im Jahr 2017 in der öffentlichen Verwaltung in Sachsen circa 94 300 Deutsche, aber nur 325 Ausländer. In Kindertagesstätten und Schulen ist der Anteil ähnlich gering. So arbeiten in Kindergärten rund 15 200 Deutsche
und 183 Ausländer. In Schulen ist das Verhältnis ähnlich: Circa 33 220 Deutschen stehen 636 Ausländer gegenüber.
Die Stimmen und Anliegen von Menschen mit Migrationshintergrund sind im Freistaat Sachsen nur wenig bis gar nicht in demokratische Prozesse eingebunden. Angesichts dieser Befunde können teilhabefördernde und diskriminierungssensible Strukturen, Verfahren und
Verhaltensweisen einen Beitrag dazu leisten, die beschriebenen Ungleichheiten zu beseitigen.
Integration ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, und sie braucht Leitplanken, um gelingen zu können. Genau das will dieses Gesetz bewirken. Wir brauchen in Sachsen ein Teilhabe- und Integrationsgesetz.
Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Anfang 2018 erarbeitetes Gutachten des Zentrums für Integrationsstudien der Technischen Universität Dresden, welche das Sächsische Ministerium für Gleichstellung und Integration in Auftrag gegeben hat.
Danach sei der politische Handlungsbedarf dringlich. Dies zeige sich auch mit Blick auf die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen sowie antidemokratischer Strömungen, die den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden. Anstrengungen im Bereich Integration seien daher
nicht nur vonseiten der Zuwanderer und Personen mit Migrationshintergrund zu erwarten, auch die Aufnahmegesellschaft und die Politik seien gefragt.
Das sehen wir auch so. Das Staatsministerium für Gleichstellung und Integration hat jedoch bisher lediglich ein neues Zuwanderungs- und Integrationskonzept erarbeitet. Das finden wir vom Grundsatz her begrüßenswert, aber nach unserer Auffassung braucht es mehr. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wie Baden-Württemberg, Berlin und Nordrhein-Westfalen, gibt es bisher in Sachsen kein Gesetz, das die Teilhabe von Migrantinnen und Migranten verbessert und zum Abbau von Benachteiligung beitragen kann. Auch in Schleswig-Holstein wird gerade vom Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration – das im Übrigen CDU-geführt ist – ein solches Gesetz erarbeitet.
Dabei gibt es in Sachsen eine gesetzgeberische Tradition zur Verbesserung der Teilhabe spezifischer Gruppen, so zum Beispiel für Menschen mit Behinderung das Sächsische Integrationsgesetz oder für im öffentlichen Dienst beschäftigte Frauen das Sächsische Frauenförderungsgesetz. Mit dem Gesetz wollen wir eine verbindliche Rechtsgrundlage für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in allen wesentlichen Bereichen der Gesellschaft schaffen: in Kita, Schule, Beruf, in Verwaltung und Politik.
So sieht der Gesetzentwurf die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung sowie den Erwerb interkultureller Kompetenz vor. Bisher fehlte es hier an aufeinander abgestimmten Konzepten. Das heißt, der Erwerb von interkultureller Kompetenz soll durch Fortbildungsangebote und Qualifizierungsmaßnahmen für alle Beschäftigten sichergestellt werden. Bei Stellenausschreibungen ist nach unserem Gesetzentwurf verpflichtend darauf hinzuweisen, dass Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund ausdrücklich erwünscht sind.
Weiterhin sieht der Gesetzentwurf als Möglichkeit der politischen Teilhabe auf Landesebene einen Beirat für Migration und Integration vor. Damit wird erstmals eine rechtliche Grundlage geschaffen, die die Zusammensetzung, die Aufgaben und Befugnisse der Mitglieder eines solchen Beirates regelt. Bisher gibt es den Beirat für Migration und Integration, welcher nur das Staatsministerium für Integration und Gleichstellung berät. Die Zusammensetzung der Mitglieder ist bisher nicht verbindlich geregelt. Das wollen wir ändern.
Durch den Beirat besteht die Möglichkeit, Entscheidungsträger, wie zum Beispiel uns, den Sächsischen Landtag, unser Landesparlament, durch eine repräsentative Vertretung über Standpunkte und Bedürfnisse von Zuwanderern zu informieren. Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderung tut dies schon auf einem anderen Gebiet. Die Teilhabe an politischen Entscheidungen und Prozessen ist – neben Bildung und Arbeit – wichtig für die Integration.
An dieser Stelle möchte ich kurz auf den ebenfalls von den GRÜNEN vorgelegten Gesetzentwurf zur Einführung
des Kommunalwahlrechts hinweisen. Mit diesem fordern wir eine Rechtsgrundlage für die aktive und passive Teilnahme an den Kommunalwahlen für dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer aus Nicht-EU-Staaten; denn nach unserer Auffassung ist das Wahlrecht das wichtigste demokratische Mittel für die direkte Mitgestaltung des Zusammenlebens. Unser Teilhabegesetz bekräftigt daher auch die herausragende Bedeutung der Einbürgerung für den Integrationsprozess und hebt hervor, dass die Einbürgerung hier lebender Ausländerinnen und Ausländer Landesinteresse ist.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch die Teilhabemöglichkeiten im Bildungsbereich, in Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen, sollen verbessert werden. Menschen mit Migrationshintergrund sollen in den entsprechenden Gremien als beratende Mitglieder stärker als bisher beteiligt werden. Diese Gremien sind etwa der Landesbildungsrat oder der Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderung.
Alle fünf Jahre, so sieht es unser Gesetzentwurf vor, soll dem Landtag ein Bericht zur Lage von Menschen mit Migrationshintergrund im Freistaat Sachsen vorgelegt werden. Außerdem – das ist besonders wichtig – sollen unter anderem die bestehenden Feiertage um muslimische und jüdische Feiertage ergänzt werden, damit auch Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Beschäftigte muslimischen oder jüdischen Glaubens das Recht haben, von Unterricht, Ausbildung oder Arbeit freigestellt zu werden. Auch – dies spielt ebenfalls eine Rolle bei der Integration – soll das Bestattungsrecht so angepasst werden, dass Bestattungen auch nach muslimischem Recht möglich werden.