Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 67. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags. Gleich zu Beginn gratuliere ich ganz herzlich unseren Kollegen Geert Mackenroth und Lars Rohwer zum Geburtstag.

(Beifall des ganzen Hauses)

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Lehmann, Frau Köpping, Frau Klotzbücher, Frau Dr. Maicher und Frau Dr. Petry.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 3 und 5 bis 9 festgelegt: CDU 90 Minuten, DIE LINKE 60 Minuten, SPD 48 Minuten, AfD 30 Minuten, GRÜNE 30 Minuten, Fraktionslose je MdL 4 Minuten und Staatsregierung 60 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 11, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Meine Damen und Herren! Ein als dringlich bezeichneter Antrag der Fraktion DIE LINKE liegt Ihnen in Drucksache 6/12254 vor mit dem Titel: „Landesoffensive zur Finanzierung der Integrationsleistung der Städte und Gemeinden jetzt – Keine Zuzugsverbote für geflüchtete Menschen zulassen!“

Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit dieses Antrags festzustellen. Der Antrag müsste in diesem Fall noch in dieser Sitzung abschließend behandelt werden. Die Voraussetzung für die Dringlichkeitserklärung ist, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung des Landtags über den Antrag nicht mehr erreichbar ist.

Ich bitte jetzt die einbringende Fraktion um die Begründung der Dringlichkeit. Frau Dr. Pinka, Sie begründen jetzt die Dringlichkeit des Antrags.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Mackenroth, von mir aus alles erdenklich Gute für Sie zum Geburtstag!

Wie Sie wissen, steht heute Nachmittag auf der Tagesordnung des Freiberger Stadtrates ein Beschluss zur Beantragung einer negativen Wohnsitzauflage für das Stadtgebiet Freiberg durch Erlass des Freistaates Sachsen im Rahmen der Förderung einer nachhaltigen Integration von Ausländern in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 12 a Abs. 4 und 9 des Aufenthaltsgesetzes, befristet bis zum 31. Dezember 2019.

Der Oberbürgermeister führt damit den Stadtrat zu einer rechtswidrigen und unzulässigen Entscheidung. Nicht nur unsere Fraktion, sondern auch der Innenminister

Prof. Wöller ist der Auffassung, dass es keine gesetzliche Grundlage für einen derartigen Antrag der Stadt Freiberg bzw. für den begehrten Erlass einer solchen negativen Wohnsitzauflage gibt.

(Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller: Stimmt nicht!)

Sie würde auf eine pauschale, einen unbestimmten Personenkreis treffende und faktisch flächendeckende Zuzugsbeschränkung für geflüchtete Menschen hinauslaufen.

(André Barth, AfD: Spricht nicht zur Dringlichkeit!)

Schon jetzt sorgt der rechte Rand dafür, dass weitere Städte nachziehen.

Im Fall Freiberg vermag Frau Integrationsministerin Köpping offenbar erst nächste Woche zwischen Oberbürgermeister Krüger und Mittelsachsens Landrat Damm zu schlichten. Die Stadt Freiberg und nicht nur sie braucht dringend Unterstützung und noch heute eine Diskussion über unseren Antrag, um ihre Integrationsleistungen für Flüchtlinge erbringen zu können. Es scheint sich um einen Hilferuf zu handeln, weil es offenbar an finanzieller, organisatorischer und personeller Unterstützung fehlt, und zwar von der Staatsregierung und vom Landratsamt Mittelsachsen, unbeschadet unserer kritischen Bewertung der Form dieses Hilferufes.

Die Dringlichkeit des Antrags begründet sich nach § 53 unserer Geschäftsordnung, weil die Tagesordnung des Stadtrats Freiberg erst nach der regulären Frist für die Behandlung von Anträgen bekannt geworden ist.

Sie können heute aus diesem Hohen Haus gemeinsam mit dem Sächsischen Ausländerbeauftragten das Signal senden, dass im Freistaat Sachsen absehbar keinerlei auf das Gebiet einer Stadt oder einer Gemeinde bezogene sogenannte Zuzugsverbote zugelassen werden. Sie können unmittelbar dem Stadtrat in Freiberg anzeigen, dass Sie die gebotene organisatorische und personelle Unterstützung gewähren wollen oder einen kommunalen Sonderfinanzierungsbedarf der Stadt Freiberg aus Landesmitteln zuweisen werden. Nicht zuletzt geht es um eine Aufforderung der Rechts- und Fachaufsicht, Landrat Damm zu drängen, endlich ein dezentrales Unterbringungskonzept für Mittelsachsen vorzulegen, damit Freiberg entlastet wird.

Lassen Sie bitte meine Heimatstadt nicht im Regen stehen. Folgen Sie unserer Begründung der Dringlichkeit, auch wenn die Stadtratssitzung erst in wenigen Stunden entscheiden wird.

Lassen Sie ehrenamtlich arbeitende Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker nichts Widerrechtliches beschließen. Lassen Sie unsere Berg- und Universitätsstadt Freiberg nicht zum Gespött werden. Diese Stadt ist

im Grundsatz eigentlich weltoffen, tolerant und liebenswert.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war die einbringende Fraktion. Jetzt nehmen die anderen Fraktionen zur Dringlichkeit des Antrags Stellung. – Zuerst waren Sie am Mikrofon. Bitte, Herr Kollege Barth, für die AfDFraktion.

Danke, Herr Präsident. – Also, wenn man Dringlichkeit vorträgt, dann muss man alle Tatsachen glaubhaft machen, sprachlich, um die Dringlichkeit zu begründen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Oder zuhören!)

Ich habe genau zugehört. Frau Pinka hat gesagt, die Tagesordnung im Stadtrat Freiberg ist nach der Frist im Landtag, also nach 12 Uhr in der letzten Woche, was unsere Frist ist, verschickt worden. Sie hat aber kein Datum genannt. Wir können in keiner Art und Weise prüfen, ob formell ein dringlicher Antrag vorliegt.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Da können Sie ja mal nachschauen oder mal lesen!)

Sie haben einfach nicht substanziiert ins Blaue hinein eine Behauptung aufgestellt.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sie müssen wohl alles vorgekaut kriegen oder was! Meine Güte!)

Das war die AfDFraktion. Jetzt kommt als Nächstes Herr Kollege Dr. Meyer für die CDU-Fraktion zum Zug.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch ausschließlich auf die Dringlichkeit eingehen, die aus Sicht unserer Fraktion nicht gegeben ist. Zum einen ist das Thema Integration von Flüchtlingen kein neues Thema. Es hat dieses Hohe Haus schon öfter bewegt und wird es auch weiter bewegen, wenn wir über die Inhalte sprechen.

Was das Thema Dringlichkeit angeht, sprechen wir aber fiktiv über einen Stadtrat, der heute Abend tagt, der noch keine Beschlüsse gefasst hat.

Die Zuständigkeit des Landtags ist aus unserer Sicht auch nicht gegeben, weil zunächst einmal, selbst nach Beschlussfassung, die Rechtsaufsicht des Landkreises zuständig wäre, darüber zu befinden, und im Zweifelsfall erst dann das Staatsministerium des Innern bzw. der Sächsische Landtag damit zu befassen wäre. Wir können keine Dringlichkeit der Befassung feststellen und werden diese Dringlichkeit auch nicht mit Beschluss goutieren.

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Meyer. – Jetzt als Nächstes Frau Kollegin Neukirch für die SPD-Fraktion.

Ich möchte für die SPDFraktion drei Gründe nennen, warum wir die Dringlich

keit ablehnen. Erstens. Die Situation in Freiberg ist nicht neu. Es ist schon gesagt worden, der Bürgermeister macht seit Langem auf die Situation im Landkreis aufmerksam. Es ist auch schon Ministerin Köpping unterwegs, um sich um die Probleme zu kümmern.

Ganz klar: Die Kommunen im Freistaat müssen in der Lage sein, damit Integration gelingen kann, vor Ort gestalten zu können. Dafür brauchen sie Unterstützung.

Die im Antrag genannte Landesoffensive ist aus unserer Sicht jedoch nicht dringlich. Es hätte im üblichen parlamentarischen Verfahren beantragt werden können und kann im üblichen parlamentarischen Verfahren auch weiterhin beantragt werden.

Der unter Abschnitt I Punkt 1 des Antrags genannte, die Dringlichkeit begründende Antrag der Stadt Freiberg heute ist noch gar nicht gestellt worden. Insofern ist es offen, ob überhaupt etwas und was genau beantragt wird.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Fest steht auch – das begründen die LINKEN in ihrem Antrag selbst –, dass die Zulässigkeit eines solchen Antrags enorm fraglich wäre. Von daher begründet eine Spekulation, wie es der Kollege Meyer sagte, aus unserer Sicht auch keine Dringlichkeit im Sinne der Geschäftsordnung des Landtags.

Und zum Dritten. Wenn der Antrag der Stadt Freiberg heute so erfolgen sollte, dann ist zuallererst der Adressat der Landkreis, der eine Prüffrist vorgeben wird, in der die rechtliche Zulässigkeit geprüft wird. Im Rahmen dieser Prüffrist wiederum ist aus unserer Sicht ein normal übliches parlamentarisches Verfahren möglich, sodass über weitere Konsequenzen vonseiten des Landtags im üblichen Verfahren gesprochen werden kann.

Wir sehen ein inhaltlich sehr wichtiges Anliegen, jedoch ist aus diesen drei Gründen das Instrument eines Dringlichen Antrags aus unserer Sicht mit der Geschäftsordnung nicht gegeben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Neukirch. Jetzt positioniert sich Herr Kollege Lippmann für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion hält den Antrag durchaus für dringlich, auch wenn sie ihn materiell in nicht unerheblichen Teilen nicht für sinnvoll erachtet, aber das ist aus unserer Sicht nicht Gegenstand von Dringlichkeitserwägungen.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Er ist unumstritten dringlich, weil nach der Frist für die Einreichung der Anträge erst das Ereignis entstanden ist, auf den er sich bezieht. Insoweit bin ich etwas verwundert, Herr Barth; man kann sich ja auch mal intellektuell selber mit diesen Fragen beschäftigen.

(André Barth, AfD: Das ist alles vorgetragen!)

Nirgendwo steht in der Geschäftsordnung, dass man hier substanziiert jedes Datum vortragen muss. Sie sind doch in der Lage, Google zu bedienen, hoffe ich zumindest, obwohl bei der AfD und dem Internet ist es bekanntermaßen so eine Sache.