Valentin Lippmann

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren hier nicht über das Ergebnis irgendeines Untersuchungsausschusses. Es geht nicht darum, die Fragen zu bewerten, ob eine Regierung beispielsweise im Umgang mit Geld oder bei der Ausführung von Amtsgeschäften schwere Fehler gemacht hat, was schlimm genug wäre. Es geht darum, mit zu klären, warum ein Terrornetzwerk in Deutschland vor den Augen der Sicherheitsbehörden über ein Jahrzehnt insgesamt zehn Menschen ermorden konnte, ohne dass dies gestoppt wurde.
Das sind wir den Opfern, ihren Angehörigen und allen Menschen in diesem Land schuldig, die weiterhin und gerade in Anbetracht der gesellschaftlichen Entwicklung und der jüngsten rechtsextremen Gewalttaten diesbezüglich berechtigte Fragen haben.
Es bleibt nach diesem von LINKEN und GRÜNEN eingesetzten zweiten Untersuchungsausschuss zum NSU in Sachsen zu konstatieren: Auch nach nunmehr in Summe sechs Jahren der Aufklärung bleibt das beklemmende Gefühl zurück, der Wahrheit zwar ein großes Stück näher gekommen zu sein, aber immer noch nicht alles zweifelsfrei geklärt haben zu können. Dennoch zeichnet sich nach 43 Sitzungen, 70 Zeuginnen und Zeugen und 1 572 Aktenordnern und einer im Großen und Ganzen sehr sachlichen und kollegialen Arbeit im Ausschuss ein Bild, warum der NSU gerade in Sachsen seinen Rückzugsraum hatte und warum die Behörden es hier nicht vermochten, diesen zu enttarnen.
Wir GRÜNEN bedauern zutiefst, dass es nicht gelungen ist, die abscheulichen Taten des NSU frühzeitig zu unterbinden. Das wäre nach Auffassung unserer Fraktion möglich gewesen. Das ist auch die Feststellung, die wir gemeinsam mit den LINKEN in einem umfassenden abweichenden Votum zum Abschlussbericht treffen, der auch die Ergebnisse des ersten NSU-Ausschusses berücksichtigt. Auf die wichtigsten Punkte möchte ich kurz eingehen.
Erstens. Es gab keine eigenen Ermittlungen sächsischer Behörden. Sächsische Behörden hätten aufgrund eigener Zuständigkeiten nach dem Trio fahnden können und müssen. Die Chancen, die gesuchten drei zu finden und
damit die Mordserie zu verhindern, wären in der Folge deutlich höher gewesen, wenn dies erfolgt wäre.
Die Polizei hat sich – von Ermittlungen zu Raubüberfällen und einigen positiven Beispielen der Eigeninitiative mal abgesehen – nicht proaktiv an der Suche nach dem Trio aus Jena in Sachsen beteiligt, obwohl es mehr als nur einen einzigen Anhaltspunkt gab, dass sich die Gesuchten Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in Sachsen aufhielten. Die einzelnen Ermittlungsunterstützungsleistungen, die aus Thüringen bis 2003 sporadisch abgefordert wurden, wurden ohne nennenswerten Erfolg für das Auffinden des Trios von den sächsischen Behörden eher abgearbeitet.
Gleiches gilt für das Landesamt für Verfassungsschutz, das die Bitte der Thüringer, die Suche nach dem Trio in eigener Zuständigkeit zu übernehmen, abgelehnt hatte. Ihm lag zudem noch die Erkenntnis vor, dass das Trio auf der Suche nach Waffen sei und einen weiteren Überfall plane. Dieses Wissen und die Gefährlichkeit der Gesuchten wurde aus fadenscheinigen Gründen nicht an die sächsische Polizei weitergegeben, gleichwohl aber für die Beantragung von G10-Maßnahmen genutzt. Selbst verantwortlichen Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz, die im Jahr 2000 Observationen unter dem Namen „Terzet“ einleiteten, fehlten wesentliche Erkenntnisse aus diesen sogenannten Piatto-Hinweisen.
Zweitens. Rechtsextremer Terror wurde in Sachsen für undenkbar gehalten. Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Untersuchung, dass Sachsen offenbar der perfekte Ort gewesen war, um als Rechtsterrorist unterzutauchen, da alle in Sachsen agierenden Behörden, Amtsträgerinnen und -träger und kommunalen Verantwortungsträgerinnen und -träger es für undenkbar hielten, dass sich rechtsterroristische Mörderinnen und Mörder ihren Rückzugsraum in Sachsen überhaupt suchen könnten. Man hatte sich schlicht nicht vorstellen können, dass untergetauchte Neonazis morden, ihren Lebensunterhalt mit Banküberfällen bestreiten und beim Untertauchen auf ein dichtes Netzwerk an Unterstützerinnen und Unterstützern zurückgreifen können. Wäre dies anders gewesen, wären wohl die Ermittlungen in Sachsen anders verlaufen.
Dass dieses Ausmaß an rechtsterroristischen Bestrebungen auch bei Polizei, Verfassungsschutz und in der Politik für undenkbar gehalten wurde, findet seine Grundlage darin, dass Rechtsextremismus gerade in Sachsen über Jahrzehnte unterschätzt, gar ignoriert, zumindest aber regelmäßig bagatellisiert wurde. Beim Landesamt für Verfassungsschutz war man ab dem Jahr 2000 der Auffassung, Rechtsterrorismus existiere nicht. Bei der Polizei fehlte spätestens nach der personellen Amputation der Soko „Rex“ ab dem Jahr 1998 der Blick für größere Zusammenhänge. So wurde bei laufenden Ermittlungen etwa im Blood-and-Honour-Umfeld die Suche nach dem Trio nicht mal berücksichtigt.
Erschreckend in diesem Zusammenhang war für mich die Vernehmung des Bürgermeisters von Johanngeorgenstadt. Dort ist eine Ignoranz gegenüber gefestigten lokalen rechtsextremen Strukturen zutage getreten, die ein erheb
liches Problem in Sachsen darstellte und bis heute darstellt. Die Gefährlichkeit rechtsextremer Strukturen in Sachsen wurde über Jahre auf nahezu allen staatlichen Ebenen und vor allen Dingen auf der kommunalen Ebene unterschätzt, und an diesem Befund, werte Kolleginnen und Kollegen, dürfte sich leider bis heute nichts geändert haben.
Dritte Feststellung. Auch das behördliche Handeln nach der Selbstenttarnung des NSU war von unbeteiligter Nachlässigkeit geprägt. Die Grenzen vom Dolus eventualis und grober Fahrlässigkeit waren dabei fließend.
Ein Schwerpunkt der GRÜNEN in diesem Untersuchungsausschuss lag darauf, die Fragen zu klären, was nach der Selbstenttarnung des NSU insbesondere mit den Akten passiert ist. Eine gezielte Aktenvernichtung konnte der NSU-Untersuchungsausschuss zwar nicht feststellen, jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass bis zur Anordnung der Vernichtungsverbote ab Mitte 2012 Akten mit NSU-Bezug vernichtet wurden. Jedenfalls löschte das Landesamt noch in den ersten sieben Monaten munter weiter. Ob darunter Akten oder Daten mit NSU-Bezug waren, konnte durch den NSU-Untersuchungsausschuss nicht mehr festgestellt werden.
Wir mussten teilweise feststellen, dass beispielsweise Lagefilme der Polizei in Zwickau offensichtlich in Unkenntnis des Vernichtungsstopps nach zwei Jahren regulär gelöscht wurden. Hinzu kam, dass das Löschmoratorium des Justizministeriums nur die Bereiche „Rechts- und Ausländerfeindlich“ umfasste, nicht jedoch Banküberfälle, sodass in einigen Bereichen der Strafverfolgung nicht auszuschließen ist, dass schlussendlich doch Akten mit NSU-Bezug in regulären Löschzyklen vernichtet wurden. Zudem hatten Zeugen, die von der Staatsregierung eigentlich als Verantwortliche für die Umsetzung des Löschmoratoriums benannt wurden, entweder davon keine Kenntnis oder sie meinten, es beträfe ihren Bereich nicht.
Aus diesen vorgenannten Feststellungen ergibt sich ein Mosaik des Scheiterns bei der Suche nach dem Trio. Es war die organisierte Verantwortungslosigkeit, die fehlende Kompetenz, die Unbeständigkeit und das Desinteresse beim Landesamt für Verfassungsschutz, was dazu führte, dass der NSU nicht gefunden werden konnte. Trotz konkreter Hinweise zur Gefährlichkeit des NSU und begangener Straftaten verharrte es in seiner geheimdienstlichen Kleinstaaterei und blieb auf seinem Wissen zum Schutz fragwürdiger Quellen sitzen.
Es waren sächsische Polizistinnen und Polizisten, die viel zu sehr ihren Dienst nach Vorschrift gemacht haben und daher nicht in der Lage waren, über den jeweiligen Tellerrand ihrer Ermittlungen hinaus zu blicken und in größeren Zusammenhängen zu denken, wie es aus heutiger Sicht wünschenswert gewesen wäre. Es war die Ignoranz und ein falsches Verständnis gegenüber Rechtsextremen in Sachsen, die eine Situation geschaffen haben, dass rechtsterroristische Mörderinnen und Mörder in
Sachsen Rückzugs- und Ruheraum mit einem dichten Unterstützernetzwerk fanden.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Spätestens jetzt, mit Vorlage dieses Berichtes, ist es notwendig, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Nach der Enttarnung des NSU gaben nahezu alle politisch Verantwortlichen ein Versprechen ab, dass sich so etwas nie wiederholen dürfe. Dieses Versprechen konnte in Sachsen schon in den letzten Jahren nicht erfüllt werden. Erneut haben wir erleben müssen, wie mit der „Gruppe Freital“ unter den Augen der Behörden und einem ähnlichen Versagen wie beim NSU in Sachsen eine neue Terrorgruppe entstand. Es war letztendlich schlichtes Glück, dass es dieser Gruppe nicht gelang, Menschen zu töten, und dass wir es nicht mit demselben Ausmaß wie beim NSU zu tun haben.
Wir haben erneut erleben müssen, dass rechtsextreme Gewalt bagatellisiert oder ignoriert wurde, teilweise auch von der Staatsregierung. Wer nach wie vor nicht sehen will, wie stark vernetzt die rechte Szene ist und wie gut verankert sie ist, riskiert, neue Rückzugsräume für jene rechtsextremen Netzwerke zu schaffen, die man vorgibt zerschlagen zu wollen. Wir haben erneut erleben müssen, wie ausgerechnet der Verfassungsschutz zu einer der größten Hypotheken im Kampf gegen den Rechtsextremismus geworden ist.
Wer weiterhin stets überrascht ist, wenn etwas passiert, kaum luzide Kenntnis über die rechtsextremen Strukturen in Sachsen hat oder selbst vorhandenes Wissen nicht weitergibt, wenn es notwendig ist, hat aus unserer Sicht seine Daseinsberechtigung verloren.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Die einsetzenden Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE
LINKE haben im Ergebnis der Untersuchung 46 Empfehlungen formuliert, die sich für die Politik und für die Gesellschaft auf ein paar grundsätzliche Merksätze zusammenfassen lassen können.
Schaut hin! Widersprecht! Stellt euch jeder Form von Rassismus, Diskriminierung und Menschenverachtung entgegen! Dies gilt nicht nur in Parlamenten. Dies gilt auf den Straßen, in Behörden, an Stammtischen und in den Familien. Denn aus Worten des Hasses folgen Taten, die Menschen das Leben kosten und unsere gesellschaftliche Demokratie zerstören können. Auch das ist eine Lehre des NSU.
Der heutige Bericht ist kein Schlussstrich unter die Aufarbeitung. Gerade zum Unterstützernetzwerk des NSU in Sachsen bestehen noch erhebliche weiße Flecken, die wir aber mit den Mitteln des Untersuchungsausschusses nicht weiter klären können. Wir hoffen, dass die hier noch laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwaltes
weitere Erkenntnisse bringen und dass das weitere Netzwerk des NSU endlich angeklagt wird.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss sage ich: Wir GRÜNEN haben unsere Arbeit im NSU
Untersuchungsausschuss stets als tiefe Verpflichtung gegenüber den Opfern des NSU und gegenüber allen Opfern rechtsextremer Gewalt verstanden. Ziel war es auch, Politik und Gesellschaft die Augen zu öffnen.
Unwidersprochener
Rassismus, hingenommene Diskriminierung und relativierende Menschenverachtung bereiten den Boden für Rechtsextremismus, und Rechtsextremismus tötet.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich den einführenden Sätzen von Sabine Friedel anschließen. Wir haben aber kein Problem damit, dem Entschließungsantrag zuzustimmen, weil der Forderungsteil, diese 46 Punkte, weitgehend dem gemeinsamen Teil entspricht, den wir auch in unserem Minderheitenvotum angefügt haben. Ich glaube, dass gerade die Frage des Entschädigungsfonds eine sehr sensible ist, die sich aber dennoch nicht einem politischen Willen entziehen sollte.
Deswegen haben wir auch kein Problem damit, dem heute zuzustimmen, ganz im Gegenteil. Wir halten das für eine notwendige und sinnvolle Schlussfolgerung, auch aufgrund der Zeitläufe für eine, die man dringend umsetzen sollte, auch mit Blick auf andere Bundesländer.
Ich nehme das zum Anlass, auf einen Punkt hinzuweisen, der nicht in diesem Entschließungsantrag auftaucht, der mir aber wichtig ist, noch einmal zu betonen. Er war auch Teil der Forderungen des Minderheitenvotums. Ich habe die letzten fünf Jahre im Innenausschuss des Landtages verbracht, genau wie Kollegin Köditz und einige andere Kollegen des NSU-Untersuchungsausschusses. Mitunter haben wir es dort mit Ereignissen zu tun gehabt, mutmaßlichen polizeilichen oder verfassungsschutzrechtlichen Versäumnissen, Versäumnissen der Staatsregierung und dergleichen mehr, die einer tieferen Aufklärung durch das Parlament bedurft hätten. Ich nehme explizit die Terrorgruppe „Freital“ heraus, wo man mit den Instrumenten des normalen Innenausschussverfahrens nicht weitergekommen wäre und der große Tanker eines Untersuchungsausschusses allerdings übertrieben gewesen wäre.
Ich rege für die kommende Legislaturperiode an nachzudenken, ich betone bewusst nachzudenken, ob man zukünftig für den Innenausschuss ein ähnliches Instrumentarium wie für den Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages vorsieht, was die schnellere Konstituierung für Einzelfall-Untersuchungsausschüsse angeht, um in diesem Fall das normale Instrumentarium zu haben, ohne den großen Weg eines Untersuchungsausschusses zu gehen. Das hätte uns in der Vergangenheit gerade bei der Terrorgruppe „Freital“, vielleicht auch bei den Versäumnissen rund um Heidenau, möglicherweise auch bei einigen Erzählungen rund um Chemnitz gutgetan, dieses Instrument an der Seite zu haben, um konkret in Aktenlagen und Zeugenbefragungen zu reagieren. Ich weiß, dass das dem deutschen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in der Form auf Landesebene nicht inhärent ist. Ich glaube aber, dass wir in Anbetracht der sich zuspitzenden Lagen der Vergangenheit und leider auch der Prognose, dass das wahrscheinlich nicht die letzten Fälle gewesen sein werden, die wir im Innenausschuss des Landtages behandelt haben, über eine solche Ausweitung im Sinne einer sachlichen, fundierten Auseinandersetzung und Aufklärung in diesem Hause nachdenken sollten. Das ist nicht Teil des Entschließungsantrages, ich wollte es an der Stelle aber als Impuls für die kommende Legislaturperiode angemerkt haben.
Vielen Dank.
Kosten für die Ausstellung einer Bestätigung nach § 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG
Fragen an die Staatsregierung:
1. Inwieweit werden in Sachsen Kosten für die schriftliche Bestätigung eines mündlichen Verwaltungsakts erhoben?
2. Inwieweit wurden in der Vergangenheit für die schriftliche Bestätigung eines Platzverweises oder einer Identitätsfeststellung durch die Polizei Kosten auf welcher Rechtsgrundlage erhoben?
Erneuter Fund eines mobilen Endgeräts im Haftraum des mutmaßlichen Mitglieds der Freien Kameradschaft Dresden, Benjamin Z.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Wann wurde das Handy entdeckt und welche zuständige Stelle wann über den Fund unterrichtet?
2. Welche Maßnahmen wurden in Bezug auf Benjamin Z. und generell seit der Sicherstellung des internetfähigen Tablets im Jahr 2018 konkret veranlasst, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden, und welche Maßnahmen wurden nach dem Fund des Handys getroffen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich erliege jetzt nicht dem Phänomen der Koalitionsfraktion, die Dringlichkeitsbegründung zur inhaltlichen Aussprache zu nutzen, sondern beschränke mich auf die Dringlichkeit, weil ich glaube, dass an der sachlichen Feststellung, dass wir jeglichen direkten oder indirekten Eingriff in die Kunstfreiheit ablehnen, hier kein Zweifel bestehen dürfte.
Tatsache ist: Die Frage der Dringlichkeit ist ein bisschen knifflig. Wenn man sich nur auf die Veranstaltung und auf die Erkenntnisgewinnung zur Veranstaltung bezieht, dann müsste man den Antrag heute zurückweisen, weil damit die Kenntnis schon weit davor liegt.
Jetzt ist die Frage allerdings, ob aus dem Interview der Staatsministerin Stange eine neue Sachlage erwächst, die man unterschiedlich bewerten kann. Durchaus kann man die Frage stellen, ob durch die Äußerungen eines prominenten Mitglieds der Staatsregierung der Anschein erweckt wird, dass die Staatsregierung möglicherweise auch das Feld sieht zu handeln, wie es gerade auch Herr Homann betont hat, und ob darüber hinaus auch möglicherweise die Staatsregierung in der Lage ist zu handeln. Immerhin handelt es sich um eine öffentliche Institution, die bei grob rechtswidrigen Verstößen durchaus auch der Rechtsaufsicht der Staatsregierung unterliegen dürfte, zumindest mittelbar, weil sie – –
Das ist eine Frage, die man rechtlich durchaus unterschiedlich bewerten kann.
Das könnte man aber im Zusammenhang mit dem Antrag bewerten. Um überhaupt zu dieser Bewertung zu kommen, müsste man zumindest die Frage stellen, ob die Dringlichkeit heute zu bejahen ist. Aus Sicht meiner Fraktion ist sie zu bejahen, weil zum einen die Dringlichkeit dadurch entsteht, dass ein zügiges Handeln durchaus gegeben und damit die zweite Stufe der Dringlichkeit definitiv gegeben ist. Die erste Stufe der Dringlichkeit, ob das nicht hätte vorher in den Geschäftsgang eingereicht werden können, kann man an der Frage zumindest der Erkenntnisgewinnung über Handlungsmöglichkeiten der Staatsregierung durch das Interview von Frau Staatsministerin Stange festmachen. Sicherlich ist das eine Grenzfallbewertung. Meine Fraktion sieht es in solchen Grenzfallbewertungen durchaus so, dass es sinnvoller ist, dem
Anliegen der Antragstellerin nachzukommen – im Sinne einer parlamentarischen Debatte zum Thema –, statt es quasi gegen sie zu verwenden.
Damit wäre es im regulären Verfahren nicht möglich gewesen, dem nachzukommen, und daher wird meine Fraktion der Dringlichkeit, trotz dessen, dass man es sicherlich auch anders bewerten kann, zum Wohle der Debatte und zur Auseinandersetzung hier zustimmen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, ich bin mir selbst gerade unschlüssig: Eine Kurzintervention zu Einbringungen? Das ist möglich, wenn ich richtig nachdenke.
Gut, das war der Punkt.
Alles gut. Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Am kommenden Sonntag wählen die sächsischen Bürgerinnen und Bürger ihre kommunalen Vertretungen. Sie entscheiden, wem sie das Vertrauen schenken, damit sie oder er als Mitglied des Rates ihre Interessen vertritt.
Die kommunalen Vertretungen bilden wegen der Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern und wegen Entscheidungen, die unmittelbar das jeweilige Lebensumfeld prägen, die Keimzelle der Demokratie. Das wurde gestern schon mehrfach von der CDU ausdrücklich betont, und das ist richtig.
Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Kommunen und kommunale Demokratie können mehr sein als die Beteiligung bei Wahlen, die Stadt- und Gemeinderäte bzw. die Kreistage betreffen. In den Kommunen können Partizipationsprozesse etabliert und demokratische Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner an Entscheidungen über ihre örtlichen Belange erprobt und verstetigt werden.
Sächsische Kommunen haben in dieser Beziehung das Zeug zum Innovationslabor. Hier können neue Formen der Beteiligung, des Zusammenlebens, der Gemeinschaft, der Mobilität oder des Wohnens entwickelt werden. Kommunen können mit konkreten Maßnahmen einen entscheidenden Beitrag für den Klimaschutz, den Naturschutz und die Nachhaltigkeit leisten.
In Sachsen gibt es viele, viele Beispiele für die Innovationskraft von Kommunen in Sachen Bürgerbeteiligung. So gibt es in Hoyerswerda in diesem Jahr erstmals einen Bürgerhaushalt. Wir haben die „Modellkommune Open Government“ Brandis, die Stadt Glashütte beteiligt sich am European Energy Award und in Dresden wurde unlängst eine Bürgerbeteiligungssatzung beschlossen.
Schon die wenigen Beispiele zeigen: Die Menschen in ihren Städten, Dörfern und Regionen haben den Anspruch, ihre Gemeinschaft und ihr Umfeld aktiv zu gestalten.
Wir als gewählte Vertreterinnen und Vertreter der sächsischen Bürgerinnen und Bürger im Land sollten den Anspruch haben, Gesetze zu verabschieden, die bürgerschaftliches Engagement, Einmischung sowie Demokratie und Wirksamkeitserfahrungen stärken und fördern.
Mit diesem Anspruch vor Augen, hat die GRÜNEFraktion Ihnen daher dieses Gesetz vorgelegt, das die Gemeindeordnung und die Landkreisordnung weiterentwickelt. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern durch
setzbare Rechte auf Informationen und auf Entscheidungs- und Empfehlungsverfahren in allen Angelegenheiten der Gemeinden und Kreise einräumen. Die Bürgerbeteiligung soll gestärkt und die Akzeptanz kommunaler Entscheidungen verbessert werden. Gleichzeitig wollen wir die Rechte der Räte und damit ihre demokratische Legitimation stärken.
Unser Gesetzentwurf entwickelt beispielsweise die bisherigen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung – die Einwohnerversammlung, den Bürgerantrag, das Bürgerbegehren und den Bürgerentscheid – weiter. Unter dem Oberbegriff der Bürgerbeteiligung möchten wir das Bürgerinformationsverfahren und das Bürgerempfehlungsverfahren etablieren. Mit dem Bürgerinformationsverfahren können Einwohnerversammlungen zu bestimmten Themen begehrt werden. Mit dem Bürgerempfehlungsverfahren kann durch eine Einwohnerversammlung mit dem Ziel der Abgabe einer Empfehlung eine Bürgerwerkstatt oder gar ein Mediator zur Erarbeitung von Empfehlungen initiiert werden. Die Empfehlungen können zukünftig auch zum Haushalt abgegeben werden. Wer sich ansehen möchte, wie eine solche Satzung in der Praxis aussieht, dem sei der Blick nach Dresden empfohlen. Die von uns vorgesehenen Bürgerbeteiligungsverfahren können dort sogar in Ortschaften oder in Stadtbezirken durchgeführt werden.
Zur Stärkung der Bürgerbeteiligung halten wir zudem eine Senkung der viel zu hohen Quoren für kommunale Bürgerentscheide dringend für unerlässlich. Bislang werden die Instrumente der Bürgerbeteiligung in Sachsens Kommunen kaum genutzt. Im Vergleich mit anderen Bundesländern wird dann auch deutlich, dass die Bürgerbegehren und Bürgerentscheide besonders dort häufig in Anspruch genommen werden, wo die Quoren niedrig sind, und das trifft, werte Kolleginnen und Kollegen insbesondere auf der konservativen Seite, zum Beispiel auf Bayern zu, wo es übrigens ein Volksentscheid war, der niedrigere Quoren eingeführt hat und seitdem dazu führt, dass es eine rege Bürgerbeteiligung im Freistaat Bayern gibt. Sie orientieren sich ja häufig an Bayern, von daher können Sie das gern einmal nachmachen.
Mit unserem Gesetzentwurf senken wir in der Folge also die Quoren für die Einleitung und den Erfolg von Bürgerbegehren in der Gemeinde- und Landkreisordnung auf 5 %, und zwar sachsenweit. Das Zustimmungsquorum bei Bürgerentscheiden wird von 25 auf 10 % reduziert. Auch das Quorum für Abwahlverfahren wollen wir senken.
Mit den von uns vorgeschlagenen Änderungen wollen wir außerdem die Räte und Fraktionen stärken. In Sachsen hat die Bürgermeisterin bzw. der Bürgermeister oder der Landrat bzw. die Landrätin traditionell eine starke Stellung gegenüber der gewählten Vertretung. Dabei bleibt es grundsätzlich auch nach unserem Gesetzentwurf; gleichwohl gibt es ein paar Punkte, in denen wir das Recht zugunsten der Gemeindevertretung verschieben wollen. So kann der Ratsvorsitz und seine Stellvertretung zukünftig direkt aus der Mitte des Rates gewählt werden und es
ist kein Automatismus mehr, dass der Landrat dem Kreistag und der Bürgermeister dem Gemeinderat vorsteht. Das stärkt den Rat als Hauptorgan in seinen Kontrollrechten gegenüber der Verwaltung.
Wir verkürzen zudem die Amtszeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie der Beigeordneten wieder auf fünf Jahre. Das Einvernehmen, das bislang bei der Wahl der Beigeordneten mit dem Bürgermeister – wie Sie es unlängst eingeführt haben – und bei den Beigeordneten mit dem Landrat hergestellt werden muss, wollen wir ebenfalls streichen, weil wir es für sachwidrig halten.
Wir stärken die Rechte der Räte durch ein Akteneinsichtsrecht und die Möglichkeit der Etablierung eines gemeindlichen Untersuchungsausschusses zur Untersuchung von Missständen, den sich viele Kommunen mitunter wünschen.
Ferner stärken wir die Rechte der Fraktionen in den Räten zur Bildung der Fraktionen. Diese sollen künftig durch 5 % der Ratsmitglieder gebildet werden können; gleichwohl sind weiterhin geringere Größen zulässig. Auch die Bereitstellung angemessener Mittel für sachliche und bei entsprechender Größe der Gemeinde auch personelle Aufwendungen wird nunmehr gesetzlich verbindlich geregelt. Bislang galt hier in Sachsen weitgehend ein bunter Fraktionsgrößen-Flickenteppich, der mit Blick auf dieselben Voraussetzungen bei der Wahl und dieselben Erfordernisse bei der Kontrolle beispielsweise des Bürgermeisters nicht verständlich ist.
Nicht zuletzt machen wir eine doch sehr weitreichende Entscheidung dieser Koalition, die eine der schlechtesten Ideen in der Gemeindeordnung war, die man je hatte, aus dem Jahr 2017 rückgängig, nämlich die berühmte Lex Dresden.
Mit der Neuordnung des Ortschafts- und Stadtbezirksverfassungsrechts soll es künftig wieder möglich sein, dass das Ortschaftsrecht für einzelne Gemeindeteile, aber auch für die Gesamtgemeinde, zum Beispiel für Stadtteile, eingeführt werden kann. – Sie erinnern sich, Sie waren das, CDU und SPD, die es mit der Änderung der Gemeindeordnung 2017 verunmöglicht haben, um einen laufenden Prozess in der Stadt Dresden zur Einführung ebenjener Ortschaftsverfassung im Stadtgebiet zu stoppen. – Das wollen wir wieder korrigieren. Wir wollen zukünftig, dass es möglich ist, die Ortschaftsverfassung auch in solchen Ortsteilen einzuführen, die vor dem 1. Mai 1993 in die Gemeinde eingegliedert wurden.
Wir kehren mit unserem Vorschlag in Bezug auf die Ortschaftsverfassung wieder zum Status quo des Jahres 2017 zurück, stellen aber klar, dass das Ortschaftsrecht natürlich auch auf dem gesamten Stadtgebiet eingeführt werden kann, und regeln darüber hinaus, dass die Stadtbezirksverfassung, die wir für die Gemeinden, die die Ortschaftsverfassung nicht einführen wollen, für durchaus sinnvoll halten, zukünftig auch in Städten mit mehr als 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern angewendet werden kann und nicht nur in den kreisfreien Städten.
Damit stärken wir die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in ihren Stadtteilen und ihren Ortschaften.
Viele Bürgerinnen und Bürger, werte Kolleginnen und Kollegen, kandidieren am 26. Mai 2019 für die zu wählenden Ortschaftsräte, Stadtbezirksbeiräte sowie Gemeinde- und Kreisräte, um sich unmittelbar bei der Gestaltung ihres Lebensumfeldes zu engagieren. Als ehrenamtliche kommunale Rätinnen und Räte sind sie das Rückgrat unserer Demokratie. Ihre Motivation gilt es zu bewahren und zu stärken, denn Sachsen braucht solche Menschen, die sich einbringen und ihre Zukunft mitgestalten wollen. Mit diesem Gesetzentwurf erweitern wir den rechtlichen Rahmen für ihr Engagement, damit in Sachsen die kommunale Demokratie weiter und noch viel stärker blüht.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Werte Kolleginnen und Kollegen, eine Kurzintervention zum Redebeitrag von Herr Barth. Herr Barth hat gerade ausgeführt, was man im Internet alles
machen sollte und nicht dürfte. Herr Barth war aber auch der Kollege, der gestern unter Tagesordnungspunkt 17, dem Antrag der AfD-Fraktion zum Thema Mobbing, in einer Kurzintervention behauptet hat, an einem Bürgerbüro der GRÜNEN in Donaueschingen hätten Plakate mit dem Titel „Tod dem weißen, deutschen Mann!“ gehangen, und er hat uns der Hetze bezichtigt.
Nach kurzer Recherche ist meiner Fraktion zur Kenntnis gekommen, dass es sich dabei um gezielt durch rechte Kräfte verbreitete Fake News bzw. Falschinformationen handelt. Dazu gibt es mittlerweile eine Reihe von Artikeln, unter anderem auf der Seite des Bayerischen Rundfunks. Es lässt sich auch relativ schnell erkennen, dass diese Plakate gefakt sind. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Zum Umgang im Internet und auch in diesem Hohen Haus gehört es nicht, Falschnachrichtungen zu verbreiten und politische Gegner in der Art und Weise mit falschen Informationen zu diffamieren.
Ich gebe Ihnen vor diesem Hintergrund und mit dieser Kurzintervention die Möglichkeit, das erstens richtigzustellen und zweitens sich für diesen Angriff zu entschuldigen.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag fordern wir, dass sich die Staatsregierung über den Bundesrat für eine Änderung der Strafprozessordnung einsetzen soll. Wir fordern ein Zeugnisverweigerungsrecht für Fansozialarbeit und für weitere staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Das Recht, bei einer Vernehmung als Zeugin oder als Zeuge eine Aussage zu verweigern, gilt zum Beispiel für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Geistliche, Journalistinnen und Journalisten oder auch für jeden von uns hier in diesem Hohen Hause.
Grundsätzlich besteht vor deutschen Gerichten die Pflicht, wahrheitsgemäß auszusagen. Bei den genannten Berufsgruppen ist demgegenüber anerkannt, dass sie in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu denjenigen stehen, die ihre Hilfe oder Sachkunde in Anspruch nehmen. Sie können vor Gericht die Aussage verweigern, wenn dieses besondere Vertrauensverhältnis betroffen ist.
Der § 53 StPO regelt diese Festlegung privilegierter Berufsgruppen abschließend. Seit mehreren Jahrzehnten ist es eine Diskussion, diesen Kreis zu erweitern um den Kreis der staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie der staatlich anerkannten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Dagegen wird nunmehr – und das ist ein alter Hut, so auch der Justizminister in der Stellungnahme zu unserem Antrag – ausgeführt,
dass dies dem Interesse an der vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren entgegensteht.
Sehr geehrter Herr Justizminister, mit der Argumentation kommen Sie nicht wirklich weit, denn dann müssten Sie das Zeugnisverweigerungsrecht gänzlich abschaffen. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich durchaus, eine Debatte darüber zu führen, wo wir in der wissenschaftlichen Forschung und Weiterung der Debatte in den letzten Jahren stehen. Es geht stets um das konkrete Verhältnis zwischen einer Berufsgruppe und ihren Bezugspersonen und darum, ob diese ein Vertrauensverhältnis zueinander aufbauen.
Das Bundesverfassungsgericht hat, wohlgemerkt, vor langer Zeit anerkannt, dass es ein solches Vertrauensverhältnis in der beratenden Sozialarbeit durchaus gibt und es bedeutsam sei, allerdings nicht typischerweise auf den Erwartungen der Klienten gründet, dass diese den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern etwas anvertrauen und diese anschließend schweigen. Seit 1972 – so alt ist diese Entscheidung übrigens – hat sich allerdings viel geändert. Die Beschreibung von sozialer Arbeit, wie sie noch der Entscheidung zugrunde lag, entspricht heute schon längst nicht mehr der Praxis. Deutlich wird dies insbesondere in der Entwicklung des strafrechtlich abgesicherten Geheimnis- und Sozialdatenschutzes, der insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe mit umfassenden Schweigepflichten einhergeht.
Darauf geht der Justizminister leider nicht ein. Diese Schweigepflichten sind allesamt strafbewehrt. Nach § 203 StGB machen sich auch staatlich anerkannte Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen strafbar, wenn sie unbefugt fremde Geheimnisse offenbaren. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind übrigens erst nach dem Einführungs
gesetz zum Strafgesetzbuch im Jahr 1973, also nach jener Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, überhaupt in das StGB aufgenommen worden.
Mit der Strafbewehrung der Geheimnisoffenbarung nach dem Strafgesetzbuch einerseits und dem gleichzeitig fehlenden Zeugnisverweigerungsrecht andererseits
werden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter regelmäßig in schwierige Situationen gebracht, in denen sie sich entscheiden müssen, sich möglicherweise strafbar zu machen, weil sie ein Geheimnis offenbaren, oder eine Aussage zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zu verweigern.
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind aber auf das besondere Vertrauensverhältnis zu ihren Klientinnen und Klienten angewiesen. Sie nehmen zu dessen Schutz sogar nicht unerhebliche persönliche Nachteile auf sich. So sind beispielsweise Fälle von Fansozialarbeitern bekannt, die vor Gericht Aussagen zu ihren Fanbeziehungen verweigerten und deshalb ein Ordnungsgeld auferlegt bekommen haben. Zeugniserzwingungshaften können hierbei sogar bis zur Beugehaft gehen.
Gerade ein so großer persönlicher Einsatz macht deutlich, wie wichtig der Erfolg von Sozialarbeit auf einem nachhaltigen Vertrauensverhältnis beruht und wie präsent den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern ist, was ihre Aussage vor Gericht zerstören kann. Es ist klar: Wird ein Sozialarbeiter gezwungen, sein Vertrauensverhältnis zu einem Klienten zu verletzen, so zerstört er nicht nur das, er kann auch zukünftig nicht mehr auf einem solchen bei anderen Klientinnen und Klienten aufbauen, weil seine Aussagepflicht wie ein Damoklesschwert über ihm schwebt.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Warum haben wir dieses Thema, das seit Jahren in der Bundesrepublik sehr allgemein diskutiert wurde, nun konkret mit dem Thema Fansozialarbeit verknüpft?
Das Vertrauensverhältnis zwischen Fansozialarbeiterinnen und -sozialarbeitern der Fanprojekte und den Fans wurde in Sachsen in den letzten Jahren nachhaltig beschädigt. Nicht nur der Überwachungsskandal in der Fußballszene in Leipzig traf gezielt die Fansozialarbeit, sondern auch die Durchsuchung des Dresdner Fanprojekts im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Fußballfans wegen deren martialischen Auftritts im Jahr 2017 in Karlsruhe hatte zum Ziel, Informationen aus dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Fansozialarbeit und den Fan zu ziehen.
Alle in diesem Haus wissen um die wichtige Arbeit gerade in der Fansozialarbeit durch die dort tätigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Im Nationalen Konzept „Sport und Sicherheit“ wird anerkannt, dass Fanprojekte eine besondere Form der Jugend- und Sozialarbeit leisten. Ich zitiere: „Sie zeichnen sich durch einen szenenahen und sozialpädagogischen Zugang zu der aktiven Fanszene aus. Basis für eine erfolgreiche Fanarbeit ist ein durch intensive Beziehungsarbeit aufgebautes Vertrauensverhältnis der Zielgruppe.“
Gleichzeitig haben Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, in den letzten Jahren die entsprechenden Mittel für die Fansozialarbeit aufgestockt. Sie legen gleichzeitig viel Wert auf deren Bedeutung im Kampf gegen Gewalt im Sport.
Vor diesem Hintergrund hoffe ich, dass dieser Antrag heute eine Mehrheit findet. Wir GRÜNE sind der Auffassung: Wenn Sie auf die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter und ihre wichtige Arbeit auch im Bereich der Gewaltprävention setzen, dann sollten Sie das dafür wichtige Vertrauensverhältnis endlich gesetzlich anerkennen und sich für ein Zeugnisverweigerungsrecht von staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie staatlich anerkannten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen einsetzen.
Zum Schluss noch eine kurze Anmerkung in Sachen Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen.
In dem von der Staatsregierung vorgelegten Entwurf für ein Justizvollzugsdatenschutzgesetz – das nebenbei in vielen Punkten, Herr Justizminister, wahrscheinlich eine verfassungswidrige Zumutung ist, wie die Anhörung ergeben hat – ist allerdings dem § 46 unter der Überschrift Berufsgeheimnisträger Folgendes zu entnehmen. In Nummer 3 des Abs. 1 sind dort unter der Überschrift Berufsgeheimnisträger neben Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten auch die staatlich anerkannten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie die staatlich anerkannten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen
aufgezählt. Manchmal scheint die Staatsregierung in ihrem Denken doch weiter, als die Realität ist.
Wenn selbst die Staatsregierung der Auffassung ist, sie zumindest in diesem Bereich den Berufsgeheimnisträgern zuzuordnen, dann wäre es sinnvoll, das ein für alle Mal gänzlich zu klären.
Da wir als Land dafür nicht zuständig sind, sondern der Regelungsbereich der StPO ein Bundesrecht ist, wäre es hilfreich, vor Anerkennung der spezifischen sächsischen Situation, aber auch vor dem Hintergrund, dass es seit vielen Jahren eine bundesweite Debatte ist und es endlich notwendig wäre, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in diesem Punkt zu stärken, eine entsprechende Initiative im Bundesrat vonseiten des Freistaates auszulösen und deutlich zu machen, dass es in Zeiten, in denen wie gestern kräftig am Berufsgeheimnisträgerschutz im Polizeigesetz durch die Koalition gesäbelt wurde, vielleicht Wege gibt, diesen Schutz zu stärken und das mit einer entsprechenden Bundesratsinitiative zu flankieren und damit wieder eine Debatte in Deutschland auszulösen.
Wir bitten um Zustimmung zu diesem Antrag.
Vielen Dank.
Vielen Dank. Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke für die sehr nüchterne und differenzierte Debatte, da sie bei diesem Thema gerade offenbart hat, dass wir, denke ich, selbst mit der Koalition gar nicht so furchtbar weit in den Überlegungen auseinanderliegen, außer in der Frage, wie man mit dem Antrag umgeht.
Herr Kirmes, ich verstehe durchaus den Grund Ihres Ansatzes. Lassen Sie mich noch zwei Aspekte dazu nennen. Ich glaube schon, dass es den Gedanken, den Frau Kollegin Meiwald in der Frage „Wie hat sich die Rolle der sozialen Arbeit in den letzten Jahrzehnten entwickelt, und haben wir es nicht viel häufiger mit dem Aufbau solcher Vertrauensverhältnisse, die vielleicht früher aus dem Fürsorgegedanken heraus gar nicht unterstellt wurden, zu tun?“ beschrieben hat, definitiv in der Fansozialarbeit gibt.
Dies nur auf Gruppen zu beschränken halte ich für sehr weit hergeholt. Dort gibt es diese individuellen Beziehungen, und man muss sich die Frage stellen, ob nicht diese Offenbarung von höchstpersönlichen Lebensverhältnissen, von Intimsphäre möglicherweise dergestalt erfolgt, wie man sie früher, als man die Norm erdacht hat, einfach nicht auf dem Schirm hatte, und ob man noch einmal darüber nachdenken sollte, wie man es nachschärft, um dieses besondere Vertrauensverhältnis zu schützen.
Ich denke, wir sind gut beraten, diesen Weg zu gehen; denn Sie wissen, ich bin mit Ihrem Kollegen Innenminister häufig etwas auf Kriegsfuß unterwegs, wenn es um die Überwachungsfantasien der Koalition und der Staatsregierung geht. Aber in einem Punkt bin ich mit ihm einig, und ich freue mich, dass sich dabei in der Staatsregierung viel bewegt: beim Thema Prävention und beim Thema Kriminalprävention. Dass der Innenminister einen deutlich stärkeren Ansatz hat, stärker in die Kriminalprävention hineinzugehen, heißt: Auch in diesem Bereich werden wir sehr viel stärker auf soziale Arbeit setzen müssen. Das ist ein guter und richtiger Weg.
Wenn man sich für diesen Weg entscheidet, muss man sich überlegen, wie man das Vertrauensverhältnis in der Folge ausgestaltet: über eine entsprechende Regelung im § 53, dass es auch funktioniert. Möglicherweise hat das zur Folge – da bin ich sogar bei Ihnen –, dass man den § 53 vom Ansatz her an einigen Stellen noch einmal
vollkommen neu denken muss; denn diese Frage, ob immer mehr Ausnahmen von Berufsgruppen gemacht werden oder ob es nicht viel sinnhafter ist, konkreter zu definieren, unter welchen Voraussetzungen und unter welchen konkreten, tatsächlich anvertrauten Lebenssachverhalten dies gilt, könnte viel sinnvoller sein. So weit teile ich auch dass, was Herr Kollege Baumann-Hasske gesagt hat.
Nun stehen wir hier in einem Landesparlament und diskutieren in einem Antrag über das, was der Bund regelt. Nun kann man sagen, okay, das soll bitte die Justizministerkonferenz klären. Herr Kollege BaumannHasske, unser Antrag ist so offen gehalten, dass die Ausgestaltungsfreiheit, was man da in den Bundesrat einbringt, im Sinne der Sache sehr weit ist. Vor diesem Hintergrund kann ich nur noch einmal an Sie appellieren: Zum Wohle der Stärkung des Vertrauensverhältnisses und für eine funktionierende Präventionsarbeit im Freistaat Sachsen bitte ich Sie, noch einmal kurz zu überlegen, ob
der Antrag nicht so weit gehalten ist, dass selbst Sie, mit Ihrer Position, locker dahinterstehen können; denn wir alle haben die Bedeutung der sozialen Arbeit und der Fansozialarbeit betont. Es wäre ein deutliches Zeichen, dem Antrag heute zuzustimmen.
Vielen Dank.
Sächsische Aufbaubank interjection: (SAB) schätzt Kosten für Neubau auf rund 161 Millionen Euro (Frage Nr. 1)
Fragen an die Staatsregierung:
1. Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass die SAB, die ihr Anlagevermögen durch den Neubau nachhaltig erhöhen wird, die Abschreibungen für diesen Neubau nicht auf die Kosten der Staatsregierung für die Abwicklung staatlicher Zuwendungen (Förderprogramme und
-maßnahmen) umlegt, da eine Erwirtschaftung der Abschreibungen über Zinsgewinne bis auf Weiteres nicht möglich sein wird?
2. Welche Vereinbarungen und Regelungen hat die Staatsregierung hierzu getroffen und wie wird garantiert, dass diese abgestimmt für alle Ressorts und alle staatlichen Förderprogramme und -maßnahmen gelten?
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Hütter,
wo RAF-Terroristen abgeblieben sind, kann ich Ihnen nicht erklären. Vielleicht können Sie mir noch einmal erklären, wie Sie zu dieser Annahme kommen.
Aber es war interessant, Ihnen zuzuhören. In einem entscheidenden Satz war das Ganze nämlich selbst entlarvend. Sie haben dargestellt, dass es entscheidend sei, gegen „richtige“ Nazis vorzugehen, und beschrieben diese in der Folge als Leute, die dem Führer hinterherrennen oder Gewalttaten begehen. Sehr eindrucksvoll! Denn das, was Sie hier versuchen, ist genau diese Selbstreinwaschung Ihrer rechtsextremen Netzwerke als Teil der neuen Rechten in Deutschland.
Die versucht nämlich genau diese Abgrenzung, die Sie gerade dargelegt haben, vorzunehmen: Wir haben ja mit Nazis nichts zu tun. Bei uns rennt keiner mit Springerstiefeln dem Führer hinterher.
Sie versucht genau diese Abgrenzung vorzunehmen. Sie kaschieren aber, dass Sie einem Konstrukt, nämlich der neuen Rechten, anhängen – was genauso gefährlich ist, es aber geschafft hat, sich davon abzugrenzen. Das zeigt, dass Sie bei dieser Frage der Wolf im Schafspelz sind.
Gestatte ich.
Herr Hütter, ich habe Ihnen ja zugehört. Aber Ihre Abgrenzung war nur jene zu Neonazis, die Sie beschrieben haben mit „sie laufen dem Führer hinterher“; und Sie sind der klassischen Annahme, das seien Skinheads und dergleichen mehr und zudem gewalttätig. Sie haben bewusst eine Abgrenzung zu jenen Akteuren der neuen Rechten vermieden, die mit Ihnen zusammen eines der entscheidenden rechten Netzwerke in Deutschland bilden.
Natürlich, Herr Hütter! Sind denn Identitäre, die von Ihren Bundestagsabgeordneten beschäftigt werden, keine Rechtsextremen? Diese Frage sollten Sie sich stellen, wenn Sie rechtsextreme Netzwerke bekämpfen wollen.
Ich fahre in meinem Redebeitrag fort. Werte Kolleginnen und Kollegen, eines zeigt sich leider viel zu häufig – leider ist der Herr Ministerpräsident nicht mehr da –: Wenn es um die Bekämpfung rechtsextremer Netzwerke in Sachsen geht, gibt es gerade in der Staatsregierung viel zu häufig so eine Art Wettlauf um sehr klare, wortgewaltige Allgemeinplätze. Dabei wäre es notwendig, tatsächlich zu handeln.
Bei jedem Ereignis erleben wir letztendlich dieselbe Folge: Es gibt ein schlimmes Ereignis. Dann ist die Empörung groß, und dann passiert leider herzlich wenig.
Ich erinnere Sie daran, dass am Folgetag der Aussage des Ministerpräsidenten die Koalition mit – es tut mir herzlich leid – wirklich fadenscheinigsten Argumenten unseren Antrag zum Zurückdrängen von Neonazi-Immobilien im Freistaat Sachsen abgelehnt hat. Das zeigt dann ungefähr, wie nachhaltig die Aufforderungen des Ministerpräsidenten sind. So leid es mir tut, auch die große Ankündigung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig seinerzeit, man möge sich einmal des Themas PegidaNähe der sächsischen Polizei annehmen, hat in der Folge gezeigt, dass davon nicht so furchtbar viel übrig geblieben ist.
Das ist genau das Problem: Wenn wir über die Bekämpfung rechtsextremer Netzwerke reden, dann braucht es Taten statt permanenter Worte. Dieses Auseinanderklaffen von Worten und Taten ist im Freistaat Sachsen momentan eines der größten Probleme, wenn es um die Bekämpfung einer der größten Gefahren für unser Zusammenleben geht.
Gestatten Sie mir deshalb kurz darzulegen, was wir GRÜNE für zwingend notwendig halten. Zum einen wäre es hilfreich, wenn Teile der Staatsregierung verstehen würden, dass, wenn man rechtsextreme Netzwerke zerschlagen will, aber permanent mit rechtspopulistischer Rhetorik den Nährboden für rechte Brandstifter legt, man offensichtlich den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nicht ganz verinnerlicht hat. Das wäre aber an dieser Stelle hilfreich.
Wer rechtsextreme Netzwerke zerschlagen will, der muss ihnen den gesellschaftlichen Nährboden entziehen. Das heißt, Haltung gegen Rassismus, gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und gegen rechte Hetze zu zeigen und sich eben nicht irgendwelchen Verfassungsfeinden anzubiedern.
Darüber hinaus gilt es, die Polizei in die Lage zu versetzen, Nazis nicht unnötig die Straße zu überlassen. Wer in Chemnitz durch polizeiliches Planungsversagen den Nazis den Erfolg auf der Straße überlässt und als Ministerpräsident ihnen auch noch den kommunikativen Erfolg organisiert, indem man behauptet, dass es keinen rechten Mob gegebenen habe, der macht sich leider zum Katalysator des Problems und sollte sich an die eigene Nase fassen.
Des Weiteren braucht es dringend ein Gesamtkonzept zur besseren Information über rechte Strukturen im Freistaat Sachsen. Es darf nicht vorkommen, dass Bürgermeister überrascht sind, dass Neonazis in ihren Orten Großveranstaltungen durchgeführt haben, und sie davon aus der Zeitung erfahren, obwohl dem Verfassungsschutz diese Informationen schon Tage zuvor vorlagen. Zivilgesellschaftlicher Widerstand, wie er jetzt auch von Kollegen Anton und Kollegen Homann zu Recht angesprochen worden ist, verlangt Wissen. Dieses Wissen verlangt, dass die Behörden im Freistaat Sachsen, die die Information haben, diese auch offenbaren. Falsche Geheimniskrämerei nützt Neonazis.
Zu guter Letzt sei gesagt: Wer rechtsextreme Netzwerke zerschlagen will, muss bei sich selbst anfangen. Es ist nicht akzeptabel, wenn Erkenntnisse über mögliche Misshandlungen ausländischer Gefangener in der JVA Dresden erst nach Monaten verfolgt werden oder Polizisten, die Informationen an Rechtsextreme weitergegeben haben sollen, nach wie vor im Dienst sind. Egal, ob Reichsbürger oder Identitäre: Rechtsextreme haben im Staatsdienst nichts verloren, und daran darf auch durch keinerlei Handeln ein Zweifel aufkommen.
Zur Frage, welche Rolle der Verfassungsschutz in dieser Situation spielen sollte und warum wir nach wie vor der festen Überzeugung sind, dass er zum Schutz der Verfassung besser abgeschafft werden sollte, folgt in der zweiten Runde mehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auf diesen Bierzeltredebeitrag von Herrn Hütter gehe ich jetzt nicht ein. Ich hatte versprochen, dass ich noch kurz etwas zum Thema Verfassungsschutz in dieser Frage sage.
Sie können selbst als Koalition nicht leugnen, dass es ein Problem mit dem Informationsgebaren des Landesamtes für Verfassungsschutz in Richtung der Zivilgesellschaft gibt. Es war niemand Geringeres als der Kollege Fritzsche, der mir bei der letzten Aussprache zu unserem Antrag zu Nazi-Immobilien empfohlen hat, wir sollten doch diese Informationen bitte an das Landesamt für Verfassungsschutz weiterleiten.
Vor diesem Hintergrund kann ich nur mutmaßen, dass selbst Herr Fritzsche meint, dass dort nicht alle Informationen vorliegen, die einem Verfassungsschutz so vorliegen sollten.
Wir GRÜNEN sind grundsätzlich der Auffassung, dass eine Behörde, die permanent überrascht ist, wenn etwas passiert, die stets nichts weiß, Informationen, die sie hat, zurückhält und dann auch noch so tut, als würde sie einen brillanten Job machen, im Normalfall als Hochstapler entlarvt und entlassen werden würde – nur in Sachsen wird sie regelmäßig mit mehr Stellen bedacht. Da sollte man sich schon fragen, ob das sinnvoll ist oder ob es im Sinne des Schutzes unserer Verfassung nicht angemessen wäre, diese Behörde zuzumachen, mit einer schlagkräftigen Struktur zur Abwehr terroristischer Gefahren zu ersetzen und alles in Bezug auf die Informationsbeschaffung und das Tragen von Informationen an die Öffentlichkeit den zivilgesellschaftlichen Trägerinnen und Trägern zu überlassen, die das seit vielen, vielen Jahren wesentlich besser können als dieser Verfassungsschutz.
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege Fritzsche, für die Klarstellung Ihrer Intention.
Ich sage noch einmal relativ deutlich, was ich damals schon gesagt hatte. Der Verfassungsschutz zeigt ja regelmäßig selbst, dass ihm Informationen nicht vorliegen, wenn der Verfassungsschutz mitunter beispielsweise erst aufgrund von Anfragen, wie wir wissen, Sachverhalten nachgeht. Es gibt ein ziemlich großes Delta gerade bei den neonazistisch genutzten Immobilien zwischen dem, was der Verfassungsschutz veröffentlicht, und dem, was die Staatsregierung an Informationen veröffentlicht. Dazu kommt noch das, was in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist.
Um dieses Delta ging es in der Frage. Für mich bleibt das aber eine der Kernfeststellungen, die daraus erwachsen: Dieser Verfassungsschutz macht seinen Job nicht ordentlich. Wenn eine Behörde ihren Job nicht ordentlich macht, muss man sie eines Tages auch einmal entweder dazu bringen, dass sie ihren Job ordentlich macht, oder den Job im Bereich der Information der Gesellschaft vielleicht lieber denjenigen überlassen, die es besser können, und das ist eine gut organisierte Zivilgesellschaft, die da wesentlich mehr wert ist als das Landesamt für Verfassungsschutz.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor ziemlich genau einem Monat, am 11. März 2019, haben die Vertreter des EU-Parlaments, der EU-Staaten, der Europäischen Kommission in den sogenannten Trilog-Verhandlungen einen Kompromiss gefunden, der europaweit eine Garantie für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber schaffen soll.
Die Richtlinie soll noch in diesem Monat erlassen werden und ist ein Meilenstein für den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern in der Europäischen Union. Sie umfasst den Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Das scheint auf den ersten Blick ein recht begrenzter Umfang zu sein – ist es aber nicht, denn umfasst sind unter anderem das Vergaberecht, Fragen der Finanzdienstleistungen, die Produktsicherheit, der Umweltschutz, die öffentliche Gesundheit und der Schutz der Privatsphäre. Die Richtlinie soll sowohl für den privaten als auch für den öffentlichen Sektor gelten.
Mit dieser Richtlinie werden die Mitgliedsstaaten erstmals verpflichtet, interne Kanäle und Verfahren für die Übermittlung und das Weiterverfolgen von Meldungen einzurichten. Dies gilt beispielsweise für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder für Gemeinden mit über 10 000 Einwohnern. Ferner werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, externe Meldekanäle einzurichten, die eine unabhängige, autonome, sichere und die Vertraulichkeit wahrende Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen ermöglichen.
Der Kern der Richtlinie regelt den besonderen Schutz der Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber als betroffene
Personen. Dieser Schutz besteht bereits dann, wenn der Hinweisgeber hinreichenden Grund zu der Annahme hat, dass die von ihm gemeldeten Informationen zum Zeitpunkt ihrer Ermittlung der Wahrheit entsprachen und in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Selbstverständlich muss der Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern – das war bereits eine Debatte rund um unseren Gesetzentwurf – an ihren subjektiven Beweggründen ansetzen, da diese nur bedingt objektivierbar sind.
Zu ihrem Schutz ist in der Folge jede Form von Repressalien gegenüber Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern nach der Richtlinie verboten. Dazu zählen beispielsweise die Versagung einer Beförderung, Aufgabenverlagerung oder sonstige Benachteiligungen. Hinweisgeber, die aufgrund der Richtlinie extern Meldung erstatten, dürfen nicht als Personen gelten, die eine vertragliche oder gesetzliche Offenlegungsbeschränkung verletzt haben. – So weit zu der Richtlinie, die beschlossen wurde.
Nun könnten Sie sich zurücklehnen und sagen: Gut, dann brauchen wir das Gesetz der GRÜNEN ja wahlweise nicht mehr oder noch nicht. Die Koalition ist ja sehr flexibel, wenn es darum geht, irrationale Begründungen zu bemühen, warum man Gesetzentwürfe der Opposition ablehnt. Aber ich bin gespannt, was heute kommt.
Herr Pecher, Sie verwechseln mal wieder Mehrheit mit Wahrheit; aber das ist ein bekanntes Problem.
Für das Protokoll: Herr Pecher macht das gerne.
Die Richtlinie tritt nämlich erst im Jahr 2021 in Kraft. Es gibt also noch genügend Zeit, sie umzusetzen; aber es gibt auch genügend Zeit, eigene Richtlinien zu erlassen. Die
Pflichten betreffen nämlich nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern beispielsweise auch die Kommunen, und somit ist auch der Freistaat Sachsen in der Umsetzung gefordert.
Wir GRÜNEN gehen mit unseren Forderungen aber noch über die soeben beschriebene Richtlinie hinaus. Bevor Fragen kommen: Ja, es ist nach der Richtlinie ohne Weiteres gestattet, den Schutzstandard höher anzusetzen. Wir fordern den Schutz von Whistleblowern selbstverständlich auch bei Verstößen, die nicht das EU-Recht betreffen, sondern sächsische oder bundesrechtliche Regelungen, zum Beispiel erhebliche Straftaten, oder wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Gesundheit, Freiheit oder Umwelt droht. Wir GRÜNEN fordern den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern mit diesem Gesetzentwurf ab sofort; denn schon heute gibt es Situationen, in denen redliche Bedienstete des Landes diesen Schutz benötigen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, ich will nicht behaupten, dass mit diesem Gesetzentwurf alle Verpflichtungen aus der Richtlinie umgesetzt wurden; sie war uns ja bei der Erarbeitung des Gesetzes nicht bekannt. Gerade bei den Verfahren zu internen und externen Meldekanälen ist die bloße Ernennung eines Vertrauensanwalts oder die Errichtung eines elektronischen Systems zur anonymen Kommunikation, so wie wir es vorsehen, sicher nicht ausreichend. Hierzu bedarf es einiger Anpassungen im Beamtengesetz, die mit denen im Beamtenstatusgesetz komplementär einhergehen müssen.
Die von uns vorgeschlagene Regelung – und dabei bleibe ich – zur Ermessensausübung im Bereich des § 353 b Abs. 4 StGB finde ich nach wie vor charmant, und sie ist aus unserer Sicht rechtlich schon jetzt möglich, um Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber besser zu schützen.
Aber auch bei der Umsetzung der Richtlinie wird sich zeigen, ob weitere Anpassungen im Geltungsbereich sächsischer Gesetze erforderlich sind. Im Disziplinarrecht ist eine Umsetzung auf jeden Fall notwendig. Auch in diesem Fall können Sie unserem Gesetzentwurf schon heute vertrauen; denn Sie haben damit die Möglichkeit, jetzt schon Whistleblowern in Sachsen den notwendigen Schutz angedeihen zu lassen, den sie brauchen. Es ist Zeit zu handeln, und es darf nicht als nächstes Thema mit dem Verweis „Wir haben ja noch viel Zeit“ auf die lange Bank geschoben werden. Vor diesem Hintergrund bitten wir um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Kollege Markert, eine Anmerkung: Sie können das alles anders sehen, und das ist auch in Ordnung. Wir geben auch unumwunden zu: Bei der Frage, ob es die Möglichkeit gibt, den § 353 b Abs. 4 ins vollkommene Ermessen der obersten Landesbehörde zu stellen und diese wiederum im Umkehrschluss zu binden, ob dies im Rahmen des Kompetenzgefüges Bund – Länder zulässig ist, glauben wir, dass das geht.
Aber in einem Punkt will ich entschieden widersprechen: Zum einen haben Sie gerade von Denunziation gesprochen, wenn es um die Ausforschung der individuellen Darlegungsgründe und Willensgründe geht, wenn sich jemand an die Öffentlichkeit wendet. Darum geht es nicht. Im Gegensatz geht es darum, dass man würdigt, was derjenige getan hat. Es ist übrigens im Disziplinarverfahren durchaus üblich, dass es so gemacht wird.
Zum anderen habe ich die Richtlinie in diesem Passus vorhin nicht ohne Grund vorgelesen. Sie werden genau in diesem Punkt gar nicht umhinkommen – und Sie können die Richtlinie auch nicht anders umsetzen –, früher oder später die Frage der Offenbarung gegenüber der Öffentlichkeit an der subjektiven Anschauung desjenigen festzumachen. Damit ist beileibe keine Denunziation verbunden, ganz im Gegenteil. Das trifft ja nur den Offenbarenden im Verhältnis zur sanktionierenden Stelle. Mir ist wichtig, das noch einmal klarzustellen.
Überdies finden Sie den Vertrauensanwalt bereits in etwas abstrakter Form als nicht dienstliche Stelle im Beamtenstatusgesetz geregelt. Von daher wundert es mich jetzt, dass Sie das als eine total absurde Herleitung abtun, die es nicht bräuchte bzw. für die es keine entsprechende rechtliche Komponente gäbe. Diesbezüglich lohnt sich der Blick ins Beamtenstatusgesetz.
Insoweit verstehe ich, dass Sie diesen etwas innovativeren Schritt nicht gehen wollen. Aber es war mir wichtig, diese sachlichen Punkte anzumerken; denn es stimmte schlicht nicht und wir waren diesbezüglich bei der Behandlung im Innenausschuss auch schon weiter.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Barth, Sie bekundeten gerade vor dem Hohen Hause, Sie hätten den Gesetzentwurf gelesen. Haben Sie zur Kenntnis genommen, dass es um das Kommunalwahlrecht geht und nicht um den Sächsischen Landtag?
Oder ist Ihnen dieser Gesetzentwurf wieder einmal entglitten, nachdem Sie ein paar Buchstaben gelesen, ihn zur Seite gelegt und nur auf Ihren Sachverständigen gehört haben?
Vielen Dank, Herr Präsident. – Könnten Sie mich dann erhellen, wie 40 000 Nicht-EU-Ausländer in Sachsen eine Rolle bei der FünfProzent-Hürde des Sächsischen Landtags spielen sollen, wie Sie es gerade referiert haben, wenn wir hier über das Kommunalwahlrecht sprechen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland redet über den Rechtsstaat – so die Werbung der CDUBundestagsfraktion und auch einiger Landtagsfraktionen in den letzten Wochen in den sozialen Netzwerken. Diese Einladung zur Debatte nehme ich heute gern einmal an; denn sowohl dieser Gesetzentwurf als auch die Diskussionen darüber haben für mich in erschütternder Art und Weise gezeigt, welches Rechtsstaatsverständnis diese Koalition an den Tag legt.
Das fängt schon beim Ministerpräsidenten an, der gestern die Dreistigkeit besaß zu erklären, dass nun eine demokratische Mehrheit für diesen Gesetzentwurf bestehe und dies auch die Kritiker endlich zu akzeptieren hätten.
Hören Sie einmal zu. Man weiß nicht, wo man anfangen soll.
Zunächst wäre ein Ministerpräsident gut beraten, die rechtsstaatlichen Grundsätze der Gewaltenteilung zu verinnerlichen. Die Mehrheit gibt es, wenn überhaupt, werte Kolleginnen und Kollegen, heute nach der Abstimmung und nicht mit einer Videobotschaft des Ministerpräsidenten.
Diese Haltung offenbart auch ein Demokratieverständnis, das für einen Rechtsstaat eine Zumutung ist. Es sagt in einem Rechtsstaat nichts über die Verfassungskonformität eines Gesetzes aus, ob dieses mit Mehrheit zustande gekommen ist oder nicht. Das beweist allein schon die Vielzahl der Gesetze in der Vergangenheit, die offensichtlich verfassungswidrig wie dieser Gesetzentwurf waren und dennoch mit demokratischen Mehrheiten zustande gekommen sind.
Kein Kritiker muss deshalb verstummen oder dies gar akzeptieren, wie der Ministerpräsident meint. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wer in einem solch sensiblen Bereich wie dem Polizeirecht mit derart hanebüchenem Populismus agiert und dann noch berechtigte Kritik diffamiert, der zeigt, dass die offenbare Angst vor einer krachenden Niederlage vor dem Verfassungsgerichtshof sehr groß sein muss
aus Sicht der GRÜNEN-Fraktion zu Recht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim letzten Plenum rechtfertigte der Ministerpräsident das neue Polizeigesetz noch mit mehr Härte. Der Sinn des liberalen Rechtsstaates ist es aber nicht, Härte gegenüber der Bevölkerung zu zeigen, sondern mit aller Macht die Grundrechte gegenüber Eingriffen des Staates zu schützen.
Davon nehmen Sie mit diesem Gesetzentwurf weiter Abstand, als es unsere Freiheit verträgt.
In einer Situation, in der die Sicherheitslage in Deutschland und in Sachsen so gut ist wie kaum zuvor,
schüren Sie mit neuen Überwachungsinstrumenten einen Generalverdacht gegen die Bürgerinnen und Bürger und öffnen dem Präventivstaat Tür und Tor.
Dabei sind Sie nicht einmal im Ansatz dazu in der Lage, die Notwendigkeit neuer, schwerster Eingriffsbefugnisse zu begründen; denn in Ihrem Traum vom Rechtsstaat als Eingriffsstaat scheint Ihnen die Erkenntnis verloren gegangen zu sein,
dass Grundrechtseingriffe in einem Rechtsstaat zunächst einmal geeignet und erforderlich sein müssen.
Ich mache Ihnen diese Schieflage an zwei Beispielen deutlich. Sie weiten die Befugnisse für die Kfz-Kennzeichenerfassung aus, ebenjene Kfz-Kennzeichenerfassung, die sich als weitgehend nutzlos im Kampf gegen den KfzDiebstahl erwiesen hat, weil in guten Jahren gerade einmal eine höhere einstellige Anzahl an gestohlenen Kfz gefunden wird. Dies wollen Sie nun bei wohlgemerkt rückläufiger Zahl von Kfz-Diebstählen ausweiten.
Das zeigt doch: Bei diesem Gesetz geht es nicht darum, Kriminalität zu bekämpfen, sondern darum, neue Überwachungsmethoden zu etablieren und das nicht einmal zu kaschieren.
Ähnlich deutlich wird dies bei der präventiven Telekommunikationsüberwachung. Ihre Notwendigkeit begründen Sie mit der Abwehr terroristischer Gefahren. Sie verschweigen aber, dass für terroristische Gefahren das BKA zuständig ist und es aufgrund der Änderungen des Strafgesetzbuches in den letzten Jahren kaum noch möglich ist, eine terroristische Handlung zu erdenken, ohne bereits eine Straftat begangen zu haben. In diesem Fall greift dann eben die StPO und nicht das Polizeigesetz. Sie brauchen also die präventive Telekommunikationsüberwachung gar nicht für die Bekämpfung des Terrorismus.
Vielmehr geht es Ihnen wie immer darum, Befugnisse einzuführen mit der vermeintlichen Erklärung, sie im Kampf gegen den Terrorismus zu gebrauchen und sie dann für weit weniger schwere Gefahren einzusetzen. Es ist dasselbe Spiel wie seit Jahren, mit dem die Sicherheitsgesetze in der Bundesrepublik Deutschland in einer Spirale von nicht hinzunehmenden Bürgerrechtseingriffen verschärft werden, das Sie heute mit diesem Gesetzentwurf weitertreiben.
Ich kann es Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, in diesem Hohen Hause nicht ersparen: Sie haben in den letzten Jahren alles dafür getan, um alle Versuche der unabhängigen Evaluation der Sicherheitsgesetzgebung in Sachsen zu verhindern; denn Sie haben alles abgeblockt, was in dieser Richtung vonseiten der Opposition kam. Jetzt stellen Sie es hier so hin, als ob dieser Gesetzentwurf alternativlos wäre. Das ist schlicht absurd.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Vielzahl der neuen Befugnisse richtet sich gegen Bürgerinnen und Bürger, die vielleicht irgendwann einmal verdächtig werden könnten. In einem liberalen Rechtstaat haben aber die Menschen den Anspruch, von Sicherheitsbehörden so lange unbehelligt zu bleiben, wie sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Diesen Grundsatz kehren Sie mit diesem neuen Polizeigesetz einfach mal in unzulässiger Art und Weise um. Darüber hinaus gehen Sie mit der Einführung der intelligenten Videoüberwachung einen großen Schritt in den Überwachungsstaat.
Es ist nicht nur moralisch verwerflich, den öffentlichen Raum derart kontrollieren zu wollen, es ist auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig. Spätestens nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur automatisierten Kennzeichenerfassung ist die intelligente Videoüberwachung tot, da sie eine konkrete Identifikation von Personen zulässt.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Niemand verbietet Ihnen, verfassungskonforme Gesetze zu verabschieden. Im Gegenteil, auch dieser Landtag ist in einem Rechtsstaat an die Verfassung gebunden, und insoweit hätte dieses Überwachungsmonstrum nach der jüngsten Entscheidung aus Karlsruhe schlicht in den Papierkorb gehört. Nicht zuletzt zeigt ein bedeutendes Missverhältnis, wie wichtig Ihnen tatsächlich die – heute auch schon wieder propagierte – angebliche Ausgewogenheit von Freiheit und Sicherheit ist. Sie schaffen eine umfassende Befugnis für die Errichtung gigantischster Datenbanken bei der Polizei, bei der zukünftig noch mehr über die Bevölkerung gespeichert werden darf, ohne dass diese auch nur im Ansatz weiß, was über sie gespeichert wird.
Gleichzeitig schaffen Sie es nicht, mit dem heute auch zu verabschiedenden Datenschutz-Umsetzungsgesetz nur im Ansatz dem Datenschutzbeauftragten die notwendigen Befugnisse zu geben, diese wirksam zu kontrollieren. Ich halte fest: Es gibt mehr Befugnisse für die Polizei und kaum Kontrolle. Das ist nicht nur unvernünftig, werte Kolleginnen und Kollegen, das ist schlicht GrundrechtsHarakiri.
Nicht zuletzt ist für uns GRÜNE auch nicht hinnehmbar, dass Sie die einzigen notwendigen Änderungen, die es derzeit im Polizeirecht überhaupt bräuchte, nicht realisieren, nämlich eine wirklich unabhängige Beschwerdestelle und nicht diesen zahnlosen Tiger bei der Staatskanzlei sowie endlich die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für die Polizeibediensteten im Freistaat Sachsen. Damit kann ich nur konstatieren: Wer die ursprüngliche Idee des Rechtsstaates ernst nimmt, kann einem solchen Polizeigesetz nicht zustimmen.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie nun also den Rechtsstaat als Begründung für diesen Frontalangriff auf die Bürgerrechte heranziehen,
dann versündigen Sie sich an einer der größten Ideen der Menschheit.
Ich sage Ihnen ganz klar: Wer vom Rechtsstaat spricht, aber Bürgerrechte ignoriert und schamlos die Grundrechte aushöhlt, sollte lieber schweigen, zumindest aber die Finger von der Gesetzgebung lassen. Wir, werte Kolleginnen und Kollegen, werden diesen Gesetzentwurf aus tiefster Überzeugung der Freiheit zuliebe ablehnen und als entschiedene Kritiker auch weiterhin nichts unversucht lassen, ihn zu stoppen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Anton! Ich habe ja nichts gegen harte Auseinandersetzungen. Aber wenn Sie Ihre Rede damit beginnen, anderen Polemik vorzuwerfen, und anschließend eine Rede halten, die selbst in einem CSUBierzelt gewagt wäre, dann wird es schon absurd.
Die Zwischenrufe von hier hinten sind sehr interessant. Vielleicht sollte man das irgendwann einmal veröffentlichen. Das hätte großen Unterhaltungswert.