Protokoll der Sitzung vom 08.10.2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 22. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags.

Ganz zu Beginn gratuliere ich ganz herzlich Herrn Henning Homann zum Geburtstag. Gesundheit und alles Gute!

(Beifall)

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Ministerpräsident Tillich, Frau Staatsminister Dr. Stange, Herr Winkler und Herr Panter.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor.

Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 3 bis 7 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 75 Minuten, DIE LINKE 50 Minuten, SPD 40 Minuten, AfD 35 Minuten, GRÜNE 25 Minuten, Staatsregierung 50 Minuten. Die Redezeiten von Fraktionen und Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Tagesordnungspunkt 9, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Ein als dringlich bezeichneter Antrag der Fraktion der AfD liegt Ihnen in der Drucksache 6/2956 vor: „Rettung des Systems zum Schutz von politisch Verfolgten und Bürgerkriegsflüchtlingen“. Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit festzustellen; dann müsste der Antrag noch in dieser Sitzung abschließend behandelt werden. Voraussetzung für eine Dringlichkeitserklärung ist, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung im Landtag über den Antrag nicht mehr erreichbar ist.

Ich bitte jetzt um die Begründung der Dringlichkeit, Kollege Wurlitzer – um die Begründung der Dringlichkeit, nicht des Antrags an sich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir haben am Montag aus der Presse erfahren, dass in diesem Jahr mit einer weitaus höheren Anzahl an Asylbewerbern gerechnet werden muss, als bislang bekannt war. Aus diesem Grund haben wir diesen Antrag formuliert. Die Dringlichkeit liegt auf der Hand, da das nächste Plenum erst am 19. und 20. November stattfindet. Es zählt derzeit jeder Tag.

Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU, haben das ja bereits erkannt. Ihre Pressemitteilung, Herr Kupfer, zielt in Teilen in eine ähnliche Richtung. Und Sie, sehr geehrter Herr Piwarz, Herr Modschiedler, Herr Schreiber und Herr Dierks, haben den Mut gefunden, gegen Frau Merkel aufzubegehren.

(Christian Piwarz, CDU: Reden Sie doch einmal zur Dringlichkeit, Herr Wurlitzer!)

Frau Merkel interessiert das nicht – leider Gottes!

(Unruhe bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Christian Piwarz, CDU: Reden Sie endlich zur Dringlichkeit! – Kerstin Köditz, DIE LINKE: Bisher war es nicht zur Dringlichkeit!)

Würden Sie mich bitte ausreden lassen?

Aber bleiben Sie bei der Dringlichkeit.

(Patrick Schreiber, CDU: Haben Sie den Brief gelesen oder nicht?)

Noch einmal: Wir begründen jetzt hier die Dringlichkeit des Antrags. Bitte machen Sie weiter, Herr Kollege Wurlitzer, und bleiben Sie bei der Dringlichkeit.

Genau. – Die Bundesregierung interessiert das leider nicht. Es interessiert sie weder die Meinung der Bevölkerung noch die Meinung in weiten Teilen der Parteibasis. Wenn wir von 1,5 Millionen Asylbewerbern noch in diesem Jahr ausgehen, bedeutet das für Sachsen zwischen 70 000 und 75 000 Asylbewerber.

Das wird aber nicht am 31.12. dieses Jahres enden. Es geht weiter, wenn wir keine Vorkehrungen treffen, vom Familiennachzug mal ganz abgesehen.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Reden Sie zur Dringlichkeit!)

Wir haben am heutigen Tag die Ressourcen in Sachsen bereits ausgeschöpft.

(Christian Piwarz, CDU: Wann kommen Sie endlich zur Dringlichkeit?)

Lassen Sie mich doch ausreden! Dann erfahren Sie es.

(Christian Piwarz, CDU: Nein, Sie müssen zur Dringlichkeit reden!)

Wir haben die Ressourcen in Sachsen ausgeschöpft. Unsere Kreise und Kommunen stehen mit dem Rücken an der Wand. Wir müssen jetzt handeln, bevor uns die Lage ganz aus dem Ruder läuft. Deshalb bitte ich Sie, der Dringlichkeit zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war die Begründung der Dringlichkeit des Antrags.

Jetzt kommen die Positionierungen der Fraktionen, ebenfalls zur Dringlichkeit. – Bitte, Kollege Piwarz.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wurlitzer, Sie haben sich

doppelt redlich bemüht – einmal, einen entsprechenden Antrag zu schreiben, ein anderes Mal, die Dringlichkeit zu begründen. Es ist Ihnen aber beides nicht gelungen.

Ich will auf die drei Punkte eingehen, die Sie in Ihrem Antrag angesprochen haben.

Was das Vorwort und Punkt 1 Ihres Antrags betrifft, so verweise ich – bei aller Wertschätzung gegenüber Presseorganen, auch gegenüber bestimmten Presseorganen – darauf: Nur aufgrund einer Schlagzeile oder einer Meldung, die noch dazu von den entsprechenden Behörden nicht bestätigt wird, fangen wir hier noch lange nicht an, einen Antrag für dringlich zu befinden. Wenn Sie von einer auf Sachsen entfallenden Anzahl von 70 000 bis 75 000 Asylbewerbern sprechen, so ist dies nach dem derzeitigen Stand völlig aus der Luft gegriffen und kann eine Dringlichkeit nicht begründen.

Viel deutlicher wird die mangelnde Dringlichkeit bei den Punkten 2 und 3 Ihres Antrags, in denen Sie sich für die Schaffung einer gesetzlichen Obergrenze für die Aufnahme von Asylsuchenden und die sofortige Vollziehung von Abschiebungen einsetzen. Das sind beides Punkte, die einerseits schon regelmäßig hier im Parlament zur Debatte gestanden haben und die andererseits auch seit geraumer Zeit in der öffentlichen Diskussion sind, angestoßen nicht zuletzt durch Ihre Partei und Ihre Fraktion. Dann wäre es aber richtig gewesen, die Antragsfristen einzuhalten und die Anträge rechtzeitig in den Geschäftsgang zu geben, sodass man darüber hier beraten kann. Die beiden genannten Punkte können nicht dringlich sein, weil wir hier schon oft genug darüber diskutiert haben.

Insofern ist der gesamte Antrag nicht als dringlich anzusehen.

Gibt es zu diesem Punkt – zur Dringlichkeit – weitere Wortmeldungen aus den Fraktionen? – Bitte, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch für die SPD-Fraktion möchte ich feststellen, dass hier in diesem Hohen Haus das Thema „Aufnahme und Integration von Flüchtlingen“ eine Daueraufgabe darstellt. In jeder der Debatten hier und in jeder Ausschusssitzung steht das Thema auf der Tagesordnung.

Die unter Punkt 1 des Antrags genannten, nicht belegbaren Zahlen aus Nachrichten und Zeitungsartikeln begründen aus unserer Sicht keine Dringlichkeit im Sinne der Geschäftsordnung.

Was die Punkte 2 und 3 angeht, so möchte ich mich Kollegen Piwarz anschließen. Das sind Punkte, die im normalen Verfahren in den Ausschüssen und im Landtagsplenum hätten vorgebracht werden können; das ist auch weiterhin möglich.

Von daher lehnt auch die SPD-Fraktion die Dringlichkeit ab.

Vielen Dank, Frau Kollegin Neukirch. – Eine weitere Wortmeldung kommt von der Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die GRÜNEN-Fraktion möchte ich erklären, dass wir die Dringlichkeit dieses Antrags ebenfalls nicht sehen. Eine „Bild“-Zeitungsschlagzeile allein begründet in diesem Hohen Hause keine Dringlichkeit.

Überdies muss ausgeführt werden, dass die Punkte 2 und 3 schon mehrfach Gegenstand von Debatten in diesem Haus waren. Insbesondere Punkt 2 erfüllt nicht die sachlichen Voraussetzungen für eine Dringlichkeit; denn das wäre sowieso rechtlich schwer umzusetzen. Da ist es nicht die Frage einer Dringlichkeit, dies umzusetzen, zumal wir als Land dafür nicht zuständig sind. Es tritt jedenfalls keinesfalls ein größerer Schaden ein, wenn die Behandlung im normalen parlamentarischen Verfahren erfolgt.

Vielen Dank, Kollege Lippmann. – Jetzt Herr Kollege Scheel für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion, auch unsere Fraktion kann nicht erkennen, dass wir einen neuen Sachstand haben. In der Tat sind es Presseberichterstattungen in „Bild“ und „Welt“ gewesen, die bisher nicht von offiziellen Stellen bestätigt worden sind und sich dementsprechend in der Welt der Fabeln befinden.

Ich finde es auch fahrlässig von der AfD, dass sie laut ihrer Bundessseite schon Flyer verteilen lassen möchte, die diese Zahl als sachgegenständlich darstellen. Das ist aus unserer Sicht erstens falsch und zweitens fahrlässig. Das trägt auch nicht zu einem guten Klima in unserem Land bei.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Ach so?)

Wir werden dieser Dringlichkeit auf keinen Fall zustimmen können.

Vielen Dank.