Protokoll der Sitzung vom 12.04.2017

Die zweite Aktuelle Debatte ist eröffnet durch die antragstellende Fraktion DIE LINKE und Frau Kollegin Falken. Jetzt geht es weiter mit CDU, SPD, AfD, GRÜNE, und es spricht Frau Kollegin Fiedler für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Genügend Lehrer in ganz Sachsen auszubilden ist eines der wichtigsten politischen Ziele für die Koalition. Deshalb trete ich auch dafür ein, dass man in dieser Debatte, die sehr komplex ist, dieses komplexe Thema in all seiner Vielfalt beleuchtet.

Ich möchte gleich zu Beginn sagen, dass die Lehrerausbildung bzw. der Lehrerbedarf insgesamt ein sehr dynamisches System ist und dass dort, wo Nachbesserungsbedarf besteht, dieser selbstverständlich auch angepasst werden muss. Es muss aber auch so sein, Dinge, die einmal auf die richtige Schiene gesetzt worden sind, dort zu belassen und zum Laufen zu bringen.

Wie ist die Situation? Es ist derzeit so, dass für den Bedarf an Lehrern in Sachsen zu wenige Absolventen an unseren Hochschulen fertig werden. Eine Ursache ist, dass wir sehr spät darauf reagiert haben, nämlich erst im Jahr 2012, zu einer fächer- und schulartspezifischen Ausbildung zu kommen. Das haben wir aber 2012 geändert, und die Wirkung dessen tritt erst im Jahr 2019 ein, weil man eine sechs- bis siebenjährige Ausbildung hat. Erst dann können wir bewerten, ob das, was wir damals begonnen haben, erfolgreich gewesen ist. Die Zahlen sagen schon heute, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wir haben eine Verschärfung der derzeitigen Situation des Lehrerbedarfes auch dadurch, dass die Rente mit 63 kam und viele Lehrer dieses Angebot verständlicherweise in Anspruch genommen haben – was für uns im Jahr 2012 so nicht absehbar war.

Deshalb werden wir auch in den kommenden Jahren mit Seiteneinsteigern arbeiten. Das gelingt häufig gut, teilweise gibt es Probleme. Hier müssen wir entsprechende Begleitprogramme aufstellen, und hier werden wir sicher in den nächsten Monaten organisatorisch noch einmal nachsteuern müssen.

Der letzte Punkt. Wir haben ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, mit dem der Lehrerberuf insgesamt attraktiver gestaltet wird. Wir wollen, dass insgesamt mehr Lehrer in Sachsen bleiben, die hier ausgebildet wurden, bzw. sich auch für den ländlichen Raum entscheiden. Auch über die Wirkung dieses Maßnahmenpaketes werden wir erst in den kommenden Monaten eine Bewertung abgeben können.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir müssen erst einmal ausbilden!)

Wir müssen beides – ausbilden und jetzt das Maßnahmenpaket nutzen, damit die Studenten, die hier ausgebildet sind, auch hierbleiben. Auch das würde zur Entlastung der derzeitigen Situation beitragen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ausbildung in Chemnitz ist heute das Thema!)

Was sind unsere Aufgaben? Zunächst einmal eine solide und längerfristige Lehrerbedarfsprognose. Diese haben wir jetzt endlich – seit Ende 2106 liegt sie vor – und diese zeigt sehr deutlich, wie viele Lehrer wir bis 2030 brauchen. Aus dieser Lehrerbedarfsprognose – das sehen wir auch so – erwachsen noch einmal Hausaufgaben. Deshalb hat der Hochschulentwicklungsplan gesagt, dass wir perspektivisch 2 300 Lehramtsstudenten ausbilden. Diese Hausaufgabe erwächst aber nicht im Bereich der Grundschullehrer, wo wir momentan rund 600 Studienplätze haben. Wenn wir in Chemnitz aufbauen würden – darum geht es in Ihrer Debatte –, würden in sechs Jahren die ersten Absolventen zur Verfügung stehen, und wir haben dann einen Bedarf an 280 Stellen prognostiziert.

600 Studienplätzen stünden dann 280 Stellen gegenüber. Momentan haben wir einen Stellenbedarf von 600 Stellen. Wir sehen also, dass es dort einen Rückgang geben wird.

Aus der Erfahrung im Bereich der Lehramtsausbildung heraus halte ich es nicht für richtig, dass wir irgendwann wieder zu viel in allen Bereichen ausbilden und dann junge Menschen enttäuschen müssten, die einen Ausbildungsgang gewählt haben, in dem wir ihnen dann keine Stellen anbieten könnten. Es ist ein vernünftiges Nachjustieren notwendig. Dies ist insbesondere im Bereich der Oberschul- und Gymnasiallehrer notwendig. Ich weiß – weil wir das natürlich auch nachfragen –, dass die Staatsregierung schon aktiv mit den Hochschulen im Gespräch ist, wie dieser Bedarf gedeckt werden kann. Dort ist es aber sinnvoll, weil es relativ schnell gehen muss, an die vorhandenen Strukturen an der TU Dresden und an der Universität Leipzig anzudocken, um das ganze Verfahren relativ schnell zu gestalten.

Was sind jetzt unsere Hausaufgaben? Am Übereinkommen von Lehrerbedarfsprognose und Studienplätzen ist die Staatsregierung dran, das Maßnahmenpaket ist auf dem Weg, und es ist dafür zu sorgen, dass es auch in der Fläche wirkt; denn wir brauchen insgesamt noch einmal ein Werbepaket für den ländlichen Raum. Ich denke daran, dass man neben dem Maßnahmenpaket viel machen kann, wenn die Referendare im ländlichen Raum in der Schule sind, dass sie durch die SBA auch entsprechend begleitet und serviceorientiert beraten werden.

Die Redezeit ist abgelaufen.

Weiterhin wollen wir – – Entschuldigung! Gut, ich habe dann noch eine zweite Runde, in der ich auf die weiteren Vorhaben eingehen werde.

Sie sehen, dass wir uns sehr wohl mit diesem Thema sehr intensiv beschäftigen und auf dem richtigen Weg sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sagen Sie dann etwas zu Chemnitz!)

Das war für die CDUFraktion Frau Kollegin Fiedler. Jetzt kommt Herr Kollege Mann zu Wort; er spricht für die SPD-Fraktion.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Vielleicht sprichst du ja jetzt zum Thema – es geht um Chemnitz; ich habe nur zu Dresden und Leipzig gehört!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Thema der heutigen Debatte der Fraktion DIE LINKE ist: „Sicherung des Lehrkräftebedarfs ist auch regionale Wirtschaftsförderung – Lehramtsausbildung an der TU Chemnitz stärken!“

Zum ersten Teil Ihres Mottos kann ich sagen: Ja, ist es, da brauchen wir nicht zu streiten, das sagen wir seit Jahren. Es ist natürlich auch immer ein Faktor von Wirtschaftsförderung. Ich habe mich gefragt, warum diese Überschrift, und hatte den Eindruck, Sie wollen auch einmal etwas über Wirtschaft sagen – insofern sei es Ihnen gegönnt.

Aber zum eigentlichen Thema der Lehramtsausbildung an der TU Chemnitz, diese zu stärken – ja, das machen wir bereits, und die Kollegin Falken hat es durch ihr mehrfaches Ansprechen der Frage, dass das eine Aktuelle Debatte sei, deutlich gemacht: Es ist keine Aktuelle Debatte mehr, denn mit dem Thema schlagen wir uns seit Jahren herum. Wir hatten mehrfach Positionspapiere des Regionalkonvents dazu, und nicht zuletzt haben wir genau dieses Thema in einer Anhörung am 24. Oktober 2016 angehört und – wichtig – mehrheitlich wurde gerade das angesprochene Thema Neueinrichtung der Berufsschulausbildung – –

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Auf einen Antrag der LINKEN!)

Gern sage ich dazu, dass es ein Antrag der LINKEN war. Aber das vielleicht Wichtigere für die Debatte ist, dass die Sachverständigen mehrheitlich eine Wiedereinrichtung des Berufsschullehramts in Chemnitz abgelehnt haben. Oder sagen wir es konkret – und ich versuche, es wortwörtlich zu zitieren –: Der von der Opposition eingeladene Sachverständige Prof. Koring, Direktor des Chemnitzer Lehrerbildungszentrums, gab zu Protokoll: „Die Forderung nach einer Ausbildung von Berufsschullehrern in Chemnitz kann ich aus meiner Perspektive nicht teilen. In Sachsen gibt es mehr Studienplätze als Bewerber für diesen Bereich und ein wirklich konsolidiertes wie fundiertes Angebot.“

Mehr gibt es meines Erachtens in dieser Frage im Bereich der Hochschulen schlicht nicht zu wissen und festzustellen. Das ist die Situation: Es mangelt nicht an Kapazitäten, es mangelt uns schlicht an Bewerbern. Aber schauen wir noch einmal auf die Debatte, die wiederum nicht nur

die Frage der Lehramtskapazitäten betrifft, sondern nicht zuletzt die der Bedarfe. Das wurde schon angesprochen, deswegen geht mein Blick zuerst in Richtung Kultusministerin, die diese Bedarf prognostizieren und benennen muss.

(Staatsministerin Brunhild Kurth: Sie sind benannt!)

Ja, sie sind benannt, genau. Lassen Sie mich später dazu kommen.

Frau Fiedler hat auf das Problem hingewiesen: Wenn wir heute über Lehramtskapazitäten reden, dann stehen die entsprechenden Absolventen frühestens in sechs oder sieben Jahren zur Verfügung. Studierende, die im Wintersemester dieses Jahres beginnen, werden also frühestens 2024/2025 an den Schulen in Sachsen eingestellt werden können.

Vom Kultusministerium wird aktuell folgender Bedarf prognostiziert: 280 Lehrerinnen und Lehrer im Grundschulbereich, 490 Lehrerinnen und Lehrer an Oberschulen, 490 Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien, 210 Lehrerinnen und Lehrer an Förderschulen, 250 Lehrerinnen und Lehrer an Berufsschulen. Das sind summa summarum 1 720 Lehrer, die wir in Sachsen 2024/2025 brauchen werden.

Die aktuellen Zielvereinbarungen beinhalten eine Aufstockung der Kapazitäten – die in Vorbereitung ist –, zunächst auf 2 000, dann auf 2 375. Nach allem, was wir von den Absolventenquoten wissen, brauchen wir diese Zahlen. Allerdings haben wir kein Problem im Bereich des Grundschullehramts. Insofern haben wir hier schon viel getan, nicht zuletzt mit der Neueinrichtung der Ausbildung im Rahmen des Grundschullehramts in Chemnitz, die wir uns durchaus viel kosten lassen, nämlich doppelt so viel wie an anderen Standorten in Sachsen.

Für die Berufsschullehrerausbildung gibt es, wie gesagt, keine Nachfrage und leider auch keine Anlage mehr an der TU Chemnitz. Es ist vielleicht verständlich, dass man nicht überall spitze sein kann. Wenn sich Chemnitz bei der Profilbildung auf Materialforschung, Maschinenbau etc. konzentriert und auch beim Gründergeschehen spitze ist, dann wird sichtbar, warum die dortige TU nicht zugleich das Zentrum der Lehramtsausbildung sein will. Auch das ist Teil von Hochschulentwicklung, im Übrigen auch von Wirtschaftsförderung.

Auf eine Frage möchte ich etwas umfassender eingehen: Wie schaffen wir es, den Lehramtsbedarf in den Regionen zu sichern? – Dazu gibt es auch wissenschaftliche Beiträge, unter anderem die VEBOLAS-Studie von

Dr. Eulenberger. Diese verrät uns: Ja, die regionale Verbundenheit ist bei Grundschullehramtsstudierenden am höchsten; bei Berufsschullehrern ist sie weitaus geringer. Aber der wichtigste Grund für Absolventen, sich außerhalb von Sachsen zu bewerben, ist nicht die Nähe des Wohnortes. Vielmehr waren in anderen Bundesländern die Wartezeiten beim Einstellungsverfahren deutlich kürzer als in Sachsen. Zweitens hatten die Absolventen

dort lange Zeit bessere Chancen auf einen Referendariatsplatz. Letzteres haben wir mit dem zuletzt beschlossenen Doppelhaushalt, der eine Erhöhung der entsprechenden Plätze vorsieht, hoffentlich bereinigt. Ersteres dürfte uns allen, insbesondere dem Kultusministerium und den nachgeordneten Behörden, Ansporn sein, bei der Anwerbung und Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern noch besser zu werden.

(Staatsministerin Brunhild Kurth: Wir stellen am schnellsten ein! Das Einstellungsverfahren geht bei uns am schnellsten!)

Das ist super. Darüber können wir uns ja dann noch austauschen. Ich werde in der zweiten Runde noch einmal darauf zu sprechen kommen. Fünf Minuten sind zu wenig Zeit, um die Lehrerausbildung im Ganzen zu bereden. Die Debatte werden wir gleich weiterführen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Nach dem Kollegen Mann kommt jetzt Frau Kollegin Kersten für die AfDFraktion zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum wiederholten Male diskutieren wir über das Thema Lehramtsausbildung in Chemnitz. Grund ist diesmal das Positionspapier von Vertretern aus Südwestsachsen. IHK, Handwerkskammer, Bürgermeister und Landräte machen sich angesichts des größer werdenden Fehlbedarfs an Lehrern Sorgen um die Absicherung des Unterrichts in ihrer Region.

Diese Sorgen sind nicht unberechtigt. Wir alle kennen die Lehrerbedarfsprognose, nach der Sachsen in den nächsten zehn Jahren deutlich mehr Lehrer benötigt. Wir wissen auch, dass in diesem Zeitraum circa die Hälfte aller Lehrer aus dem Schuldienst ausscheiden wird.

Die Region Chemnitz hat mit der Besetzung frei werdender Stellen besonders große Probleme. Wir wissen, dass dort circa 70 % der Stellen mit Seiteneinsteigern besetzt sind.

Die Unterzeichner wollen frühzeitig gegensteuern – das macht sicherlich Sinn – und sehen die Lösung in der Verstetigung bzw. Erweiterung der Lehramtsausbildung in Chemnitz.

Man könnte nun einwenden, es sei doch egal, wo Studenten studieren; sie seien ja flexibel. Dem ist aber nicht ganz so. Laut zweier Erhebungen, die in Sachsen durchgeführt wurden, wollen 80 % der hier ausgebildeten Lehrer in der Region bleiben, und ein Großteil der Studenten an der TU Chemnitz kommt aus der Region.

Staatsministerin Dr. Stange hat zu dieser Thematik ein Interview gegeben. Darin hat sie geäußert, dass dieser sogenannte Klebeeffekt wohl nur auf Grundschullehrer zutreffe. Ich bin Mitglied des Ausschusses für Schule und Sport und muss Ihnen sagen: Das stimmt nicht ganz; denn diese Aussage wird von ihrer Kabinettskollegin, Frau

Staatsministerin Kurth, regelmäßig widerlegt. Aus dem Kultusministerium hören wir nämlich, das größte Problem bei der Besetzung von Lehrerstellen sei nicht die Anzahl der Bewerber, sondern die Tatsache, dass die Lehramtsabsolventen in Leipzig oder Dresden bleiben wollen; dort werden aber nicht nur Grundschullehrer ausgebildet. Das ist durchaus ein Grund, einmal auszuprobieren, ob dieser Klebeeffekt nicht auch für andere Lehrämter in Chemnitz funktionieren würde.

Als weiteres Argument gegen die Lehramtsausbildung in Chemnitz werden die im Hochschulentwicklungsplan verankerten Vereinbarungen zur Anzahl der Studienplätze genannt. Diese wurden in den letzten Jahren von gut 1 700 auf 2 000 erhöht. Im kommenden Herbstsemester soll ein weiteres Mal aufgestockt werden, auf knapp 2 400.

Angesichts dessen können wir zu Recht die Frage stellen, warum man dieses Mehr an Studienplätzen nicht zumindest probeweise nach Chemnitz gibt. Man könnte vielleicht eine Außenstelle der Lehramtsausbildung in Chemnitz implementieren, um das vereinbarungskonform zu machen. So könnte man auch testen, ob die dort ausgebildeten Lehrer tatsächlich in der Region verbleiben.