Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

Damit ist der Antrag eingebracht durch die AfD-Fraktion. Jetzt spricht für die CDU Herr Kollege Rohwer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir erinnern uns noch ganz gut an das Gezeter, das groß war, als vor zwei Jahren die Stadtwerke Gera Insolvenz anmeldeten. Die notorischen Schwarzmaler unter uns zeichneten infolgedessen ein dunkles Bild für die Zukunft, weitere Pleiten von kommunalen Unternehmen würden folgen und die Kommunen vor unlösbare Probleme stellen. Seitdem gab es einen einzigen weiteren Fall, nämlich die Pleite der Stadtwerke Wanzleben.

Was sagen uns diese beiden Fälle vor dem Hintergrund des vorliegenden Antrages der AfD, meine sehr verehrten Damen und Herren? Erstens: Die große Pleitewelle ist nicht zu erkennen. Das gilt besonders für den Freistaat Sachsen, wo bisher kein einziger kommunaler Versorger Insolvenz anmeldete. Zweitens sollten wir genauer auf die Gründe der Insolvenzen schauen. Im Falle von Gera handelte es sich um ein überdimensioniertes Geflecht städtischer Unternehmen und Fehlmanagement bei Investitionen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs. In Wanzleben war die Pleite durch den Ausfall eines Blockheizkraftwerkes und dessen Reparatur verursacht.

Die Insolvenzen hatten also in beiden Fällen überhaupt nichts mit Investitionen in den Netzausbau zu tun, sondern vielmehr mit verfehlten Investitionstätigkeiten und wahrscheinlich auch mit Missmanagement. Eine Einzelfallbetrachtung lohnt sich also, wenn man sachlich bleiben möchte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich sehen wir, dass die kommunalen Versorger im Zuge der Energiewende unter Druck stehen. Das betrifft vor allem all jene kommunalen Versorger, die selbst als Erzeuger auf dem Markt aktiv sind. Das Problem aber liegt hier weniger bei den Kosten für den Netzausbau, wie uns der vorliegende Antrag zu suggerieren versucht, sondern bei unverhältnismäßigen Subventionierungen der erneuerbaren Energien. So geraten besonders die Stadtwerke unter Druck, die auf Gas als fossilen Brennstoff und Energiequelle zurückgreifen, um eine grundlastfähige Versorgung sicherzustellen. Dieser Preisdruck hat nichts mit dem Netzausbau zu tun, sondern mit einem verzerrten Strommarkt.

Zum Antrag sei Folgendes gesagt: Es ist zunächst zu honorieren, dass sich die AfD-Fraktion um unsere sächsischen Kommunen und die angeschlossenen Stadtwerke sorgt. Ebenso muss man auch über die Kosten der Energiewende sprechen, die auf Versorger und Stromkunden zukommen. Doch was, werte Kollegen der AfD, soll mit der Aufforderung zum Bericht der Staatsregierung eigentlich bewirkt werden? Vor dem Hintergrund der eingangs beschriebenen Insolvenzfälle von Gera und Wanzleben scheinen Pauschalurteile bzw. Pauschalanfragen nicht zielführend zu sein; denn die konkreten Investitionsbedar

fe kommunaler Versorger sind so individuell wie deren Betriebspläne selbst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die Regierungskoalition ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Kosten der Netznutzung im Rahmen gehalten werden müssen, um die Akzeptanz der Energiewende als gesamtgesellschaftliches Projekt nicht zu gefährden. Dabei müssen wir aber sehr genau betrachten: Wo entstehen Kosten und wer kommt dafür auf?

Wenn Sie nun behaupten, das Verteilernetz auf Niederspannungsebene sei durch volatil einspeisende Windkraftanlagen überlastet und müsse aufgrund dessen ausgebaut werden, dann ist das ganz einfach eine Falschbehauptung,

(Zuruf von der AfD: Das hat doch niemand gesagt!)

da Windräder gewöhnlich erst auf Mittelspannungsebene angeschlossen werden.

Aus Gesprächen ist mir ebenfalls bekannt, dass im Gebiet der Mitnetzstrom bis heute noch kein einziger Netzeingriff aufgrund von Überlastung auf Mittel- und Niederspannungsebene getätigt wurde. Netzeingriffe bei dezentralen EEG-Anlagen waren hier ausschließlich durch Engpässe im Übertragungsnetz notwendig.

Darüber hinaus schreiben Sie von Eingriffen in den Stromverbrauch bei Privatkunden und Industrieanlagen, was ebenfalls bisher in Ostdeutschland noch nie vorkam, da wir hier eher zu viel als zu wenig Strom produzieren.

Ich möchte damit sagen: Ihr Antrag stellt zum Teil wilde, haltlose Behauptungen auf, ohne konkrete Lösungsvorschläge anzubieten. Das ist aus meiner Sicht nicht nur mutlos, sondern auch höchst unverantwortlich gegenüber jenen, die von unverhältnismäßig hohen Kosten betroffen sind.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der SPD)

Man könnte auch sagen: Der vorliegende Antrag verkörpert den sprichwörtlichen Wolf im Schafspelz: nach außen rührend formuliert, inhaltlich jedoch äußerst schwach auf der Brust und populistisch.

(Zuruf von der AfD: Das hat heute gefehlt, das war jetzt das erste Mal!)

Um es Ihnen einmal geradezurücken: Für das Jahr 2016 blieb die Netzlast in den sächsischen Verteilnetzen deutlich über der Einspeiseleistung. Momentan besitzt lediglich jeder 25. sächsische Hausanschluss eine Einspeiseanlage. Das sind gerade einmal 4 % der Haushalte im Freistaat. Selbst bei einer prognostizierten Verdoppelung dieser Zahlen bis Ende der Zwanzigerjahre sehe ich hier kein unlösbares Netzausbauproblem im Niederspannungsbereich.

Wenn Kosten für die sächsischen kommunalen Betreiber entstehen, dann sind diese zumeist verbunden mit dem Thema der vermiedenen Netzentgelte. Der Gesetzgeber ging Mitte der Zweitausenderjahre davon aus, dass der Strom aus regenerativen Energiequellen auf der Netzebe

ne verbraucht wird, wo er entsteht. Diese theoretische Annahme setzt voraus, dass der durch dezentrale Erzeugeranlagen eingespeiste Strom auf Nieder- oder Mittelspannungsebene verbleibt und nicht ins Übertragungsnetz transformiert werden muss.

Wie wir allerdings eines Besseren belehrt wurden, ist dies im Falle der neuen Länder praktisch nicht mehr der Fall, da wir mehr erneuerbare Energien produzieren, als wir verbrauchen können. Aus diesem Grunde muss der dezentral eingespeiste Strom aus der Mittel- und Niederspannungsebene in die jeweils vorgelagerte Netzebene rückgespeist werden, um ihn dorthin zu transportieren, wo er gebraucht wird: nach Westen und Süden der Bundesrepublik.

Somit werden immer häufiger alle Netz- und Umspannebenen durch dezentrale Einspeiser in Anspruch genommen. Durch die vermiedenen Netzentgelte volatil einspeisender EEG-Anlagen bleiben die Verteilnetzbetreiber, also sehr oft kommunale Versorger in Ostdeutschland, auf diesen Netznutzungskosten sitzen, und hier liegt das Problem.

Um unsere Stadtwerke vor diesen explodierenden Kosten zu bewahren, kamen bereits im Jahr 2015 die CDUFraktionen von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen überein, sich im Bund für die Abschaffung dieser einseitig belastenden vermiedenen Netzentgelte einzusetzen,

ausgenommen derer für KWK-Anlagen. Der am 23. März dieses Jahres erstmals im Deutschen Bundestag besprochene Gesetzentwurf zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur trug diesem Entschluss der mitteldeutschen CDU-Fraktionen endlich Rechnung.

Das ist erfolgreiche Landespolitik, meine sehr geehrten Damen und Herren von der AfD. Die vermiedenen Netzentgelte sollen damit eingefroren und bis 2030 stufenweise abgeschafft werden. Mit dem Abbau der vermiedenen Netzentgelte wird nicht nur die EEG-Umlage im Volumen aufgewertet, was zur Solidarisierung der Kosten der Energietransformation führt; durch die Senkung der Netzentgelte soll auch der Verbraucher entlastet werden.

Nun kam die Nachricht aus Berlin, dass es hierzu noch gewissen Abstimmungsbedarf seitens der SPD in der Regierungskoalition im Bund gibt. Hier, Herr Staatsminister Dulig, gehe ich fest davon aus, dass Sie auf die entsprechenden Kollegen in Berlin mit Nachdruck und im Sinne der Verbraucher einwirken werden. Unser Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat ja ebenfalls bereits vorgelegt. Nun, denke ich, wird unser Wirtschaftsministerium in Berlin nachziehen.

Nach allen Informationen, die wir haben, wird in Berlin, auch wenn das Ende der Legislaturperiode bevorsteht, zügig weiterverhandelt werden. Auch die Bundes-SPD steht im Wort der Ministerpräsidenten, noch vor der Bundestagswahl zu liefern, auf dass eine entsprechende Verordnung zügig erlassen und von Frau Zypries umgesetzt wird. Das ist erfolgreiches Regierungshandeln, meine Damen und Herren, und dies wird auch gelingen, davon bin ich überzeugt.

Darüber hinaus ist nicht mehr wie in der Vergangenheit mit einem wilden Zubau von EEG-Anlagen zu rechnen, da die Zeit der unverhältnismäßig hohen Subventionierung vorbei ist. In der kürzlich beschlossenen EEGNovelle wurde das Ausschreibungsmodell für volatile Einspeiser festgeschrieben, wonach zukünftig nur noch solche Anlagen realisiert werden sollen, die auch tatsächlich wettbewerbsfähig sind. Dies wird ebenfalls zu einer Entlastung auf Mittel- und Niederspannungsebene sorgen.

Unter diesen beiden Umständen, dem neuen EEG sowie der Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte, sehe ich die kommunale Familie und deren Stadtwerke derzeit nicht in Gefahr.

Seien Sie versichert, dass auch das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr seiner Aufsichts- und Kontrollpflicht nachkommt. Dass dies der Fall ist, beweist nicht zuletzt der Fakt, dass die von Ihnen beschworene Pleitewelle kommunaler Versorger im Freistaat Sachsen bisher nicht stattfindet.

Ihrem Antrag fehlt es folglich an Substanz, und er wird von uns auch deshalb abgelehnt. Sie können sicher sein, das Thema ist bei der Sächsischen Staatsregierung in guten Händen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Kollege Rohwer hatte eben das Wort für die CDU-Fraktion. Als Nächster spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Böhme.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde die Debatte um den Antrag der AfD sehr scheinheilig.

(Oh-Rufe von der AfD)

Sie tun so, als ob Sie hier die Kosten der Energiewende untersuchen wollten. Das wollte ich Sie auch gerade fragen, Herr Urban. Sie haben die Frage abgelehnt. Ich hätte auch gefragt, ob Sie überhaupt die Energiewende an sich wollen.

(Jörg Urban, AfD: Lesen Sie unser Programm, dann müssen Sie keine Fragen stellen!)

Ich habe deswegen noch einmal in das Wahlprogramm geschaut. Sie lehnen die Energiewende ab. Sie haben auch behauptet, dass Stadtwerke wegen der Energiewende pleitegehen. Auch das ist nicht richtig. Mein Vorredner hat darauf auch gerade verwiesen.

(Jörg Urban, AfD: Das habe ich nicht behauptet!)

Kein Stadtwerk ist pleitegegangen.

Alles in allem: Mit diesem Antrag wollen Sie Stimmung machen, Stimmung gegen all jene, denen Klimaschutz wichtig ist und die sich für die Zukunft dieses Planeten engagieren. Sie wollen zurück zur Kohle. Sie wollen zurück zu zentralen Strukturen, wo die Gewinne wieder an einzelne Konzerne gehen und die Risikotechnologie

den Stromsektor dominiert. Wir machen das nicht mit. Wir wollen das nicht. Wir wollen dezentrale Strukturen, umweltfreundliche Strukturen und sichere Stromversorgungen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den LINKEN)

Zu Ihrem Redebeitrag. Selbstverständlich kostet die Energiewende Geld, und das auch nicht wenig. Man musste in der Vergangenheit und muss auch noch in der Zukunft viel investieren. Man musste aber auch so, auch ohne Energiewende und ohne AfD, viel investieren im Osten nach dem Beitritt in die BRD. Weil viele Industrieunternehmen und auch Kohlekraftwerke, Chemiebuden usw. stillgelegt wurden, blieben die Leitungsnetze und die entsprechenden Infrastrukturen zunächst zurück. Erst in den späten Neunzigerjahren begann die Modernisierung bzw. Umstrukturierung der Netze, was eben auch so und so erfolgen musste.

Allerdings konnte man damals schon die Planung der erneuerbaren Energien und dezentrale Anlagen einbeziehen bzw. im Nachgang gut integrieren. Genau das macht auch die Stärke des ostdeutschen Stromnetzes aus. Das ist nämlich zu einem Großteil modernisiert, was die neuen Anforderungen besser managen lässt als im Vergleich zu Westdeutschland, wo diese Modernisierungen erst noch passieren müssen. Man konnte die Trassen, aber sogar auch vorhandene Leitungen weiter nutzen und hat sich damit sehr gut aufgestellt für das Zeitalter der erneuerbaren Energien. Man hat die Sache selbst in die Hand genommen und hat das nicht nur im Hoch-, sondern auch im Niederspannungsnetz und auch im Mittelspannungsnetz getan. Ostdeutschland ist damit zu einem Führer bei den erneuerbaren Energien geworden. Mehrere Hunderttausend Jobs sind damit entstanden, den Leuten wird vor Ort eine Perspektive geboten, und man hat einen erheblichen Anteil an der europäischen und deutschen Energiewende geleistet – andere ostdeutsche Länder mehr als Sachsen, aber immerhin auch wir.

Das eigentliche Problem, worauf Sie hinzuweisen versuchen, sind die höheren Netzkosten. Das haben Sie gerade angesprochen. Dass unsere Netze moderner sind als die westdeutschen, diese unseren Strom beziehen, den wir aber bezahlen müssen, zeigt das Problem, das Sie gerade angesprochen haben. Das haben wir aber schon im Februar zum Thema einer Aktuellen Debatte gemacht. Dazu hatten wir Einigkeit hier im Plenum gefunden. Das hat einen Monat später die Große Koalition mit einem Antrag untersetzt.

Es geht darum, dass nicht einzelne Regionen hohe Netzentgelte aufgrund moderner Leitungen zahlen müssen, sondern alle. Das muss bundesweit solidarisch auf breite Schultern gelegt werden. Dafür kämpfen wir im Bund und im Land.

(Beifall bei den LINKEN)

Wie man gestern der Presse entnehmen konnte, kam es in der Bundeskoalition dazu noch zu keiner Verständigung. Da gibt es keine Bewegung. Das Vorhaben sei gescheitert,

hieß es aus der Unionsfraktion. Genau das ist das Problem, das dringend zu lösen ist und hier angesprochen werden muss. Wir brauchen hier Veränderungen und Druck.