Marco Böhme

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fast 200 Menschen, um genau zu sein: 197 Menschen, haben letztes Jahr ihr Leben im Straßenverkehr verloren – und das allein im Freistaat Sachsen. Das sind 50 mehr als noch im Jahr 2017. Zu dieser hohen Zahl an Toten kommen auch noch die hohe Zahl von 4 158 Schwerverletzten und noch mal doppelt so viele Leichtverletzte dazu.
Damit übertreffen die Toten und die Schwerverletzten in Sachsen alle anderen Ereignisse, wodurch Menschen ums Leben kommen, abgesehen von Krankheiten. Kein Terroranschlag, nicht mal die Gesamtsumme aller Morde und Totschläge kommt nur annähernd auf diese hohe Anzahl an Toten und Verletzten wie im Straßenverkehr.
Ich frage mich, wann hierbei endlich radikale Maßnahmen ergriffen werden, um Menschenleben zu retten. Bei abstrakten Gefahren, beispielsweise beim Terrorismus – wobei es noch nie einen Anschlag in Sachsen gab –, verschärft dieser Landtag so mir nichts dir nichts das Polizeigesetz, schränkt Grund- und Freiheitsrechte ein. Aber bei konkreten Gefahren wie im Straßenverkehr passiert wenig bis gar nichts. Das finde ich unmöglich, meine Damen und Herren, und das muss sich ändern.
In Sachsen passiert leider genau das Gegenteil. Die Polizei kontrolliert immer weniger im Straßenverkehr. Auf Autobahnen und Bundesstraßen regiert mittlerweile der Wilde Westen, wenn man das so sagen kann. Mein geschätzter Kollege Enrico Stange hat in vielen Kleinen Anfragen abgefragt, wie oft die Polizei die Geschwindigkeit auf sächsischen Straßen und Autobahnen kontrolliert hat. Im Jahr 2007 waren es noch 67 420 Stunden an Polizeikontrollen und zehn Jahre später, im Jahr 2017, also in dieser Legislaturperiode, in dieser Regierungszeit, waren es nur noch sage und schreibe 21 000 Stunden. Das sind über 45 000 Stunden weniger Polizeikontrollen im
Straßenverkehr. Das sind 70 % weniger Kontrollen. Aus meiner Sicht gibt es hierbei einen direkten Zusammenhang zwischen der Vernachlässigung von Straßenverkehrskontrollen und dem Ansteigen der Zahl von Toten und Schwerverletzten in Sachsen. Damit muss endlich Schluss sein. Das ist an Sie gerichtet, Herr Innenminister – der gar nicht hier ist.
Anstatt zum Beispiel in Leipzig-Connewitz einen Polizeistaat aufzubauen und dort alle paar Minuten Polizisten patrouillieren zu lassen, was den Menschen sicherlich nicht gefällt und wogegen sie auch demonstrieren, sollten diese Polizisten lieber auf der Autobahn nach den LkwFahrern schauen, ob sie nach neun Stunden Arbeitszeit auch noch wach und am Lenker sind.
Meine Fraktion hat in dieser Legislaturperiode zwei Große Anfragen zum Themenbereich Verkehr eingereicht und von der Staatsregierung beantworten lassen. In unserer ersten Großen Anfrage zum Thema „Mobilität in Sachsen“ aus dem Jahr 2017 haben wir uns nicht nur den Zustand der Verkehrsinfrastruktur angeschaut, insbesondere beim ÖPNV, sondern auch die Unfallzahlen, und zwar gegliedert nach den Verkehrsarten und dem Alter der Verursacher.
Dort mussten wir feststellen, dass die Unfallverursacher zum einen sehr junge Menschen sind, aber vor allem auch betagtere Menschen. Für Fahranfänger gilt schon heute eine Sonderregel, sodass man dann eine Nachschulung machen muss und der Führerschein leichter entzogen werden kann. Ich glaube, wir müssen darüber nachdenken, ob man nicht generell bei Verkehrsverstößen Nachschulungen fordern sollte und eine Einschätzung abgeben müsste, ob man noch sicher fahren kann oder nicht. Ich jedenfalls bin dafür, und angesichts dieser hohen Unfallzahlen in Sachsen halte ich das auch für angebracht, meine Damen und Herren.
Die andere Große Anfrage zum Thema Verkehr meiner Fraktion wurde in diesem Jahr von der Staatsregierung beantwortet. Sie hatte den Titel „Unfallverhütung im Straßenverkehr“. Die knapp 50 allumfassenden Fragen zu Unfallschwerpunkten in Sachsen, zur Schulwegesicherheit, zur Arbeit der Verkehrsunfallkommission und die Arbeit der Behörden lieferten mehr als 100 Seiten Antworten. Dabei erlangten wir die Erkenntnis, dass viele Unfallstellen mit Radverkehr in Sachsen seit Jahren bekannt sind. Die Regierung greift dort aber nicht ein.
Um das einmal beispielhaft darzustellen: Die von uns angeforderten Sonderauswertungen aus dem Jahr 2017 zeigen, dass in Dresden jeder vierte und in Leipzig jeder dritte unfallauffällige Bereich, beispielsweise im Radverkehr, bereits vier Jahre zuvor der Polizei bekannt war und an die Behörden gemeldet wurde. Es ist nichts passiert an der baulichen Substanz vor Ort. Es wurden dort in den letzten Jahren Menschen verletzt oder getötet, weil seit mehreren Jahren nichts getan wird. Ich möchte das Beispiel einer Radfahrerin aus Leipzig nennen, die dieses Jahr schon die „drei“ eingeholt hat und von einem Lkw überrollt wurde.
In der Jahnallee in Leipzig, eine Straße, die ich fast täglich als Radfahrer benutze, sind bereits drei Menschen in diesem Jahr gestorben. Die Jahnallee wird in Leipzig auch als Todesallee bezeichnet. Seit Jahren fordern Umwelt- und Verkehrssicherheitsvereine, dass dort eine breite Radfahrspur eingerichtet wird. Demonstrationen und letztendlich der letzte überrollte Mann in diesem Frühjahr auf dieser Straße hat die Verkehrsverwaltung zum Einlenken bewegt und wenigstens das Parken auf zwei der vier Spuren in der Jahnallee untersagt, sodass sich Radfahrerinnen und Radfahrer nun nicht mehr zwischen den parkenden Fahrzeugen und dem fließenden Verkehr durchquetschen müssen. Aber einen Radweg gibt es dort immer noch nicht. Das ist für mich unbegreiflich.
Meiner Ansicht nach muss es doch möglich sein, auf allen Hauptstraßen, insbesondere Staatsstraßen und Bundesstraßen, sichere Wege für Radfahrerinnen und Radfahrer einzurichten. Genau das fordern wir schon seit Jahren, doch es passiert nichts bzw. es geht viel zu langsam, und das ist nicht mehr hinnehmbar, meine Damen und Herren.
Hierbei geht es auch nicht um den Neubau von Radwegen, was durchaus eine gewisse Zeit und Planung braucht, es geht schlicht und ergreifend um einen Strich auf der Straße, um eine Markierung, die Leben retten kann. Doch die zuständigen Behörden weigern sich immer noch bzw. sind einfach überlastet, und das ist letztendlich tödlich und darf so nicht weitergehen.
Die Staatsregierung muss die Unfallkommission und die zuständigen Straßenverkehrsbehörden, insbesondere in Dresden und Leipzig, was die Hotspots sind, deutlich stärken und in die Pflicht nehmen. Genau das ist auch die zentrale Forderung an dieser Stelle von uns.
Der Ihnen vorliegende Antrag der GRÜNEN fordert ja die Staatsregierung auf, über den aktuellen Stand der Verkehrssicherheit und die Verkehrssicherheitsarbeit in Sachsen bis zum 31. Dezember dieses Jahres zu berichten. Diesem Punkt des Antrags können wir nicht uneingeschränkt zustimmen, weil wir die Große Anfrage erst im März hier im Landtag eingereicht hatten und über 100 Seiten Antworten dazu vorliegen. Das meiste ist faktisch schon bekannt. Die allermeisten Daten liegen vor und es muss endlich gehandelt werden. Das ist das Problem. Allerdings ist der Antrag der GRÜNEN kein bloßer Berichtsantrag. Es geht auch um die Forderungen, die die Staatsregierung erörtern soll. Das wurde gerade auch vorgestellt, und dem können wir natürlich zustimmen.
Insbesondere die zentrale Forderung, ein Konzept zu erarbeiten, welches null Verkehrstote als Ziel hat, finden wir richtig. Das sollte oberste Handlungs- und Planungsprämisse für die Verkehrssicherheit in Sachsen sein und wir unterstützen das. Aus unserer Sicht muss vor allem an den Unfallstellen, wo es immer wieder Tote und Schwerverletzte gibt, sofort gehandelt werden. Es darf nicht sein, dass über Jahre Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit verschleppt werden.
Weiterhin müssen aus unserer Sicht endlich wieder regelmäßige Verkehrskontrollen, insbesondere Geschwin
digkeitskontrollen, durchgeführt werden. Eine Auswertung der Verkehrsströme für die Ampelschaltung der TU Dresden hat gezeigt – die habe ich mir im Rahmen der ÖPNV-Strategiekommission angeschaut, wo es um die Ampelschaltung ging –, dass bis zu zwei Drittel der Pkws im ganz normalen Stadtverkehrsalltag eher 60 Kilometer pro Stunde statt 50 Kilometer pro Stunde fahren, also auch in dicht besiedelten Stadtteilen. Es ist also völlig normal geworden, zu schnell zu fahren. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine gefährliche Entwicklung.
Wir stimmen dem Antrag der GRÜNEN und den dort genannten Forderungen zu und fordern Sie auf, werte Regierungsmehrheit, das auch zu tun, damit der traurige Rekord der meisten Verkehrstoten pro 1 000 Einwohner – das ist nämlich Sachsen – endlich gebrochen wird und sich endlich um die Verkehrssicherheit der Menschen in Sachsen gekümmert wird, meine Damen und Herren.
Nun schaue ich hier auf die Uhr, und mir verbleiben noch ein paar Minuten. In dieser Zeit möchte ich im Namen meiner Fraktion noch einmal Dank sagen – Danke für die Unterstützung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Parlament, die uns in den vergangenen fünf Jahren hier im Haus unterstützt haben und ohne die dieses Parlament auch nicht arbeitsfähig wäre. Vielen Dank dafür! Ich freue mich auch auf die nächsten fünf Jahre.
Den demokratischen Parteien wünsche ich alles Gute im Wahlkampf, bei denen nicht Hass und Ausgrenzung die Themen in diesem Wahlkampf sind, sondern Solidarität und Zusammenhalt, die letztendlich diesen Freistaat prägen. Vielen Dank dafür und alles Gute Ihnen allen. Bis zum nächsten Mal!
Eine Kurzintervention, Frau Präsidentin, –
– an Herrn Nowak. Sie konnten meine Rede gerade nicht mitverfolgen, und ich möchte Ihnen als Präsident der Sächsischen Verkehrswacht sowie als CDU-Mitglied eine Frage stellen: Ich habe dargestellt, dass die Anzahl der Polizeikontrollen im Verkehrsbereich massiv gesunken ist und dies meiner Ansicht nach zu steigenden Zahlen der Verkehrstoten und Schwerverletzten führt. Noch einmal die Zahlen: 2007 waren es noch 67 000 Stunden Polizeikontrollen im Verkehrsbereich auf Autobahnen und Straßen und im Jahr 2017 waren es nur noch 21 000 Stunden, also 70 % weniger Verkehrskontrollen durch die Polizei.
Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den weniger durchgeführten Kontrollen und den steigenden Zahlen von Verkehrstoten, und wenn ja: Was tun Sie dagegen? Was haben Sie dagegen getan bzw. was gedenken Sie dagegen zu tun?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Nowak, Sie haben uns gestern in der Debatte zum ÖPNV-Beteiligungsgesetz, bei dem es um die Stärkung von Fahrgastrechten geht, vorgeworfen, dass es zu bürokratisch sei und dass dadurch kein Bus- und kein Zugkilometer mehr auf die Straße komme und Sie es deswegen ablehnen. Jetzt haben Sie die Möglichkeit, mit unserem Antrag dem zuzustimmen, damit mehr Busse und Bahnen auf den sächsischen Straßen und auf den Schienen fahren, damit mehr Menschen dafür den ÖPNV nutzen.
Ich bitte Sie daher schon jetzt und gleich am Anfang um Zustimmung zu unserem Antrag.
Sie machen es noch nicht genug, Herr Heidan.
Ich komme auch gleich zu Punkt I. dieses Antrages. Da geht es um das Basisgutachten der ÖPNV-Strategiekommission und ihren Abschlussbericht, der mittlerweile seit 2017 vorliegt. Das ist das eine, dass nämlich seitdem kaum etwas oder gar nichts davon real hier im Landtag umgesetzt wurde – durch Gesetze oder durch Anträge –, lediglich einige kleinere Dinge durch Regierungshandeln. Das stört mich.
Deswegen möchten wir hier mit diesem Antrag „ÖPNVReform“ dafür sorgen, dass im Landtag darüber entschieden wird, welchen Weg wir beim ÖPNV gehen und welchen Weg wir uns bei dem Abschlussbericht der
ÖPNV-Strategiekommission genau anschauen. Da gab es nämlich am Ende drei verschiedene Szenarien, die man verfolgen kann, wie es weitergehen soll im ÖPNV. Das war zum einen das Fortschreibungsszenario, also: Es bleibt alles so, wie es ist, und es wird stabilisiert. Oder das Wachstumsszenario, also: Es werden massiv Bus- und Bahnverbindungen aufgebaut, damit mehr Menschen diese nutzen können und weniger Autos fahren. Oder es gab die Diskussion über ein Anpassungsszenario, also: Man lässt weniger ÖPNV in Sachsen fahren, weil zum Beispiel die Bevölkerungszahl in kleineren Kommunen sinkt usw. Das wurde zum Glück nicht forciert, aber trotzdem müssen wir als Landtag, als gesetzliche Vertreter uns entscheiden, welchen Weg wir gehen wollen. Wollen wir wachsen oder soll es so bleiben, wie es ist? Deshalb ist diese Positionierung mit dem Antrag sehr wichtig, nämlich, für ein Wachstumsszenario zu streiten. Genau das wollen wir, und ich hoffe, Sie wollen das auch.
Zum Punkt I.1: Wir denken an die konkreten Aufgaben, die dafür notwendig sind. Wir sind der Meinung, dass es sehr viele Optimierungsmöglichkeiten beim ÖPNV gibt. Das ist zum einen, dass wir nicht mehr wollen, dass ÖPNV eine freiwillige Aufgabe der Kommunen bleibt, sondern zu einer Pflichtaufgabe der Kommunen wird. Das ist für uns extrem entscheidend, gerade im Hinblick auf die Herausforderungen beim Klimaschutz. Da geht es auch um eine Verkehrs- und Mobilitätswende, da geht es aber auch um mehr Platz, der dadurch den Kommunen entsteht, wenn nicht mehr alles zugeparkt ist. Es geht aber letztendlich auch um weniger Schadstoffe, es geht um weniger Lärm und auch um weniger Unfälle, wenn weniger Individualverkehr auf der Straße ist. Deshalb braucht es eine grundlegende Reform, die wir Ihnen hier vorschlagen. Also: Der ÖPNV in den Kommunen soll keine freiwillige Aufgabe mehr sein, sondern eine Pflichtaufgabe, und das auch zu einem möglichst schnellen
Zeitraum nach dem Vorbild von Österreich und der Schweiz.
Damit die Pflichtaufgabe auch einen Sinn macht, möchten wir bestimmte Anbindungsgarantien daran festschreiben, damit nicht nur irgendein Bus irgendwann kommt, sondern ganz klar formuliert wird, dass der Freistaat den Kommunen sagt: Wir wollen, dass jede Kommune ab 500 Einwohnern mindestens im Zweistundentakt von einem Bus oder von einem SPNV-Fahrzeug angefahren wird oder ab 1 000 Einwohnern im Stundentakt und ab 10 000 Einwohnern im Haltstundentakt, dass das Ganze vom Ortskern in die umliegenden Gemeindeteile geht und dass vor allem noch eine Zugstrecke damit verknüpft ist, damit Leute auch umsteigen können in überregionale Verbindungen. Dafür ist auch die Schweiz das Vorbild.
Wir waren mit dem Ausschuss in der Schweiz und in Österreich und haben uns das angeschaut.
Dort ist das Gesetz. Es ist dort regelmäßig täglich erlebbar für die Menschen, dass bis ins letzte Dorf auf dem Berg ein Bus fährt, und zwar mehrmals täglich. Das ist Gesetz, und das muss die Kommune umsetzen, und es wird auch angenommen, und da fahren Leute mit. Genau das brauchen wir auch hier in Sachsen, meine Damen und Herren.
Damit nicht einfach irgendein Bus oder ein Fahrzeug fährt, das vielleicht beschädigt, kaputt oder zu klein ist oder stinkt oder nicht barrierefrei ist, wollen wir auch, dass es bestimmte Mindestqualitätskriterien gibt, die diese Fahrzeuge haben müssen. Also es sollen emissionsfreie oder emissionsarme Fahrzeuge sein. Wir wollen komfortable Fahrzeuge. Wir wollen im 21. Jahrhundert WLAN in den Fahrzeugen. Wir wollen natürlich auch eine Klimatisierung. Und wir wollen natürlich das Ganze nicht nur in den Bussen haben, sondern auch in den Zügen und in den Haltestellen.
Wenn also neue Verbindungen ausgeschrieben werden, dann müssen diese Mindestqualitätsstandards von vornherein staatlich festgelegt werden, damit nicht so etwas passiert wie diese mittelalterlichen Expresse zwischen Leipzig und Chemnitz. In diesen gibt es mittlerweile Frauenabteile, weil die anderen nicht sicher sind, weil sie laut sind, weil sie alt sind. Das kann in einem modernen Staat einfach nicht sein, dass man so etwas zulässt.
Wir wollen weiterhin auch Anbindungsgarantien haben, also auch Mindestqualitätskriterien, wenn Leute sich ein Ticket kaufen. Wir wollen, dass es einen Tarifverbund für Sachsen gibt, damit es keine Unterschiede zwischen Dresden und Borna oder zwischen Görlitz und Plauen mehr gibt, dass die Leute von vornherein genau wissen, dass sie einfach und sicher ein Ticket kaufen können und
das landesweit mit denselben Standards, wo überall ein Fahrrad ein Fahrrad, ein Kind ein Kind und ein Hund ein Hund ist, und dass man nicht unterschiedliche Ticketangebote dafür kaufen muss.
Und was es außerdem braucht, ist ein landesweites Sozialticket, damit auch Menschen mit wenig Einkommen Mobilität genießen können. Das gehört zur Daseinsvorsorge und ist deswegen auch gesetzlich vorzuschreiben.
Außerdem brauchen wir ein Ausbildungsticket, was den Namen auch verdient, was landesweit nutzbar, was kostengünstig für die jungen Leute ist, die zur Ausbildung fahren müssen – also die in dem einen Monat zur Schule gehen, in dem anderen Monat zum Betrieb, und der kann auch schon mal 100 Kilometer entfernt sein. Deswegen müssen sie mobil sein. Und damit sie nicht aufs Auto angewiesen sind bzw. sich nicht in jungen Jahren schon für ein Auto entscheiden, sollen sie weiterhin kostengünstig mit dem ÖPNV fahren können. Das ist auch wichtig.
Unter Ausbildungstarifen verstehen wir natürlich auch Ausbildung in der Schule. Wir wollen auch ein Schülerinnen-und-Schüler-Ticket, was sehr kostengünstig ist. Wir stellen uns 10 Euro im Monat für ganz Sachsen vor, auch in den Ferien und auch am Wochenende, und nicht, was derzeit die Regierung plant: ein Freizeitticket ab 14 Uhr für 10 Euro pro Landkreis. Das ist sinnlos, das brauchen die Leute nicht. Sie fahren früh in die Schule. Deshalb muss es Ziel sein, dass sie kostengünstig fahren können.
Denn die jungen Leute können nichts dafür, dass sie weite Strecken fahren müssen, weil die Regierung in den letzten 20 Jahren Schulen in den ländlichen Räumen geschlossen hat, sodass heute Kinder und Jugendliche bis zu zwei Stunden zur Schule fahren müssen am Tag. Das ist für mich ungeheuerlich, aber die Leute können ja nichts dafür, dass die Schulen geschlossen wurden. Sie müssen trotzdem in die Schule. Deshalb wollen wir einen kompletten Neustart, was das Thema Schullandschaft angeht, und wir wollen das auch mit der Mobilität verbinden. Wir wollen also, dass der Weg maximal 15 Minuten bis zur Grundschule je Richtung und 30 Minuten bis zur weiterführenden Schule beträgt, damit dieser unhaltbare Zustand, wie er jetzt ist, endlich abgebaut wird, meine Damen und Herren.
Doch das ist noch nicht alles. Wir fordern auch die Umsetzung des Personenbeförderungsgesetzes. Das schreibt vor, dass wir bis zum Jahr 2022 in Sachsen barrierefrei mobil sein sollen. Das halten wir leider nicht ein. Es ist auch sehr schwierig, das technisch umzusetzen. Aber wir haben diese Forderung trotzdem, dass der Freistaat alles dafür tut, für so viele Haltestellen wie möglich eine flächendeckende Barrierefreiheit zu ermöglich. Da muss jetzt Geld investiert werden. Wir bekommen noch genügend EU-Gelder. Deswegen ist es extrem notwendig, dieses Programm anzugehen, damit Barrierefreiheit auch
zügig umgesetzt wird und nicht erst im Jahr 2030, wie es der Abschlussbericht bisher vorsieht.
Aber das war es noch nicht, sondern wir haben noch mehr Forderungen. Das finden Sie im Antrag in Punkt II. Dabei geht es um das Thema, das wir gestern schon hatten. Wir hatten Ihnen gestern den Gesetzentwurf vorgelegt, in dem es um die Fahrgastrechte geht. Da hatten Sie uns vorgeworfen, dass die Mitbestimmung und die Stärkung von Fahrgastverbänden viel zu bürokratisch sei, zu kompliziert und auch zu teuer. Deswegen legen wir jetzt hier mit dem Antrag kein Gesetz vor, sondern einen Antrag. Das heißt, die Staatsregierung bekommt hier Gestaltungsspielraum und soll folgende Punkte umsetzen, die ich Ihnen hier noch einmal nennen werde. Zum einen soll Tarifklarheit in ganz Sachsen geschaffen werden. Es sollen aktuelle und korrekte Angebotsinformationen für jedermann jederzeit verfügbar sein. Es soll bei einer Verspätung von mehr als 15 Minuten bei Bus und Bahn eine Fahrpreiserstattung als Garantie geben. So ähnlich, wie es jetzt schon im Bund beim Fernverkehr ist, wollen wir im öffentlichen Nahverkehr, dass Menschen ihren Fahrpreis zurückerstattet bekommen, wenn der Bus ständig zu spät kommt oder die Anschlüsse nicht klappen.
Wir wollen, dass Menschen mit Mobilitätseinschränkungen einen kostenfreien, flexibel nutzbaren Begleitservice bekommen. So etwas gibt es schon in Leipzig. Das war ein Modellprojekt, das jetzt weitergeführt wird. Wir wollen das für ganz Sachsen, damit auch mobilitätseingeschränkte Menschen diese Unterstützung bekommen. Wir wollen, dass Sachsen endlich an einer Schlichtungsstelle teilnimmt, damit Menschen, wenn es Probleme zwischen den Verkehrsanbietern gibt, nicht erst zum Gericht gehen und teure Verfahren in Kauf nehmen müssen oder können, sondern sich bei Streitigkeiten außergerichtlich einigen können, wie es in allen anderen Bundesländern über die Schlichtungsstelle des ÖPNV möglich ist. Nur hier ist es nicht möglich, weil kein Unternehmen teilnimmt. Das muss unbedingt aufhören.
Zu guter Letzt geht es um die Finanzierung. Wir wollen zunächst einmal, dass die Finanzierung, wie der ÖPNV in Sachsen finanziert wird, für alle Bürgerinnen und Bürger transparent dargestellt wird. Wir wollen, dass es ersichtlich und nachvollziehbar ist. Das ist im Haushaltsplan für den Laien nicht so einfach darzustellen. Wir wollen, dass es eine Öffentlichkeitsarbeit gibt, die darstellt, was ÖPNV kostet und wie viel davon der Freistaat ausgibt. Wenn wir schon beim Thema sind, wollen wir, dass der Freistaat auch eigenes Geld in die Hand nimmt, und zwar in Größenordnungen.
Das heißt also zunächst, dass die fast 600 Millionen Euro, die vom Bund kommen, zu 100 % an die Unternehmen weitergegeben werden, die den ÖPNV bestellen, und dann der Freistaat eigenes Geld in die Hand nimmt und nicht so tut, als ob die 600 Millionen von ihm kommen. Die
kommen vom Bund. Deshalb sagen wir: eigene Mittel vom Land bereitstellen, damit hier wirklich etwas vorangeht.
Der letzte Punkt, das Thema fahrscheinfreier ÖPNV oder 365-Euro-Ticket bzw. Bürgerticket. Es sind verschiedene Modelle, die im Raum stehen und diskutiert werden. Wir fordern, dass es dafür Modellprojekte gibt, damit ausprobiert werden kann, wie das umgesetzt wird, wie das angenommen wird. Dafür braucht es eine Finanzierung. Genau das fordern wir auch. Wir bitten daher um Ihre Zustimmung.
Geben Sie mir recht, dass in einer der vergangenen Sitzungen der Staatsminister für Wirtschaft, Martin Dulig, gesagt hat, dass es genau das Problem des Landes ist, dass wir zu wenig Richtlinien oder Ideen den Kommunen vorschreiben können, weil es kommunale Aufgabe ist? Wir wollen mit der kommunalen Pflichtaufgabe bestimmte Kriterien umsetzen. Das Land soll befähigt werden, Vorschläge zu unterbreiten, die umgesetzt werden müssen.
Stimmen Sie mir darin zu?
Danke, Herr Präsident. – Herr Baum, ist Ihnen klar, dass wir hier die Staatsregierung auffordern, entsprechende Konzepte genau zu diesen Forderungen auszuarbeiten? Das ist kein Gesetzentwurf, in dem das fertige Programm dieser Punkte, wie das eingehalten werden muss, steht, sondern die Staatsregierung soll die Möglichkeit dafür schaffen. Dafür hat sie vielleicht auch ein oder zwei Jahre Zeit. Das fordern wir hier.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich würde zunächst gern noch auf die Redebeiträge meiner Kolleginnen und Kollegen reagieren.
Zu Herrn Nowak: Ich stelle fest: Wenn es nach Ihnen geht, soll alles so bleiben, wie es ist.
Aber Sie haben zumindest gesagt, dass der ÖPNV unbedingt eine freiwillige Aufgabe bleiben soll. Meiner Ansicht nach ist genau dies das Problem. Denn obwohl wir in Sachsen einen eigenen Verkehrsminister haben, kann er derzeit im Verkehrsbereich gar nichts regeln.
Er hatte keine Umsetzungskraft, und genau das wollen wir, indem wir den Kommunen eine Pflichtaufgabe zur Umsetzung von bestimmten Punkten im ÖPNV vorschreiben wollen.
Genau so machen es andere Länder. Wir waren auf einer Ausschussreise in der Schweiz und in Österreich. Genau so funktioniert es dort. Dort schreibt das Land oder der Bundesstaat den Kommunen vor, dass der ÖPNV zur Daseinsvorsorge gehört und dass es Mindestqualitätskriterien geben muss, wie dort ÖPNV funktionieren soll. Ich sehe kein Problem, das hier in Sachsen auch umzusetzen.
Zu Herrn Beger und Herrn Nowak: Sie haben mir vorgeworfen, dass ich jetzt nur noch Leute in Bussen und Bahnen oder auf dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen sehen will. Das habe ich nie gesagt. Ich streite natürlich für bessere Bedingungen für Radverkehr oder Radverkehrsinfrastruktur, ich streite auch für bessere Bus- und Bahnverbindungen.
Ich streite auch für sichere Fußwege usw. Aber ich habe nie einem Autofahrer im Vogtland, wie Sie es gerade beschrieben haben, oder im Erzgebirge verboten, mit dem Auto zu fahren. Ich möchte nur seine Alternativen stärken, damit er das nicht mehr ausschließlich machen muss. Dass er keine Wahl hat, darum geht es.
Und das ist dringend nötig.
Ja, im Landesverkehrsplan, weil das bisher nie passiert ist, weil wir in Sachsen ein Straßen- und Autoland sind. Ich habe nie verboten, das zu nutzen.
Herr Baum, Sie haben gesagt, dass das Thema Barrierefreiheit auch im Abschlussbericht steht. Dass das erst 2030 umsetzbar ist, das habe ich natürlich auch mitbekommen und habe auch darüber gesprochen, darüber geschimpft. Ich weiß auch, dass die Verbände das am Ende unterstützt haben. Aber dieser ÖPNV-Abschlussbericht ist nicht das Parlament. Die Gesetzgeberin sind wir hier alle. Wir müssen uns also nicht einseitig an den Empfehlungen der Strategiekommission orientieren.
Wir können natürlich auch darüber hinausgehen, noch weitergreifende Forderungen stellen und sagen, dass wir gern das Personenbeförderungsgesetz umsetzen wollen. Hätten wir damit schon vor fünf Jahren, am Anfang der Legislaturperiode, angefangen – wir brauchen ja den Bericht nicht dafür, um das umzusetzen –, dann hätten wir sieben Jahre mehr Zeit gehabt als jetzt, wenn es nur noch zweieinhalb Jahre sind. Aber zumindest das Ziel formulieren und dafür einzustehen, dass wir das wollen, das sollten wir meiner Meinung nach als Parlament schon tun.
Zum Thema Landesverkehrsgesellschaft hat Verkehrsminister Dulig in der letzten Woche bei der VVO-Jahrestagung, bei der Sie alle gar nicht waren, noch einmal gesagt, dass es eine Landesverkehrsgesellschaft geben wird. Das erkenne ich an und freue mich auch, dass er das so fordert. Die Frage ist nur, wann. Es wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr passieren; denn dazu müssten wir das Gesetz ändern. Es liegt kein Entwurf einer Gesetzesänderung vor. Also wird das in dieser Legislaturperiode auch nicht mehr kommen. Ob dieser Verkehrsminister in der nächsten Legislaturperiode noch Verkehrsminister ist, ist ja vollkommen fragwürdig. Auch hier frage ich mich: Warum haben Sie fünf Jahre lang geschlafen und das nicht umgesetzt? Seit 2017 liegt der Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission vor. Wenigstens seitdem hätten Sie handeln können.
Das ist auch das Grundproblem dieser Regierung oder dieser Koalition: Sie kündigen nur an, setzen aber nichts um. Das wollen wir mit diesem Antrag ändern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich noch einmal etwas zur Debatte über die Pönalen, Strafzahlungen, sagen. Die Verkehrsunternehmen müssen diese schon heute zahlen. Das ist schon heute so. Wir fordern nichts Neues. Wenn der Leipzig-Chemnitz-Mittelalterexpress wieder ausfällt oder zu spät kommt, dann muss dieser an den ZVNL oder den VMS eine Strafe zahlen. Das ist bereits heute so. Wir fordern, dass die Strafe an die Kunden weitergegeben wird, damit diese entschädigt werden, wenn der Zug ausgefallen ist. Somit kämen diese in den Genuss des Fahrgastrechts. Es geht um die Finanzierung, das möchte ich noch einmal zur Klarstellung sagen.
Frau Stange, Sie haben im Namen von Herrn Dulig gesprochen. Sie sagten, dass andere Länder, in denen die LINKEN regieren würden, auch nicht viel weiter wären. Dazu muss ich Ihnen Folgendes sagen: In Berlin, wo die LINKEN nicht so lange wie Sie und auch nur als Juniorpartner regieren, gibt es ein kostenfreies Schülerticket für alle Schülerinnen und Schüler. Es gibt einen landesweiten Verkehrsverbund mit Brandenburg. Es gibt einen massi
ven Aufbau bzw. eine starke Erhöhung der Takte, gerade im S-Bahnverkehr. Es gibt wieder Nachtverbindungen usw. Das ist natürlich erst einmal nur ein Anfang.
Wir sagen nicht, dass das, was wir fordern, von heute auf morgen umgesetzt werden soll. Wir schreiben Ziele vor, an denen wir uns orientieren, damit Sie als Staatsregierung dazu Konzepte erarbeiten können. Es ist kein Gesetz, welches Ihnen vorliegt und eins zu eins umgesetzt werden muss. Es geht um Ziele und die Frage, ob wir uns als Parlament dazu bekennen. Ich stelle leider fest, dass Sie sich nicht dazu bekennen.
Ich möchte Ihnen gern abnehmen, dass Sie den ÖPNV in Sachsen voranbringen möchten. Ich verstehe aber nicht, warum Sie als SPD und der Teil der Staatsregierung nicht klar aussprechen, dass es an der CDU, an dem Teil der Staatsregierung, der CDU-geführt ist, oder an den Landräten, die mehrheitlich der CDU angehören, liegt. Es ist das Problem, dass Sie diese Reform verhindern. Sprechen Sie es doch einfach aus. Sie müssen doch nicht immer sagen, dass es nicht geht. Sagen Sie, wer schuld ist; das würde wirklich helfen.
Ich möchte noch einmal unseren Antrag zusammenfassen: Wir möchten mehr Busse auf die Straßen und Bahnen auf die Schienen bringen. Das ist das, was Herr Nowak bei dem ÖPNV-Beteiligungsgesetz gestern von uns gefordert hat. Wir möchten, dass dieser für die Menschen kostengünstiger ist. Wir möchten, dass dies einfacher ist – also auch sachsenweit einheitlich. Wir möchten ihn barrierefrei. Wir möchten, dass die Fahrgäste Rechte und Servicegarantien erhalten. Deswegen bitte ich um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ging jetzt doch etwas schnell. Ich hätte gern gehört, was Herr Heinz zum Thema Klimaschutz oder zum Klimawandel zu sagen hat. Ich erinnere an eine Anhörung vor zwei Jahren. Da haben Sie dem Experten eine Frage gestellt mit der Anmerkung davor, dass Sie bezweifeln, dass der Mensch wirklich für den Klimawandel verantwortlich ist. Das hätte ich Sie gern gefragt, aber vielleicht können Sie nachher noch einmal darauf eingehen. Damit sind Sie vergleichbar mit genau den Argumenten von der AfD.
Das war genau auch das, was bei der Jahrestagung letzte Woche vom VEE Sachsen e. V. angesprochen wurde, dass Sie sich bei diesen Fragen kaum unterscheiden, und das ist fatal.
Zum Thema des Antrages und auch zur Demonstration heute, die schon zum 20. Mal stattgefunden hat, nicht nur hier in Dresden, sondern auch in Leipzig und in anderen Städten: 5 000 Menschen waren hier auf der Straße. Es ist ein sehr tolles, kraftvolles Zeichen von den Kindern und Jugendlichen. Es hat auch Spaß gemacht, wieder daran teilzunehmen. Aber es ist auch ein verdammt ernstes Thema.
Die Beschlüsse von Paris liegen nun mittlerweile schon seit dem Jahr 2015 vor. Da hatte nämlich die UNKlimakonferenz stattgefunden. Deutschland, Europa und fast alle Staaten dieser Erde haben diese Beschlüsse ratifiziert. Genau das ist extrem wichtig, damit nicht jedes Land für sich dahin gehende Entscheidungen trifft und dann das Argument von der AfD kommt, es nützt ja nichts, wenn nur wir etwas tun, sondern dass alle gemeinsam handeln. Das ist der Plan. Aber Deutschland muss endlich damit anfangen. Es gibt bisher kein neues Klimaschutzgesetz bzw. in Sachsen gibt es gar keins. Das muss sich in der nächsten Legislaturperiode dringend ändern.
Auch der nun veröffentlichte Kompromiss der Kohlekommission ist bisher kein Gesetz. Es gibt dazu noch keinen Gesetzentwurf. Es ist am Ende auch nur eine Empfehlung einer Kommission, die das wiederum als Kompromiss bezeichnet. Das ist es auch: Ein Kompromiss. Dabei kann es kein Kompromiss sein, denn das Klimasystem kennt keine Kompromisse.
Wenn wir die irreversiblen Kipppunkte in der Atmosphäre erreichen, und die sind wahrscheinlich mit 1,5 Grad Erderwärmung erreicht, dann gibt es keine Arbeitsplätze mehr, um die man kämpfen muss. Da gibt es nichts mehr, was sich zum Leben lohnt. Da gibt es eine Verschiebung von Klimazonen, die zu Dürre, zu neuen Problemen, zu massiven Problemen in der Nahrungsproduktion weltweit, zu Schädlingen, Krankheiten, Extremwetterereignissen führt. Die ersten Ausläufer sehen wir jetzt schon, nicht nur weltweit, sondern auch hier in Deutschland. Wir hatten letztes Jahr massive Schäden an unseren Wäldern, in der Nahrungsproduktion. Es ist bewiesen und nachweisbar, dass das unmittelbar damit zusammenhängt, dass sich die Erdatmosphäre erhitzt und wir als Menschheit daran schuld sind. Deshalb ist auch das Ausstiegsszenario im Jahr 2038 kein Kompromiss; es ist einfach viel zu spät.
Es geht auch nicht nur um eine Energiewende beim Thema Klimaschutz. Der Kohleausstieg – würde ich behaupten – ist das Einfachste, was wir als Gesellschaft umsetzen können, weil es genügend Alternativen gibt und das bis zum Jahr 2030 technisch ohne Weiteres möglich ist, nämlich durch die Vielzahl an Möglichkeiten, die erneuerbare Energien bieten, aber auch die Vielzahl an Speichertechnologien, die es heute schon gibt und in der
Zukunft noch geben wird. Wir müssen nur endlich anfangen, diese auch zu bauen. Energiewende ist etwas, das wir wirklich konsequent umsetzen können. Aber selbst das schaffen wir nicht.
Beim Thema Verkehr wird es schon schwieriger. Wir Menschen und auch die industrialisierten Gesellschaften sind gerade dabei, immer mehr, immer mobiler zu sein, immer schneller, immer weiter fahren zu müssen. Täglich düsen wir mehrere Hundert Kilometer durchs Land. Gerade wir Abgeordneten sind dabei ein „gutes“ Beispiel, wie viele Wege wir täglich in Kauf nehmen. Und dann schaffen wir es nicht einmal, in Deutschland über ein Tempolimit zu sprechen bzw. über kleinere Verbesserungen im ÖPNV. Wir hatten gerade die Debatte, in der es um unsere formulierten Ziele ging. Das haben Sie abgelehnt, auch gestern den Gesetzentwurf, in dem es um Qualitäten im ÖPNV ging.
Es geht um eine Mobilitätswende, dass wir Alternativen stärken, und das schaffen wir gerade nicht. Das beunruhigt mich. Was mich außerdem beunruhigt, ist, dass wir das ganze Thema Landwirtschaft und Ernährung in Sachsen noch gar nicht groß behandelt haben. Hier geht es auch darum, weniger Methan und weniger CO2 zu produzieren.
(Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Ist ständig Ihr Thema gewesen im Landtag! Beim Thema Wärme gibt es tatsächlich auch technische Schwierigkeiten, die wir noch weiter besprechen müssen. Aber dazu gab es hier kaum Debatten in den letzten viereinhalb Jahren. Das erschreckt mich. (Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU: Ständig gab es hierzu Debatten!)
Das sind alles Themen, die viel schwieriger sind als das Thema Energiewende. Es macht mich nur noch fassungslos, dass Sie immer noch auf die Kohle setzen, liebe CDU. Das kann ich nur mit Unverständnis quittieren.
Es macht mir aber auch Hoffnung, was in den letzten Wochen und Monaten hier passierte. Deshalb möchte ich an dieser Stelle allen engagierten Menschen danke sagen, also den jungen Leuten von „Fridays for Future“, die jede Woche freitags auf die Straße gehen, den Leuten von „Ende Gelände“, aber auch den Initiativen wie „Alle Dörfer bleiben“ und allen Umweltvereinen, die für einen konsequenten Klimaschutz streiten und dafür demonstrieren und kämpfen. Vielen herzlichen Dank. Das bereichert nicht nur mich und die Demokratie, sondern auch unsere Debatten hier im Landtag. Danke schön.
Es geht auch um etwas. Ich sagte gerade: 1,5 °C ist das Ziel. – Meine Redezeit ist weg. – Jetzt ist sie wieder da. Entschuldigung. – 1,5 °C ist das Ziel, das wir nicht überschreiten dürfen. Wir sind schon bei 1 °C. Deshalb hat auch gerade Deutschland und auch Sachsen eine besondere Verantwortung. In Deutschland sind es 11,1 Tonnen pro Kopf pro Jahr, was wir an CO2 aussto
ßen. Und in Sachsen ist es noch krasser: 12,7 Tonnen produziert rein rechnerisch jeder Sachse an CO2 im Jahr. Das kommt durch die extensive Kohleverstromung, die wir haben. Deshalb ist ein konsequenter Kohleausstieg bis zum Jahr 2030, den wir hier in Sachsen gestalten können, extrem wichtig. Dafür streitet auch meine Partei in Europa. Das steht in ihrem Wahlprogramm. Und auch die Abgeordneten auf Landesebene haben dieses Ziel und werden das auch umsetzen, sofern uns die Möglichkeiten dafür gegeben werden.
Deswegen: Wir fordern nicht nur den Kohleausstieg. Es braucht auch den konsequenten Ausbau von erneuerbaren Energien. Auch dazu haben wir hier in den letzten viereinhalb Jahren sehr viele Gesetzesvorschläge eingebracht. Ich erinnere an den Windenergieantrag, bei dem es nicht nur um die finanzielle Beteiligung der Menschen an der Windenergie geht, wenn sie dort wohnen, wo sie gebaut werden, sondern es geht auch darum, dass die Vorranggebiete für Windenergieflächen erhöht werden. Wir wollen das auf mehr als 2 % erhöhen, damit auch mehr gebaut wird. Wir haben einen Antrag „Solaroffensive“ im Landtag eingebracht, dass landeseigene Dächer für Solarflächen zur Verfügung gestellt werden. Wir haben Anträge zum Pariser Klimaschutzabkommen eingebracht, dass diese Beschlüsse endlich umgesetzt werden sollen. Das ist ein ähnlicher Antrag wie heute hier von den GRÜNEN.
All das haben wir gefordert und all das haben Sie abgelehnt. Auch dafür müssen Sie sich gegenüber den nächsten Generationen verantworten. Daher bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass diese kommende Landtagswahl dafür sorgt, dass das Thema Klima- und Umweltschutz eine bedeutende Rolle bei den Menschen spielt und dass auch diese Parteien gewählt werden, die sich dafür einsetzen.
Vielen Dank.
Zwischenrufe sind in diesem Plenarsaal erlaubt und genau auch Teil dieser Geschäftsordnung. Anscheinend ertragen Sie keine Kritik, weshalb Sie sich hier so wehren.
Wir stellen uns die Fragen, die Sie angesprochen haben. Mich selbst können Sie mit den moralischen Punkten, die Sie gerade angesprochen haben, überhaupt nicht begeistern. Ich habe selbst kein Auto, ich bin Vegetarier, und meine Glasflasche steht da drüben.
Nicht nur der Klimawandel ist Fakt, sondern auch, dass er menschengemacht ist. Das ist bewiesen, Punkt, aus. Das ist eigentlich keiner Diskussion mehr wert. Es sind auch die Studien, die das beweisen. Zehntausende Studien sind es, die in sich schlüssig sind, und schon seit den Achtzigerjahren existieren diese. Es gibt aber natürlich ein paar Studien, die das widerlegen. Das sind meistens Thesen von Einzelpersonen, die nicht aufeinander aufbaubar sind, also eben auch zeigen, dass sie nur Einzelmeinungen und so wenige sind, dass sie überhaupt nicht stichhaltig und
wahrnehmbar sind. Insofern ist dieser Vergleich vollkommen absurd.
Herr Hartmann, natürlich sind die Emissionen in Sachsen seit 1990 gesunken – das stimmt –, aber eben seit 1994 nicht mehr oder kaum. Das hat also nicht nur etwas mit der Industrialisierung im Freistaat und in ganz Ostdeutschland zu tun. Zwischen 1990 und 1994 ist der CO2Ausstoß gesunken, aber seit 1994 ist nichts mehr passiert, und das ist das, was wir kritisieren, wo wir dringend handeln müssen.
Ich habe gesagt, dass alles vor 1990 und dem Jahr 1994 erheblich reduziert wurde. Das erkenne ich ja auch an. Aber worüber denn? Durch Abbau der Kohlekraftwerke und natürlich auch durch technologische Verbesserungen. Das ist doch logisch, und das hat auch niemand bestritten. Aber es geht doch darum, was danach passiert ist, nämlich nichts mehr oder kaum noch etwas. Auch seit 1997 gibt es im Energiebereich und vor allem im Verkehrsbereich eine Erhöhung der Emissionen. Insgesamt sind wir bei 12,7 Tonnen sächsischer CO2-Emissionen pro Kopf. Das ist höher als im Bundesdurchschnitt und vor allem höher als das, was in China ausgestoßen wird. Dort wohnen mehr als eine Milliarde Menschen. Natürlich können Sie das nicht mit dem Freistaat Sachsen vergleichen. Es geht doch darum, was jeder Einzelne von uns dazu beiträgt, wie viel CO2 entsteht. Das können Sie doch nicht mit einer Volkswirtschaft von einer Milliarde Menschen vergleichen.
Das ist das eine. Hinzu kommt natürlich auch noch das historische Erbe dieser Industrienationen Frankreich, England und Deutschland, die das schon seit über Hunderten Jahren in die Atmosphäre pusten. Das ist doch nicht nach jedem Jahr weg, es baut sich ja jährlich auf. Das, was China tut, ist erst seit 20 Jahren der Fall. Insofern ist das auch nicht vergleichbar in der Gesamtmasse an CO2, das freigesetzt worden ist.
Also, Paris hat uns Handlungsempfehlungen gegeben, und genau diese Handlungsempfehlungen müssen weltweit eingehalten werden, eben in Zusammenarbeit mit China. Darum geht es doch, das wollen Sie doch, das fordern Sie doch auch, nicht alleine etwas zu machen. Also setzen Sie sich doch gemeinsam mit denen an einen Tisch, also nicht
persönlich. Aber machen Sie doch mit und setzen Sie es um. Mir ist unverständlich, was Ihre Motivation ist, warum Sie das nicht tun. Ich verstehe es nicht, ich weiß einfach nicht warum, außer dass Sie einfach nur Interessen von Großkonzernen vertreten,
die das jetzige System halten wollen, oder einfach nicht bereit sind, alternative Wirtschaftssysteme zum derzeitigen kapitalistischen System zu suchen oder zu überprüfen, was eben genau dazu führt, dass Menschen, auch Kinder, in China unter solchen Produktionsbedingungen arbeiten, dass weltweit Raubbau an der Natur betrieben wird. Das passiert wegen unseres Konsumverhaltens, und das ist das, was wir kritisieren und ändern müssen.
Ich bleibe bei meiner Behauptung und These: Es ist nichts ausreichend getan worden, was wir in unserem und hoch technologisierten Land hätten machen können.
Wir haben zu wenig getan. Ich schaue nur nach Sachsen. Den Ausbau der erneuerbaren Energie und die Solarindustrie haben wir in den letzten Jahren krachend niedergehen sehen. Bei der Windenergie sind wir ins Stocken geraten. Wir werden in den nächsten Jahren einen massi
ven Rückgang der Windenergie in Sachsen erleben. Daran haben Sie eine Mitschuld.
Genau das sind die Punkte, die ich kritisiere. Wir tun zu wenig. Wir tun kaum etwas für den Ausbau erneuerbarer Energien. Sie würden nach wie vor, wenn es die Kohlekommission nicht gäbe, die den Ausstieg für das Jahr 2038 avisiert hat, auf dem Jahr 2050 oder später für den Ausstieg bestehen. Dafür hat diese Partei und genauso die CDU gekämpft und kämpft insgeheim immer noch.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben schon seit sehr vielen Jahren – und es wird immer intensiver –, dass die Straßen in Sachsen immer voller werden und der Verkehr massiv zunimmt – und das, obwohl Sachsen in den letzten 29 Jahren über 1 Million Einwohner verloren hat. Es gibt immer mehr Güter, immer mehr Staus und immer mehr Verkehr auf der Straße, und die Frage ist: Woher kommt das?
Nun ja, es hat viele Gründe. Einer ist zum Beispiel unser alltägliches Konsumverhalten, das immer mehr Güterverkehr verursacht; dazu komme ich gleich. Aber es kommt auch daher, dass wir als Verbraucherinnen und Verbraucher bzw. Menschen, die zur Arbeit oder zur Schule gehen, immer weitere Wege zurücklegen müssen – in die Schule, zum Arzt oder zu einem größeren Zentrum, weil vor Ort sehr viel weggebrochen ist. Das sind auch die Folgen der Vernachlässigung des ländlichen Raums durch die CDU in den letzten 30 Jahren,
die am Ende mehr Verkehr, mehr Lärm und mehr Schadstoffe für uns alle verursacht haben sowie – wir hatten vorhin gerade die Fragestunde dazu – Mehrkosten für die Verkehrsinfrastruktur, worüber man sich nun wiederum beschwert hat. Herr Staatsminister Dulig hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass in der Vergangenheit enorm viele neue Straßen geplant und gebaut wurden, deren Unterhaltung wir uns aber jetzt überhaupt nicht mehr leisten können, weil sie im Zweifelsfall nicht mehr in dieser Dimension gebraucht werden. Das ist ein Problem, das enorme Kosten verursacht, und es braucht eine neue Entwicklung, die auch angegangen wird.
Die Frage ist nur: Wodurch werden unsere Straßen beschädigt, da diese Kosten entstehen? Der schwere Güterverkehr ist einer der Hauptverursacher, der den Ausbau
der Straßen nötig macht. Allein aus diesem Grund sollten Sie unserer Meinung nach diesem Antrag zustimmen, weil er versucht, den straßengebundenen Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, und damit volkswirtschaftlich sehr sinnvoll ist.
Die Gründe des Verkehrswachstums hatte ich bereits genannt, auch das steigende Konsumverhalten und damit den Güterverkehr. Wir müssen darüber nachdenken, welche Möglichkeiten es gibt, Verkehr bzw. auch Güterverkehr zu vermeiden. Dies steht leider nicht im Antrag. Beispielsweise sollte man Konzepte dahin gehend fordern, dass es Strategien geben muss, wie man generell Verkehr vermeidet oder Wege verkürzt.
Dafür gibt es allerhand Möglichkeiten. Wir alle können ganz privat über unser Konsumverhalten nachdenken: Brauchen wir wirklich jeden Tag oder jede Woche Post von irgendeinem Elektronikladen oder Online-Kleidershop oder sogar ins Haus gelieferte Lebensmittel des täglichen Bedarfs? Das sind Fragen, die wir uns selbst stellen können. Wir können aber auch als Staat Fragen stellen und entsprechend handeln: Mussten unsere Zentren bzw. Städte in der Vergangenheit so geplant werden, dass sich keine Baumärkte oder größeren Einkaufsmärkte in den Städten befinden, sondern auf der grünen Wiese? Das ist nun leider zunächst einmal der Fall; aber müssen wir als Verbraucher diese auch noch bedienen, also dort einkaufen, oder wollen wir das nicht regional vor Ort in der Stadt tun, wenn wir in der Stadt wohnen? Das sind Dinge, über die wir nachdenken müssen.
Die Frage ist auch: Müssen wir zulassen, dass die verschiedenen Firmen und Gewerbetreibenden im Freistaat ihre vor Ort stehenden Lagerhäuser abgeschafft und ihre Lagerkapazitäten faktisch auf die Straße gebracht haben? Warum haben sie es getan? Weil die Autobahn-Maut derzeit so extrem günstig ist und vor allem nur auf der Autobahn und auf einigen Bundesstraßen gilt. Deshalb finde ich es auch richtig, wie es im Antrag gefordert wird, dass es auch für kommunale und Staatsstraßen eine Maut braucht. Für uns ist das selbstverständlich, und dann kann man es doch umsetzen.
Dann stimmen Sie dem Antrag zu, nehme ich an, denn genau das fordert der Antrag.
Damit kommen wir zu dem Prinzip, dass Verursacher von Emissionen und Schäden an der Straße – wir hatten, wie gesagt, dieses Thema gerade – auch mehr zur Kasse gebeten würden, denn sie sollten dafür auch mehr zahlen.
Wenn man für all das ist, dass man dafür zahlen muss, wenn man halb leere Lkws durch die Straßen fährt, dann hört es vielleicht auch auf, dass sie halb leer sind, sondern erst dann fahren, wenn sie wirklich voll ausgelastet sind, und somit nur bedarfsgerecht fahren. Dann hört es vielleicht auch auf, dass die Lagerhäuser an der Straße liegen,
sondern wieder vor Ort regional geplante und gelagerte Materialien genutzt werden. Um dies zu erreichen, könnte man auch darüber nachdenken, ob man die Maut – nicht nur in Sachsen, Herr Nowak, sondern natürlich muss das auch in allen anderen Bundesländern angegangen werden – nicht auch für Langstrecken, also zum Beispiel für alle Strecken über 200 oder 300 Kilometer – also für jeden Transport, der länger als diese Kilometeranzahl ist –, verfünffacht.
Nein, nein. Der Kunde zahlt das nicht am Ende.
So motiviert man nämlich die Spediteure und die Lieferketten, dass die Waren auf Langstrecken eben nicht von Lkws transportiert, sondern auf die Schiene verlagert werden, und kann gleichzeitig die Gebühren für die Schiene, also die Trassengebühren, reduzieren. Geschäftlich bzw. volkswirtschaftlich ist das sinnvoll – und am Ende natürlich auch für die Umwelt und für Sie als Autofahrer, der dann nicht mehr auf der Autobahn im Stau stehen muss. Man kann das also regulieren. Genau das beschreibt der Antrag und wie auch Verbesserungen auf der Schiene erreicht werden können. Was übrigens durch solche Maut-Verschiebungen finanziert werden kann, beschreibt der Antrag aus unserer Sicht sehr gut. Deshalb stimmen wir ihm zu und hoffen, dass dies auch alle anderen Fraktionen tun.
Sehr geehrter Herr Präsident! Auch ich möchte von meinem Recht Gebrauch machen, eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten
abzugeben. Ich habe diesen Gesetzentwurf natürlich aus tiefster Überzeugung abgelehnt. Ich möchte das auch begründen.
Wir erleben gerade, wie sich Europa, Deutschland und natürlich auch Sachsen – oder besonders Sachsen – nach rechts entwickeln.
Das zeigt sich nicht nur in Parlamentswahlen, sondern eben auch in fremdenfeindlichen Demonstrationen, die wir in den letzten Jahren, Monaten und Wochen erleben. Das zeigt sich letztendlich in fremdenfeindlichen Übergriffen auf Minderheiten. Es zeigt sich in Gesetzesverschärfungen hier im Parlament. Das haben wir schon erlebt bei der Asylrechtsverschärfung, bei Abschiebeknästen, die hier geschaffen worden sind, und haben es heute bei der Verschärfung des sächsischen Polizeirechts erlebt – mit einer völlig unnötigen Begründung.
Wie wir in der Debatte schon mehrmals gehört haben, gibt es in Sachsen gerade so wenige Straftaten wie noch nie. Man kann fast schon sagen, dass Sachsen noch nie so sicher war wie heute. Schon deswegen braucht es keine Verschärfung dieses Gesetzes.
Gleichzeitig gibt es immer wieder und immer mehr Übergriffe von Polizistinnen und Polizisten auf Demonstrierende. Es gibt Fälle, in denen Polizisten Daten an rechtsextreme Netzwerke weitergeben; auch das ist mittlerweile bekannt geworden. Wir haben eine Polizei, die man dann nicht erfolgreich kontrollieren kann, weil man sie, wenn sie agiert, nicht identifizieren kann, da es zum Beispiel keine Kennzeichnungspflicht gibt.
Genau diese Polizei hat mit diesem Gesetz jetzt mehr Befugnisse bekommen. Meiner Ansicht nach ist das eines Rechtsstaats nicht würdig.
Genau diese Befugnisse können auch missbraucht werden und wurden in der Geschichte oft missbraucht, zum Beispiel gegen soziale Bewegungen, die für ihre Rechte demonstrierten, gegen streikende Menschen oder auch gegen Klima- und Umweltschutzaktivisten, aber natürlich auch gegen Protestierende gegen Nazis.
Genau das wollten wir verhindern und haben heute deshalb mit Nein gestimmt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin wie immer erschrocken über einige Beiträge hier im Haus. Bereits gestern gab es entsprechende Aussagen. Es wird gesagt, „,Klimahysterie‘ und ,Klimawandel‘ wird es nicht geben“ und „... wenn, dann ist der Mensch nicht daran schuld“. Es steht immer im Mittelpunkt, dass Deutschland, Sachsen überhaupt nichts dafür kann, wenn der Klimawandel jetzt kommt. Wenn dann klar ist, dass wir doch etwas dafür können, wird gesagt, man könne es nicht ändern bzw. andere Länder seien noch viel schlimmer usw. usf.
Ich sage Ihnen noch einmal deutlich: Deutschland und auch Sachsen sind seit über 100 Jahren mit der größte Emittent von CO2 in der Weltgeschichte und deshalb mit hauptverantwortlich für den Klimawandel, schon lange, bevor andere Industrieländer heute vergleichbare Größenordnungen von Emissionen freigesetzt haben. Weiterhin ist Sachsen, pro Kopf gesehen, heute immer noch weltweit Spitzenreiter, wenn es um den CO2-Ausstoß geht.
Der Klimawandel ist also real und er ist von Menschenhand gemacht. Das haben nicht nur erst vorgestern wieder 12 000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstrichen, sondern auch Hunderttausende weltweit schon in den letzten 30 Jahren. Der Klimawandel ist also ein Fakt, und es ist auch Fakt, dass wir schon 0,8 Grad Erderwärmung erreicht haben und es bis zu den 1,5 Grad gar nicht mehr so viel ist.
Ja, Sachsen hat dafür eine besondere Verantwortung und Sachsen hat dabei auch schon in besonderem Maße versagt. Deshalb sind die Proteste der Menschen, die gegen die Energiepolitik von AfD, CDU, aber auch von SPD demonstrieren, berechtigt, weil diese Parteien, Fraktionen und Regierungen nichts dafür tun, um den Klimawandel aufzuhalten. Sie ignorieren die Proteste. Deshalb laufen die Menschen nicht nur lieb und freundlich über irgendeinen Marktplatz und demonstrieren für Klimaschutz, sondern halten auch Transparente an einem Bagger hoch oder schwänzen die Schule, wie die Fridaysfor-Future-Kinder es morgen wieder tun werden. Ich begleite diese jungen Menschen schon monatelang und es werden immer mehr.
Morgen gibt es die weltweit größten Demos von diesen jungen Leuten, aber auch von den Eltern und anderen Menschen, zum Beispiel in Leipzig, Dresden, Freiberg und Görlitz. Die Leute demonstrieren nicht nur für eine Energiewende, sondern auch für eine Mobilitätswende, für eine neue Landwirtschaft und für Umweltschutz. Das ist mehr als berechtigt.
Was machen Sie? Sie greifen den Kompromiss der Kohlekommission an, der ja eigentlich ein Fortschritt ist, weil es endlich ein Ausstiegsdatum gibt.
Herr Baum von der SPD sagte im Januar im Plenum, man könne ja mit dem Bund zu dem Datum 2038 noch einmal nachverhandeln. Herr Kretschmer sagte erst gestern wieder, dass man doch die Kohle trotz des Kompromisses vielleicht doch noch bis 2050 verbrennen könnte. Herr Rohwer hat auch gerade wieder davon geträumt, dass doch erst spätestens 2050 Schluss mit der Kohleverstromung ist.
Wo leben Sie denn? Das sind genau die Aussagen, die dafür sorgen, dass diese jungen Leute, die Klimaaktivisten und die Menschen mit Verstand – Entschuldigung, ich kann es nur so sagen – keine Lust haben, mit Ihnen zu reden. Das ist auch der Grund, warum jahrelang keiner mit Ihnen darüber reden wollte.
Sie tun auch so – – Ich gestatte keine Zwischenfrage, Frau Präsidentin.
Aber ich habe es schon gesehen.
Der Grund, warum keiner mit Ihnen reden will, ist auch, weil Sie seit Jahrzehnten den Ausstieg aus der Kohle blockieren und dies heute immer noch tun. Jetzt, wo die notwendige Energiewende kommt – sei es von Europa, vom Bund oder durch das Pariser Klimaabkommen –, heulen Sie herum, dass Sie keine Zeit mehr haben oder es zu kurzfristig sei, einen Strukturwandel zu begleiten, obwohl Sie das 30 Jahre lang bekämpft haben. Das ist das Problem.
Meine Kollegin Kagelmann sagte es bereits gestern: Seien Sie doch einmal fortschrittlich. Seien Sie doch einmal die Speerspitze für neue Technologien, für neue Speicher und Infrastruktur. Lassen Sie doch endlich einmal neue Technologien zu. Was haben Sie gemacht? Sie haben SolarWorld pleite gehen lassen. Sie haben die Pumpspeicherkraftwerke in Sachsen vergammeln lassen. Die Windradproduzenten hier im Lande produzieren nur noch fürs Ausland und werden sich nicht mehr lange halten können. Das Energie- und Klimaprogramm wird es nicht geben.
All das sind Gründe, warum die sächsische Energiepolitik zu kritisieren ist und weshalb Leute demonstrieren, meine Damen und Herren.
Ich werde mich auf den ersten Teil der Kurzintervention beziehen. Sie sagten, dass Deutschland gegen den Klimawandel nichts machen kann, auch wenn wir jetzt Kohlekraftwerke abschalten. Ich hatte es vorhin in meiner Rede erwähnt. Das ist eben falsch. Wir haben eine besondere Verantwortung, weil wir schon seit über 100 Jahren CO2 in Größenordnungen emittieren.
Die Länder, die Sie gerade angesprochen haben – zum Beispiel China –, sind erst seit ein paar Jahren auf dem Niveau wie Deutschland bei den Emissionen.
Zweitens gibt es weltweite Abkommen, die nicht nur Deutschland und andere europäische Länder, sondern
Länder weltweit verpflichten, für Klimaschutz einzustehen. Man kann nicht immer nur Sachsen bzw. Deutschland betrachten, was Klimaschutz betrifft, sondern man muss die Staatengemeinschaft betrachten. Selbstverständlich muss man als Industrie- und fortschrittliches Land dafür Vorbild sein, dass man es schaffen kann, aus der Kohle auszusteigen und neue Technologien einzuführen. Andere Länder machen es genauso wie Deutschland und sind ein Vorbild.
Ja, China baut Kohlekraftwerke. Das sind aber nicht die ältesten, die Sie vorhin als Vergleich herangezogen haben, sondern sie haben auch neue Technologien. China ist mittlerweile Vorreiter im Ausbau der erneuerbaren Energien und in der weltweiten Produktion für Anlagen, auch hier in Deutschland. Insofern ist China ein schlechtes Beispiel.
Zu den Schülern: Sie demonstrieren für ihre Zukunft. Was nützt es, wenn sie in 20 bis 30 Jahren keinen Planeten mehr vorfinden, auf dem es sich zu leben lohnt?
(Beifall bei den LINKEN – Jörg Urban, AfD: Die Schüler werden von Ihnen aufgehetzt! – Dirk Panter, SPD: Damit kennen Sie sich ja sehr gut aus! – Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinke, DIE LINKE)
Im Grundsatz freue ich mich ja, dass Sie den Kompromiss der Bundesregierung oder der Strukturkommission anerkennen. Dann müssen Sie jetzt aber auch deutlich sagen, dass dann zum Beispiel
keine neuen Tagebauaufschlüsse mehr nötig sind, zum Beispiel in Pödelwitz.
Vor einem halben Jahr war ich gemeinsam mit Ihnen auf einer Podiumsdiskussion bei einer Gewerkschaft und dort haben Sie nicht nur für das Jahr 2050 gekämpft, sondern auch verteidigt, dass es neue Aufschlüsse, neue Abbaggerungen usw. gibt. Sie können sich die Protokolle der ganzen Reden, die Sie hier im Plenum gehalten haben, anschauen. Sie haben nie dafür gekämpft, dass es einen zügigen, schnellen und fortschrittlichen Kohleausstieg gibt. Das ist das, was ich damit ausdrücken wollte, und das habe ich auch getan.
Herr Rohwer, Sie sagten doch gerade, dass nur so viel Energie hineingehen kann, wie auch wieder herauskommen. Genau deshalb muss ja auch weniger Kohle hinein, damit mehr erneuerbare Energien hineinkommen –
nein, mehr erneuerbare Energien herauskommen können. Das ist das Problem.
Das ist doch die Gleichung, die Sie hätten bringen müssen. Sie haben am Anfang gesagt: Es kann nur so viel Energie hinein, wie auch herauskann, deshalb muss weniger Kohle hinein, damit mehr erneuerbare Energien herauskommen, damit am Ende das Ergebnis gleich bleibt. Also, Ihr komischer Kaffee-Vergleich hinkt einfach und ist totaler Quatsch. Das hat auch niemand hier im Raum behauptet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt wieder
eine Menge gehört, was im ÖPNV getan wird bzw. was sich irgendwann einmal ändern wird. Wir haben auch wieder viele Ankündigungen gehört, dass sich irgendwann das und das und dies und das ändern wird. Mein Problem dabei ist, dass wir immer nur davon hören und das eben seit Jahren. Das Problem ist, dass es bei der konkreten Umsetzung daran scheitert, dass real noch nichts umgesetzt oder passiert ist.
Der Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission kommt mittlerweile aus dem Jahr 2017. Ich frage mich: Was wurde bisher umgesetzt? Was hat sich für die Menschen real verändert? Selbst die Anträge, die wir hier im Landtag besprechen und beschließen, werden am Ende nicht umgesetzt. Ich nenne ein Beispiel aus dem Jahr 2018: Im Februar hat die Staatsregierung von der Legislative, also von uns allen hier im Raum, den Auftrag bekommen, einen Sachsentarif umzusetzen und damit eine Tarifharmonisierung zwischen den Verkehrsverbünden zu schaffen und davon nicht nur zu erzählen, sondern es auch real umzusetzen. Das war ein Antrag der SPD/CDUKoalition, also Ihr Antrag, der hier vor einem Jahr beschlossen wurde.
Aber es ist nach einem Jahr nichts passiert, und wir reden nicht erst seit einem Jahr darüber, sondern schon seit vier Jahren und noch viel länger, Herr Nowak.
Dafür braucht es keine Abschlussberichte oder anderes.
Auf meine Nachfrage im Mai mit einer Kleinen Anfrage, was aus dem Antrag, der hier beschlossen wurde, geworden ist, war die Antwort, dass zum Thema Sachsentarif natürlich die kommunalen ÖPNV-Aufgabenträger dafür zuständig sind und die Staatsregierung das nicht umsetzen kann. Das ist übrigens die Antwort auf fast alle Fragen, Anregungen, Anträge und Kleinen Anfragen, wenn es um das Thema ÖPNV geht.
Formal haben Sie damit auch recht, dass die kommunalen Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer und Auftraggeberinnen und Auftraggeber dafür zuständig sind. Da frage ich mich, warum wir hier in dem Hohen Haus überhaupt über ÖPNV reden, wenn doch die ÖPNV-Planung scheinbar nicht auf Landesebene stattfindet.
Genau das ist auch das Grundproblem.
Wir haben als Parlament anscheinend nicht begriffen, dass wir die Gesetzgeberinnen und Gesetzgeber sind. Wenn wir hier das System ändern wollen würden, dann könnte
man auch etwas tun, aber das wollen wir nicht, das heißt, Sie wollen das nicht. Das ist eben das Problem. Dabei ist es doch so dringend nötig.
Wenn die Aufgabenträger alles alleine entscheiden können und es am Ende bei den vielen Themen, die wir hier besprochen haben, nicht funktioniert, dann muss man dazu kommen, dass man das ÖPNV-Gesetz ändert, meine Damen und Herren.
Dafür ist es höchste Zeit. Sonst ist alles, was wir hier besprechen, nur Schall und Rauch. Herr Nowak, in Ihrer Rede von damals, als Sie zu dem Sachsentarif den Antrag eingebracht haben, haben Sie richtigerweise festgestellt, dass man zum Beispiel im VMS, also im Raum Chemnitz, Tickets im Zug kaufen kann, beim VVO aber nicht. Das haben Sie damals richtig festgestellt, und jetzt verrate ich Ihnen ein Geheimnis: Das ist heute immer noch so, nach über einem Jahr. Ich habe es am Montag erst geprüft. Das ist ein Jahr nach der Debatte immer noch so: Es hat sich nichts geändert.
Genauso ist es beim Thema Handyticketsystem. Es gibt unterschiedliche Systeme in jeder Kommune, unterschiedliche Fahrradmitnahmeregeln, unterschiedliche Kinderregelungen, Kurzstreckentickets, Koffertarife, also ganz unterschiedliche Dinge – in jedem Ort etwas anderes. Das ist seit Jahren bekannt und identifiziert. Es steht auch seit vier Jahren im Koalitionsvertrag, dass es eine Tarifharmonisierung geben soll.
Die Antwort der Staatsregierung auf unsere Große Anfrage im Jahr 2017 war, dass das Thema Tarifharmonisierung beispielsweise im Jahr 2017 bereits umgesetzt wird. Jetzt haben wir das Jahr 2019 und noch immer ist nichts passiert. Ich frage mich: Warum kontrollieren Sie Ihre eigene Regierung nicht und reden ihr nur nach dem Mund? Warum kommen wir nicht dazu, das ÖPNVGesetz endlich zu ändern? Darüber muss endlich einmal geredet, nachgedacht und entsprechend gehandelt werden, meine Damen und Herren.
Ich kann auch mit anderen Beispielen weitermachen. Wo ist die Koordinierungsstelle zur Bündelung der Aufgaben im ÖPNV? Was ist damit passiert? Ich habe seitdem nichts mehr davon gehört. In der Legislatur ist das anscheinend auch verspielt worden.
Aber sie handelt nicht, sie ist nicht da, sie existiert noch nicht in der Phase.
Was ist seitdem passiert? Oder das Thema Barrierefreiheit: Bis 2022 sollte eigentlich laut UN-Behindertenrechtskonvention die vollständige Barrierefreiheit im ÖPNV durchgestellt werden. Das muss auch durch das ÖPNV-Personenbeförderungsgesetz eingehalten werden. Das wird hier komplett verschlafen und verfehlt. Auch das „Landeskompetenzzentrum Barrierefreiheit“ wird es nicht geben.
Oder das Thema Sachsentarif: Was ist da in den letzten vier Jahren passiert?
Noch immer stehen die Chemnitzer, wenn sie nach Berlin wollen, eine Dreiviertelstunde im Leipziger Hauptbahnhof herum, weil die Verbindungen nicht klappen. Man braucht drei Stunden mit dem Auto, könnte aber mit dem Zug in zwei Stunden, 15 Minuten schon in Berlin sein, wenn man diese Wartezeiten nicht hätte. Hier muss harmonisiert werden.
Es gibt ganz viele andere Beispiele dafür, dass die Verbindungen und die Harmonisierung einfach nicht klappen. Wir müssen endlich auch vom Rückbau des ÖPNV wegkommen, der in den letzten 15, 20 Jahren passiert ist. Das haben Sie gestoppt. Das erkenne ich an, werte SPD. Aber seit 1992 sind über 800 Kilometer Personenstrecken abgebaut worden – das ist doch das Problem. Wir brauchen hier wieder einen Aufwuchs, und dazu werde ich in der zweiten Rederunde fortführen, Herr Präsident.
Danke schön.
Ich fasse noch einmal den ersten Redebeitrag zusammen. Nach viereinhalb Jahren Koalition gibt es noch keinen Sachsentarif. Es gibt keinen Plan zur Barrierefreiheit, es gibt keinen Sachsentakt und es gibt bisher keinen Streckenausbau. Das habe ich vorhin ausgeführt.
Ich komme nun zu fünftens: Es gibt immer noch kein Schüler(innen)-Ticket, auch wenn das jetzt geplant ist. Es soll ja kommen, aber was für eins. Ein Schüler(innen)Ticket, das ab 14 Uhr gilt.
Das heißt, während der Regierungszeit werden die Eltern in diesem Freistaat ihre Kinder weiterhin für bis zu 250 Euro im Jahr Elternbeitrag in die Schule befördern lassen müssen. Das halte ich für untragbar, meine Damen und Herren.
Wir können ja mal nach Berlin oder in die anderen Bundesländer schauen, wo dies etwas schneller geht. In Berlin regiert die LINKE seit zwei Jahren, und jetzt gibt es ein kostenfreies Schüler(innen)-Ticket. Oder schauen wir nach Rostock, dort hat der linke Senator einen kostenfreien Schülerverkehr eingeführt.
Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie sich hier so feiern lassen für etwas, was in dieser Legislaturperiode noch nicht umgesetzt wird. Auch der Vorstoß zum Azubi-Ticket ist nach meiner Ansicht höchst unbefriedigend. Dazu gab es mehrere Anhörungen im Landtag. Wir haben das immer beantragt oder bei den Haushaltsdebatten die Sachverständigen dazugeholt. Damals wurde klargestellt, dass das Azubi-Ticket, was derzeit geplant ist, eine günstigere Alternative braucht und dass dort auch Freiwilligendienstleistende mit profitieren müssen oder auch Menschen in Weiterbildung. All das ist bisher überhaupt nicht geplant und das macht mich traurig.
Wir können auch über andere Punkte sprechen. Zum Beispiel über Beteiligungen im ÖPNV. Welches Mitspracherecht haben überhaupt Fahrgäste in diesem Verkehrssystem in Sachsen, wenn es beispielsweise um Linienplanungen, Fahrzeugeinsatz, Qualität, Service etc. geht? Es passiert viel zu wenig und es gibt viel zu wenig Beteili
gungsmöglichkeiten. Dazu haben wir Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der in zwei Wochen angehört wird, und Sie haben noch nicht einmal die Sachverständigen dazu benannt.
All das sind Punkte, über die man reden kann, aber eigentlich sind das auch nur Kleinigkeiten im Vergleich zu den Problemen, die die Menschen da draußen wirklich haben. In den Großstädten platzt der ÖPNV aus allen Nähten. Erst heute bin ich in Leipzig mit der Straßenbahn gefahren und Leute konnten nicht mit einsteigen, weil sie zu voll war.
Aber außerhalb der Großstädte oder Ballungszentren ist der ÖPNV so ausgedünnt, dass die meisten Menschen mit dem Auto fahren müssen. Dann lese ich jetzt die Ankündigung im Landesverkehrsplan oder Mobilitätsplan – wie Sie ihn auch immer nennen –, in dem steht, dass der derzeitige Autoanteil am Gesamtverkehr 56,2 % beträgt. Dieser soll sich bis zum Jahr 2030 auf – Achtung – 55,8 % senken. Das sind 0,4 % weniger Autoanteil in zehn Jahren.
Ja, eine Prognose. Das ist aber schlimm, wenn wir jetzt schon davon ausgehen können. Auch zum Autoanteil sagen Sie: Von jetzt 517 Autos pro Tausend Anwohner wird dies auf 539 Autos steigen.
Ja, es ist aber schlimm, wenn die Prognose so aussieht. Dagegen muss man doch etwas tun. Selbstverständlich ist das schlimm. Sie haben die Energiewende „verkackt“ – Entschuldigung. Sie kommen dort nicht voran, also müssen die anderen Sektoren, um CO2 einzusparen, Dinge einplanen. Bei dem Sektor in Verkehr oder Mobilität ist es viel schwieriger, dort eine Änderung durchzusetzen als bei der Energiewende. Hierbei müssen wir uns viel mehr anstrengen. Was ist die derzeitige Prognose? In Zukunft wird es mehr Autos geben als weniger. Das ist schlimm und zeigt, dass Sie in den letzten vier Jahren leider versagt haben.
Wir haben von der Schweiz gesprochen. Wir waren im Ausschuss dort und haben gesehen, wie ein guter öffentlicher Verkehr funktionieren kann. Wir wollen das in Sachsen auch.
Wir wollen, dass zum Beispiel gesetzlich geregelt wird, dass jedes Dorf mit dieser oder jener Anbindungshäufigkeit angebunden wird. Das ist in der Schweiz der Fall. Das kann man gesetzlich regeln. Man könnte also, wenn wir das ÖPNV-Gesetz ändern, bestimmte Bedienstandards festschreiben: beispielsweise, dass in jeder Kommune ab 500 Einwohnern im Zweistundentakt ein ÖV-Fahrzeug
fahren muss oder ab 5 000 Einwohnern im Stundentakt oder ab 10 000 Einwohnern im Halbstundentakt. Das könnte man machen, wenn man das ÖPNV-Gesetz ändert. Wollen Sie nicht.
Oder man könnte damit auch die vielen anderen Probleme anpassen. Zum Beispiel das Schüler(innen)-Ticket regeln und kostenfrei oder zumindest kostengünstig organisieren. Man könnte einheitliche Beförderungsbedingungen in ganz Sachsen schaffen. Man könnte an der Preisgestaltung mitwirken und dafür sorgen, dass die Preise nicht jedes Jahr drastisch steigen. Man könnte landesweite Sozialtickets einführen, man könnte Fahrgastbeiräte in Landesebene und kommunaler Ebene fördern und umsetzen. Man könnte Barrierefreiheit konsequent umsetzen, und man könnte endlich auch über einen ÖPNVStreckenzuwachs im Schienenverkehr nachdenken und ausbauen und das Ruder endlich rumreißen von jahrelangem Abbau hin zu einem Aufwuchs des ÖPNV. All das ist leider nicht passiert und das kritisieren wir.
Ja, Herr Präsident, und danke, Herr Präsident. Herr Staatsminister Dulig, da Sie gerade sagten, dass ich hier nur Ankündigungen kritisieren würde: Ja, ich möchte noch einmal betonen, dass ich Ankündigungen kritisiert habe; denn real ist von vielen Dingen, die hier angesprochen wurden, noch nichts umgesetzt worden und noch nichts bei den Menschen angekommen. Deshalb habe ich von Ankündigungspolitik gesprochen.
Wenn es denn nun endlich käme, wäre ich sehr froh, und ich hoffe es und will Sie darin unterstützen. Wir unterstützen Sie auch bei der Maßnahme Landesverkehrsgesellschaft. Dazu haben wir ganz konkrete Vorstellungen, und wir werden Ihnen dazu auch eine Drucksache im Landtag vorlegen. Wir stellen uns eine Verkehrsgesellschaft vor, die zum Beispiel weiterhin regionale Managementzonen behält, damit nicht in Dresden der Busfahrplan von Borna geplant wird, aber der Freistaat es trotzdem in der Hand hat, wie der Verkehr organisiert wird.
Ich habe auch festgestellt, dass das Hauptproblem beim Thema Landesverkehrsgesellschaft die CDU ist, die blockiert bzw. kein Interesse daran hat. Aber wir brauchen diese Verkehrsgesellschaft oder überhaupt einen Handlungsspielraum im Landesparlament, damit auch das Thema Preis gestaltet werden kann; und das kann es, Herr Dulig. Wir können natürlich als Freistaat festlegen, dass alle Kinder und Jugendlichen kostenfrei oder kostengünstig fahren können. Wir können festlegen, dass Senioren kostengünstig fahren können. Wir können festlegen, dass es Sozialtickets gibt, wenn wir das zur Landesaufgabe machen. Wir können auch festlegen, dass es ein Tarifmoratorium oder einen Deckel für Preissteigerungen gibt, und wir können auch all die anderen Vorschläge umsetzen, die ich vorhin ansprach.
Mein Problem ist nur – deshalb habe ich von Ankündigungspolitik gesprochen –, dass nach viereinhalb Jahren Koalition bzw. Legislatur noch nichts davon umgesetzt ist, und deshalb spreche ich immer noch von Ankündigungspolitik.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE begrüßt ausdrücklich die Gesetzesinitiative der GRÜNEN zur Bevorrechtigung von Carsharing im Freistaat Sachsen.
Im letzten Jahr hat der Bundesgesetzgeber ein Gesetz dazu erlassen, und deshalb besteht die Erwartung an die Länder, dass diesbezüglich gehandelt und das Gesetz in Landesrecht überführt wird. Das versuchen die GRÜNEN mit dem Gesetzentwurf und dem stimmen wir auch zu.
Ich bin verwundert darüber, dass sowohl das Wirtschaftsministerium als auch die Koalitionsfraktionen, die sich zwar positiv in der Anhörung und auch sonst zu dem Thema geäußert haben, letztendlich das Gesetz doch ablehnen. Dazu werden wir die Stellungnahme gleich noch hören.
Alle Sachverständigen haben in der Anhörung gesagt, dass es genau dieses Gesetzes mit den entsprechenden Änderungen, die im Änderungsantrag vorgenommen wurden, bedarf. Auch die Fraktionen haben dem in der Anhörung zugestimmt. Deshalb finde ich es traurig, dass es heute wieder keine Mehrheit findet.
Ich hatte es heute Morgen schon gesagt: Die sächsische Regierung hat in der Energiepolitik leider nicht sehr viel Gutes gemacht bzw. ist gescheitert, was das Thema CO2Einsparung angeht. Das heißt, man muss jetzt in anderen Sektoren anfangen, mehr CO2 einzusparen. Neben der Wohn- und Landwirtschaft ist das nun einmal der Verkehr. Wenn wir bei dem einen Thema zu wenig einsparen, müssen wir halt versuchen, bei dem anderen Thema mehr zu machen. Das ist dann zum Beispiel beim Thema Verkehr der Fall. Dort ist es natürlich viel schwieriger, weil jede Person etwas mit Mobilität am Hut hat, weil wir alle mobil sind, alle laufen, fahren.