Protokoll der Sitzung vom 21.06.2017

Im sächsischen Verteilnetzbereich entstanden im Gesamtjahr 2015 0,2 % der bundesweiten Entschädigungszahlungen, im Gesamtjahr 2016 – abnehmende Tendenz – deutlich unter 0,1 %. In Euro waren das im Gesamtjahr 2016 80 434,22 Euro bzw. 2 Cent pro Kopf und Jahr, und im vierten Quartal 2016 waren es in ganz Sachsen übrigens 425 Euro oder zehn Tausendstel Cent pro Kopf, 10 Millicent. Ich hätte nicht gedacht, dass ich für Sie noch neue Einheiten erfinden muss. – So weit dazu. Sie bauen also wieder einmal einen Popanz auf, meine Damen und Herren von der AfD.

Damit kommen wir zum Kern des Pudels. Eigentlich wollten Sie doch nur wieder einmal über Wind- und Solarenergieanlagen reden als Symbole einer sich verändernden Welt und damit in Ihrer kruden „Früher war mehr Lametta“-Philosophie natürlich bedrohliche Ausgeburt des Bösen. Sie haben aus den peinlichen Aluhut-Debatten gelernt, die Sie in der Vergangenheit zum Thema Windenergie geführt haben.

(Zuruf von der AfD)

Deshalb kommt der Antrag nicht direkt als Angriff daher. Nein, es gilt für Sie, hier erst einmal einen Spin zu setzen, ein Empörungspotenzial zu generieren, bevor man es abholen kann.

(Zuruf von der AfD)

Somit liegt es natürlich auf der Hand, etwas, das man negativ besetzen möchte, erst einmal mit dem Adjektiv „teuer“ in Verbindung zu bringen, um dann später unter Verzicht auf jeden ehrlichen Optionsvergleich mit der Argumentationskette „teuer gleich böse, böse, böse“ fortfahren zu können.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Sie nehmen die gleichen Tabletten, oder?)

Diese Methode ist bei Ihnen durchaus nicht neu. Fast in jeder Debatte und auf jedem Podium thematisieren Sie eine tatsächliche oder vermeintliche Herausforderung und bringen deren Existenz willkürlich mit Dingen oder Menschen in Verbindung, die in Ihrer Weltansicht keinen Platz haben.

Wenn Sie sich wirklich um Belastungsentwicklungen und Investitionsbedarfe in den Mittel- und Niederspannungsnetzen Gedanken machen würden, dann hätten Sie sich um die dafür relevanten Größen und Faktoren gekümmert. Nein, es sind eben nicht die innerstädtischen PV-Anlagen mit einem Durchschnitt von ein paar Kilowatt oder einigen Dutzend Kilowatt auf Gewerbegebäuden, die heute so gut wie ausschließlich zur Eigenbedarfsdeckung errichtet werden und bereits in wenigen Jahren durchweg durch lokale Stromspeicher abgepuffert werden, denn sie werden durch die eigenverbrauchsnahe Erzeugung sowie den intelligenten Speichereinsatz besonders der Netzstabilisierung und -entlastung dienen.

Ich will Ihnen sagen, worin die Herausforderungen für die Mittel- und Niederspannungsnetze wirklich liegen. Ein typischer Ortsnetztransformator hat heute 160 bis

400 Kilowatt. Das reicht bei einem typisch angenommenen Gleichzeitigkeitsfaktor in den Haushalten für bis zu 250 Haushalte. Mit künftigen Ladestellen von 22 Kilowatt Anschlussleistung für Elektroautos reicht das nur noch für 8 bis 20 Pkws. Es ist sehr wahrscheinlich, dass abends nach der Arbeit jeder Haushalt seinen Pkw aufladen möchte.

Dort liegt eine tatsächliche Herausforderung, nämlich im Ausbau der Verteilnetze und deren intellegenter Betriebsweise und nicht in der PV-Anlage zur Eigenbedarfsdeckung auf dem Dach. Letztere ist aber Ihr ideologischer Gegner, weshalb sie hier im Antrag auftaucht und nicht die Ladestation.

Ein weiteres Beispiel: der massenhafte Einsatz elektrischer Wärmepumpen zur Wärmeversorgung anstelle von Gas und Öl. Auch hier treten bedeutende verbraucherinduzierte Anforderungen an die Verteilnetze auf, also keine erzeugerinduzierten Belastungen, und zwar zunächst völlig unabhängig davon, wie dieser Strom erzeugt wird.

Im Gegenteil: Jede Möglichkeit, den Strom für die Wärmepumpe wenigstens teilweise durch Solaranlagen auf dem eigenen Dach zu erzeugen, reduziert die Verteilnetzbelastung.

Sie sehen, Sie haben das Thema wieder einmal fachlich komplett verfehlt mit einem fehl fokussierten Antrag, mit schräger Begründung. In der Schule hieß es dazu: Fünf, setzen!

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die GRÜNEN sprach Herr Kollege Dr. Lippold.

Wir sind am Ende dieser Redereihe angekommen. Wollen Sie eine zweite Rederunde eröffnen?

(Zuruf von der AfD: Natürlich!)

Für die einbringende Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Urban.

Sehr geehrte Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte jetzt auf meine Vorredner doch ein kleines bisschen eingehen.

Herr Rohwer, am Thema vorbei, würde ich sagen. Sie haben hier von Dingen gesprochen, die weder in unserem Antrag stehen noch in meinem Redebeitrag genannt worden sind. Von der Insolvenz von Stadtwerken hat kein Mensch gesprochen,

(Lars Rohwer, CDU: Doch!)

und von Investitionen in Gaskraftwerke hat auch kein Mensch gesprochen. Ich weiß aber, warum Sie am Thema vorbeigeredet haben, weil Sie nämlich zu dem Thema selbst – zu unserem Antrag – wahrscheinlich nichts Gutes zu sagen hätten.

Herr Vieweg, auch Ihnen bin ich dankbar, auch wenn, wie Herr Wurlitzer sagte, nicht ganz klar ist, mit welchen

Tabletten Sie das untersetzt haben. Sie haben noch einmal klargestellt, dass die SPD-Fraktion auch heute noch steif und fest daran glaubt, mit der Energiewende in Deutschland irgendetwas am Weltklima ändern zu können. Danke schön.

Jetzt zu Herrn Lippold. Auch Sie haben am Thema vorbeigeredet – wohl bewusst –, weil man nicht über das reden will, was der eigentliche Sinn des Antrages ist.

(Jörg Vieweg, SPD, steht am Mikrofon.)

Was Sie nicht wollen, ist das, was Ihre Kollegen in Regierungsverantwortung in Baden-Württemberg machen und was unser Antrag will, nämlich eine Kalkulation der zukünftigen Kosten, die auf die Stadtwerke zukommen, um zu wissen, ob die Stadtwerke das tragen können und was es für die kommunalen Haushalte bedeutet.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Jetzt noch nicht! – Zu Herrn Böhme vielleicht auch noch eine Anmerkung. Herr Böhme hat einen sehr ideologisch geprägten Redebeitrag gehalten, der den Zweck hatte, die LINKE-Vorstellung von Energiewende noch einmal deutlich zu machen. Sie haben sehr lang und ausführlich vorgestellt, was es alles für Innovationen am Energiemarkt gibt.

Was Sie als LINKE immer nicht machen, ist zu sagen, dass diese Innovationen Geld kosten.

(Zurufe der Abg. Marco Böhme und Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Diese ganzen Innovationen sind nur deshalb da, weil sie mit den hohen Verbrauchskosten in Deutschland finanziert werden. Das ist die Wahrheit.

Sie geben hier vor, die kleinen Leute zu schützen, und in Wirklichkeit wollen Sie die Energiepreise weiter nach oben treiben. Wir können froh sein, dass GRÜNE und LINKE nicht in Regierungsverantwortung sind, ansonsten hätten wir sicherlich schon Stromkosten von 50 Cent pro Kilowattstunde

(Zurufe der Abg. Marco Böhme und Rico Gebhardt, DIE LINKE)

und unsere Industrie wäre wahrscheinlich zum großen Teil schon nach Tschechien und Polen ausgewandert.

Sie alle haben vor Kurzem im Sächsischen Landtag festgestellt, dass hohe Netzentgelte unserer Wirtschaft schaden und dass sie inzwischen ein Viertel unserer Stromkosten ausmachen. Maßgebender Kostentreiber für die Netzentgelte sind die Investitionen für die Instandhaltung des Stromnetzes sowohl für die Übertragungs- als auch für die Verteilernetze.

Ich berufe mich noch einmal auf den Vorstandsvorsitzenden der enviaM – es sind nicht meine Worte –, der sagte, dass ihre hohen Kosten und die Verluste, die sie realisiert haben, vor allen Dingen mit dem Ausbau für die Aufnah

me des Stroms aus erneuerbaren Energien zu tun haben. Das sind die Worte der enviaM, und der Vorstandschef ist für mich der größere Fachmann als Sie, die Sie hier Ihre politische Ideologie vorstellen.

(Beifall bei der AfD)

Die EEG-Anlagen sind ausschließlich an das Verteilernetz angeschlossen. Die Verteilernetze wurden für eine zentrale Energieversorgung ausgelegt, welche die Energie von den Kraftwerken über das Übertragungsnetz und über die Hoch-, Mittel- und Niederspannungsstufen bis zu den Verbrauchern verteilte.

Heute müssen die gleichen Stromnetze mehrere Terawattstunden Energie aufnehmen und bis zu den Übertragungsnetzen transportieren. Problematisch ist dabei nicht nur die ursprünglich nicht vorgesehene Aufnahme des Stromes, sondern vor allem dessen Schwankungen. Es ist technisch hochproblematisch, wenn sich die Stromerzeugung nicht am Verbrauch orientiert. Genau das ist bei Strom aus Windenergie und Fotovoltaik aber regelmäßig der Fall.

Wir betonen – das wird auch immer wieder vorgetragen –: Es gibt aktuell keine wirtschaftliche Technik, Strom in ausreichenden Mengen zu speichern. Die einzige Möglichkeit, die den Netzbetreibern bleibt, ist die Flucht nach vorn. Stichworte: Netzausbau und Netzeingriffe. Durch Netzeingriffe und durch Netzausbau, durch den Einsatz regelbarer Ortsnetztransformatoren – auch die kosten Geld – und durch die Abschaltung von Windenergie- und PV-Anlagen werden tagtäglich kleinere und größere Zusammenbrüche unseres Stromnetzes verhindert.

Bislang mussten in Sachsen noch keine Unternehmen aufgrund von Netzüberlastungen vom Stromnetz genommen werden – weder irregulär noch über die Verordnung zu Abschaltbaren Lasten, die das eigentlich vorsieht. Unserer Meinung nach sollte es auch nicht so weit kommen. Die deutsche Stromproduktion sollte nicht mehr permanent am Rande von Stromausfällen stehen wie heute.

Die Industrieverbände – auch diesbezüglich berufe ich mich gern auf eine externe Kompetenz – weisen unisono darauf hin, dass Deutschland immer häufiger an die Belastungsgrenzen seiner Stromnetze stößt. Man ist bereits jetzt nicht mehr in der Lage, die deutschen Stromnetze schnell genug umzurüsten und auszubauen; von den Kosten einmal ganz abgesehen. Das machen Sie auch nicht gern.

Diese Hinweise aus berufenem Munde werden jedoch nach wie vor beim Ausbau der erneuerbaren Energien nicht berücksichtigt.

Wenn sich die CDU und die SPD den Luxus der deutschen Energiewende tatsächlich weiter leisten wollen, dann müssen Sie auch der Bevölkerung offen und ehrlich erklären, wie es um unsere sächsischen Verteilerstromnetze bestellt ist und welche Kosten auf die Stadtwerke zukommen.

Der Antrag der AfD-Fraktion ist ein erster Schritt zu dieser Kostentransparenz.

Vielen Dank.