Protokoll der Sitzung vom 28.01.2015

Ich danke Herrn Staatsminister Ulbig für seine Fachregierungserklärung.

Wir kommen jetzt zur Aussprache und ich rufe Ihnen folgende Redezeiten in Erinnerung: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 24 Minuten, SPD 16 Minuten, AfD 14 Minuten und GRÜNE 12 Minuten. Wir beginnen mit einer ersten Runde in folgender Reihenfolge: DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Das Wort erhält für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Gebhardt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus unserer Sicht hätte hier eigentlich der Ministerpräsident stehen müssen, denn es kann uns doch heute nicht ernsthaft allein um das Versammlungsverbot vom 19. Januar gehen. Wir sprechen eigentlich über einen der größten gesellschaftlichen Konflikte, die der Freistaat in seiner jüngsten Geschichte zu bewältigen hat.

Meine Herren an der Spitze der sächsischen CDU, Ihre erprobte Methode des Schweigens oder des Abmoderierens aller Konflikte durch Brandmarkung externer Schuldiger – so wie es beim Landesbankcrash gewesen ist, bei der Sachsensumpfaffäre oder bei der NSU-Mordserie – wird diesmal nicht funktionieren.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Sie, meine Damen und Herren von der CDU, tragen mit Ihrer Politik die Verantwortung für die Ursachen der Eskalation, der Frustration und teilweise auch der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus, die wir derzeit hierzulande erleben.

(Beifall bei den LINKEN sowie der Abg. Sabine Friedel, SPD, und Petra Zais, GRÜNE – Empörte Zurufe von der CDU)

Denn wir erinnern uns an die ewigen Debatten um den Extremismus mit dem expliziten Standpunkt der sächsischen CDU, dass der Linksextremismus eine der größten Gefahren für die Demokratie darstellt,

(Lautstarker Widerspruch von der CDU)

obwohl in Sachsen Morde und Gefahren gegen Leib und Leben von rechts ausgegangen sind, meine Damen und Herren. – Ihre Zwischenrufe zeigen mir, dass ich recht habe.

(Beifall bei den LINKEN)

Höhepunkt war die Einführung der Extremismusklausel. Damit wurde ein Generalverdacht gegen alle ausgesprochen, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus und für eine demokratische Kultur in diesem Land einsetzen wollen.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Es war auch besonders Sachsen, wo die sogenannte akzeptierende Jugendarbeit gerade im ländlichen Raum als faktische staatliche Beihilfe zu Nazistrukturen gepflegt wurde. Gerechtfertigt wurde das von der Pauschalbehauptung des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf, die Sachsen seien ja immun gegen rechtsradikale Versuchungen – wie wir erst heute wieder in der „Süddeutschen Zeitung“ lesen durften.

Hinzu kam speziell in Dresden die jahrelange historisch nachweislich falsche Pflege eines Opfermythos. Hinter der Fassade des stillen Gedenkens wurde insbesondere von der CDU eine einseitige Erinnerungskultur verteidigt, an die Nazis mit ihrem europaweit größten Aufmarsch mühelos anknüpfen konnten.

(Alexander Krauß, CDU: Lüge!)

Jahrelang wurde jede Kritik verfemt.

(Christian Piwarz, CDU: Keine Ahnung! Hören Sie auf mit dem Unsinn!)

Die Stadt und die CDU-Regierung haben erst mit absurden Begründungen reagiert – Zitat: „Die Chaoten stören das stille Gedenken“; damit waren aber nicht die Neonazis gemeint, sondern die Gegendemonstranten – und dann mit einem absurden Trennungsgebot, was in der Endkonsequenz zu den heftigen Auseinandersetzungen am 19. Februar 2011 führte. Es waren die zivilgesellschaftlichen Initiativen bis hin zur Antifa, die mit ihren Blockaden den Naziaufmärschen rund um den 13. Februar

(Starker Widerspruch und Zurufe von der CDU und der AfD)

das Garaus gemacht haben, und nicht Ihre Menschenkette.

(Beifall bei den LINKEN sowie der Abg. Sabine Friedel, SPD, und Petra Zais, GRÜNE)

Zum Dank wurden sie dafür kriminalisiert – und das bis heute –, Prominente und viele Nichtprominente. Im Zusammenhang mit einer nicht existierenden kriminellen Vereinigung namens Antifa-Sportgruppe wurden 2011 die Telefondaten von mehr als einer Viertelmillion Menschen abgefischt. Die politisch-juristische Verfolgung des Jenaer Jugendpfarrers Lothar König ist inzwischen Geschichte, aber deswegen nicht weniger skandalös. Demnächst wird sich der Ministerpräsident unseres Nachbarlandes Thüringen wegen seiner Beteiligung an den antifaschistischen Protesten vor fünf Jahren vor einem Dresdner Gericht verantworten müssen.

(Empörter Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU – Weitere Zurufe)

Interessant ist: Es gab damals niemals einen Dialog oder ein Dialogangebot mit den Gegendemonstrationen. Das macht die Staatsregierung aber jetzt bei den Protestierenden mit Pegida – einer Bewegung, die die giftige Frucht Ihrer spezifischen sächsischen und Dresdner CDU-Politik ist. Ihre Parteifreunde in anderen Bundesländern wenden sich längst mit Grausen ab. Da höre ich vom CDUBundesvorsitzenden Armin Laschet, der seine sächsischen Parteifreunde ermahnt, Sachsen gehöre doch zu Deutschland.

(Zuruf von der CDU – Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Wir alle dachten, schlimmer geht’s nimmer. Doch dann kam diesen Montag die Nachricht von einem Geheimgespräch des Innenministers an unbekanntem Ort, aber mit einer ministeriellen Verkündung danach.

(Zurufe von der CDU)

Herr Ulbig, beim Blick auf Ihre Amtsführung fragen sich viele so wie auch ich persönlich: Sprechen Sie eigentlich noch als hauptamtlicher Innenminister oder eher als

ehrenamtlicher stellvertretender Pressesprecher von

Pegida?

(Dr. Frauke Petry, AfD: So ein Blödsinn! – Oh-Rufe von der CDU)

Herr Ulbig, Sie waren sogar bereit, sich mit Herrn Bachmann zu treffen, der Flüchtlinge als – Zitat – „Viehzeug“ bezeichnet hat. Davor wurden Sie, wurde Sachsen nur dadurch bewahrt, dass Bachmann vorher zurückgetreten ist. Daraus kann ich nur schlussfolgern, dass mit dem Beginn Ihrer OB-Kandidatur in Dresden alle Ihre politischen Sicherungen durchgebrannt sind – entsprechend durchgeknallt ist Ihre Sicherheitspolitik.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun hat sich die Spitze der sächsischen CDU offenbar kollektiv in eine Parallelgesellschaft begeben.

(Lachen der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Der Ministerpräsident teilt im Widerspruch zu Aussagen der Bundeskanzlerin mit, dass es zwar Muslime in Sachsen gibt, aber keinen Islam. Ähnlich irre wäre es, wenn ich sagen würde: Herr Tillich mag zwar praktizierender Katholik sein, aber Katholizismus gehört nicht zu Sachsen. Sie, meine Damen und Herren der Staatsregierung, haben uns diese Fachregierungserklärung mit einem fundamentalistischen Ausruf „Freiheit braucht Sicherheit“ beschert. Also müssen wir einmal mit fundamentaler Aufklärung in der Debatte darauf eingehen –

(Zurufe von der CDU)

und das nicht nur, um den Gesundheitszustand von Martin Dulig, um den ich mich sorge, zu sichern, der mit dem Treiben seines Koalitionspartners wahrscheinlich körperliche Schmerzen haben wird.

Ich sage: Freiheit braucht Mut, Freiheit braucht Zivilcourage, Freiheit braucht Gesicht zeigen, Freiheit braucht Widerspruch, Freiheit braucht Andersdenkende, Freiheit braucht anders Lebende und Freiheit braucht anders Aussehende.

(Beifall bei den LINKEN sowie der Abg. Sabine Friedel, SPD, und Petra Zais, GRÜNE)

Das, meine Damen und Herren, ist auch meine Lehre aus dem gescheiterten Versuch, in der DDR eine Alternative zum Kapitalismus aufzubauen.

(Zuruf der Abg. Ines Springer, CDU)

Eine hundertprozentige Sicherheit in einer offenen Gesellschaft kann es nun einmal nicht geben – leider, Herr Innenminister.

Ja, wir vertrauen der Polizei, professionell und unter schwierigen Bedingungen 99,9 % Sicherheit zu schaffen. Die Allgemeinverfügung der Polizeidirektion Dresden mit 24-stündigem Totalverbot aller Versammlungen unter freiem Himmel in der Landeshauptstadt am 19. Januar

war ein beispielloser antidemokratischer Sündenfall. Da helfen alle Ihre Erklärungsmuster, die Sie uns gerade gegeben haben, nichts, Herr Innenminister.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf von der CDU)

Die auf der Sondersitzung des Landtagsinnenausschusses nachträglich aufgezählten Pseudoargumente waren

sämtlich an den Haaren herbeigezogen. Damit könnte man jederzeit überall die Demonstrationsfreiheit beerdigen. Auch in diesem Fall war es wieder die Bundesregierung, die erschrocken war, und aus der Bundeshauptstadt ward kundgetan, notfalls müsse die Bundespolizei die Versammlungsfreiheit retten – auch in Sachsen. Wie peinlich!

Nun ist man in Dresden eine Menge Unverhältnismäßigkeiten in Sicherheitssachen gewohnt. Ich will daran erinnern: Im Jahr 2006 wurde von zwei Polizeibeamten ein dreijähriges Kind aus dem Kindergarten entführt, um so an seine angolanische Mutter heranzukommen und sie abzuschieben. Die damalige Ausländerbeauftragte sprach von „Geiselhaft“. Ein Jahr später wurde vom Justizministerium bestätigt, dass Dresdner Rechtsextreme in den Besitz von Polizeivideos und -fotos von Antifaschisten gekommen waren. Vom Jahr 2011 sprach ich schon. Vor einem halben Jahr geleitete eine Polizeieskorte

40 Neonazis in den Sächsischen Landtag, während Gegendemonstranten mit Schlagstöcken und Pfefferspray bearbeitet wurden.