Protokoll der Sitzung vom 28.01.2015

Im Übrigen hatte bis zu diesem Zeitpunkt auch der Veranstalter, also Pegida selbst, kein schlüssiges Sicherheitskonzept vorgelegt. Fakt ist aber auch, meine sehr verehrten Damen und Herren – und das möchte ich noch einmal deutlich sagen –: Ohne diese konkrete Bedrohung wären die angemeldeten Veranstaltungen so wie immer bis zu diesem Zeitpunkt und auch jetzt, danach, ordnungsgemäß abgesichert worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage es noch einmal ganz klar: Die Entscheidung der Polizeiführung, der Polizeidirektion Dresden, war richtig, und ich würde sie unter gleichen Umständen so wieder mittragen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das ist zu befürchten! – Weitere Zurufe von den LINKEN)

Wenn ich die Wahl habe, entweder Leib und Leben der Menschen in diesem Lande vor Terroristen zu schützen oder sie unter Gefahr demonstrieren zu lassen, dann wähle ich immer die Sicherheit und die Unversehrtheit unserer Bürger.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ich halte es daher auch für verfehlt, in diesem Zusammenhang von einem vermeintlichen Gegensatz von Freiheit und Sicherheit zu sprechen. Freiheit und Sicherheit trennt kein Entweder-oder, sie eint ein Sowohl-alsauch. Sie sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Wer in Unsicherheit lebt, baut zwangsläufig Mauern um sich herum. Nur in Sicherheit kann es echte Freiheit geben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das schließt die Möglichkeit zur demokratischen Teilhabe ein. Das ist nicht zuletzt einer der häufigsten Gründe dafür, warum Menschen zu uns nach Deutschland flüchten. Sie kommen zum Teil aus Ländern, in denen viele von ihnen nicht wissen, ob sie den nächsten Tag erleben, in denen es kein staatliches Gewaltmonopol gibt und sie der Willkür von Warlords und marodierenden Banden ausgesetzt sind, in denen Demonstration und freie Meinungsäußerung für sie nicht normaler Alltag sind.

Unser Staat, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Freiheits- und Sicherheitsgarant für die Bürger. Gerade wenn man über das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit spricht, sollte man sich das immer wieder klarmachen. Man kann also nicht oft genug wiederholen: Sicherheit ist nicht das Gegenteil, sondern die Grundlage von Freiheit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsministerin Brunhild Kurth)

Unsere Freiheit braucht Sicherheit. Damit es keine Missverständnisse gibt, will ich ebenso klar sagen: Ich stimme

uneingeschränkt zu – das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht sind hohe Güter. Es sind die Lebensadern unserer Demokratie, und wenn man so will, der Motor unserer offenen Gesellschaft. Jedes Freiheitsrecht, jede demokratische Errungenschaft unserer Zeit wird ausgefüllt durch die Menschen, die sie tragen. Die Sicherheit jener Menschen zu gewährleisten ist oberste Staatsräson. Das ist die Grundlage unseres Gesellschaftsvertrages. Diesem Grundsatz fühlt sich die Staatsregierung verpflichtet. Diesem Grundsatz fühle ich mich persönlich verpflichtet, und ich denke, diesem Grundsatz müssen wir uns alle verpflichtet fühlen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Staatsministers Sebastian Gemkow)

Jetzt gibt es einige, meine sehr verehrten Damen und Herren, die sagen, die Maßnahme sei unverhältnismäßig gewesen,

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Korrekt!)

ein unnötiger Eingriff in die Grundwerte unserer Demokratie.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Völlig überzogen!)

Ich kann mir vorstellen, dass sich das aus Berlin, Stuttgart oder Hamburg sehr leicht sagen lässt.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Ich kann mir aber auch vorstellen,

(Zurufe von den LINKEN)

dass, wenn es anders gelaufen wäre, wenn demonstriert worden wäre und Menschen durch einen Anschlag zu Schaden gekommen wären, dann dieselben Leute uns heute auf andere Weise verurteilen würden.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Sie würden uns fragen: Warum habt ihr das zugelassen? Ihr hattet die entsprechenden Hinweise der Sicherheitsbehörden.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Demokratie muss den kontroversen Diskurs aushalten. Unsere Demokratie muss auch Drohungen aushalten können und deutlich zeigen, dass unsere Werte jeder Aggression standhalten. Das ist meine feste Überzeugung.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Der Diskurs kann und muss gelegentlich seinen Ausgangspunkt auf der Straße nehmen. Aber ein solcher Diskurs muss immer im konstruktiven demokratischen Gesamtzusammenhang gesehen werden und deshalb auf ein Ziel ausgerichtet sein. Das heißt: Miteinander reden statt übereinander, ergebnisoffen statt in festgefahrenen Positionen.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, reicht es nicht aus, allein auf der Straße seinen Unmut kundzutun. Die vielen Tausend Menschen, die auf die Straße gehen, machen damit auf sich aufmerksam. Aber das allein bringt den notwendigen Diskurs in unserer Gesellschaft noch nicht weiter. Deshalb ist es wichtig, dass es uns gemeinsam gelingt – diesen Anspruch habe ich –, diese Menschen dorthin zu bringen, wo wir richtig miteinander reden und Meinungen und Argumente ausgetauscht werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb habe ich meine persönlichen Bedenken beiseite geschoben und das Gespräch mit den Pegida-Organisatoren geführt.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Das Gespräch war nicht einfach, aber als Innenminister bin ich auch Versammlungsminister und trage deshalb die Verantwortung für die Sicherheit der Menschen bei solchen Veranstaltungen und der Polizistinnen und Polizisten.

(Unruhe bei den LINKEN)

Ich sage in aller Deutlichkeit: Es ging bei dem Gespräch nicht darum, Inhalte, Positionen oder Werte zu diskutieren, sondern das Gespräch hatte das Ziel, an die Verantwortung der Veranstalter zu appellieren.

(Anhaltende Unruhe bei den LINKEN – Ines Springer, CDU: Pscht!)

Sie sind es nämlich, die in erster Linie Verantwortung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Veranstaltungen tragen, und sie müssen dieser gerecht werden. Ich habe dafür geworben, dass die Organisatoren den Teilnehmern erklären, wie und wo wir in der Gesellschaft miteinander streiten können. Ich gehe immer noch davon aus, dass es uns gelingt, den Protest in Diskussionen umformen zu können und dass wir in einen Dialog eintreten. An dieser Stelle möchte ich noch einmal sagen: Ein weiterer Termin ist weder in Aussicht genommen noch vereinbart worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sei nochmals gesagt: Wahr ist, dass man am 19. Januar in Dresden nicht demonstrieren konnte. Wahr ist aber auch, dass sich schon in derselben Woche die demokratische Kultur hier bei uns im Freistaat weiterentwickelt hat. Die Staatsregierung hat neben vielen anderen Gesprächsangeboten den direkten Dialog mit den Menschen im Lande aufgenommen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Die demokratische Kultur hat sich weiterentwickelt, weil die Regierung mit dem Volk redet – so etwas Absurdes!)

Das mag selbstverständlich sein, aber es ist ein klares Signal und macht deutlich: Wir haben verstanden, denn mit dem für alle offenen Dialogforum in Dresden haben wir ein faires Gesprächsangebot unterbreitet. Der faire Umgang miteinander stand im Vordergrund. Grundlage

aller Diskussionsbeiträge war es, einander zuzuhören, einander zu verstehen und sachlich zu argumentieren.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Der große Zulauf hat auch deutlich gemacht, dass der Bedarf an diesen Gesprächen vorhanden ist.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die Erkenntnis ist, dass natürlich nicht alle einer Meinung sind. Aber sie sind bereit, sich konstruktiv und sachlich auseinanderzusetzen; denn interessant war: Je länger die Diskussion an den einzelnen Tischen dauerte, desto sachlicher und unaufgeregter wurde diskutiert. Das eine oder andere ideologische Pulver war schnell verschossen und man konnte über Fakten diskutieren. Es hat sich ziemlich schnell die Spreu vom Weizen getrennt oder – anders ausgedrückt – die wirklichen Sorgen von populistischen Sprüchen. Deshalb ist es mir wichtig, deutlich zu machen, dass das Gespräch unbedingt notwendig ist und Diskurse geführt werden müssen.

Klar ist aber auch, dass das nur ein Auftakt gewesen sein kann und weitere Gespräche in der Breite dieser Gesellschaft notwendig sind. Mittelfristig muss es das Ziel sein, dass die Artikulation auf der Straße zu den konkreten Themen zurückgeht und die Gespräche intensiviert werden. Natürlich sind Demonstrationen gut für eine Demokratie, natürlich sind sie das Herzstück für eine wache politische Kultur; aber allein ein Selbstzweck sind sie nicht. Nur gegen „die da oben“ zu sein trägt nicht dauerhaft zur politischen Kultur bei. Es geht auch langfristig auf Kosten des Ansehens unseres Landes.

Deshalb will ich noch einmal sagen: Es geht jetzt darum, weniger Auseinandersetzungen auf der Straße zu haben, sondern mehr sachliche Diskussion und einen Dialog; denn verfestigte Konflikte nützen niemanden etwas.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Beifall bei der Staatsregierung)

Deshalb ist es höchste Zeit, diesen Weg konsequent weiter zu gehen – durchaus auch im Sinne der Sicherheit. Diese Freiheit zu nutzen, dazu lade ich alle ein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der AfD und der Staatsregierung)

Ich danke Herrn Staatsminister Ulbig für seine Fachregierungserklärung.