Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Global im Allgemeinen und bundesdeutsch im Besonderen wollen wir unseren Kindern eine Welt hinterlassen, die tatsächlich noch lebenswert ist. Für unser lokales Handeln bedeutet dies aber nicht, alle gesellschaftlichen und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über Bord zu werfen, sondern mit Vernunft und Verstand alle Voraussetzungen zu schaffen, um unser formuliertes Globalziel zu erreichen.

Eine dieser Voraussetzungen heißt dauerhafte Versorgungssicherheit. Diese ist nun einmal nach dem momentanen Stand der Technologie nur mittels Brückentechnologie Braunkohle zu erreichen. Andernfalls drohen Engpässe bei Dunkelflauten. Solche Engpässe können auch die stärksten Kritiker dieses Vorgehens spätestens dann nicht mehr rechtfertigen, wenn es um die Stromversorgung von Krankenhäusern, Pflegeheimen, des Lebensmittelhandels oder der Pharmaindustrie usw. geht.

All jenen, die dies in Zweifel ziehen, rate ich, einen Blick auf die Internetpräsenz der Bundesnetzagentur zu werfen. Dort wird transparent im Zeitstrahl aufgeführt, welche Energiequelle wie viel Strom auf den Tag genau ins Netz speiste. Auf diese Weise wird visuell deutlich, wie sehr wir leider nach wie vor auf die Braunkohle angewiesen sind, wenn keine Sonne scheint und wenn kein Wind geht. Jeder, der sich an das Tiefdruckgebiet Alfred im Hochsommer, Ende Juli dieses Jahres, erinnert, wird dem auch zustimmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag ist der vor der zurückliegenden Bundestagswahl verfasste und eingereichte Text. Niemand wird bestreiten, dass Energiepolitik immer auch eine bundespolitische Perspektive besitzt, sodass man sicher behaupten darf, dass der Antrag auch im Wissen um die bevorstehende Bundestagswahl geschrieben wurde. Erlauben Sie mir bitte diesbezüglich folgende Vermutung, Herr Kollege Dr. Lippold: Ehrlich gesagt, bin ich mir wirklich nicht sicher, ob Sie den Antrag heute, da Ihre Parteikollegen in Berlin sich vorbereiten, an einer künftigen Regierungsbeteiligung zu arbeiten, nochmals in gleicher Weise verfassen würden. Nach der Bundestagswahl sprechen die Bundesgrünen nun von der Übernahme von Verantwortung, was natürlich auch für die Übernahme von Verantwortung für die Energietransformation in unserem Land gelten muss.

Ich lade Sie jetzt schon ein, darüber weiter zu diskutieren. Bleiben wir also realistisch, meine sehr geehrten Damen und Herren, und lehnen den Antrag heute ab.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Damit

hat die Staatsregierung das Wort, und das Wort ergreift Herr Staatsminister Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf in Vertretung des Kollegen Thomas Schmidt seine Rede vortragen.

Ihr Antrag, liebe Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in allen Ehren, aber Sie haben nach wie vor nicht verinnerlicht, wie die Aufgabenverteilung im Klimaschutz und im Energiebereich international und zwischen Bund und Ländern praktisch abläuft. Wir haben alle zusammen, wie wir hier sitzen, ausgenommen AfD, das Pariser Klimaschutzabkommen im Dezember 2015 deutlich begrüßt. Auf allen Ebenen wurde betont, dass diese Ziele zunächst auf die europäische Ebene und im Anschluss auf nationale und Länderebene übertragen werden.

Es ist erklärtes Ziel der Weltgemeinschaft, alle Anstrengungen zu unternehmen, den Klimawandel und dessen Auswirkungen deutlich zu begrenzen. Daran halten wir selbstredend fest. Ein klares Signal geht hierbei von dem Pariser Übereinkommen aus, welches am 4. Dezember 2016 in Kraft getreten ist. Mit diesem verpflichten sich faktisch alle Staaten der Welt, die weltweite Temperaturerhöhung auf deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen.

Zusätzlich werden Anstrengungen unternommen, die Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dazu sind eine rasche Trendwende und tiefe Einschnitte bei den weltweiten Emissionen von Treibhausgasen erforderlich. Das unterstreicht auch das im ParisÜbereinkommen festgelegte Ziel der weltweiten Treibhausgasneutralität im Laufe des Jahrhunderts.

Die Bundesregierung hat bereits im Dezember 2014 das Aktionsprogramm "Klimaschutz 2020" angepasst. Mit den Maßnahmen sollte Deutschland das 2007 gesetzte Ziel erreichen, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 % gegenüber dem Jahr 1990 zu reduzieren. Im Jahr 1990 lagen die Emissionen bei rund 1 250 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Der Zielwert für 2020 liegt demnach bei 750 Millionen Tonnen. 2014 ging man davon aus, dass durch die neu beschlossenen Maßnahmen bis 2020 eine Minderung der Treibhausgase um etwa 33 bis 24 % erreicht werden könne.

Im Klimaschutzprojektionsbericht 2016 geht die Bundesregierung nunmehr davon aus, dass bis 2020 ein Rückgang von rund 35 % erreicht wird. Die Analyse von Agora Energiewende – darauf nehmen Sie ja Bezug – geht von 30 bis 31 % aus, ohne aber am Ende konkret zu sagen, wie das Klimaziel 2020 zu erreichen ist.

Das „Energie- und Klimaprogramm Sachsen“ von 2012, das EKP, sieht Strategien, Ziele und Maßnahmen bis zum Jahr 2022 für den Freistaat vor, die auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse von Paris Bestand haben. Wir werden bei der anstehenden Weiterentwicklung und Aktualisierung des EKP die internationalen und nationalen Entwicklungen angemessen berücksichtigen. Klima

schutz ist immer eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Daher werden wir uns auch an dem Maßnahmenpaket der Bundesregierung zum Klimaschutzplan 2050, das 2018 erarbeitet wird, orientieren. Wir haben die Absicht, uns und die Interessen des Freistaates in diesen Prozess im nächsten Jahr intensiv einzubringen.

Die Bundesregierung hat uns dazu zugesichert, dass die Länder an der Erarbeitung des Maßnahmenplanes 2018 beteiligt werden. Aus Sicht der Staatsregierung bedarf es zur Erreichung der in Paris verabschiedeten Ziele weltweit abgestimmter, verbindlicher und marktgesteuerter Instrumente. Mit nationalen Alleingängen kann nur ein sehr begrenzter Beitrag zum weltweiten Klimaschutz geleistet werden. Zudem besteht bei einseitigen nationalen oder gar regionalen Ausstiegsszenarien, die Sie in Ihrem Antrag sinngemäß fordern, die Gefahr von Arbeitsplatz- und Wertschöpfungsverlusten. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft könnte leiden, und es besteht die Gefahr der Verlagerung von Emissionen in andere Länder.

Aus diesem Grund lehnt die Staatsregierung einen deutschen und sächsischen Alleingang zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ab. Ein politisch forcierter Kohleausstieg würde einen diskriminierenden Eingriff in den europäischen Erzeugerwettbewerb bedeuten, wie wir das auch beim Atomausstieg zu spüren bekommen. Die Gesamtkosten im europäischen Stromsystem und die Strompreise würden steigen und sich somit für den Industrie- und Wirtschaftsstandort nachteilig auswirken.

(Silke Grimm, AfD, steht am Mikrofon.)

Die energetische Nutzung der Braunkohle leistet derzeit einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung in Deutschland.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Staatsminister?

Nein. – Die Staatsregierung ist deshalb der Ansicht, dass die Braunkohleverstromung zumindest noch so lange erforderlich ist, wie die erneuerbaren Energien Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit nicht in gleichem Maße gewährleisten können.

(Beifall des Abg. Lars Rohwer, CDU)

Aus der volkswirtschaftlichen Perspektive verdient die Braunkohle besonderes Augenmerk als einzige heimische Energiequelle. Sie ist unabhängig von der geopolitischen Unsicherheit – das muss man zurzeit auch einmal zugestehen – langfristig sicher und kann wirtschaftlich bereitgestellt werden. Die Braunkohlekraftwerke unterliegen dem europäischen Emissionshandelssystem.

Darüber hinaus wurde mit der im Strommarktgesetz verankerten Sicherheitsbereitschaft ein zusätzlicher, kurzfristig wirkender Beitrag der Braunkohle zur CO2-Minderung in Deutschland beschlossen. Vor diesem Hintergrund sieht die Sächsische Staatsregierung eine verbindliche

Regelung zum kurzfristigen Ausstieg aus der energetischen Nutzung der Braunkohle als nicht zweckdienlich an. Eine Verlagerung von Stromerzeugung und Emission in die Nachbarländer durch zusätzliche nationale Maßnahmen ist im Hinblick auf die Erreichung der Klimaschutzziele kontraproduktiv.

Die Staatsregierung wird wie in den vergangenen über 25 Jahren den Strukturwandel aktiv begleiten. Auch künftig wird sie in enger Abstimmung mit der ortsansässigen Bevölkerung, mit den Verantwortlichen der regionalen Planungsträger, der ansässigen Wirtschaft und Wissenschaft die strukturelle Entwicklung der Lausitz und im mitteldeutschen Revier weiter voranbringen.

Nun komme ich kurz zu Ihrem Antrag und zu Ihren konkreten Forderungen. Zunächst: Wie wird das EKP weiterentwickelt? Aufbauend auf dem bestehenden EKP werden die Inhalte, wie zum Beispiel statistische Daten, aktualisiert bzw. überarbeitet und an die veränderten bundespolitischen bzw. europäischen Rahmenbedingungen angepasst. Das gilt insbesondere auch für den Klimateil und die Themen Klimafolgen und Klimaanpassung. Außerdem werden neue Themen ergänzt, zum Beispiel die Sektorkopplung und die Bürgerbeteiligung, und entsprechend der Maßnahmenplan zum EKP überarbeitet. Schließlich gehört auch die gemeinsame Festlegung eines neuen Zieljahres für das Programm – das wird 2030 sein – dazu, um hier eine Harmonisierung mit dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung hinzubekommen.

Was die Minderung der Emission von Treibhausgasen betrifft, zielt das bisherige und auch das neue EKP auf die Minderung der Emissionen in den Sektoren, die durch den Freistaat allein oder in Kooperation mit anderen Akteuren beeinflusst werden können: Verkehr, private Haushalte, Gewerbe, Handel, Dienstleistung und auch die Landwirtschaft. Die Ziele zur Minderung dieser Gase werden wir aus den einzelnen Maßnahmen ableiten, die wir für das neue EKP fortführen und entwickeln.

Die Energie- und sonstigen für die Emission von Treibhausgasen relevanten Industrieanlagen können hier nicht mitbetrachtet werden. Sie unterliegen allein – wie schon betont – dem EU-Emissionshandel. Dort werden europaweit gültige Höchstmengen unter Beachtung des ParisAbkommens festgelegt. Rund 70 % der sächsischen Emissionen werden aber durch Kraftwerke und entsprechende Industrieanlagen erzeugt. Die sächsischen Anlagen gehören dabei zu den weltweit effizientesten Braunkohlekondensationskraftwerken. Eine vorzeitige Abschaltung würde sich negativ auf die Klimaschutzziele auswirken, wenn weniger effektive Anlagen in anderen Ländern hochgefahren werden müssten. Dies wäre klimapolitisch sehr unvernünftig und, wie bereits von mir ausgeführt, höchst kontraproduktiv.

Im Energieteil des EKP ist ein mehrstufiges Konsultationsverfahren zur Fortschreibung der sächsischen Ausbauziele von erneuerbaren Energien vorgesehen. Dazu wird das SMWA zunächst ein Gutachten in Auftrag geben, das die möglichen nutzbaren und derzeit absehbaren Ausbau

potenziale in Szenarien ermittelt und darstellt. Das ist der erste Schritt.

Auf dieser Grundlage wird ein Grünbuch zu den Ausbauzielen im Freistaat entstehen – der zweite Schritt –, das in den Konsultationsverfahren allen wichtigen Akteuren zur Verfügung gestellt wird; neben dem Sächsischen Landtag zum Beispiel der kommunalen Ebene, den regionalen Planungsverbänden, dem Energiebeirat und den Verbänden.

Die gewonnenen Erkenntnisse, Anmerkungen und Hinweise fließen in die Formulierung des konsolidierten Weißbuchs ein. Das ist Schritt drei. Das Weißbuch erfasst auch die weiteren Aktualisierungen, insbesondere im Bereich des Klimateils. Ziel ist ein neuer Energie- und Klimaplan bis Ende 2018.

Ich denke, das ist eine erste Information für Sie. Mein Kollege Schmidt hatte Sie bereits im Ausschuss am 18. August kurz informiert. Er würde Sie über den Ausschuss hinaus weiter auf dem Laufenden halten. Deshalb brauchen wir Ihre Aufforderung zum Bericht Ende 2017 und Ihren Antrag unter Ziffer 2 nicht mehr zu diskutieren. Was die Aufforderung unter Ziffer 3 Ihres Antrages betrifft, initiativ zu werden und die Bundesregierung aufzufordern, ein Sofortprogramm zur Erreichung der Klimaschutzziele 2020 aufzulegen, möchte ich auf Folgendes hinweisen:

Hierzu gibt es bereits einen Beschluss der Umweltministerkonferenz vom Mai 2017, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, tätig zu sein. Dass wir uns 2018 in den Prozess der Erstellung eines Maßnahmenplans zum Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung aktiv einbringen, habe ich bereits gesagt.

Insofern gehe ich nach meinen Ausführungen davon aus, dass sich Ihr Antrag insgesamt erledigt hat. Er wurde dennoch aufrechterhalten. Ich empfehle daher, ihn abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Nach Herrn Staatsminister Dulig hat die einbringende Fraktion GRÜNE noch die Gelegenheit eines Schlusswortes. Entschuldigung, eine Kurzintervention durch die AfD-Fraktion wird es geben.

Danke, Herr Präsident! Herr Minister Dulig, ich habe immer den Eindruck, dass Deutschland sich die Ziele sehr hoch steckt und die Pläne am allerbesten und allerschnellsten umsetzen muss. Wenn ich sehe, dass auf der anderen Seite der Neiße das Kraftwerk Turów zurzeit erweitert und angebaut wird, habe ich den Eindruck, dass in Deutschland darauf hingearbeitet wird, dass man die Kohle nach Polen zum Verfeuern fährt. Ich weiß nicht, ob das unserem Klima zuträglich ist. Es kostet aber sächsische oder brandenburgische Arbeitsplätze.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt folgt die Reaktion.

Wenn Sie meiner Rede aufmerksam gelauscht haben, dann habe ich genau das Gegenteil gesagt und die Begründung dafür geliefert, warum wir uns mit unserer Art der Klima- und Energiepolitik darum bemühen, unsere sächsischen Interessen zu wahren.

Das ist genau der schwierige Ausgleichsprozess, den wir politisch in diesem Land zu führen haben. Keiner hat die Absicht, dass wir die Kohle für andere Länder produzieren. Wir müssen unserer Verantwortung aber gerecht werden, sodass wir von Energielieferungen aus dem Ausland nicht abhängig sind. Deshalb werben wir dafür, unsere einheimischen Energieträger zu nutzen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Abg. André Barth, AfD)

Danke. Jetzt kommt das Schlusswort der einbringenden Fraktion GRÜNE. Herr Dr. Lippold, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es bemerkenswert, dass sowohl die CDU als auch Staatsminister Dulig hier minutenlang über Braunkohle reden. In unserem Antragstext taucht das an keiner Stelle auf. Wir fordern nur, dass Sie einen Plan aufstellen, wie man die Reduktionsziele erreichen kann. Wenn Sie es hinbekommen, den Plan so zu gestalten, dass das in den anderen Sektionen machbar ist, dann können Sie Ihre Braunkohle vielleicht behalten. Wahrscheinlich schwant Ihnen aber schon, dass Sie das nicht hinbekommen. Deshalb reden Sie die ganze Zeit darüber.

Ich komme auf den Kollegen Vieweg zu sprechen, und ich möchte an eine Sache anknüpfen: Sie sagen, dass Sachsen seit dem Jahr 1990 schon 50 % reduziert hat. Es wird sicherlich nicht gelingen, mit dieser bekannten Aussage vom Verhandlungstisch in Berlin aufzustehen. Wir sind einmal mit 20 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr gestartet. Jetzt liegen wir bei 13 %. Der Bundesdurchschnitt liegt noch einmal 30 % darunter. Wir sind es, die noch einen langen Weg zu gehen haben.

Jeder in der Bundesrepublik weiß, dass das hier früher einmal DDR war und deren emissions- und energieintensive Industrie nach dem Jahr 1990 zusammengebrochen ist. Die anderen Länder und der Bund haben für unseren Wiederaufbau, unsere moderne Infrastruktur und soziale