Ich hoffe, dass wir gemeinsam über Lösungsansätze zum Erhalt der Siemens-Standorte in Görlitz und Leipzig diskutieren können.
Vielen Dank. Das war unser Kollege Jan Hippold. Er hat für die einbringende CDU-Fraktion die zweite Runde eröffnet. Die einbringende SPD-Fraktion wird jetzt durch unseren Kollegen Homann vertreten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der am 16. November 2017 verkündete Abbau von weltweit 6 900 Stellen ist kein normaler Vorgang der Unternehmenskonsolidierung. Die Werke in Görlitz und Leipzig sind gut aufgestellt. Die Auftragsbücher sind voll. In manchen Aspekten sind sie Weltmarktführer. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten hervorragende Arbeit.
Deshalb ist es mir wichtig, Folgendes noch einmal ganz klar zu sagen: Erst 6,2 Milliarden Euro Gewinn machen und dann 6 900 Stellen abbauen – das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wer so agiert, verhält sich respektlos gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – die entscheidend sind für die Rekordergebnisse des Konzerns! Wer so agiert, verhält sich unverantwortlich gegenüber der Region. Ich finde, Siemens verhält sich auch unangemessen und verantwortungslos gegenüber den eigenen unternehmerischen Werten, für die das Unternehmen seit vielen Jahrzehnten steht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Siemens schloss 2013 mit dem Betriebsrat das sogenannte Radolfzell-IIAbkommen. Es legt fest, dass es in Deutschland nicht zu Standortschließungen und nicht zu Kündigungen kommen soll. Dieses Abkommen wurde vom Siemens-Vorstand nun einseitig aufgekündigt. Das ist ein Schlag gegen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Konzerns. Dieser Vorgang zeigt: Der Konflikt um den Stellenabbau ist nicht nur eine Auseinandersetzung um 6 900 Arbeitsplätze; Siemens greift damit auch die Sozialpartnerschaft im eigenen Unternehmen frontal an.
Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht hier auch die Frage im Raum, inwiefern wir es zulassen wollen, dass eine Unternehmensführung Vereinbarungen, die sie mit dem Gesamtbetriebsrat zum Wohl des Konzerns geschlossen hat, einfach einseitig aufkündigt.
Ich begrüße jedes Engagement für den Erhalt der Arbeitsplätze – das Engagement unseres neuen Ministerpräsidenten, das Engagement des Staatsministers Dulig, das Engagement der Bundesministerin Zypries. Meine Hoffnung liegt aber auch und vor allem auf der Arbeit des Gesamtbetriebsrates; denn die Kolleginnen und Kollegen dort haben über ihre Arbeit im Aufsichtsrat den größten Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen.
Ich möchte an dieser Stelle sagen: Das Verhalten des Gesamtbetriebsrates nötigt mir sehr großen Respekt ab. Wenn man sich das Gesamtunternehmen Siemens anschaut – auch in Deutschland – und sieht, wie klein im Vergleich die Standorte in Leipzig und Görlitz sind, dann könnten die Kolleginnen und Kollegen auch sagen: Die Mehrheit im Unternehmen gehen diese Entscheidungen nichts an. Aber die Kolleginnen und Kollegen verhalten sich eben nicht so. Alle Kolleginnen und Kollegen von Siemens erklären sich solidarisch mit den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Sachsen. Das ist ein großartiges Zeichen der Solidarität!
Das zeigt uns, dass wir in unseren Bemühungen auch nicht unsolidarisch sein dürfen. Natürlich kämpfen wir als Allererstes für die Standorte in Görlitz und Leipzig. Wir kämpfen aber auch mit den Kolleginnen und Kollegen in Berlin. Wir kämpfen auch mit den Kolleginnen und Kollegen in Offenbach. Wir kämpfen auch mit den Kolleginnen und Kollegen in Erfurt. Und ich sage hier: Wir kämpfen auch mit den Kolleginnen und Kollegen in Charlotte in den USA. Das sind die Betroffenen dieser Politik, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Auf der einen Seite dürfen wir natürlich nicht suggerieren – wir dürfen auch nicht zulassen, dass dieser Eindruck entsteht –, die Politik habe die alleinige Verantwortung oder könne solche Entscheidungen generell verhindern. Aber wir stehen an dieser Stelle schon auch in der Verantwortung, unseren Teil beizutragen.
Ich war bei dem Punkt „Eigene Verantwortung wahrnehmen!“ Das Erste ist: Es liegt auch in unserer Verantwortung, Herrn Kaeser an seine Worte zu erinnern. Er hat bei seinem Amtsantritt gesagt: Es ist keine unternehmerische Leistung, möglichst viele Arbeitsplätze zu vernichten. – Herr Kaeser hat recht! Diese Entscheidung ist keine große unternehmerische Leistung. Herr Kaeser, wir nehmen Sie an dieser Stelle beim Wort.
Das Zweite ist: Wir gemeinsam, Politik und Siemens, müssen ein klares Bekenntnis zum Industriestandort Deutschland, zum Industriestandort Sachsen und damit auch zu den Arbeitsplätzen in der Region abgeben.
Alle Beteiligten hier sind bereit, ihren Teil zu einem gelingenden Konzept zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Arbeitsplätze in Deutschland beizutragen.
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Homann, es ist bedauerlich, dass Sie etwas feige die Zwischenfrage weggedrückt haben, deswegen ergreife ich das Instrument der Kurzintervention.
Ich habe in Ihrem Redebeitrag jetzt außer den wieder aufgewärmten Solidaritätsbekundungen, für die sich niemand etwas kaufen kann, und angekündigten Initiativen ohne Inhalt nichts gehört. Was wollen Sie denn konkret machen, damit die Rahmenbedingungen hier bei uns in Sachsen für Unternehmen besser werden, damit Unternehmen hier bleiben und damit sie auch wieder neu kommen? Sie haben dazu nichts gesagt. Außer warmer Luft und einem feuchten Händedruck für die SiemensArbeiter habe ich von Ihnen nichts gehört.
Herr Urban, an dieser Stelle möchte ich sagen, ich habe Ihre Zwischenfrage nicht feige weggedrückt, sondern in diesem Hohen Haus und auch an den Fernsehern sitzen Leute, die an dieser Stelle eine verantwortliche Politik erwarten. Ich habe genau vier Fraktionen gesehen, die dieser Verantwortung nachge
kommen sind, und eine Fraktion, die, vertreten durch Sie, dieser Verantwortung nicht nachgekommen ist, und deshalb wollte ich das Hohe Haus in der öffentlichen Darstellung vor Ihnen schützen, muss ich ganz ehrlich sagen.
Das Zweite ist selbstverständlich. Ich bin sehr dafür, dass wir uns als Politik an der Stelle ehrlich machen und sagen: Wir haben eine Verantwortung, aber wir können dieses Problem nicht alleine lösen. Sie sagen, die Politik ist schuld und kann das verhindern. Das ist aber falsch. Sie erwecken eine falsche Erwartungshaltung. Ich habe an dieser Stelle klar gesagt, es gibt die Möglichkeit, dass sich eine Landesregierung mit der Bundesregierung, dem Gesamtbetriebsrat und der Unternehmensleitung zusammensetzt, um zu schauen, wie man durch Investitionen in langfristige Innovationsstrategien Standorte erhalten
Das war eine Reaktion von Herrn Homann, aber jetzt geht es wirklich weiter in der Rederunde. Herr Kollege Schultze, Sie waren bereits für die Fraktion DIE LINKE angekündigt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte eigentlich mit etwas anderem anfangen, aber ich stelle in der Debatte fest, dass bis auf die AfD-Fraktion niemand in diesem Raum Verständnis dafür hat, was Siemens tut, und das ist auch gut so. Denn das, was Siemens hier tut, ist unverständlich.
Ich möchte das aus einer anderen, nämlich nicht der Sicht eines Wirtschaftspolitikers sehen, sondern aus der Sicht von jemandem, der aus Görlitz kommt und den eine ganze Menge mit diesem Werk verbindet. Mein Opa, mein Vater, meine Mutter, meine Schwester, mein Onkel, meine Tante haben in diesem Werk gearbeitet bzw. arbeiten noch dort. Ich selbst habe dort meine ersten praktischen Erfahrungen bei der Ferienarbeit gemacht, bin da essen gegangen, bin acht Mal im Kinderferienlager gewesen
Solche Geschichten werden Ihnen ganz viele Görlitzerinnen und Görlitzer erzählen. Dieses Werk ist nämlich nicht nur Arbeitgeber, dieses Werk ist imageprägend für diese Stadt. Dieses Werk ist das Grundrauschen, das diese Stadt braucht, um Innovationskraft für eine ganze Region zu entwickeln. Es ist ja nicht so, dass wir in der Oberlausitz keine innovativen Kräfte hätten, dass wir keine neuen Ideen oder Ansiedlungen hätten. Daran haben 27 Jahre Billiglohnpolitik nichts geändert. Es gibt in Görlitz und in der gesamten Umgebung Menschen, die sich aufgemacht haben. Sie haben Pensionen gegründet, haben Ideen
gehabt, haben kleine Handwerksunternehmen oder Läden gegründet, um ihr wirtschaftliches Auskommen zu haben. Auch für die ist es wichtig, dass ein Werk wie Siemens stabil produziert. Genauso ist es übrigens bei Bombardier in Görlitz.
Wenn alle sagen, 8,2 % Rendite müssen doch reichen, dann sage ich, das muss auch reichen. Einem Unternehmen, das gewinnbringend produziert und dann sagt, jetzt mache ich mal den Standort zu, dem müssen wir in die Arme fallen. Ich habe dazu heute schon ganz viel gehört. Ich bin auch tatsächlich erstaunt. Als Mitglied einer Partei, die sich den Kapitalismus durchaus als ein überwindbares Konstrukt vorstellen kann und darauf hinarbeitet, bin ich ziemlich erstaunt darüber, wie viele antikapitalistische Reden ich heute schon gehört habe. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis!