Henning Homann
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Vielen Dank, Herr Präsident! Die SPD-Fraktion nimmt wie folgt Stellung zum vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE: Bei dem Sachverhalt, der dem Antrag zugrunde liegt, handelt es sich um eine angeordnete Verlegung einer Veranstaltung im Freiberger Theater am 28. März 2019. Der Zweck dieser Veranstaltung wurde ganz offenbar durch Kritik des Freiberger Oberbürgermeisters begleitet. Dabei ist der Eindruck entstanden, dass das auch auf Druck von Stadträtinnen und Stadträten der AfD in Freiberg geschehen ist. Das aggressive Vorgehen der AfD gegen Künstlerinnen und Künstler, die nicht in ihr veraltetes Weltbild passen, ist nicht neu. Die SPD-Fraktion hält es für außerordentlich bedauerlich, dass der öffentliche Eindruck entstanden ist, dass diese Verlegung auf Initiative des Oberbürgermeisters und anderer Gesellschafter des Mittelsächsischen Theaters zustande gekommen wäre.
Für die Bewertung der Dringlichkeit nach § 53 muss daher aus unserer Sicht der Sachverhalt vom
28. März 2019 zugrunde gelegt werden. Kollegin Pinka hat bereits am 10. April 2019 eine Anfrage an das SMWK gestellt. Der Sachverhalt war also lange bekannt und hätte im üblichen parlamentarischen Verfahren einer Behandlung zugeführt werden können.
Das Interview von Frau Staatsministerin Stange vom 17. Mai kann aus unserer Sicht die Dringlichkeit nicht begründen, so begrüßenswert der Inhalt dieses Interviews auch war, da in diesem Interview keine neuen Erkenntnisse zum Sachverhalt deutlich wurden. Im Gegenteil, das Interview belegt, dass die Staatsregierung handelt und für die Kunstfreiheit im Freistaat Sachsen sehr deutlich Stellung bezieht.
Dazu kommt, dass ein Beschluss des vorliegenden Antrages nicht das eigentlich gewünschte Ergebnis bewirken würde.
Der Schutz von Theatern als Erfahrungsreihe für Demokratie, die Verteidigung von Kunst und Meinungsfreiheit, von Humanismus als Grundlage der Arbeit sächsischer Theater muss auch von der Zivilgesellschaft erfolgen. Ich wünsche mir, dass die Stadt Freiberg eine starke Zivilgesellschaft hat, die sich hinter ihre Künstlerinnen und Künstler stellt. Vorliegender Antrag ist vor diesem Hintergrund allerdings nicht als dringlich zu erachten.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sachsen hat eine gute Zukunft. Dafür haben wir in den letzten Jahren hart gearbeitet. Wenn wir heute die richtigen Entscheidungen treffen, dann steht
Sachsen weiterhin vor einer positiven Entwicklung, von der alle Menschen in Sachsen profitieren können.
Ich glaube, Sachsen hat eine gute Zukunft, wenn wir heute die richtigen Entscheidungen treffen. Sachsen hat eine gute Zukunft, weil wir die Chance haben, Wohlstand zu sichern, neuen Wohlstand hinzuzugewinnen und Wohlstand gerechter zu verteilen. Dafür müssen wir jetzt weiter die richtigen Entscheidungen treffen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Voraussetzungen sind gut: Die Arbeitslosigkeit liegt bei 5,5 %; 2014 lag sie bei 8,8 %. Wir grenzen de facto an Vollbeschäftigung. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs ist seit 2015 um 2,4 % gestiegen. Dies zeigt, welche wichtige Wirkung die Einführung des Mindestlohns hatte: Nicht nur dieser wurde eingeführt, auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Freistaat ist generell gestiegen.
Das alles sind positive Entwicklungen für Sachsen, die wir gemeinsam erarbeitet haben und auf denen wir für die Zukunft aufbauen können.
Das bedeutet nicht, dass alles toll ist. Ich finde, man kann die guten Dinge klar beim Namen nennen und trotzdem auch die Probleme ansprechen. Beides gehört dazu. Bei der Frage der Fachkräfte, liebe Kolleginnen und Kollegen, stehen wir aus meiner Sicht vor einer der zentralen Zukunftsherausforderungen. Es wurde bereits mehrfach gesagt: Bis zum Jahr 2030 fehlen in Sachsen über 300 000 Arbeitskräfte. Das Fachkräftemonitoring der IHK Chemnitz zeigt, dass bereits heute 58 % der Unternehmen, die langfristig auf der Suche nach Beschäftigten sind, Aufträge ablehnen müssen. Das ist ein volkswirtschaftlicher Schaden. Dies zeigt, dass der Fachkräfte- bzw. Arbeitskräftemangel eine der entscheidendsten Bedrohungen unseres Wohlstands in den nächsten Jahrzehnten sein wird. Deshalb ist es richtig, dass Herr Staatsminister Martin Dulig und die Sächsische Staatsregierung genau diese Frage in den Mittelpunkt ihrer Politik und auch der heutigen Regierungserklärung stellen.
Es ist schlichtweg nicht wahr, dass die Staatsregierung erst jetzt damit beginnt, denn die Fachkräfteallianzen arbeiten seit Langem. Sie arbeiten in allen Landkreisen und kreisfreien Städten; sie arbeiten auf der Landesebene. Diese Behauptung ist wohlfeil, aber schlicht falsch. Ich möchte mich mit dieser Form von Argumentation auch nicht länger aufhalten, sondern ich finde es wichtig, dass wir noch einmal klar umreißen, worin die Zukunftsherausforderungen bestehen.
Ich denke, der erste und wichtigste Punkt ist die Verankerung des Prinzips „Gute Arbeit im Freistaat Sachsen“. Als Niedriglohnland werden wir den Wettbewerb um die Fachkräfte der Zukunft nicht gewinnen. Sie werden an Sachsen vorbeigehen, aus Sachsen wegziehen oder nicht
hierherkommen. Deshalb können wir diesen Wettbewerb mit niedrigen Löhnen nicht bestehen.
Es ist einfach so, dass dort, wo Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit geregelten Tarifverträgen arbeiten, die Löhne und die Arbeitsbedingungen besser sind, aber gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Unternehmen nicht darunter leidet – im Gegenteil: Dort, wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Ausrichtung eines Unternehmens mitentscheiden, wo es Mitbestimmung gibt, werden auch für das Unternehmen nachhaltige Entscheidungen gefällt, da natürlich auch die Beschäftigten ein Interesse an einer langfristigen Entwicklung ihres Unternehmens haben. Was Tarifbindung verhindert, das ist kurzfristige Gewinnmaximierung, das ist der kurzfristige Erfolg. Aber das langfristige Interesse teilen die Unternehmen mit den Beschäftigten, und das organisiert Tarifbindung und Mitbestimmung, deshalb müssen wir genau dies in Sachsen stärken.
Deshalb ist das Ziel, dass Sachsen Tarifland wird, richtig. Es gibt für mich noch einen anderen Punkt, der an dieser Stelle nochmals erwähnt werden muss: Wir sind als Land Sachsen ein Industrieland. Wir sind auch das Land der kleinen und mittleren Unternehmen, ohne Frage, aber wir sind auch ein Industrieland, und diesen Status dürfen wir nicht hergeben. Es gab Zeiten, in denen wir dafür verlacht wurden, dass wir überhaupt noch auf Industrie gesetzt haben statt auf Dienstleistung. Nein, es war richtig. Wir sehen es heute, denn es sind Wachstumskerne um die großen Industrieunternehmen herum. Dort findet ohne Frage gute Arbeit statt. Aber wissen Sie, was ich nicht mehr möchte? Ich möchte nicht mehr, dass große Industrieunternehmen in Sachsen zum Beispiel Straßenbahnen und andere Industriegüter herstellen, diese aber hier nicht gekauft werden können, weil ein Vergabegesetz den Billigen bevorteilt. Das können wir uns nicht leisten.
Deshalb ist eine Tarifbindungsklausel auch immer eine Sachsenklausel. Wenn man sich dann auf die Position zurückzieht zu sagen, das sei einzig und allein eine Frage der Tarifpartner, das müssten die Beschäftigten in den Unternehmen selbst klären: Wir stehen dazu, dass wir die Mitbestimmung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern stärken wollen, und ich finde, es kann nicht sein, dass es in sächsischen Unternehmen – das ist aber die Ausnahme – wie der Nudelfabrik in Riesa, der Magna in Meerane oder der SAXAS in Werdau Kündigungen und Freistellungen gibt, weil dort Beschäftigte versuchen, einen Betriebsrat zu gründen, oder für einen Tarifvertrag kämpfen. Das darf nicht sein. Die Gründung von Betriebsräten ist ein garantiertes Recht in diesem Land, deshalb können wir uns als Staat nicht zurückziehen,
wenn dort das Recht der Beschäftigten ausgehöhlt wird. Dafür steht auch die Politik in der Verantwortung.
Dahinter steckt auch ein Kulturwandel. Natürlich müssen betriebliche Mitbestimmung und Tarifbindung in Sachsen selbstverständlich werden. Darin steckt für uns eine riesengroße Chance. Sie besteht darin, dass wir in einer Partnerschaft zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Politik die großen Veränderungen, vor denen wir auf dem Arbeitsmarkt stehen, positiv gestalten können. Niemand kann doch besser beurteilen, wie wir Digitalisierung in der Arbeitswelt verankern können, wie wir Arbeit 4.0 und Wirtschaft 4.0 gestalten, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Unternehmen vor Ort. Das kann Mitbestimmung organisieren, es kann in Tarifverträgen gestaltet, ausgestaltet und geregelt werden. Wenn wir diese Chance nutzen, dann können wir auch die Digitalisierung zu einem Erfolgsprojekt für die Beschäftigten und Unternehmen in diesem Land machen. Deshalb: Lassen Sie uns das angehen, es ist der richtige Weg.
Der zweite Schwerpunkt: Ich finde, dass es zuallererst eine Frage der Haltung ist, wenn wir über die Zukunft des Freistaates Sachsen sprechen. Die klare Haltung, die wir vertreten müssen und die sich in all unseren Maßnahmen widerspiegeln muss, heißt: Wir brauchen jede und jeden.
Wir wollen, dass jeder Mensch in diesem Land eine Zukunft hat, dass jeder Mensch von seiner eigenen Arbeit würdig leben kann. Deshalb bin ich dankbar dafür, dass wir im Freistaat Sachsen in den letzten Jahren im Bereich der Arbeitsmarktförderung innovative Wege gegangen sind, zum Beispiel mit dem Projekt TANDEM. Ich gebe zu, dass wir uns dazu – zumindest ein Stück weit – von Baden-Württemberg haben inspirieren lassen, aber wir haben es weiterentwickelt. Dahinter steckt ein wirklich wichtiger Ansatz: wenn es Menschen aufgrund unterschiedlicher Lebensumstände nicht mehr schaffen, im Arbeitsleben Fuß zu fassen, sie nicht einfach nur allein zu lassen und ihnen nicht immer wieder mit Jobangeboten zu kommen, sondern einen Schritt weiter zu gehen und sich genau anzuschauen, wenn ein arbeitsuchender Mensch ein Jobangebot ablehnt: Warum ist das eigentlich so? Welche Hemmnisse gibt es? Hat dieser Mensch vielleicht familiäre Umstände, die dem im Weg stehen? Gibt es andere persönliche Umstände, die verhindern, dass dieser junge oder erwachsene Mensch wieder ins Arbeitsleben einsteigt? Genau diese Probleme werden angegangen, zum Beispiel in Verbindung mit Schuldnerberatung, Familienhilfe oder besserer Kinderbetreuung.
Deshalb – das ist das Großartige in diesem TANDEMProjekt – schaffen wir es ganz praktisch – und nach unserer Erfahrung sogar vor allem alleinerziehende Mütter –, den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben zu organisieren, weil wir bereit sind, nicht nur etwas anzubieten, sondern sie dabei zu unterstützen, diese Angebote anzunehmen. Das ist eine großartige Sache. Diesen Weg
müssen wir unbedingt weitergehen, und wir dürfen nicht denselben Fehler machen wie 2010, als das Projekt Kommunal-Kombi, das die SPD auf den Weg gebracht hatte, abgebrochen wurde und die Menschen im Stich gelassen wurden, denn hier zeigt sich der Erfolg. Die schwierigste Arbeitslosigkeit ist die Langzeitarbeitslosigkeit. Wir haben es in den letzten Jahren sogar geschafft, diese von 67 920 im Jahr 2015 auf 46 185 im Jahr 2018 zu senken. Das ist richtig schwierig. Dabei geht es um konkrete Schicksale. Es geht aber auch um Chancen, um diese Leute zurück in das Berufsleben zu führen. Das haben wir gemeinsam geschafft, und das ist ein wichtiger Erfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der dritte Punkt – neben guter Arbeit, einer klaren Haltung und dem Ziel, allen Menschen in diesem Land eine Chance geben zu wollen – ist für uns das Thema Zuwanderung. Ich wundere mich über die eine oder andere Argumentation schon, denn wir müssen auch einmal ehrlich sein an dieser Stelle.
Rein demografisch gesehen ist Deutschland nach Japan das demografisch zweitälteste Land der Welt. Der Freistaat Sachsen ist innerhalb Deutschlands das drittälteste Bundesland. Das heißt, wir sind das drittälteste Bundesland im zweitältesten Land der Welt. Dann gibt es tatsächlich Leute, die glauben, wir kommen ohne Zuwanderung aus. Das ist absurd.
Deshalb ist es wichtig, dass wir auf der einen Seite ein gutes Zuwanderungsgesetz in Berlin bekommen und dass wir auf der anderen Seite aber auch in Sachsen unseren Teil dazu beitragen, dass die Menschen, die hierhergekommen sind, die sich an die Regeln halten und fleißig arbeiten, auch hierbleiben dürfen. Das ist sehr wichtig für den Wirtschaftsstandort und auch für den einzelnen Betroffenen. Deshalb will ich noch einmal klar sagen: Was uns in der Frage der zukünftigen Fachkräftesicherung überhaupt nicht hilft, ist Kleingeistigkeit.
Ich habe mit einem Unternehmer gesprochen. Er ist Geschäftsführer eines Hidden Champions und arbeitet mit mehreren Werken auf der Welt. Er hat viel Geld dafür ausgegeben, Fachkräfte nach Sachsen zu holen. Er sagte, einige von ihnen hätten anschließend wieder gekündigt, weil sie sich hier nicht willkommen fühlten. Sie hatten keine andere Hautfarbe und auch keinen anderen Pass. Das waren Kolleginnen und Kollegen aus Bayern, die sich hier nicht willkommen fühlten.
Ich betone es noch einmal: Kleingeistigkeit, egal ob gegenüber Leuten aus anderen Bundesländern oder gegenüber Leuten, die aus anderen Ländern hierherkommen, um hier zu arbeiten, hilft uns in keiner Weise weiter, sondern wir müssen Heimat sein für die Menschen, die hier leben. Ich möchte, dass niemand Sachsen verlassen muss, weil er sich nicht gut genug bezahlt fühlt. Ich möchte aber auch, dass jeder, der dazu beitragen kann, hierherkommen kann. Deshalb ist es wichtig, auch über Fachkräftezuwanderung, Kleingeistigkeit und Rassismus
weiter zu diskutieren, weil das zentrale Punkte für die Zukunft unseres Freistaates sind.
Ein letzter Punkt. Ich denke, dass Staatsminister Martin Dulig es richtig gemacht hat, indem er den großen Bogen gespannt hat. Wenn man über Fachkräfte spricht, kann man nicht nur die Arbeitsmarktpolitik betrachten, sondern man spricht über einen ganzheitlichen Ansatz, über Bildung, über Infrastruktur und – wie Herr Heidan gesagt hat – auch über Steuern. Ich möchte Kollegen Heidan an einer Stelle ausdrücklich recht geben: Die Lohnnebenkosten sind in Deutschland traditionell sehr hoch. Das liegt aber auch daran, dass in Deutschland die Besteuerung von hohem Vermögen traditionell besonders niedrig ist.
Wenn man über die Senkung von Lohnnebenkosten sprechen möchte, dann kann man das gern tun. Dann sprechen wir aber auch über die höhere Besteuerung von Vermögen.
Sie können gern damit anfangen. Das Erste wäre – der Vorschlag liegt auf dem Tisch –: Wir sind bereit, den Soli für alle kleinen und mittleren Einkommen abzuschaffen. Wir können auch in Sachsen unseren Beitrag dazu leisten, indem wir die Sonderbeiträge für den Buß- und Bettag abschaffen und dabei trotzdem den Feiertag behalten.
Wir haben viele Möglichkeiten im Bund und im Land für die Zukunft des Freistaates Sachsen. Gehen wir es an!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte zur Großen Anfrage der LINKEN gibt uns die Möglichkeit, über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt zu debattieren.
Die Große Anfrage stammt aus dem August 2018; das muss man der Vollständigkeit halber dazusagen. Sie hat deshalb vor allem Zahlen, Daten und Fakten aus den Jahren 2016/2017 zum Inhalt. Ich glaube, bei allem, was man vorträgt, muss man dem Rechnung tragen, dass sich
seitdem noch einige Sachen bewegt haben. Warum Sie die Große Anfrage erst jetzt zur Debatte stellen, möchte ich an dieser Stelle nicht kommentieren, aber ich möchte gern, dass man es schlichtweg der Vollständigkeit wegen mit erwähnt.
Ich danke dem SMWA für das Datenmaterial, welches im Rahmen der Beantwortung der Anfrage zur Verfügung gestellt wird. Diese Große Anfrage ergänzt im Übrigen sehr gut Studien, die es in den letzten Jahren zum Thema Arbeit 4.0 und zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt gegeben hat. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle den umfangreichen Dialogprozess, den Andrea Nahles noch als Arbeitsministerin organisiert hat und an dessen Ende das Weißbuch „Arbeit 4.0“ der Bundesregierung stand.
Als SPD wissen wir, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt eine der zentralsten Zukunftsfragen ist, nicht nur aus ökonomischer Perspektive, sondern gerade auch aus der Sicht der Beschäftigten. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten denken wir die Digitalisierung deshalb vor allem aus der Perspektive der Beschäftigten. Der Anspruch ist dabei, dass wir die Digitalisierung dazu nutzen, die Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz für so viele Menschen so konkret wie möglich zu verbessern.
Arbeitserleichterung und Flexibilisierung können sich einerseits vorteilhaft für die Beschäftigten auswirken, zunehmende Arbeitsverdichtung, Verdrängung menschlicher Arbeit, umfassende Überwachungsmöglichkeiten und eine zeitliche und örtliche Entgrenzung der Arbeit sind allerdings die Kehrseite, eine Kehrseite – und deshalb ist auch der Schwerpunkt dieser Großen Anfrage der Linksfraktion richtig gewählt –, die insbesondere Frauen trifft.
Nach einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung führen flexible Arbeitszeitmodelle grundsätzlich bei beiden Geschlechtern im Schnitt zu längerer Arbeitszeit. Bei Männern ist dieser Effekt aber deutlich ausgeprägter als bei Frauen. Frauen, die von zu Hause aus arbeiten, kümmern sich nämlich noch stärker als ohnehin um die Kinderbetreuung, während Männer, die im Homeoffice arbeiten, dies nicht als ihre Aufgabe begreifen. Oder anders gesagt: Homeoffice kann die klassische Verteilung von Geschlechterrollen festigen, wenn nicht sogar verstärken. Nebenbei gesagt: Zusätzliche Erholungszeiten für Schlaf, Sport, Freizeit haben Beschäftigte mit Kindern im Haushalt durch flexible Arbeitszeiten generell auch nicht.
Das ist der aktuelle Stand, und die Frage stellt sich, wie wir mit diesen Veränderungsprozessen umgehen, wenn sie die Verfestigung von Rollenbildern befördern. Das Bundesarbeitsministerium arbeitet dazu aktuell an einem Gesetzentwurf zum Recht auf Homeoffice. Damit sollen klare Regeln vorgeschrieben werden, wie Homeoffice umgesetzt wird. Dabei ist es wichtig, auch die Geschlechterperspektive zum Ausdruck zu bringen.
Wie erfolgt die Arbeitszeiterfassung im Homeoffice? Wann ist denn Schluss? Wann hat der Arbeitgeber kein Recht mehr, dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin
Nachrichten zu schreiben? Es stellt sich grundsätzlich auch die Frage: Wie wird entschieden, wann und wer Homeoffice machen kann?
Von zentraler Bedeutung für diese notwendige Gestaltung und Reglementierung sind Betriebs- und Personalräte sowie die Tarifparteien als Ganzes. Niemand anderes kann im einzelnen Betrieb besser aushandeln, an welchen Stellen Homeoffice, an welchen Stellen Digitalisierung in den Dienst der Beschäftigten gestellt wird, als die Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter selbst. Deshalb ist die Gestaltung eines Digitalisierungsprozesses eng damit verbunden, dass wir es schaffen, die demokratische Mitbestimmung und die Tarifbindung im Freistaat Sachsen zu stärken. Das ist ganz essenziell.
Bei allen Vorteilen, die flexible Arbeitszeiten bringen, ist für uns als SPD im Einklang mit den Gewerkschaften – ich sage auch, liebe LINKE, da sind wir uns sicher einig – eines ganz klar: Hände weg vom Arbeitszeitgesetz! Unter dem Deckmantel der Flexibilisierung darf es keine Aufweichung bestehender Arbeitnehmerrechte geben. Ich spreche dies auch deshalb an, weil es weitere Branchen geben wird, in denen Homeoffice nicht möglich wird bzw. die Digitalisierung der Arbeit kaum oder gar keine Erleichterung bringt, zum Beispiel die Kassiererin im Supermarkt oder die Kellnerin im Restaurant – übrigens beides Berufe, in denen insbesondere Frauen arbeiten.
Die vom SMWA im Rahmen des Dialogprozesses Arbeit 4.0 „Wie können sächsische Unternehmen gute Arbeit gestalten?“ vorgelegte Studie bestätigt dies übrigens. Bei den dort befragten Unternehmen gab es bezüglich des Homeoffice sehr große Unterschiede zwischen den sogenannten White-Collar-Berufen und den sogenannten Blue-Collar-Berufen, also denen, wo man eher am Arbeitsplatz am Computer sitzt, und denen, in denen man im Blaumann als Industriearbeiter oder als Handwerker vor Ort sein muss.
Die bestehenden Arbeitszeithöchstgrenzen aus dem Arbeitszeitgesetz müssen deshalb den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleisten; denn niemandem ist geholfen, wenn sich Kellner, Köche oder Industriemechanikerinnen und Industriemechaniker
überarbeiten und damit die Gefahr für Arbeitsunfälle steigt.
Arbeit 4.0 bietet in der Gesamtschau – das müssen wir immer wieder so klar sagen – viele Möglichkeiten für Betriebe und Beschäftigte, die Situation zu verbessern. Sie können bestehende Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen beseitigen. Aber es ist eben kein Selbstläufer. Wenn wir als Gesetzgeber, aber auch die Gewerkschaften und die Arbeitgeber, gemeinsam einen vernünftigen rechtlichen Rahmen schaffen, stecken darin Chancen für alle. In der Digitalisierung stecken deshalb viele Chancen, und das darf nicht dazu führen, dass die Beschäftigten in bestimmten Berufen darunter leiden. Deshalb ist die Digitalisierung auch ein politischer Gestaltungsauftrag an uns als Politik, an die Sozialpartner, an die Gewerkschaf
ten, an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, und diese müssen wir gemeinsam entschieden angehen.
Vielen Dank.
Liebe Kollegin Buddeberg, ich finde, dieser Hinweis ist völlig legitim. Aber er zeigt auch, an welchen Stellen Sie intern Ihre Großen Anfragen in der Priorität gereiht haben. Das gehört dazu. Aber ich finde, Sie haben recht. Ich wollte das auch nicht als pauschalen Vorwurf verstanden wissen. Sollte das so angekommen sein, dann tut mir das leid. Aber noch einmal: Die Regeln sind so, wie sie sind, und Sie entscheiden, wann Sie welche Große Anfrage ziehen. Ich fand auch, um die Ergebnisse einzuordnen, war es wichtig, den zeitlichen Rahmen dieser Großen Anfrage noch einmal zu nennen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratungsstelle für die Opfer rechter Gewalt hat es im letzten Monat wieder eindrücklich belegt: Im Jahr 2018 hat es in Sachsen 370 gewalttätige Angriffe gegeben. Das ist mehr als ein Angriff pro Tag. Davon sind 481 Menschen als Opfer betroffen, darunter im Übrigen 65 Kinder. Diese Zahl ist in Sachsen anhaltend hoch – nicht nur in Sachsen, aber in Sachsen besonders hoch.
Wir haben im Jahr 2018 einen schlimmen Beweis dafür erlebt, dass Menschenfeindlichkeit und Hasskriminalität tötet. Christopher W. ist am 17. April 2018 brutal von drei Tätern getötet worden, die der rechten Szene zuzuordnen sind. Sie töteten Christopher W. aufgrund seiner sexuellen Orientierung. Er war schwul.
Die anhaltend hohe Zahl – und es ist nach der Statistik der RAA das 17. Todesopfer seit der Wende in Sachsen – zeigt, dass rechte Gewalt uns alle herausfordern muss: nicht nur die Politik, nicht nur die Polizei, nicht nur die Staatsanwaltschaft, nicht nur die Richterinnen und Richter, sondern uns alle. Deshalb sind Debatten über die
Verbreitung von Menschenfeindlichkeit und den Einfluss von Neonazis in Sachsen absolut richtig. Wir müssen sie immer wieder führen, auch wenn sie uns nicht gefallen.
Wir haben auf der einen Seite immer wieder – das ist ein riesiges Problem für die Sicherheitsbehörden – Einzeltäterinnen und Einzeltäter, die niemand auf dem Radar hatte, bei denen die erste Straftat gleich ein harter Angriff, ein Tötungsdelikt oder ein Brandanschlag ist. Wir haben aber auch organisierte Neonazis in rechten Netzwerken.
Diese rechten Netzwerke sind in Sachsen auf beängstigende Art und Weise von Kontinuität geprägt. Valentin Lippmann hat in einer Kleinen Anfrage zum Beispiel herausgefunden, dass aus der im Rahmen der Aufarbeitung der NSU-Morde erstellten 129er-Liste allein in Sachsen 13 Menschen bis heute weiter in der rechten Szene aktiv sind. Das sind Netzwerke, die weit über zehn Jahre existieren.
Wir wissen, dass es tragfähige Netzwerke gibt. Die Leute, die man vor 25 Jahren bei „Sturm 34“ getroffen hat, hat man vor zehn Jahren als „Junge Nationalisten“ in Limbach-Oberfrohna gesehen. Das sind dieselben Leute, die im letzten Jahr in Chemnitz schlimme Sachen gemacht haben.
Wir erleben heute, dass rechtsextreme Hooligans deutschlandweit, europaweit, teilweise weltweit vernetzt sind. Die heutige Razzia in vier Bundesländern zeigt auch hier die große Herausforderung, vor der wir stehen.
Deshalb noch einmal: Das Thema muss uns alle angehen; es ist von immenser Bedeutung. Es fordert unseren Rechtsstaat und unsere Zivilcourage heraus. Deshalb ist diese Debatte richtig.
Eines gefällt mir aber nicht, und es sei mir auch erlaubt, das zu sagen: Ich finde, wir sollten es uns nicht so einfach machen. Auch wenn es nicht meine Aufgabe ist, den Ministerpräsidenten zu verteidigen, so finde ich doch, dass man es sich mit dem Titel zu einfach macht; denn dieser suggeriert, der Ministerpräsident müsse nur sagen, dass diese Netzwerke jetzt zerschlagen würden, und dann wäre alles gut. Ich glaube und bedaure es, dass das leider nicht so einfach ist.
Unsere Antwort muss eine rechtsstaatliche sein. Wir werden uns nicht auf die Methoden der Neonazis herablassen. Hier werden keine Leute verschwinden. Wir gehen mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen diese Netzwerke vor. Das erfordert eine handlungsfähige Polizei, eine starke Staatsanwaltschaft und starke Gerichte. Dafür tut in dieser Legislaturperiode diese Koalition einiges.
Ich glaube aber – und das zeigen die Beispiele –, dass solche Netzwerke leider auch lange Gefängnisstrafen von Protagonisten überstehen. Deshalb muss für uns das oberste Ziel sein, rechtsextreme Netzwerke zu verhindern, bevor sie entstehen.
Ich will nicht zum 25. Mal darauf eingehen, dass es toll ist, dass wir das Programm „Weltoffenes Sachsen“ haben. Ja, das ist toll. Aber ich glaube, das reicht nicht.
Ein letzter Satz.
Ich glaube, das, worum es uns in den nächsten Jahren gehen muss, ist, dass wir die tollen Erfahrungen, die wir haben, in die Regelstrukturen bringen, dass wir unsere Schulen stärker zu Demokratiewerkstätten machen, dass wir unsere Polizei darauf vorbereiten, mit diesen Gefahren präventiv umzugehen, indem man sie erst einmal erkennt.
Das ist die Aufgabe. Damit ist meine Redezeit offensichtlich zu Ende.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An sich ist das Signal, was vom Antrag der GRÜNEN ausgeht, richtig, wichtig und gut. Dass in Sachsen nach wie vor in einer wieder wachsenden Anzahl Neonazi-Konzerte stattfinden können, muss für uns ein mahnendes Zeichen sein, dass hier etwas nie weg gewesen ist, dass sich hier etwas auch im Schatten anderer Debatten ausbreiten und regenerieren kann, was wir gern schon lange weiter zurückgedrängt hätten.
Wir müssen an dieser Stelle sagen: Dieses Problem ist über viele Jahre gewachsen. Für die Aufforderung „Wehret den Anfängen“ ist es lange zu spät. Viele Immobilien in Sachsen sind in den Händen von Neonazis. Sie werden nicht aus Versehen vermietet, sondern mit politischer Absicht, um in diesem Land Unfrieden, Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Antisemitismus zu organisieren und diesen Menschen, die so etwas tun, Rückzugsräume, Planungsräume, Organisationsräume und am Ende auch Räume für die Planung von kriminellen Machenschaften zur Verfügung zu stellen.
Wir erleben in Sachsen aber auch einen wachsenden Widerstand. Die Aktivitäten, die wir rund um Ostritz erlebt haben, haben gezeigt, dass es möglich ist, dass auch in diesem Freistaat Sachsen ein breites Bündnis mobil macht, ein breites Bündnis Stopp sagt, was in diesem Land nicht möglich sein dürfte. Wir haben in Ostritz auch erlebt, wie es ein breites Bündnis schafft, dass am Ende trotz aller Diskussionen sich eine ganze Gemeinde ge
meinsam gegen die Instrumentalisierung und gegen den Aufmarsch von Hunderten Neonazis wehrt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir lassen diese engagierten Bürgerinnen und Bürger nicht im Stich. Wir haben in den letzten Jahren Beratungsangebote ausgebaut, egal ob über die mobilen Beratungsteams oder die Opferberatung. Wir fördern Initiativen, die sich kritisch mit Rassismus in dieser Gesellschaft über das weltoffene Sachsen auseinandersetzen, mit einer höheren Förderung. Wir haben sogar die politische Bildung bei der Polizei ausgebaut. Deshalb glaube ich, dass wir hier einen Weg beschreiten, der uns wehrhaft macht, der diese Gesellschaft wehrhaft hält und wehrhaft fördert. Dazu gehört im Übrigen auch, dass mehr und mehr Kommunen Beratungen annehmen. An vielen Stellen klappt das. Die Beispiele, die hier nicht genannt wurden, sind auch die, bei denen sich Kommunen erfolgreich dagegen wehren, dass Neonazis in ihren Städten und Gemeinden erfolgreich Immobilien erwerben.
In diesem Antrag gefällt mir nicht, liebe Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass alle Bemühungen, die ich gerade nur ansatzweise aufgezählt habe, in Sachsen überhaupt nicht stattfinden würden. Wir machen eine Menge. Das darf man auch nicht unter den Teppich kehren. Deshalb stelle ich in gebotener Kürze fest: Viele Kommunen haben in den letzten Jahren – nicht nur Kommunen, sondern auch viele Vermieterinnen und Vermieter bis hin zu Verbänden – gelernt, was es heißt, in einer wehrhaften Demokratie Verantwortung zu übernehmen, Nein zu sagen und genau hinzuschauen. Wir erleben auch, dass sich Neonazis subversiv immer neue Strategien überlegen, um diese Abwehrstrategien zu umgehen.
Deshalb ist der Frageteil dieses Antrags, meine sehr geehrten Damen und Herren, aus meiner Sicht mit der Beantwortung der Staatsregierung auf Ihren Antrag mit ihrer Stellungnahme abgearbeitet. Die Vorschläge, die Sie unterbreiten, sind in Sachsen – ich sage nicht, dass man da nicht mehr tun kann – aber im Grundsatz in den Strategien verankert. Ansätze, die Sie in Ihrem Redebeitrag, Herr Lippmann, zum Beispiel im Bereich Verfassungsschutz vorgetragen haben, sind nicht Gegenstand dieses Antrags. Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, lehnen wir als SPD-Fraktion diesen Antrag ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin
nen und Kollegen! Das Thema Mobilitätskonzepte der Zukunft ist immer wieder Thema im Sächsischen Landtag, und das zu Recht; denn auf die Frage „Wie sieht Mobilität in Zukunft aus?“ gibt es eben nicht mehr die einfache Antwort, dass in Zukunft weiterhin jeder mit seinem eigenen Auto, sofern er es sich leisten kann, von A nach B fährt und man eventuell mal einen Bus oder eine Bahn nutzt, sondern es geht darum, integrierte Mobilitätskonzepte zu entwickeln, wie man möglichst schnell, möglichst kostengünstig und möglichst ökologisch verträglich von A nach B kommt.
Das funktioniert nur mit einem Mix, deshalb haben wir heute Morgen noch einmal dargestellt, dass diese Koalition große Anstrengungen unternimmt, um im Bereich ÖPNV und SPNV – also bei Bus und Bahn – weiter voranzukommen und Angebote zu verbessern. Wir unternehmen auch große Anstrengungen, um das Thema Elektromobilität in Sachsen großzumachen – mit den Automobilherstellern durch Forschung und Entwicklung und auch, indem wir dem einen weiteren Baustein hinzufügen: das Thema Carsharing. Ich denke, alle Fraktionen haben hier dargestellt, warum Carsharing eine gute Sache ist.
Jeder hat zur richtigen Zeit das richtige Auto. Wenn man nur mal zum Einkaufen fahren muss, kann man sich ein kleineres Auto nehmen. Für den Familienausflug oder den Umzug kann man sich ein größeres Auto mieten. Wir haben die Möglichkeit, damit auch ökologisch fortschrittlich zu sein, da man die Anzahl der Autos dadurch reduzieren kann, indem man sie miteinander teilt, und unterm Strich ist es auch für Leute besser finanzierbar, sich mal ein Auto an einem Wochenende zu mieten, anstatt sich ein ganzes Auto kaufen zu müssen. Das heißt, es hat auch eine starke soziale Komponente, die das Teilen von Autos in der Gemeinschaft sinnvoll macht.
Nun stellt sich die Frage: Wie kommen wir dahin, dass wir diesen Carsharing-Ansatz in Sachsen nicht nur in den großen Städten, sondern auch in den Kleinstädten weiter voranbringen und ihn besser ermöglichen? Dabei spielt die Frage von Stellplätzen eine Rolle, also die Frage: Wo können wir Carsharing in den Städten und Gemeinden anbieten, damit wir dort vorankommen? Es gibt dazu auf Bundesebene klare gesetzliche Regelungen, die die Voraussetzungen auf den Bundesstraßen schaffen. Aber das darf uns nicht zufriedenstellen, sondern es wird zu Recht darauf hingewiesen, dass Carsharing inzwischen kein Phänomen von Dresden, Leipzig und Chemnitz mehr ist, sondern dass das Thema auch in den kleinen und mittleren Kommunen ankommt und wir dafür Sorge tragen müssen, dass es sich auch dort entwickeln kann, weil es, wie gesagt, Vorteile für alle Beteiligten hat.
Nun schlagen heute die GRÜNEN vor, mit einem sächsischen Carsharing-Gesetz die Voraussetzungen zu schaffen, und Sie können im Koalitionsvertrag von CDU und
SPD nachlesen, dass wir zum Ersten darin gesagt haben, dass wir hierfür etwas tun wollen, und zum Zweiten einen anderen Weg vorschlagen. Der Weg zum selben Ziel ist, dass wir sagen: Aktuell wird das Straßengesetz in Sachsen novelliert. Der Gesetzentwurf, der dem Landtag vom Kabinett überstellt wurde, erfüllt noch nicht alle Wünsche, die sich beide Koalitionspartner vorstellen. Deshalb gilt das einfache Gesetz eines Parlaments: dass ein Gesetz nicht so herauskommt, wie es hineingeht. Daher wollen wir als Koalition noch einmal nachbessern und den Aspekt des Carsharings in das Sächsische Straßengesetz einbauen, um auch in den kleinen und mittleren Kommunen Voraussetzungen dafür zu schaffen, beim Carsharing einen Schritt nach vorn zu kommen. Das heißt, wir haben gleiche oder ähnliche Ziele. Wir wollen moderne Mobilitätskonzepte. Dazu gehört Carsharing. Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch das eine Argument hinzufügen: Wenn wir das Thema Carsharing in ein bereits bestehendes Gesetz einfügen können, dann haben wir unterm Strich nicht ein Gesetz mehr. Ich denke, es ist vielleicht auch ganz gut, dass wir nicht auf Krampf versuchen, so viele Gesetze wie möglich zu schreiben – davon haben wir in Sachsen und in Deutschland schon genug –, sondern lassen Sie uns unseren vorgeschlagenen Weg weitergehen. Das heißt, wir verfolgen die Strategie des Straßengesetzes weiter und müssen Ihren Antrag als GRÜNE leider ablehnen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über zwei Gesetzentwürfe zum Vergaberecht, weil wir nach dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE noch über den Gesetzentwurf der Fraktion der GRÜNEN zu beraten haben werden. Es ist sicherlich nicht immer eine einfache Materie, die sich nur zuvorderst mit der Frage von Verwaltung und Unternehmen beschäftigt. Im Kern geht es auch darum, wie die Jobs ausgestaltet und wie die Arbeitsbedingungen für viele Hunderttausende Sächsinnen und Sachsen sind, die in ihren Unternehmen über staatliche Aufträge Geld verdienen. Um deren Jobs geht es auch beim Vergaberecht.
Es geht aber auch darum, ein System zu entwickeln, das es Kommunen ermöglicht, mit einem Vergaberecht gut arbeiten zu können, um ihre öffentlichen Aufträge, die sie brauchen, um sich zu entwickeln, gut abwickeln und in Auftrag geben zu können, um am Ende vor Ort die notwendigen Investitionen zu tätigen.
Ich glaube, dass es immer wieder wichtig ist, genau über dieses Spannungsfeld zu diskutieren, weil es nicht widerspruchsfrei ist. Es ist genauso wenig widerspruchsfrei wie die Positionen von CDU und SPD in dieser Frage.
Wir müssen aber feststellen, dass wir beim Teil Löhne etwas zu tun haben, dass wir im Bereich der Arbeitsbedingungen in Sachsen etwas zu tun haben. Die Menschen in Sachsen arbeiten fast zwei Wochen mehr als ihre westdeutschen Kolleginnen und verdienen dabei im Durchschnitt 700 Euro weniger. Das dürfen wir nicht
akzeptieren. Natürlich gibt es unterschiedliche Strategien, wie wir auch politische Handlungsspielräume in dieser Frage nutzen können. Ein Baustein ist das Vergabegesetz – ein Baustein!
Im Bereich der Löhne hat sich auch in Sachsen einiges entwickelt. Wir haben es als SPD geschafft, den Mindestlohn durchzusetzen. Davon profitieren viele Menschen auch in Sachsen. Das darf uns aber nicht zufriedenstellen, sondern das eigentliche Ziel besteht darin, dass in Sachsen mehr Menschen, so viele wie möglich, tariflich geregelte, tariflich gesicherte Arbeitsplätze haben. Dazu kann das Vergabegesetz einen Beitrag leisten, um genau diese Tarifbindung in Sachsen zu erhöhen.
Es gibt zwischen den Parteien CDU und SPD – wir müssen uns keine Illusionen machen – natürlich große Unterschiede. Das wird von dem einen oder anderen immer negiert. Dann wird von „Systemparteien“ oder von „der Koalition“ gesprochen. Nein, es gibt sehr große Unterschiede zwischen SPD und CDU.
Diese sind auch an dieser Stelle offenbar geworden. Ja, Ronald Pohle und ich haben sehr lang und konstruktiv miteinander diskutiert und am Ende festgestellt, dass es an dieser Stelle kein Zusammenkommen gibt.
Eines sage ich noch einmal ganz klar: Im Bereich der Tariflöhne, im Bereich des Vergabegesetzes machen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten keine falschen Kompromisse. Wir machen keine Formenkompromisse, sondern wir wollen hier einen ordentlichen Schritt nach vorn machen, der die Situation der Menschen ganz praktisch und wirklich verbessert und nicht nur auf dem Papier.
Deshalb kann ich Ihnen an dieser Stelle nur sagen, was die SPD-Position ist: Wir wollen ein neues Vergaberecht in Sachsen, denn schlank ist nicht immer gut. Der erste und wichtigste Schwerpunkt eines solchen Vergaberechts muss sein, dass wir die Unternehmen, die nach Tarif bezahlen, bei der öffentlichen Vergabe von Aufträgen bevorzugen müssen. Wir stärken damit die Unternehmen und die Betriebe, die ihren Beschäftigten anständige Arbeitsbedingungen bieten, und wir beseitigen den Wettbewerbsvorteil für die schwarzen Schafe.
Im Übrigen freue ich mich, dass sich diese Einsicht zunehmend auch auf Bundes- und auf europäischer Ebene durchsetzt. Auch das ist ein Erfolg von sozialdemokratischer Politik auf Bundes- und auf europäischer Ebene. Ich bin der Meinung, dass es diesem Land gut zu Gesicht stünde – dazu komme ich dann noch an zwei Beispielen –, wenn Sie diesem Weg auch in Sachsen folgen würden.
Das Zweite ist, wir alle wissen, dass in Sachsen die Tarifbindung nicht da ist, wo sie eigentlich hin muss. Wir haben in Sachsen im bundesweiten Durchschnitt eine sehr
niedrige Tarifbindung. Deshalb ist es wichtig, dass wir als unterste Grenze auch im Bereich des Vergaberechts über einen Vergabemindestlohn nachdenken. Dafür gibt es unterschiedliche Modelle. Sie schlagen vor: E1, Stufe 2 – andere sagen: Wir legen das gleich auf 12 Euro fest. Ich finde, eine solche Debatte müssen wir da führen, wo es keine tariflich gebundenen Unternehmen in einem Teilbereich gibt.
Das Dritte ist: Ich finde es richtig, dass wir uns nicht nur damit beschäftigen, was ein Produkt kostet, sondern was es unter unterschiedlichen Aspekten im Laufe seines Einsatzes kostet. Zum Beispiel sollten ökologische Kriterien bei der Vergabe aufgenommen werden. Man kann es auch als Lebenszykluskosten beschreiben, sich Gedanken darüber zu machen, was die Beschaffung der Rohstoffe kostet und welche Aspekte der Herstellung und Nutzung bis zur Entsorgung eines Produktes auch bei der öffentlichen Vergabe einfließen sollten.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle will ich es noch einmal sagen: Wir lehnen diesen Gesetzentwurf der LINKEN nicht nur ab, weil wir in einer Koalition sind und an dieser Stelle unterschiedliche Meinungen vertreten, sondern ich sage Ihnen auch ganz ehrlich. Es gibt in Ihrem Gesetzwurf unterschiedliche Aspekte, die schlichtweg nicht funktionieren und die eine Ablehnung dringend notwendig machen.
Das Erste ist: Ich halte Ihren Entwurf, der in seinem guten Teil unserem gemeinsamen Entwurf aus der letzten Legislaturperiode entspricht, in anderen Teilen aber andere und neue Wege beschreitet, gerade für die kleineren Kommunen für nicht handhabbar. Dabei denke ich an kleine Kommunen mit 5 000, 6 000, 7 000 Einwohnern, wo vielleicht eine halbe Personalstelle für öffentliche Vergabe zuständig ist. An dieser Stelle überfordern Sie die Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen, und deshalb halte ich Ihren Gesetzwurf nicht für zustimmungsfähig.
Das Zweite ist: Sie widersprechen sich in Ihrem Gesetzentwurf. Sie schreiben auf der einen Seite, Sie wollen ab 2020 ausschließlich mit elektronischen Mitteln Auftragsvergabeverfahren durchführen, und zu einem späteren Zeitpunkt sprechen Sie bei den Kommunen von einer Kannbestimmung. Das ist eine sich widersprechende Formulierung, die diesen Gesetzentwurf aus meiner Sicht nicht zustimmungsfähig macht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Abschließend denke ich, dass wir früher oder später zu einem neuen, moderneren Vergabegesetz kommen werden und kommen müssen. Erstens. Fachkräfte bindet man nicht mit niedrigen Löhnen, und die Fachkräftefrage ist eine der absolut entscheidenden für die Zukunft dieses Landes. Zweitens. Sachsen ist ein Industriestandort, gerade und auch bei der Herstellung von Mobilitätssystemen. Wenn ich möchte, dass zum Beispiel die Verkehrsverbünde in Sachsen ihre Züge auch bei Bombardier bestellen können, dann darf ich sie nicht dazu zwingen, die niedrigsten Angebote zu nehmen, denn Bombardier zahlt Tarif. Das ist eine gute Sache, aber
leider kommen solche Unternehmen in Sachsen so selten zum Zuge, weil dieses Vergabegesetz nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist.
Wir als SPD werden weiter an diesem Thema arbeiten. Wir werden den Kompromiss suchen zwischen den Praktikern, die es tun müssen, und den Kommunen, und auf der anderen Seite werden wir natürlich die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fest im Blick haben. Das ist der Kompromiss, den wir finden müssen.
Vielen Dank.
Vielen Dank. Ich möchte eine Kurzintervention auf den Redebeitrag von Frau Grimm halten.
Ich möchte feststellen, dass ich in Ihrem Redebeitrag ausschließlich eine Position aus der Perspektive der Wirtschaft gehört habe. Die Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern hat keinerlei Rolle gespielt. Das bringt mich zu dem Schluss, dass die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, insbesondere die Frage von Arbeitsbedingungen und von Löhnen, die AfD-Fraktion nicht interessiert. Das steht im krassen Gegensatz zu dem, was die AfD sonst immer behauptet, nämlich, die Partei der kleinen Leute zu sein. Das stimmt an dieser Stelle nicht. Sie macht damit klar, dass sie einseitig Lobbyinteressen der Wirtschaft verfolgt. Das ist in Ihrem Redebeitrag klargeworden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Die Debattenbeiträge wiederholen sich. Ich möchte deshalb meinen Redebeitrag zu Protokoll geben.
Meine grundsätzlichen Ausführungen zum Vergaberecht aus Tagesordnungspunkt 5 gelten auch für diesen Tagesordnungspunkt. Der Gesetzentwurf der GRÜNEN geht noch über den Gesetzentwurf der LINKEN hinaus. Aus meiner Sicht wird er noch weniger einem Kompromiss zwischen einem modernen Vergaberecht auf der einen Seite und den in Teilen berechtigten Wünschen von Kommunen und Handwerkern auf der anderen Seite gerecht.
Überrascht war ich, dass die Bieter mit dem Gesetz verpflichtet werden sollen, einen Nachweis für die Einrichtung eines unternehmens- oder betriebsinternen
Hinweisgebersystems zu erbringen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Der Schutz von Whistleblowern ist gut und richtig. Insbesondere viele große Unternehmen haben das Thema noch zu wenig auf dem Schirm.
Ich freue mich daher sehr, dass sich gestern das Europaparlament und die Regierungen der Mitgliedsstaaten vorläufig auf einen gemeinsamen Gesetzestext zum Schutz von Hinweisgebern geeinigt haben. Damit können Hinweisgeber zukünftig europaweit geschützt werden. Der Bundestag, aber auch der neue Sächsische Landtag werden diese neuen Regeln umsetzen. Sie werden verste
hen, dass ein neues Vergabegesetz jedoch der falsche Ort für die Debatte darüber ist.
Die Frage, was alles in den Vergabebericht soll, stellt sich auch beim Gesetzentwurf der GRÜNEN. Sie fordern, dass in dem Bericht auch Vergaben der Kommunen enthalten sein sollen. Das geht aus unserer Sicht zu weit, da der Aufwand und der Nutzen für diese zusätzliche Textwüste in keinem Verhältnis stehen. Fragwürdig erscheint mir
auch, dass alle Vergabeentscheidungen mit verschiedenen Hintergrundinformationen veröffentlicht werden sollen.
Es gibt interne Daten von Unternehmen, die aus gutem Grund intern sind. Das sollte auch so bleiben. Alles in allem können wir auch diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über Sozialpolitik diskutieren, werbe
ich für Fairness und Differenzierung. Deutschland ist ohne Frage einer der stärksten und leistungsfähigsten Sozialstaaten dieser Welt. Das ist nicht selbstverständlich. Es gibt marktradikale Kräfte, die ihn infrage stellen und wie die AfD die Privatisierung der Arbeitslosenversicherung fordern. Das werden und müssen wir mit aller Macht verhindern.
Den Sozialstaat zu verteidigen bedeutet aber nicht, dass man nicht auch jene Dinge beim Namen nennt, die wirklich verbesserungswürdig sind. Diese gibt es. Wir diskutieren in Deutschland aktuell zu Recht über die Frage, wie es mit den deutschen Hartz-IV-Gesetzen weitergeht. Hartz IV hat besonders bei den Menschen im Osten tiefe Wunden hinterlassen. Ich erinnere an die Massenarbeitslosigkeit Ende der Neunzigerjahre, Anfang der Nullerjahre. Viele Menschen wurden zu Sozialstaatsempfängern, besonders im Osten, obwohl es schlichtweg keine Arbeit gab oder die Leute nur zu Niedriglöhnen arbeiten konnten.
Die Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, sind aber andere als damals. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie noch nie. Das ist gut. Fachkräfte werden dringend gesucht – und im Übrigen nicht nur Fachkräfte, sondern generell Arbeitskräfte. Aufgrund der Digitalisierung stehen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor vielfältigen Herausforderungen und verlangen nach einer Perspektive mit Sicherheit.
Es ist also Zeit für eine Sozialstaatsreform, eine Reform weg vom reinen Blick auf die Höhe von Leistungen und Sanktionen. Ich finde, eine solche Debatte ist verkürzt. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind bereit und laden ein zu diskutieren, ohne gleich auf alles eine Antwort zu haben.
Ich möchte einmal folgende Grundideen in dieser Debatte äußern, um einen Bogen zu schlagen. Erstens. Das erste und wichtigste Ziel muss immer sein zu verhindern, dass Menschen überhaupt von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Das muss immer das erste Ziel einer guten Politik sein.
Deshalb brauchen wir ein neues Fördern, gerade im Angesicht der Digitalisierung und Automatisierung vieler Berufe. Die Digitalisierung ist definitiv eine Chance. Wir brauchen davor keine Angst zu haben. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass die alten Berufe nicht entwertet werden. Deshalb brauchen wir einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung für Menschen, die arbeiten, aber auch für Menschen, die gerade ihre Arbeit verloren haben. Mit dem Arbeitslosengeld „Q“ – „Q“ für Qualifizierung – hat die SPD-Fraktion einen gut umsetzbaren Vorschlag gemacht.
Zweitens. Wenn jemand in Arbeitslosigkeit fällt, muss seine Lebensleistung stärker anerkannt werden. Menschen, die lange gearbeitet haben, sollten mehr Geld erhalten als die Menschen, die nur kurz oder nie gearbeitet haben.
Wer zum Beispiel 30 Jahre lang in die Arbeitslosenversicherung und in die Sozialsysteme eingezahlt hat, weil er gearbeitet hat, sollte nicht mehr in Hartz IV bzw. in die Grundsicherung fallen. Für solche Menschen benötigen wir einen Anerkennungsfaktor, dass sie oder er 30 Jahre lang gearbeitet hat. Solche Menschen muss man besser behandeln.
Wer lange gearbeitet hat, der darf auch nicht gezwungen werden, seine Ersparnisse zu verbrauchen. Erspartes muss großzügiger geschützt werden, und die Menschen sollten grundsätzlich keine Angst haben, ihre angestammten Wohnungen und ihr Wohneigentum verlassen zu müssen.
Zur Lebensleistung gehört auch, dass derjenige, der jahrelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, keine Sanktionen – jetzt komme ich zu Ihrem Thema, denn an dieser Stelle stimme ich Ihnen zu – befürchten muss, wenn er einen deutlich schlechteren Job ablehnt. Die Alternative zur Arbeitslosigkeit darf nicht prekäre Beschäftigung sein, sondern gute Arbeit.
An dieser Stelle muss man Lebensleistungen höher würdigen.
Mein dritter Grundgedanke ist: Wir wollen, dass alle Menschen aus der Grundsicherung herauskommen, in die sie schlichtweg nicht hineingehören. Als Allererstes: Kinder gehören nicht in Hartz IV! Punkt.
Genauso wenig gehören dort die Menschen hinein, die täglich zur Arbeit gehen, deren Lohn aber zu niedrig ist bzw. deren Mieten zu hoch sind und somit faktisch als Aufstocker in Hartz IV rutschen. Deshalb brauchen wir ein höheres Wohngeld, eine Kindergrundsicherung, einen höheren Mindestlohn und allgemeinverbindliche Tarifverträge. Das hilft an dieser Stelle zu sortieren.
Ja.
In Ihrem Programm!
Es gibt ein Programm von Ihnen – es ist entweder Ihr Grundsatzprogramm oder Ihr Bundestagswahlprogramm –, wo Sie hineingeschrieben haben – –
Ach, es steht im Grundsatzprogramm. Ich weiß es nicht.
Sie wollen im Übrigen – –
Nein, das ist eine Tatsache.
Ich weiß nicht, ob Sie beim Programmschreiben aus Versehen mit der Maus verrutscht sind. Aber das ist ja auch nicht die einzige soziale – –
Ich würde gern auf die Frage antworten. Also: Das steht bei Ihnen im Programm,
und zwar im selben Programm, in dem im Übrigen auch drinsteht, dass Sie die Erbschaftssteuer abschaffen wollen.
Das hilft im Übrigen nur den Reichen und nicht den Menschen, die in diesem Land hart arbeiten und keine Milliarden Euro erben können.
Deshalb sei mir an dieser Stelle der Hinweis erlaubt: Die AfD macht mitnichten eine Politik für die hart arbeitenden Menschen, sondern die AfD macht offensichtlich Politik für die Menschen, die sie mit großzügigen Millionenspenden unterstützt. Das ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(André Barth, AfD: Das ist eine Frechheit! –
Ich habe kurz daran gedacht, ob ich den Spruch anbringen sollte: Kennen Sie den Redebeitrag? Der Weg war umsonst.
Ich bleibe dabei: Die AfD hat im Kern ihrer Programmatik eine neoliberale und sozialstaatsfeindliche Ausrichtung.
Doch! Das ist der alte Gründungsmythos, den Sie noch von Bernd Lucke haben.
Das ist eine zutiefst neoliberale Partei. Wenn Sie davon sprechen, dass Sie die kleinen Unternehmer schützen wollen: Mutters Häuschen und kleine Unternehmen sind bereits heute mit großzügigen Freibeträgen von der Erbschaftssteuer befreit. Wenn man wie Sie die Erbschaftssteuer abschafft, dann begünstigt man die Milliardenerbschaften, wie zum Beispiel die der Aldi-Brüder. Das ist das, was Sie machen würden und was Deutschland bevorstünde, wenn Sie etwas zu sagen hätten. Aber das wird nicht passieren. Dafür werden wir alle gemeinsam sorgen.
Vielen Dank.
Vielen Dank. Frau Schaper, ich bin Ihnen erst einmal für die Klarstellung dankbar, dass Ihr Antrag kein Konzept ist. Damit hat sich auch die Frage geklärt, warum wir dem nicht zustimmen werden. Denn ich finde, dass das an dieser Stelle ein Thema ist, das so wichtig ist, dass man mit Einzelmaßnahmen nicht versuchen sollte, eine Debatte zu bestreiten.
Man sollte mehr im Blick haben. Ich möchte an dieser Stelle zweitens feststellen, dass die SPD selbst in einem Diskussionsprozess ist und dass mein Redebeitrag meine Privatmeinung war.
Sie können das gern auch für die Fraktion gelten lassen.
Ich finde das nicht schlimm, denn wir sind mitten in einem Diskussionsprozess. Wenn das Ihre Fraktionsmeinung war, dass Sie mit einer einzelnen Maßnahme meinen, die großen sozialen Fragen klären zu wollen – –
Ich gebe das nur zurück. Ich will es nur klarstellen. Deshalb, Frau Schaper, glaube ich, ist es wichtig, Sozialstaatlichkeit in einem ganzheitlichen Konzept zu diskutieren. Sie haben als Oppositionspartei bis jetzt immer den Luxus genossen, alles fordern zu können und dabei nichts selbst durchsetzen zu müssen. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten müssen eine ganzheitlichen Blick auf die Dinge haben. Denn wir stehen in der Verantwortung
und wir sind bereit, in dieser Gesellschaft Stück für Stück soziale Verbesserung durchzusetzen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage guter Löhne ist für uns in Deutschland und vor allem auch für uns in Sachsen eine ganz entscheidende Zukunftsfrage. Zum einen geht es dort um die Frage der Deckung zukünftiger Fachkräftebedarfe. Nur dann, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen ordentlich und gut bezahlt werden, sind sie bereit, hier zu arbeiten, hier ihre Familien zu gründen und hier auf Dauer sesshaft zu bleiben oder zu werden.
Wenn man sich die Zahlen der aktuellen Prognosen anschaut, dann ist das kein Selbstläufer. Auch wir in Sachsen, in diesem wunderschönen Land, stehen in einem Wettbewerb um die Fachkräfte der Zukunft. Deshalb ist die Frage von guten Löhnen eine ganz entscheidende Zukunftsfrage für die Wahrung unseres Wohlstandes und für die Zukunft unserer Wirtschaft.
Zum anderen geht es bei Löhnen aber um viel mehr. Es geht nämlich auch um den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ich glaube, dass Menschen in einer modernen Industriegesellschaft ihren Mehrwert dann sehen, wenn er auch in Form von Löhnen und Gehältern anerkannt wird. Deshalb haben sie einen Anspruch darauf. Deshalb müssen gute Löhne nicht nur im Zentrum der Bundespolitik, sondern auch der Landespolitik stehen.
Mindestlöhne sind dabei – ich sage es ganz bewusst – leider ein wichtiger Eckpfeiler der Arbeitsmarktpolitik. Es ist ein großer Erfolg sozialdemokratischer Regierungspolitik in den letzten zehn Jahren. Wir haben ihn gegen alle Widerstände durchgesetzt. Ich kann mich an die Horrorszenarien erinnern, die von Wirtschaftsverbänden, von konservativen, von neoliberalen Politikern an die Wand gemalt wurden, Deutschland würde quasi „den Bach runtergehen“. Das Gegenteil ist der Fall. Ich möchte das einmal an Sachsen klarmachen: Als Allererstes im Bereich der un- und angelernten Beschäftigten hat der Mindestlohn dazu geführt, dass die Löhne in Sachsen um 16,2 % steigen. Diese hohe Zahl ist eigentlich keine gute Nachricht. Diese hohe Zahl zeigt, wie niedrig die Löhne in Sachsen vorher waren, und das war ein Skandal. Aber das ist ein wesentlicher Erfolg dieses Mindestlohns.
Das Zweite ist: Wir haben die Anzahl von Minijobs, von prekärer Beschäftigung in Sachsen reduziert, weil der Mindestlohn dazu führt, dass es sich wieder lohnt, ordentliche Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen.
Das Dritte ist: Der Mindestlohn hat nicht nur den Menschen, den hart arbeitenden Menschen in den unteren Lohnklassen geholfen, sondern er hat in vielen Unternehmen dazu geführt, dass das Gesamtlohngefüge nach oben gerutscht ist, dass nicht nur die Leute, die vorher unter dem Mindestlohn mehr verdient haben, sondern auch die Leute, die vorher schon über dem Mindestlohn mehr verdient haben, weil das Gesamtlohngefüge nach obenhin angepasst wurde, davon profitieren. Das heißt, der Mindestlohn schafft eine Verbesserung für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nicht nur für die, die unmittelbar vom Mindestlohn betroffen sind. Das ist eine ganz wichtige Erkenntnis und der Erfolg dieses Mindestlohns, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Das bedeutet, dass kein anderes Bundesland so sehr vom Mindestlohn profitiert wie Sachsen. Es ist gut, dass es in die landespolitische Initiative eingebettet ist, die die Niedriglohnstrategie unserer Vorgänger beendet und gute Arbeit wieder zum Leitbild sächsischer Politik macht. So
gehört sich das in Sachsen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ja, die Kontrollen müssen sein. Ich will aber noch auf zwei andere Dinge eingehen. Das Erste ist: Mindestlöhne sind gut und wichtig, das eigentliche Ziel aber heißt Tariflöhne. Ich glaube, da sind wir uns einig, weil wir wissen, dass Tariflöhne dafür sorgen, dass es einen fairen Anteil gibt, nicht nur den Mindestanteil, dass es faire Urlaubstage gibt und dass es generell mehr Fairness gibt. Ich glaube, darum muss es gehen. Sowohl der Mindestlohn als auch Tariflöhne müssen die Ehrlichen schützen, sowohl die ehrlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch die ehrlichen Unternehmerinnen und Unternehmer. Weil der Mindestlohn an dieser Stelle den schwarzen Schafen einen Riegel vorschiebt und das Thema gute Arbeit und Wohlstand in Sachsen sichert, ist der Mindestlohn ein Erfolg. Wir werden weiter daran arbeiten.
Wir werden ihn weiterentwickeln. Natürlich ist für uns das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Aber dazu in der zweiten Runde.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es erst einmal richtig, dass wir über das Thema Arbeitsmarktpolitik, über das Thema gute Löhne sprechen. Ich hatte in meinem ersten Beitrag klargestellt, dass ich das für eine absolute Zukunftsfrage in diesem Land halte, und ich finde es auch schön, dass wir neben dem Mindestlohn auch weitere Erfolge, wie die Parität bei der Krankenversicherung, aufzählen.
Eines gefällt mir in der Debatte nicht, und zwar die Frage: Wer hat es erfunden? Die betroffenen Menschen im Niedriglohnbereich interessiert das herzlich wenig.
Als die SPD den Mindestlohn von 7,50 Euro gefordert hat, hat DIE LINKE gesagt: Wir wollen den Mindestlohn von 8,50 Euro. Da haben wir den Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt. Dann haben Sie gesagt, wir fordern jetzt den Mindestlohn von 10 Euro.
Ja, warten Sie doch kurz. Ich finde, man sollte so einfach nicht diskutieren. Sie müssen sich einmal die Frage stellen: Zählt das Erreichte oder reicht das Erzählte? Zählt das Erreichte, nämlich die praktische Einführung des Mindestlohns, oder reicht es in Dutzenden von Anträgen, sich vor die Leute zu stellen und immer nur zu reden? Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben den Mindestlohn durchgesetzt. Das ist unser Erfolg. Wir gestehen gern ein, dass Sie auch dafür waren, aber lassen Sie doch bitte dieses „Wir hatten mehr, sie hatten weniger“. Es ist ein großer Erfolg, von dem wir aber nicht so tun dürfen, als wenn er alle Probleme löst.
Das ist Punkt 1.
Punkt 2: Es ist ein großer Erfolg, aber wir sollten nicht so tun, als sei er in Stein gemeißelt. Wir haben hier in der Debatte gemerkt, dass es auch in diesem Land politische Kräfte gibt, die am liebsten den Mindestlohn wieder abschaffen würden.
Deshalb lassen Sie uns alles dafür tun, dass das nicht passiert, sondern dass wir weiter sehr vernünftig darüber diskutieren, wie der Mindestlohn, wie generell die Stärkung von Löhnen in Deutschland verbessert werden kann. Ich finde dabei den einfachen Grundsatz, dass jemand, der Vollzeit arbeiten geht, nicht weniger als 2 000 Euro Brutto verdienen sollte, als eine wichtige Orientierung. Das geht zum Teil mit Mindestlöhnen, es geht aber auch in jedem Fall durch die Stärkung der Tarifbindung in diesem Land. Deshalb lassen Sie uns diese Debatte in den Mittelpunkt stellen und nicht irgendwelche Debatten „Wer hat es erfunden?“
Ich bin zum Schluss gekommen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der 1. September als Weltfriedenstag
ist für uns alle ein Tag des Gedenkens und des Erinnerns an den Beginn des Zweiten Weltkrieges durch den Überfall Deutschlands auf Polen. Das Ergebnis war ein zerstörtes Europa, Millionen Tote und der einmalige Zivilisationsbruch der Shoa.
Seit Langem diskutieren wir über die Konsequenzen daraus. Es sind unterschiedliche Konsequenzen, und es gibt nicht die eine Konsequenz. Einige davon wurden angesprochen.
Die erste ist überragend wichtig: Von deutschem Boden darf kein Krieg ausgehen. Wir alle sind in der Verantwortung, uns für den Frieden in Europa und in der Welt einzusetzen. Wir haben für uns in Europa und für uns als Deutschland die Konsequenz daraus gezogen, dass dieser Frieden das Ergebnis von internationalem Austausch und Diplomatie sein muss und nicht von gegenseitiger Abschreckung und Hochrüstung. Deshalb ist die richtige Konsequenz, die wir am Weltfriedenstag als Erstes hochhalten müssen, ein gemeinsames Europa als Friedensprojekt.
Niemand hat behauptet, dass das Friedensprojekt Europa einfach wird. Wir erleben, seitdem es Europa gibt, Debatten darüber, was uns Europa bringt, was es uns nicht bringt und welche Probleme es bringt. Wir leben das erste Mal in einer Zeit, in der es Menschen gibt, die glauben, Europa in Gänze infrage stellen zu müssen, und neue nationale Egoismen proklamieren.
Wir sollten an einem Tag wie dem Weltfriedenstag ganz klar sagen: Eine Rückkehr zu nationalem Egoismus darf es nicht geben. Wir müssen das europäische Haus weiterbauen und festigen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die zweite Konsequenz möchte ich auch vor dem Hintergrund der Debatten der letzten Tage, Wochen und Monate nennen: Das ist das deutsche Asylrecht. Wer politisch verfolgt wird, genießt in Deutschland Asyl. Das ist in unserem Grundgesetz festgeschrieben. Dieses Recht auf Asyl dürfen wir bei allen Debatten darüber, welche Menschen welchen Flüchtlingsstatus in Deutschland haben und welche nicht, niemals infrage stellen lassen. Das Grundrecht auf Asyl steht auch als Konsequenz aus dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland niemals zur Debatte.
Die dritte Konsequenz ist fast tagaktuell. Heute Morgen wurde viel diskutiert, aber wir müssen uns klarmachen: Die Konsequenz aus dem Weltfriedenstag und aus dem Zweiten Weltkrieg ist, dass wir alle bei uns selbst anfangen müssen, um ein demokratisches, freies Deutschland in einem demokratischen, freien Europa zu erhalten.
Wir sollten dem ehemaligen Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde gut zuhören, wenn er mahnt: „Der freiheitlich säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Er meint damit: Ein freiheitlicher Staat kann seine Bürgerinnen und Bürger nicht zwingen, Demokraten zu sein, aber er ist darauf angewiesen, dass diese die Werte der Demokratie leben und mit vertreten. Das heißt, dass wir alle miteinander jeden Tag dazu aufgefordert sind, zu kämpfen und demokratische Werte zu vertreten. So wichtig Symbolpolitik und große Konzerte sind, allein helfen sie nicht.
Ich nehme sehr wohl die Debatte in Sachsen wahr, dass man sagt, wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht selbst an den großen Symbolen ergötzen. Ich nehme auch die mahnenden Stimmen wahr, die sagen: Die Angstpolitik, die manche Leute gezielt in dieser Gesellschaft verbreiten, trägt Früchte. Es gibt Menschen, die sich heute weniger als früher trauen, sich zu engagieren, obwohl sie es eigentlich wollen.
Deshalb mein Appell zum Schluss: Lassen Sie uns nicht zwischen guten und schlechten Demokratinnen und Demokraten unterscheiden, sondern jede und jeder darf seine Form wählen, auf die Straße zu gehen oder sich im Sportverein zu engagieren oder sein Kind ordentlich zu erziehen. Das alles ist ein Beitrag zu Freiheit, zu Demokratie und zu Frieden in der Gesellschaft.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Auch ich möchte eine Kurzintervention halten. Als Erstes ist es mir wichtig aufzuklären: Herr Wendt hat dargestellt, dass die AfD Opfer hier in dieser Gesellschaft wäre und sich an dieser Stelle nie Vertreter anderer Parteien dahin gehend geäußert hätten, dass körperliche Angriffe auf AfD-Politikerinnen und -Politiker nicht in Ordnung wären.
Diese Aussage von Herrn Wendt stimmt schlichtweg nicht, und das will ich auch nicht so stehenlassen. Immer wieder haben Vertreterinnen und Vertreter anderer Parteien, die hier im Plenum vertreten sind – insbesondere nenne ich meinen höchsten Vertreter, meinen SPDLandesvorsitzenden und stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig –, zum Ausdruck gebracht: Wir lehnen Gewalt als politisches Mittel entschieden ab und lassen uns auch von Ihnen nicht unterstellen, dass wir dazu keine klare Position hätten.
Als Zweites möchte ich sagen: Ich finde, es ist eine gewisse moralische Flexibilität – um es nicht Bigotterie zu nennen –, wenn man sich auf der einen Seite hier hinstellt und uns vorwirft, wir hätten keine klare Position zum Thema Gewalt, und auf der anderen Seite vor nicht einmal einer Woche Hand in Hand, untergehakt mit bekannten Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten, mit Neonazischlägern gemeinsam demonstriert hat. Das passt nicht zusammen: jemandem vorzuwerfen, sie hätten keine klare Position, und dann in Chemnitz zusammen mit Neonazischlägern zu demonstrieren. Das finde ich eine unlautere Argumentation.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Weltfriedenstag möchte ich gern noch einen anderen Aspekt in die Debatte einbringen, und zwar mit einem meiner absoluten Lieblingszitate. Ich finde, es passt zu solch einem Tag, Anne Frank zu zitieren. Sie hat gesagt: „Wie herrlich es ist, dass niemand eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu verändern.“ Wissen Sie, was ich an diesem Zitat so toll finde? Es zeigt zunächst einmal, dass diese Welt gestaltbar ist. Alle schlechten Entwicklungen dieser Welt sind nicht unabwendbar. Das Zweite ist: Sie macht klar, dass die Geschicke in dieser Gesellschaft in unseren Händen, in den Händen der Bürgerinnen und Bürger, liegt. Das Dritte ist: Ich finde, aus diesem Zitat spricht so etwas unendlich Optimistisches und Positives. Denn wir in diesem Saal und auch viele Sächsinnen und Sachsen beschweren sich darüber, dass die ganze Zeit nur über Probleme in Sachsen berichtet wird. Wir haben zum Weltfriedenstag in dieser Aktuellen Debatte auch nur über Probleme gesprochen. Ich finde, dann dürfen wir uns nicht wundern.
Ich finde, wir müssen an dieser Stelle sagen: Wenn es darum geht, unsere Gesellschaft zum Positiven zu verändern, dann gibt es in unserem Land ganz viele tolle Leute, die genau das Tag für Tag tun. Ich denke dabei an Menschen, die sich in der Entwicklungshilfe ehrenamtlich engagieren, die ihren Sommerurlaub opfern, um als Ärztin oder Arzthelferin zu wirken. Ich denke an Menschen, die in kirchlichem Kontext tagtäglich dabei mithelfen, das Recht auf Asyl zu verwirklichen, indem sie Geflüchtete und Schutzsuchende unterstützen. Ich denke natürlich auch an die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich in Sachsen in den Initiativen für Demokratie und gegen Rassismus engagieren. Lassen Sie uns doch die, die im besten Sinne Anne Franks handeln, hier einmal lobend hervorheben, denn auch das ist Sachsen, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Lassen Sie uns deshalb an einem solchen Tag gegenseitig in die Hand versprechen, dass wir diesen Menschen, die sich hier engagieren, Steine aus dem Weg räumen. Wir fördern sie in Sachsen nicht nur über das Projekt „Weltoffenes Sachsen“, denn auch Jugendhilfe per se ist Demokratieförderung, und auch Ehrenamtsförderung ist Demokratieförderung. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass ihnen auch weiterhin die Steine aus dem Weg geräumt werden. Was hilft es, wenn wir als Sachsen, als Freistaat, auf Landesebene mit der Abschaffung der Demokratieklausel klarmachen, dass wir die Initiativen gegen rechts unterstützen, wenn vielleicht der eine oder andere Kleingeist auf kommunaler Ebene dann doch wieder diesen engagierten Menschen mit Misstrauen begegnet? Was hilft es, wenn wir als Land sagen: Wir wollen, dass Entwicklungshilfe vom Land gefördert wird, wenn der eine oder
andere sagt: „Kümmere Dich doch um die Probleme vor Ort!“ Nein, lasst uns genau so nicht argumentieren! Jeder Mensch, egal, für wen und was er sich engagiert – solange es im Sinne von Gerechtigkeit und Frieden ist –, ist ein Mensch, den wir brauchen und den wir unterstützen wollen und müssen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der GRÜNEN strebt die Einführung eines Rechts auf Weiterbildung für sächsische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an. Wir als SPDFraktion halten das im Grunde für eine gute Idee. Wir haben in der letzten Legislaturperiode selber dazu einen Gesetzentwurf eingebracht und in den letzten Jahrzehnten in 14 von 16 Bundesländern maßgeblich an der Durchsetzung eines solchen Rechts auf Weiterbildung gearbeitet.
Bildungsfreistellung ist für uns deshalb wichtig, weil wir damit das Motto des lebenslangen Lernens in die Realität umsetzen wollen. Wir dürfen nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben. Wir wollen als Staat deutlich machen, dass wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen unterstützen, sich in ihrem Arbeitsleben weiterzuentwickeln, ihre Persönlichkeit und ihr Engagement in dieser Gesellschaft zu stärken. Deshalb erhält ein Arbeitnehmer die Zeit, um sich beruflich, allgemein oder auch politisch weiterzubilden. Das ist und war Grundsatz sozialdemokratischer Arbeitsmarktpolitik. Wir erleben eine Situation, in der wir in Deutschland in einem Fachkräftewettbewerb sind. Auch unter diesem Aspekt sollte man darüber nachdenken, ob ein kluges Recht auf Weiterbildung nicht auch ein Standortfaktor sein könnte.