Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Schuld daran ist demnach nicht die CDU,

(Jörg Urban, AfD: Doch!)

obwohl sie jahrelang die aufziehende Krise ignoriert hat und bis heute nicht ausreichend angemessen reagiert, nein, Schuld sind natürlich die Flüchtlingskinder, die unsere Klassen verstopfen und deshalb ausgesondert gehören. Die Herrschenden freisprechen, um sich anzubiedern. Sie sind ja eine feine Opposition!

Wir kennen Ihre Masche, Damen und Herren von der AfD-Fraktion: Sie wollen diejenigen gegeneinander hetzen, die eigentlich gemeinsam für bessere Bildung kämpfen müssten, nämlich Kinder, Eltern und Großeltern aus Deutschland und aus anderen Ländern. Mit Ihrer Leier sind Sie nicht einmal besonders kreativ, aber Kreativität darf man von Ihnen sowieso nicht erwarten. Ihre Idee ist ganz offensichtlich abgekupfert und ihr Ursprung ist keine Überraschung.

Ich zitiere: „Bei den Neuaufnahmen ist darauf zu achten, dass die Zahl der Reichsdeutschen, die nicht arischer Abstammung sind,

(Widerspruch bei der AfD)

unter der Gesamtheit der Besucher jeder Schule und jeder Fakultät den Anteil der Nichtarier an der reichsdeutschen Bevölkerung nicht übersteigt.“

(Karin Wilke, AfD: Ganz großes Kino! – Lachen bei der AfD)

So weit die in Bürokratensprache gefasste Menschenverachtung in § 4 des Gesetzes gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen mit Stand vom 26. April 1933. Die Väter dieses Gesetzes wollten den Anteil der Juden in deutschen Schulen und Hochschulen möglichst gering halten. Eine Verordnung zum Gesetz beschränkte den Anteil auf 1,5 %. Ab 1939 durften jüdische Kinder in Deutschland übrigens überhaupt keine öffentlichen Schulen mehr besuchen.

(André Barth, AfD: Jetzt wird‘s kritisch!)

In einem Runderlass hieß es, „dass es keinem deutschen Lehrer mehr zugemutet werden kann, an jüdische Schulkinder Unterricht zu erteilen.

(André Barth, AfD: Jetzt bin ich betroffen, Herr Gebhardt! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück!)

Auch versteht es sich von selbst, dass es für deutsche Schüler unerträglich ist, mit Juden in einem Klassenraum zu sitzen.“ In diesem Ungeist steht Ihr Vorstoß. Sie wollen nun vorwiegend muslimische Kinder so weit wie möglich von den Schulen fernhalten.

(André Barth, AfD: Wo steht das in dem Antrag?)

Sie sagen, deutsche Lehrer für deutsche Kinder. Ausländer raus aus den Regelschulen.

(Silke Grimm, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Sie gaukeln vor, dass damit irgendein Problem gelöst wäre. Mitnichten.

Meine Damen und Herren! Am 27. Januar gedachten wir wie die meisten übrigen Mitglieder dieses Hohen Hauses aufrichtig der Opfer des Nationalsozialismus.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? –

Eine Lehre aus der Schreckenszeit steht in Artikel 3 des Grundgesetzes: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Ist es schon wieder so weit, dass wir an dieser zivilisatorischen Errungenschaft rütteln sollen? Nein, meine Damen und Herren, das werden wir niemals zulassen. Wir werden auch nicht müde aufzuzeigen, wessen Geist Sie wirklich in sich tragen.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Kollegin Schaper für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt kommt eine Kurzintervention von Frau Kollegin Grimm.

Frau Schaper, vielleicht lesen Sie unseren Antrag einmal in der richtigen Fassung und überlegen bitte, dass wir das Bildungsniveau in Sachsen erhalten und verbessern wollen, denn das geht sonst immer weiter nach unten. Das können wir uns nicht erlauben, weder für die Wirtschaft noch für die Unternehmen.

(Widerspruch bei der CDU)

Das war die Kurzintervention von Frau Kollegin Grimm. Jetzt kann Frau Kollegin Schaper, auf deren Redebeitrag sich diese bezog, reagieren.

Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Grimm, ich weiß nicht, welche Fassung Sie haben. Ich habe die, die im EDAS zu finden ist.

(Zuruf von der AfD: Da steht nichts von Moslems drin!)

Ich nenne Ihnen nur einen Punkt, und dann können Sie die Parallelen ziehen: „Es ist zu prüfen, ob für die Beschulung der schulpflichtigen ausländischen Kinder und Jugendlichen in Vorbereitungsklassen die Räumlichkeiten der Volkshochschulen genutzt werden können.“ – So viel dazu.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich hätte für Sie das Reichskriegsgesetz noch mit.

(Widerspruch bei der AfD)

Frau Grimm, die Kurzinterventionen sind verbraucht.

Wir müssen jetzt in der Redereihe weitermachen. Als Nächste spricht für die SPD-Fraktion Frau Pfeil-Zabel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Patrick Schreiber und auch die Kollegin Schaper haben schon sehr viel dazu gesagt, welch wichtige Integrationsleistung Schule überhaupt bietet und in wie vielen Punkten dieser Antrag einfach absurd ist. Ich lege meine Vorbereitung zur Seite, denn ich schäme mich für diesen Antrag. Ich schäme mich, dass diesem Haus ein Antrag vorliegt, der in Kinder erster und zweiter Klasse unterteilt.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich schäme mich auch dafür, dass in der Begründung unterstellt wird, nur mit der Selektion könne ein reibungsloser und störungsfreier Schul- und Unterrichtsbetrieb gewährleistet werden. Was ist das?

(Staatsminister Christian Piwarz: Das ist Rassismus!)

Das ist Rassismus. Danke schön, Herr Minister.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich schäme mich auch dafür, dass wir offensichtlich darüber debattieren müssen, ob wir Kindern im Freistaat die Möglichkeit geben, sich zu vernetzen, ihnen die Möglichkeit geben, Freunde zu finden, ihnen die Möglichkeit geben, eine Perspektive im Leben zu finden. Das beschämt unser Haus, und das darf an dieser Stelle nicht passieren! Es sind Kinder. Wir haben eine UNKinderrechtskonvention, der wir uns alle verpflichtet fühlen. Das ist heute kein guter Tag für den Sächsischen Landtag. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Jeder Euro, den wir im Doppelhaushalt für DaZ-Klassen, für Personal, für grundständig ausgebildete Lehrer ausgeben, die Kinder beschulen, egal, woher sie kommen, wie alt sie sind, wie sie aussehen, ob mit oder ohne Behinderung, ist an der richtigen Stelle eingesetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Antrag ist beschämend für das Haus. Ich möchte Sie alle von Herzen bitten, ihn abzulehnen. Mehr kann man dazu leider nicht sagen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Schließlich spricht für die Fraktion GRÜNE Frau Zais.

Danke, Herr Präsident. Der Antrag der AfD, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, steht in der Tradition – das muss man hier auch nach der jetzigen Debatte feststellen – eines destruktiven und antidemokratischen Politikstils, der – und auch das muss man hier ganz klar sagen – von Rassismus, aber auch von Stigmatisierung und Ausgrenzung lebt. Wir gegen die – ein Handlungsmuster, das wir aus der Geschichte, einschließlich der bitteren Konsequenzen, kennen.

Die Kollegin Schaper hat – und ich möchte mich ausdrücklich für die gute Rede hier, liebe Susi, bedanken – auf die historischen Parallelen verwiesen. Nun fällt eine weitere Hürde, und das ist auch für mich beschämend. Es fällt eine weitere Hürde; denn dem bisher von Ihnen stigmatisierten Personenkreis werden erstmals Kinder hinzugefügt. Geht es nach Ihnen, sollen Kinder von Geflüchteten nach gänzlich anderen Grundregeln unterrichtet werden als alle anderen. Sie wollen diese Kinder separieren: raus aus den Schulen, Abschiebung aus der Gesellschaft und dem öffentlichen Leben, und all das nach Ihrer Lesart ausschließlich zum Wohle der deutschen Schüler.

(Dagmar Neukirch, SPD: Nicht nur der sächsischen!)

Denn das geflüchtete Kind mit seinem verfassungsmäßig garantierten Anspruch auf Bildung trägt die Schuld an allen Defiziten im System.

(Karin Wilke, AfD, steht am Mikrofon.)

Es sind nicht die Mängel in der Bildungspolitik, nicht fehlende Ressourcen in den Kommunen für den Bau von Schulen oder Kitas oder Sozialarbeit.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?