Protokoll der Sitzung vom 31.05.2018

Im Klimaschutzplan 2050 hat die damalige Bundesregierung im Jahr 2016 die Einsetzung einer Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Regionalentwicklung“ festgehalten. Im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD wurde dieses Ziel zur Einsetzung einer solchen Kommission mit dem Titel „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ bekräftigt.

Unter Einbeziehung von Akteuren aus Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften sowie betroffenen Ländern und Regionen soll auf der Basis des Aktionsprogrammes Klimaschutz 2020 sowie des Klimaschutzplanes 2050 bis Ende 2018 ein Aktionsprogramm erarbeitet werden. Wir wollen die Energiewende zum Treiber für Energieeffizienz, Modernisierung und Innovation im Digitalisierungs-, Strom-, Wärme-, Landwirtschafts- und Verkehrssektor entwickeln. Dabei darf die internationale Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährdet werden. Wir wollen weiterhin eine starke Marktorientierung der erneuerbaren Energien, Investitionen in Speichertechnologien und intelligente Vermarktungskonzepte fördern.

Ziel ist es, die Versorgungssicherheit immer zu gewährleisten und die EEG- und Systemkosten so gering wie nur möglich zu halten. Die erneuerbaren Energien müssen sich zukünftig mehr den Bedingungen der Marktwirtschaft stellen. Deshalb sagen wir: Schluss mit der Umverteilung! Die Gleichrangigkeit von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit ist und bleibt

die Richtschnur des energiepolitischen Handelns in Sachsen.

Nun wurde gestern die Gründung der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ von der Tagesordnung des Bundeskabinetts genommen. In Anbetracht dessen, dass das Gremium bis Ende 2018 Ergebnisse liefern soll, ist das absolut ungünstig. Mit dem Blick auf die Dimension der Aufgabe und den Zeitplan sollte das Gremium schnell seine Arbeit aufnehmen können. Die Menschen in den Revieren warten auf verlässliche Aussagen über ihre Zukunft, und das sollte Politik ernst nehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, dieses Thema zum jetzigen Zeitpunkt auf die Tagesordnung des Sächsischen Landtags zu setzen ist allerdings völlig überflüssig.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Ihr Beschlussentwurf kommt einer Vorfestlegung gleich. Kollegin Dr. Pinka hat eben auf das Konsensprinzip hingewiesen und es ins Gespräch gebracht, und ich dachte schon: Irgendetwas ist bei der LINKEN passiert, dass sie vielleicht auch einmal realistisch an die Dinge herangeht. Dann hat sie aber doch noch den entscheidenden Punkt gebracht und gesagt: „Eines wollen wir vor die Klammer ziehen“ – also doch Vorfestlegungen! Dazu sage ich: Dann brauchen wir die Kommission doch überhaupt nicht erst einzusetzen. Lassen Sie doch die Kollegen und Experten erst einmal arbeiten. Wenn Sie die Ergebnisse der Kommission im Vorhinein festlegen wollen und alles besser wissen, dann brauchen wir keine Expertenkommission.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Bevor die Besetzung des Gremiums und weitere Zuständigkeiten nicht geklärt sind, sind Forderungen inhaltlicher Art verfrüht. Zu diesem Zeitpunkt gibt es noch kein Arbeitsprogramm, somit können keine festen Aussagen getroffen werden. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist nur bekannt, dass Stanislaw Tillich mit Matthias Platzeck dieses Gremium leiten wird. Weitere Teilnehmer des Gremiums sind in der Diskussion, aber nicht abschließend bekannt. Entgegen den Meinungen der Opposition – jedenfalls, was ich medial lesen konnte – bin ich aber der festen Überzeugung, Stanislaw Tillich ist die richtige Wahl. Ich will Ihnen auch gern begründen, warum:

Erstens. Er ist ein ruhiger und überlegter Verhandler und wird sich für die Interessen des Freistaates und der Reviere einsetzen, wie er es als Ministerpräsident jahrelang unter Beweis gestellt hat.

Zweitens. Stanislaw Tillich ist von Haus aus Ingenieur. Auch das zeichnet ihn aus. Ein Ingenieur wird nichts beschließen, was nicht funktioniert. Ich denke dabei an die realitätsfernen Vorschläge der Denkfabrik Agora.

(Heiterkeit und Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Als Teil der Kommission haben Sie nun die Möglichkeit, jene an prominenter Stelle vorzutragen. Mit Stanislaw Tillich haben wir einen Mann an der Spitze, der diese Idee moderieren kann. Bei ihm brauchen wir keine Angst zu haben, dass der Industrienation Deutschland das Licht ausgeht,

(Marco Böhme, DIE LINKE: Die darf man eh nicht haben!)

und vor allem, was noch viel wichtiger ist:

Drittens. Er genießt das Vertrauen der Kumpel vor Ort. Das hatte er sich als Ministerpräsident erworben, weil er immer an der Seite der Kumpel im Revier stand. Dieses Vertrauen zahlt sich nun aus. Ohne dass die Menschen den Wandel in der Lausitz und im mitteldeutschen Braunkohlerevier aktiv mitgestalten, wird dieses Projekt scheitern. Ein Stanislaw Tillich kann dies den Menschen vermitteln und den Wandel zum Erfolg führen. Was wir im Jahr 2018 beginnen, wird 30 Jahre dauern, genauso wie es auch bei der Steinkohle im Ruhrgebiet 30 Jahre gedauert hat.

Nun zum Inhalt Ihres Antrages. Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, Ihre Forderung, eng mit dem Land Brandenburg zusammenzuarbeiten, ist schon realitätsfern. Sprechen Sie mit Ihren Genossen im Nachbarland. Diese sind nämlich gerade Teil der dortigen Landesregierung und würden Ihre Forderung aufgrund der Arbeitsplätze niemals unterstützen.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Wir lehnen Ihre Forderung, 7 Gigawatt der ältesten Kohlekraftwerke abzuschalten und das 1,5-Grad-Ziel nur – ich betone: nur – auf die Thematik der Braunkohle festzuschreiben, aus folgenden Gründen ab:

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Wir sind der Auffassung, ein Ausstieg aus der Braunkohle darf vernünftigerweise nicht vor 2050 erfolgen. Braunkohle sichert die stabile Versorgung unserer Industrienation und sorgt für die Leistungsfähigkeit unserer Unternehmen. Erneuerbare Energien sind auf absehbare Zeit nicht in der Lage, die gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu stemmen. Aus diesem Grund ist eine verlässliche Nutzung fossiler Brennstoffe nach wie vor unausweichlich. Die Kohlekumpel in den Revieren arbeiten keinesfalls, wie medial oftmals gern verlautbart, in Giftfabriken, sondern sie tragen zu unser aller Wohlstand bei.

Ein übereilter Ausstieg aus der Braunkohleverstromung würde in meinen Augen zu massiven Deindustrialisierungseffekten führen. Besonders die Lausitz sowie das Leipziger Braunkohlerevier würden dadurch erneut vor gravierende strukturelle Probleme gestellt werden. Bereits seit 1990 gab es einen ersten Transformationsprozess. Arbeitsplätze sind über Nacht weggebrochen und Tagebaue sowie Kraftwerke – Ihre Vorgänger hatten dies zu verantworten – wurden aus Umweltschutzgründen geschlossen.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Ich habe keinen Vorgänger!)

Im Braunkohlerevier sind 10 000 Menschen beschäftigt. Diese Arbeitsplätze gingen verloren und die Regionen hätten mit einem gravierenden Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu kämpfen. Das Wegbrechen der Zulieferindustrie würde diesen Effekt weiter verstärken. Der Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen sowie steigende Sozialabgaben würden die Kommunen in einen Zustand der Handlungsunfähigkeit versetzen. Es ist ein falsches politisches Zeichen, einen vorzeitigen strukturellen Wandel in den Revieren zu unterstützen. Das Frustpotenzial der betroffenen Menschen wäre enorm. Wir würden sie bei der Bewältigung des Wandels verlieren. Damit aber der Wandel erfolgreich gelingt, sind wir auf die Hilfe und das Mittun der Menschen in den Revieren angewiesen.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Er hat doch noch gar nicht angefangen!)

Vor allem die Braunkohlereviere tragen immanent zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nach

Artikel 72 Abs. 2 des Grundgesetzes bei. Auch die Strompreise sollen sich noch in einem vermittelbaren Rahmen bewegen. Bereits jetzt zahlen wir 10 Cent mehr pro Kilowattstunde als unsere europäischen Nachbarn. Hier ist die Grenze unserer Vermittlungsfähigkeit längst erreicht. Wir müssen weiter zu einer Abschaffung der Umverteilung kommen und wieder den Markt die Preise regeln lassen. Die erneuerbaren Energien müssen nun auf eigenen Beinen stehen, und das Grüne Marketing muss ein Ende haben.

Gern möchte ich an das Thema Sicherheitspartnerschaft erinnern. Die Braunkohlenbranche hat auf eigene Initiative – auch, um die von Ex-Staatssekretär Baake vorangetriebene Klimaabgabe zu beerdigen – freiwillig eine Sicherheitsbereitschaft von insgesamt acht Kraftblöcken angeboten. Allein bei der MIBRAG im mitteldeutschen Braunkohlerevier entfallen dadurch 660 Arbeitsplätze. Bei der LEAG in der Lausitz sind es nochmals 600 Beschäftigungsverhältnisse. Diese weggefallenen 1 260 Arbeitsplätze bieten 1 260 Familien keine Zukunft mehr für einen gesicherten Unterhalt. Dies muss als Unterstützung für das Klima genügen, um nicht weiteres Vertrauen in die Demokratie zu zerstören.

Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, Verantwortung wahrzunehmen. Anderenfalls wird man uns die Akzeptanz für dieses gesamtgesellschaftliche Projekt der Energiewende kollektiv verweigern. Die Zeit bis 2050 sollte für die Begleitung eines verträglichen Strukturwandels genutzt werden und die Braunkohle bis dahin unangetastet bleiben. Ferner ist ohne ausreichende Kapazität von Energiespeichern kein Ausstieg aus der Kohleverstromung sinnvoll.

Mit Vorfestlegungen, 7,5 Gigawatt der ältesten Braunkohlekraftwerke abzuschalten, würden Tatsachen geschaffen. Konsequenzen sind dabei nicht ausreichend geprüft und gegebenenfalls Kompensationsmaßnahmen nicht eingelei

tet worden. Die genannten 7,5 Gigawatt sind eine willkürlich herausgegriffene Zahl, die nach hiesiger Einschätzung durch keine hinreichend gesicherten Untersuchungen untersetzt ist. Natürlich würde in Deutschland nicht das Licht ausgehen. Aber was es bedeuten würde, weiß man auch nicht. Deshalb sollten wir es nicht tun.

Zudem darf die Ausstiegsdebatte nicht ausschließlich auf Basis klimapolitischer 1,5-Grad-Ziele geführt werden. Auch die Ziele der Gewährleistung der Versorgungssicherheit, der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, der sozialen Ausgewogenheit, des Erhalts von Wertschöpfung und Beschäftigung in den betroffenen Revieren und die Möglichkeit zur Erwirtschaftung der Bergbaufolgekosten müssen in gleicher Weise berücksichtigt werden.

Ich hoffe, mit diesen Ausführungen deutlich gemacht zu haben, warum die CDU-Fraktion aus diesen vielen Gründen Ihren Antrag ablehnen wird.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Nun die SPD-Fraktion. Herr Abg. Vieweg. Sie haben das Wort, Herr Vieweg.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Pinka, Ihr Antrag beinhaltet Aufforderungen zur aktiven Mitgestaltung des Braunkohleausstieges und des in diesem Zusammenhang stehenden Strukturwandels. Das ist aus meiner Sicht erst einmal nicht verkehrt, denn Sachsen ist davon in ganz besonderem Maße in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier betroffen. Das verbinden Sie mit freundlichen Hinweisen, was jetzt aus Ihrer Sicht zu tun ist.

Sie picken sich wahlweise die Rosinen heraus aus Ihren linken Grundsatzpapieren, aus Wasserstandsmeldungen, aus den gescheiterten Jamaika-Koalitionsverhandlungen – alles Schnee von gestern –, und Sie spekulieren auch auf mögliches Fehlverhalten in unseren sächsischen Energieunternehmen –, in der LEAG und in der MIBRAG. Das liest sich aus meiner Sicht ein Stück weit wie eine Verschwörungstheorie.

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Deshalb versuchen Sie wieder einmal, uns hier eine Debatte um das Thema Sicherheitsleistungen aufzuzwingen, obwohl Sie ganz genau wissen, dass der Wirtschaftsminister schon im Jahr 2016 auf einen neuen Ansatz hingewiesen hat. In Sachsen geht es nämlich nicht mehr darum, Gewinne zu privatisieren und das Risiko zu sozialisieren,

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

sondern es geht mit der Fortschreibung der neuen Rahmenbetriebspläne auch hier um einen neuen Ansatz. Das haben wir im Hohen Haus mehrfach besprochen.

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Sie versuchen hier immer wieder, Sand ins Getriebe zu bringen. Darauf wollte ich noch einmal hinweisen.

(Zuruf der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, auch angesichts der gestern geführten Debatte um die Windenergie: Ich mache mir große Sorgen, sehr geehrte Kollegin Pinka: Ihre Energiepolitik hat mit Vernunft und Augenmaß nichts mehr zu tun.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Also, Herr Vieweg, wirklich!)

Frau Pinka, die Menschen in Brandenburg und in Sachsen beobachten ganz genau, was wir in diesem Hohen Haus tun. Sie sehen, dass die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ für uns wichtig ist. Das hat für uns eine sehr hohe Priorität.

Aus diesem Grund bin ich sehr froh, dass zum Beispiel Stanislaw Tillich, aber auch Matthias Platzeck im Gespräch sind. Ich bin mir sicher, dass wir mit diesen beiden Personalien – damit komme ich auf Ihren Konsensbegriff zu sprechen – die Interessen von Sachsen und Brandenburg im Konsens gut vertreten wissen.

(Zuruf von den LINKEN)