Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

Artikel 6, Änderung des Generationsfondsgesetzes. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte. Gibt es Stimmenthaltungen? – Eine ganze Reihe von Stimmenthaltungen, dennoch ist Artikel 6 mit Mehrheit zugestimmt.

Artikel 7, Änderung des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hier wieder eine ganze Reihe von Stimmenthaltungen, keine Gegenstimme. Damit wurde Artikel 7 mit Mehrheit zugestimmt.

Artikel 8, Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Sächsischen Aufbaubank/Förderbank. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hier eine Reihe von Stimmenthaltungen, keine Gegenstimmen. Artikel 8 wurde mit Mehrheit zugestimmt.

Artikel 9, Folgeänderungen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen?

Auch hier wieder Stimmenthaltungen und keine Gegenstimmen. Damit ist Artikel 9 mit Mehrheit angenommen.

Artikel 10, Bekanntmachungserlaubnis. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Mit Stimmenthaltungen und ohne Gegenstimmen wurde Artikel 10 mit Mehrheit angenommen.

Artikel 11, Inkrafttreten, Außerkrafttreten. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – auch hier Stimmenthaltungen, keine Gegenstimmen. Artikel 11 wurde mit Mehrheit angenommen.

Nun folgt noch der Anhang zu Artikel 2, Nr. 44. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch hier bei Stimmenthaltungen und keiner Gegenstimme mit Mehrheit Zustimmung.

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt noch einmal über den gesamten Gesetzentwurf abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Anzahl von Stimmenthaltungen, keinen Gegenstimmen wurde dem Gesetzentwurf zum Gesetz zugestimmt.

Meine Damen und Herren! Mir liegt ein Antrag auf unverzügliche Ausfertigung dieses Gesetzes vor. Widerspricht dazu jemand? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 9

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Ausführung des Prostituiertenschutzgesetzes im Freistaat Sachsen

(Sächsisches Prostituiertenschutzausführungsgesetz – SächsProstSchGAG)

Drucksache 6/11829, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 6/13702, Beschlussempfehlung des Ausschusses für

Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration

Es gibt eine allgemeine Aussprache. Die CDU beginnt, danach folgen DIE LINKE, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Schreiber, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Gesetzesodyssee, wenn ich das so sagen darf, findet heute ihren Höhepunkt. Wir beschließen heute das Gesetz zur Ausführung des Prostituiertenschutzgesetzes für den Freistaat Sachsen. Man hat an der Aktion heute Morgen und auch, wenn ich die Presse der vergangenen und vorvergangenen Woche lese, das Gefühl, dass auch hier politische Bildung zu kurz gekommen ist; denn bei dem, was in der Presse

sowie heute Morgen hier mitzuteilen versucht wurde, dass man gegen die Registrierung, gegen die Anmeldung usw. ist, hat man anscheinend nicht verstanden, was wir hier eigentlich machen.

Wir machen als Freistaat Sachsen nichts anderes, als ein Bundesgesetz in sächsisches Landesrecht zu überführen. Wir machen nichts anderes als das, was der Deutsche Bundestag auf Bundesebene sich einfallen lassen bzw. beschlossen hat, so umzusetzen, dass auch hier im Freistaat Sachsen diesem Bundesgesetz entsprochen wird.

Schauen wir in den Ursprung des Themas, so müssen wir in das Jahr 2002 blicken. Damals haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der SPD regiert. Damals wurde das Thema Prostitution in Deutschland in ein

legales Licht gerückt und die Prostitution legalisiert. Man hat sich über Jahre hinweg das Thema angeschaut und ist zu dem Schluss gekommen, dass es seit 2002 an der einen oder anderen Stelle sicherlich Handlungsbedarf gibt, um den einen oder anderen, der in diesem Gewerbe arbeitet, besser vor Menschenhandel, vor Ausbeutung, vor Verschleppung und Ähnlichem zu schützen.

Allerdings – das will ich deutlich sagen, weil es genau das ist, was scheinbar nach außen hin nicht verstanden wurde – beschließt nicht der Sächsische Landtag darüber, dass sich Prostituierte oder Personen, die in diesem Gewerbe tätig sind, anmelden müssen. Das ist bereits Bundesgesetzgebung. Genauso wenig beschließt der Sächsische Landtag darüber, dass sich diese Damen und Herren gesundheitlich beraten lassen müssen. Das ist bereits seit dem 01.07. des vergangenen Jahres Gesetzeslage. Theoretisch hätte auch seit dem 01.07. des vergangenen Jahres ein sächsisches Ausführungsgesetz auf dem Tisch liegen müssen.

Nun sind wir ein Jahr später. Das kann man kritisieren. Dem kann man nachlaufen. Wir hatten aus meiner Sicht, parlamentarisch gesehen, ein sehr gutes Verfahren. Wir haben im Sozialausschuss eine sehr interessante Anhörung gehabt. Ich denke, wenn Sie sich die Änderungsanträge, die seitens der Koalition im Sozialausschuss beschlossen wurden, anschauen, dann trifft das im Prinzip das, was in der Anhörung immer wieder deutlich wurde.

Worum geht es? Es geht darum, den oder die Prostituierte zu schützen, deshalb auch der Name des Gesetzes. Es geht nicht darum, wie uns heute Morgen der Eindruck vermittelt werden sollte, irgendjemanden zu gängeln oder zu stigmatisieren, sondern es geht zuallererst darum, illegale Machenschaften, die in diesem Gewerbe heute nach wie vor an der Tagesordnung und teilweise selbstverständlich sind, aus der Illegalität herauszuholen. Es geht darum, Frauen, manchmal auch Männer, vor möglichen Freiern, vor Ausbeutung zu schützen. Es geht darum – und ich denke, das ist auch wichtig –, dass über Beratung, über Information die Möglichkeit eröffnet wird, beispielsweise aus Zwangslagen herauszukommen bzw. dass Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie man aus dieser Branche herauskommt, wenn man der Meinung ist, bisher nur so sein Geld verdienen zu können.

Ich will aber auch eines sagen: Der Schutz, der uns als Koalition wichtig ist, bedeutet nicht gleichsam – jetzt beziehe ich mich auf die berufliche Ausübung dieser Tätigkeit –, dass man damit automatisch bessergestellt sein muss als jeder andere, der in der Bundesrepublik Deutschland oder im Freistaat Sachsen einem Gewerbe nachgeht. Deshalb haben wir uns sehr intensiv damit auseinandergesetzt, welche Maßnahmen, die der Bundestag beschlossen hat, dies sind, die die Prostituierte oder den Prostituierten besonders schützen sollen. Wo wird dieser Schutzgedanke am meisten verfolgt? Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass vor allem die gesundheitliche Beratung und die Beratung an sich das Unterstützenswerte sind. Deshalb gab es für uns nach der Anhö

rung keine Frage, dass wir die Kosten, die damit verbunden sind, als Freistaat Sachsen tragen bzw. die Prostituierten selbst diese Kosten nicht tragen müssen.

Damit noch einmal deutlich wird – die Journalistin der „Sächsischen Zeitung“, die den Artikel so falsch geschrieben hat, ist anscheinend nicht hier: Es geht um Beratungskosten in einer Spanne zwischen 80 und möglicherweise 160 Euro, die für unter 21-jährige Prostituierte zweimal im Jahr anfallen würden. Es geht darum, dass es im Freistaat Sachsen ungefähr 80 bis 85 % Prostituierte gibt, die einen Migrationshintergrund haben bzw. circa zu 80 % unter 21 Jahre alt sind. Dort ist die klare Botschaft: Dieses Gesetz darf nicht dazu führen, dass jemand dieser Beratung nicht nachgehen kann, obwohl er gesetzlich dazu verpflichtet ist.

Wo wir allerdings ein Problem haben, sage ich ganz deutlich: Es gibt einen zweiten Passus, der die Frage der Anmeldung, der Registrierung betrifft. Der Bundesgesetzgeber schreibt vor, dass sich jeder, der in diesem Gewerbe arbeitet, künftig registrieren lassen muss. Man darf das nicht mit einer Gewerbeanmeldung gleichsetzen. Aber Fakt ist eines: Jeder gleich gelagerte Fall in diesem Land – sei es der Personalausweis, sei es der Pass, sei es der Führerschein, sei es ein Gesundheitszeugnis, seien es irgendwelche anderen Genehmigungen, die man beim Staat einzuholen hat – betrifft immer Verwaltungsvorgänge, die mit Gebühren belegt werden. Für uns ist deutlich, dass wir für eine bestimmte Klientel diese Ausnahme nicht machen werden, weil wir die Diskussion der Besserstellung mit allen anderen Menschen in dieser Gesellschaft nicht führen wollen, da es der Sache abträglich ist.

Deshalb haben wir uns als Koalition entschieden zu sagen: Wir bewegen uns im Level der anderen Länder, wenn wir diese Anmeldegebühr von 35 Euro erheben. Ich denke, das ist eine zumutbare Größe. Die Folgeanmeldungen – das wissen Sie – sind dann immer 15 Euro. Das ist, denke ich, auch nach draußen vermittelbar. Alles andere ist aus unserer Sicht nicht vermittelbar und würde zu vielen anderen Dingen querlaufen.

Ein letzter Aspekt, den ich ansprechen möchte, ist das Thema Datenschutz. Wir haben nicht nur professionelle Prostituierte, sondern auch Studentinnen und Studenten, nebenberufliche Prostitution, die das möglicherweise machen, um ihr Studium zu finanzieren oder anderes. Es ist klar, diese Damen und Herren haben ein Stück weit Angst davor, wo ihre Daten künftig registriert und gespeichert werden.

Dazu – das finde ich im Übrigen sehr schade – hat der Bundesgesetzgeber aus meiner Sicht so gut wie keine oder, wenn überhaupt, nur unzulängliche Ausführungen gemacht. Uns wurde sehr oft gesagt: Was ist denn, wenn ich mich jetzt registrieren lasse und künftig beispielsweise bei der Kommune für eine Stelle als Sachbearbeiterin oder Amtsleiterin oder sonst etwas bewerbe? Dann schaut die Kommune in die Datenbank – aus welchem Grund auch immer. Dann fällt auf einmal auf: Ach, da ist jemand während des Studiums anschaffen gegangen.

Dann sagen wir ganz deutlich: Dort braucht es klare Regelungen, und zwar so klar, dass sie nicht nur intern klar sind, sondern dass sie insbesondere für die Adressatinnen und Adressaten klar sind. Das heißt, wir bitten das SMS, gemeinsam mit den Kommunen zu schauen, welche Formen der Aufklärung im Sinne von Erklärung und Kampagne es bezüglich des Datenschutzes geben kann, mit welcher Form der Aufklärung und der Information man bei Anmeldung die Prostituierten darüber informieren kann, was mit ihren Daten geschieht und wer diese Daten überhaupt einsehen kann. Ich denke, es ist gerechtfertigt, dass es hier um sensible Daten geht. Wir alle kennen die Diskussion um das Thema Datenschutz. Ich glaube, hier ist es umso wichtiger.

Wir haben schlussendlich das Gesetz auf den Weg gebraucht. Das Gesetz wird – so hoffe ich – schnellstmöglich in Kraft treten, damit die Unsicherheiten, die es im Freistaat Sachsen gibt, geklärt werden. Ich bedanke mich bei allen, die konstruktiv mitgewirkt haben. Ich bedanke mich für die Diskussion und insbesondere bei den Damen und Herren, die uns in der Anhörung im Sozialausschuss sehr eindrucksvoll informiert und zur Seite gestanden haben. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetz.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Nun Frau Abg. Buddeberg für die Linksfraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Das ist die Kategorie, die man für das Prostituiertenschutzgesetz auf Bundesebene maximal noch finden kann; denn es geht an der Realität vorbei und es scheitert an der eigenen Intention. Man könnte meinen, das liegt am Thema; denn Prostitution führt in unserer Gesellschaft ein geduldetes Schattendasein. Das ist ein wenig das McDonald‘s-Phänomen: Angeblich geht niemand hin, aber immer ist die Bude voll.

Statistisch dürften auch hier im Saal einige sein, die schon sexuelle Dienstleistungen eingekauft haben. Gesprochen wird darüber natürlich nicht. Gleichzeitig ist es aber ein verruchtes Milieu mit einer ungeheuren Anziehungskraft. An gefühlt jedem zweiten Abend gibt es im Privatfernsehen eine sogenannte Reportage über St. Pauli, über den Straßenstrich, und Geschichten aus dem Rotlichtmilieu schaffen es gern einmal in die Tageszeitung. Gezeichnet wird dort ein verzerrtes Bild einer schaurig-schönen, schillernden Welt. Die Realität hingegen ist trist und gewöhnlich. Das erfährt, wer mit Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen spricht, die aufsuchende Arbeit im Bereich Sexarbeit machen, und das erfährt, wer mit den Betroffenen selbst spricht.

Diese Perspektive ist bei der Erarbeitung des Bundesgesetzes komplett ignoriert worden. Dabei gab es ausrei

chend Stellungnahmen von Sachverständigen und Selbstvertretungsorganisationen. Das ist genau das Problem, das diesem Gesetz zugrunde liegt: die Ambivalenz der Einordnung von Sexarbeit, einerseits seit 2002 legalisierter Beruf, andererseits mit dieser Sonderstellung. Hier liegt auch der Hund begraben; denn einerseits werden Sexarbeiterinnen kühl und nüchtern als Steuerzahlerinnen betrachtet, andererseits sind sie häufig in prekären Arbeitsverhältnissen, und die Grenze zu Ausbeutung und Zwangslage ist zumindest fließend.

Prostituierte sollen aber in der Gesellschaft möglichst unsichtbar bleiben. Dafür sorgt unter anderem die Sperrgebietsverordnung, die noch einmal verschärft wurde. Damit bleiben aber auch ihre tatsächliche Situation und ihre Problemlagen unsichtbar.

Was könnte man tun, um dieses Dilemma aufzulösen? Wir hätten dazu einige Vorschläge: zum Beispiel in aufsuchende Arbeit zu investieren, Rahmenbedingungen zu verbessern und Selbstvertretungen zu stärken. Das wäre sinnvoll.

(Beifall bei den LINKEN)

Stattdessen wurde ein kontraproduktives Gesetz verabschiedet, dessen Sächsisches Ausführungsgesetz wir heute beraten. Bezeichnend ist der Freudsche Versprecher, den ich in den ganzen Diskussionen häufig gehört habe: Nein, es heißt nicht „Prostitutionsschutzgesetz“, sondern „Prostituiertenschutzgesetz“, denn nicht die Prostitution soll geschützt werden, sondern die Prostituierten.

Wir diskutieren heute auch nicht über das Für und Wider von Sexarbeit an sich, sondern über die Möglichkeit, Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, vor Zwangsprostitution und Menschenhandel zu schützen. Der Gedanke, der dem Bundesgesetz zugrunde liegt, ist so simpel wie nachvollziehbar: Man geht davon aus, dass ein verpflichtender regelmäßiger Kontakt zu Behörden offenbart, ob sich Sexarbeiterinnen in Zwangslagen befinden. Deshalb werden Anmeldung und Gesundheitsberatung vorgeschrieben.

Es gab breite Kritik am Bundesgesetz, denn die Anmeldung und die Registrierung führten erst einmal zu einer starken Verunsicherung. Es ist sowieso schon ein tabuisiertes Arbeitsfeld und die Ausübung, wenn sie herauskommt, ist rufschädigend. Das wird deutlich am Beispiel der Studentin, die ihr Studium mit erotischen Massagen finanziert, die nunmehr auch unter das Gesetz fallen. Dann ist das Risiko groß, dass nach dem Studium ein potenzieller Arbeitgeber über die Registrierung von dieser Finanzquelle erfährt, insbesondere auch deshalb, da zur Einführung des Gesetzes die Datenschutzaspekte völlig unklar waren und in Sachsen immer noch völlig unklar sind. Es ist schön, Herr Schreiber, dass Sie das erkannt haben und nachgebessert werden soll. Aber das ist dann der Fall, nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist.

Die verpflichtende Gesundheitsberatung klingt vielleicht erst einmal logisch und vernünftig, aber gleichzeitig wird damit eine ganze Berufsgruppe unter Generalverdacht