Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich bin der festen Überzeugung, dass Rechtsextremismus die größte Gefahr für unsere Demokratie ist. Deswegen müssen wir mit aller Kraft gegen diese rechtsextremistischen Tendenzen arbeiten. Ich habe das als junger Stadtrat in Görlitz erlebt. Ich habe auch erlebt, wie es gelungen ist, durch Zusammenhalt der Gesellschaft und die Zusammenarbeit von Kommune, Bürgermeister, Stadträten, Lehrern, Polizei, Justiz und in Vereinen diesen Rechtsextremisten in meiner Heimatstadt den Kampf anzusagen und sie deutlich zurückzudrängen. Das ist das, was uns als Demokraten, meine Damen und Herren, auch vereinen muss.

Es ist klar: Der Kampf gegen den Rechtsextremismus muss aus der Mitte der Gesellschaft heraus geführt werden. Deswegen müssen wir diejenigen ansprechen, die als acht- und ehrbare Bürger in diesem Land leben. Diese müssen wir zu Verbündeten machen, und die müssen wir in diesen Kampf mitnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus findet im Freistaat Sachsen seit den 1990er-Jahren statt.

Viele Menschen hier in diesem Saal haben ihren Anteil daran. Viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben von dem Programm „Weltoffenes Sachsen“ profitiert. Viele Menschen engagieren sich in Bündnissen für Demokratie und Toleranz. Viele Menschen machen sich Gedanken und engagieren sich mit privaten Initiativen für Demokratie, gegen Extremismus, für Flüchtlinge – das möchte ich an dieser Stelle noch einmal betonen. Denn auch diesbezüglich sind in den vergangenen Tagen viele falsche Dinge erzählt worden. Es war der Innenminister a. D., Heinz Eggert, der die Soko Rex gegründet hat und damit als Erster den Kampf gegen den Rechtsextremismus im Freistaat Sachsen eingeleitet hat. Danach folgten viele Initiativen; das muss man an dieser Stelle einmal deutlich sagen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Von vielen Journalisten, auch von politischen Weggefährten, werde ich auf die Frage angesprochen, wie das denn mit dem Satz sei, dass die Sachsen gegen Rechtsextremismus immun seien. Meine erste Antwort darauf lautet: Erstens, er ist 20 Jahre alt. Zweitens mache ich ihn mir nicht zu eigen; ich habe eine ganz andere Meinung. Drittens würden Sie Kurt Biedenkopf sehr unterschätzen, wenn Sie diesen großartigen Staatsmann und Bürger dieses Landes verdächtigen würden, dass er der Meinung wäre, irgendjemand könnte irgendwo in Deutschland immun gegen Rechtsextremismus sein. Das ist doch ganz klar, und das wissen auch alle, die dabei gewesen sind.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Widerspruch der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Wir haben mit einer ganzen Reihe von Initiativen den Kampf gegen Rechtsextremismus in den vergangenen 28 Jahren geführt. Dazu gehört zunächst einmal das Programm „Weltoffenes Sachsen“. Seit 2005 sind Initiativen und Bewegungen mit einem Volumen von mittlerweile 40 Millionen Euro vor Ort gefördert worden. Diese Zahl allein zeigt, wie wichtig uns dieses Engagement gewesen ist. Wie werden auch in den kommenden Jahren noch mehr Geld dafür ausgeben, weil diese Aufgabe nicht zu Ende ist und wir noch mehr machen müssen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir haben mit dem Demokratiezentrum mit der Staatsministerin für Integration und Gleichstellung eine feste Struktur geschaffen, um die mobile Beratung zu stärken im Kontext der Schule, der Opferberatung sowie der Ausstiegsberatung. Wir haben mit der Koordinierungs- und Beratungsstelle „Radikalisierungsprävention KORA“ eine Anlaufstelle für diejenigen geschaffen, die durch islamischen Extremismus gefährdet sind. Wir haben in der Landeszentrale für politische Bildung engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gerade jetzt noch einmal den Kampf gegen die Reichsbürgerbewegung aufgenommen haben. Wir haben im Landeskriminalamt die Soko Rex, die zwischenzeitlich in das operative Abwehrzentrum übergegangen ist. Auch haben wir in der Justiz die

Zentralstelle „Extremismus Sachsen“ bei der Generalstaatsanwaltschaft gegründet.

Wir haben eine ganze Reihe von Dingen jetzt noch einmal neu auf den Weg gebracht, die gerade die politische Bildung in der Schule verstärken soll. Hierzu möchte ich Ihnen von meinem Besuch in einer Oberschule in Chemnitz berichten, wo ich ebenfalls in der vergangenen Woche war. Das ist eine wunderbare Einrichtung in einem schwierigen Umfeld. Es gibt dort viele Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen und viele Kinder mit Migrationshintergrund, aber ein Lehrerkollegium mit einer Direktorin, die Haltung hat und die weiß, was Demokratie bedeutet, die einen Anspruch an ihre Arbeit und an ihren Leistungsethos hat. Sie hat es geschafft, mit ihren Kindern und Jugendlichen gemeinsam eine Schulcharta zu entwickeln, wie in dieser Schule gemeinsam mit Konflikten umgegangen wird und wie man Dinge gemeinsam entscheidet. Das ist vorbildlich. Davon brauchen wir mehr. Diese Menschen müssen wir unterstützen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und der SPD sowie vereinzelt bei der Staatsregierung)

Es ist vollkommen klar, dass der Aufwuchs bei der Justiz mit zusätzlichen Staatsanwälten und Richtern sowie der Aufwuchs bei der Polizei mit 1 000 zusätzlichen Beamten auch dazu dient, den Kampf gegen den Extremismus erfolgreich führen zu können. Deswegen will ich diesen Punkt noch einmal betonen.

Wir müssen aber feststellen, dass es trotz dieses umfangreichen Pakets und dieser langwierigen Arbeit der vielen Menschen, die sich in diesem Bereich engagieren, nicht gelungen ist, den Rechtsextremismus endgültig in die Schranken zu weisen. Genau deshalb muss es heute darum gehen, nicht nur die Aufarbeitung der letzten zwei Wochen zu gewährleisten, sondern auch darüber zu sprechen, was in der Zukunft kommen soll.

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen Rechtsextremismus ist nur als Kampf für die Demokratie zu gewinnen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Deswegen ist es so entscheidend, dass wir die Breite der Bevölkerung mitnehmen.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Das tun Sie ja nicht!)

Deswegen ist es auch so entscheidend, dass wir in der Kommunikation wirklich differenziert argumentieren. Ich wünsche mir, dass das, was wir mit dieser neuen Staatsregierung begonnen haben und was Stanislaw Tillich schon angefangen hat, aber was wir jetzt in die Breite gezogen haben – mit Sachsengesprächen durch das Land zu gehen, Menschen zuzuhören, ihre Argumente und Sorgen, auch ihre Ängste und ihren Protest aufzunehmen und ihn in unsere politische Arbeit einzubinden –, erfolgreich fortführen können.

Deswegen freue ich mich, dass ich mit Heinz Eggert, Frau Prof. Astrid Lorenz, Sebastian Reißig und Bernd Stracke vier Persönlichkeiten gewonnen habe – die heute auch anwesend sind –, die uns bei dieser wichtigen Arbeit unterstützen werden. Alle vier haben sich bereit erklärt, jetzt auch mit eigenem Engagement ins Land zu gehen, gemeinsam mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, mit Vereinsvorsitzenden Dialoge zu führen. Wir brauchen eine breite Bewegung, wir brauchen viele Menschen, die diese Gespräche führen, die argumentieren, die aufnehmen, die für unsere Demokratie werben, die aber auch eine Rückmeldung geben über das, was nicht funktioniert, was wir ändern müssen, meine Damen und Herren; denn das ist auch unsere Aufgabe.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Wir sind uns einig, dass der Freistaat Sachsen einen Opferschutzbeauftragten bekommen soll, der bei der Staatsregierung angesiedelt ist und für diejenigen da ist, die bei Straftaten und extremistischen Vorfällen verletzt werden und zu Schaden kommen – für die Angehörigen ein vertrauensvoller Ansprechpartner, der in schwierigen Lagen helfen soll. Ebenso soll es bei den fünf Polizeidirektionen Ansprechpartner geben, die dafür da sind.

Meine Damen und Herren! Ich warne aber auch in diesem Zusammenhang und gerade vor dem Hintergrund der Berichterstattung der letzten 14 Tage vor Überheblichkeit und überheblichen Urteilen über die Ostdeutschen und die Menschen in den neuen Ländern. Ich persönlich glaube, dass die neuen Länder in mancher Hinsicht Seismograf dafür sind, was in Deutschland gerade passiert und was auch in einigen Jahren in ganz Deutschland Thema und Stimmung sein wird. Ich erinnere mich an die Diskussion im Jahr 2015, an unsere Einschätzung, was zur Regelung und zur Bewältigung der Asyl- und Flüchtlingsfrage zu klären ist, wie damals kopfschüttelnd aus anderen Teilen der Bundesrepublik über uns gesprochen wurde.

(André Barth, AfD: Sie haben uns abgelehnt!)

Wenn man das mit dem vergleicht, was heute in Deutschland Recht und Konsens ist, dann muss man sagen: Das meiste von dem haben wir vorausgesehen. Deswegen ist mein Aufruf: Es ist Zeit zum Handeln in ganz Deutschland, es geht um unsere Demokratie, wir müssen gemeinsam anpacken! Dazu brauchen wir zuallererst einen parteiübergreifenden Konsens zur Migrationspolitik. Ich habe in den vergangenen Jahren und jetzt auch in Chemnitz kaum jemanden getroffen, der nicht damit einverstanden ist, dass Menschen, die vor Krieg und Terror flüchten, die in wirklicher Not sind und geschützt werden müssen, nicht auch hier in Deutschland geschützt werden sollten, dass wir uns um diese Leute kümmern sollten. Der überwiegende Teil der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland ist mit dem, was im Grundgesetz steht, einverstanden. Aber er hat ein Problem mit der Art und Weise, in der wir damit umgehen und wie wir damit umgehen, wenn jemand dieses Asylrecht ausnutzt und beispielsweise straffällig wird.

Deswegen muss die Aufgabe darin bestehen, in der Bundespolitik und gemeinsam mit den Bundesländern dafür zu sorgen, dass wir gerade beim Schutz der Außengrenzen einen schnellen Konsens bekommen, dass wir bei schwierigen Fragen wie der Abschiebung zu wirkungsvollen Regelungen kommen,

(André Barth, AfD: Zeit wird’s!)

dass wir bei denjenigen, die straffällig werden, tatsächlich handeln können.

Das alles sind Dinge, die aus meiner Sicht völlig unstreitig sind, wenn man im Groben darüber redet. Es muss uns gelingen, hier auch wirkungsvoll Regelungen zu treffen, dass die Menschen sehen: Hier bewegt sich tatsächlich etwas. Bis zur Ausweisung der sicheren Herkunftsländer hat es jetzt drei Jahre gedauert; das ist nicht in Ordnung. So etwas muss schneller gehen, wir brauchen diese Regelung schnell, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Deutschland braucht, damit die Akzeptanz für den Rechtsstaat und für die Rechtsstaatlichkeit auch weiterhin erhalten bleibt, einen parteiübergreifenden Konsens und eine Einsicht, dass bei vielen anderen Bereichen außerhalb der Asyl- und Flüchtlingspolitik, beim Planungsrecht, bei Wirtschafts- und Sozialfragen schneller Rechtsanpassungen passieren müssen. Es dauert zu lange, und das gefährdet die Akzeptanz für unseren Rechtsstaat; das ist nicht gut. Wir müssen den Rechtsstaat starkmachen, und deswegen ist es notwendig, dass die Politik auf Entwicklungen reagiert, Gesetze anpasst und dafür sorgt, dass sich das, was Volkes Meinung ist, auch am Ende bei Rechtsentscheidungen durchsetzt, nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Um den Kampf für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu gewinnen, ist aber auch ein Verständnis von Demokratie und Meinungsstreit notwendig. Das soll durch diese Gespräche gefördert werden. Das soll in den Schulen gefördert werden. Aber ein Ort dafür ist auch dieser Landtag und sind die Debatten, die wir untereinander führen, wo sich zeigt, ob wir uns als Demokraten gegenseitig unsere demokratische Grundhaltung absprechen oder ob es nicht besser ist, sich auch in schwierigen Fragen in der Sache zu streiten, als sich mit Vorurteilen zu begegnen. Ich glaube, meine Damen und Herren, dass es zu einer Demokratie dazugehört,

(André Barth, AfD: Haben Sie das gehört, Herr Gebhardt!?)

dass es unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Interessen, unterschiedliche politische Anschauungen und Weltanschauungen gibt. Das ist nicht schlimm, denn es gehört dazu. Deswegen muss man anständig miteinander umgehen. Das ist auch unsere Aufgabe, und die können wir hier vorleben.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Es ist klar, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt. Deswegen ist auch so entscheidend, dass wir eine Justiz haben, die handlungsfähig ist, dass wir eine Polizei haben, die in Stärke vorangehen kann, dass wir ein Polizeigesetz haben, das wirkungsvoll ist. Aber wir brauchen auch eine Verständigung in der Bevölkerung, wenn Personen angegriffen werden, wie wir es jetzt in Chemnitz schon erlebt haben und wie ich es dort erzählt bekommen habe, Menschen, die seit fünf, sechs Jahren in diesem Land leben, so wie eine wunderbare Frau aus China, die mir berichtet hat, dass sie in den fünf Jahren nicht ein einziges negatives Erlebnis hatte, dass Chemnitz ihre Heimat ist, dass sie sich hier wohlfühlt und dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Demonstrationen und der Aggression, die dabei geschürt worden ist, von einigen der Extremisten angegriffen worden ist und sehr schlimme Erlebnisse hatte.

Meine Damen und Herren! Das ist natürlich eine Frage von Polizei und Justiz, aber es ist auch eine Frage von uns allen. Jeder von uns muss sich davorstellen, wenn andere Menschen angegriffen werden. Das ist auch eine Frage von Anstand und Zivilcourage. Die müssen wir einfordern, und wir müssen die Menschen dazu ermutigen. Das ist keine Aufgabe, die der Staat allein bewältigen kann, sondern das muss auch aus der Bevölkerung heraus geschehen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Diese Zivilcourage ist gerade auch in Zeiten des Internets und der Fehlinformationen unumgänglich. Was sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat, ist aus meiner Sicht in einigen Teilen sogar beängstigend. Wir müssen erreichen, dass die Menschen in unserem Land, wenn sie Fehlinformationen hören, wenn sie Demagogie erleben, nicht abwinken oder weghören, sondern sich wirklich dem entgegenstellen, damit hier eine andere Diskussionskultur entsteht. Auch da kann die Politik eine ganze Menge tun, aber auch hier ist es eine Stimmung in der Gesellschaft, eine Haltung, die dem widerspricht, wenn wirklich jemand falsch Zeugnis redet und man das auch deutlich erkennt. Dafür brauchen wir das breite Verständnis in der Bevölkerung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Wir werden sowohl bei der Polizei als auch bei der Justiz die Möglichkeiten erweitern und verbessern, dort auf Falschinformationen zu reagieren. Ich habe auch in Chemnitz wieder gehört, dass gerade der Polizei und der Justiz – den Gerichten, der Staatsanwaltschaft – eine große Achtung entgegengebracht wird, dass man ein großes Vertrauen in diese Arbeit hat. Erstens teile ich dies und bin zweitens der Meinung, dass wir diesen Institutionen auch die Möglichkeit geben sollten, noch stärker

darüber zu informieren, was tatsächlich passiert, und auch zu widersprechen, wenn Falsches behauptet wird.

Genauso ist es wichtig – das sehen wir jetzt bei dem Fall in Chemnitz, aber auch bei dem Vorfall, den wir einige Wochen davor in Plauen hatten –, dass klar ist, wenn es Angriffe gibt, wenn Straftaten begangen werden, was schließlich herauskommt, wer wie verurteilt wird. Die Information darüber ist zentral für die Anerkennung des Rechtsstaates. Deswegen wollen wir dem Justizminister und dem Innenminister dabei helfen, dass sie mehr Möglichkeiten erhalten, auch diese Arbeit zu leisten.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ich habe den Justizminister beauftragt, gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft eine Konzeption auszuarbeiten für eine Null-Toleranz-Strategie und für beschleunigte Verfahren.

Wir haben erlebt, wie es in Leipzig gelungen ist, innerhalb von 17 Stunden eine Person zu verurteilen, die im Stadion einen Hitlergruß gezeigt hat. Das ist ungefähr die Geschwindigkeit, die ich mir vorstelle;

(Zuruf von der AfD)