Protokoll der Sitzung vom 06.09.2018

Im Fall Obertitz – Sie haben beide Orte in einem Antrag angesprochen – sieht es in meinen Augen anders aus. Hier läuft das Planfeststellungsverfahren noch bis 2020/2021. Diesen rechtlichen Verfahren, welche genau die von Ihnen angemahnte Bürgerbeteiligung und die Umweltbegutach

tung beinhalten, möchten wir als CDU-Fraktion nicht vorgreifen.

Es besteht kein Grund, diesen fachlich begründeten Beurteilungen – beispielsweise auch die des Umweltamtes – durch die Politik zuvorzukommen.

Jetzt argumentieren Sie, die Kohlekommission würde einen Ausstieg formulieren. Damit tun Sie so, als ob das schon passiert wäre. Wir wissen noch gar nicht, was die Kohlekommission vorschlagen wird, und Sie tun so, als sei es schon ins Gesetz geschrieben. Das ist nicht die Politik, wie wir als CDU vorgehen.

Ich will Ihnen aber damit deutlich signalisieren, dass wir das in Obertitz sehr aufmerksam beobachten und nicht vorschnell sagen, dass dieser Ort auch abgebaggert wird. Warum sind wir nicht so vorschnell? Weil Obertitz aus unserer Sicht eine andere Qualität hat. Hier müsste ein Tagebau erst völlig neu aufgeschlossen werden, und es ist keine Fortsetzung eines bereits bestehenden Tagebaus.

Daher komme ich zu der Beurteilung: Obertitz werden wir weiter beobachten. Es wird auch beurteilt werden durch die aktuellen planungsrechtlichen Dinge. Natürlich wird es irgendwann eine Entscheidung der Braunkohlekommission geben, aber bis das in geltendes Recht umgewandelt ist, geht noch ein Stückchen Zeit ins Land. Deshalb können wir hier noch keine Planungssicherheit geben.

Grundsätzlich möchte ich aber noch einmal unterstreichen, dass wir als sächsische Union den vorgebrachten politischen Ausstiegsszenarien skeptisch gegenüberstehen. Bevor wir teilweise kleine Ausstiege aus der Braunkohle vollziehen, indem wir Tagebauerweiterungen ausschließen, müssen die erneuerbaren Energien die Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit im gleichen Maße wie die Kohle gewährleisten können. Das ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht gegeben. Eine seriöse Planung der Versorgungssicherheit muss realitätsnah erfolgen und darf sich nicht auf zu optimistische Annahmen stützen. Ein übereiltes Abschalten von Braunkohlekraftwerkskapazitäten würde die Versorgungssicherheit absolut gefährden.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Braunkohleverstromung durch relativ niedrige variable Kosten, aber hohe Tagebaufixkosten gekennzeichnet ist. Eine Begrenzung der Volllaststunden würde die Wirtschaftlichkeit des Braunkohlentagebaus gefährden. Dies würde wiederum Auswirkungen auf die verbleibenden Kraftwerksblöcke haben und somit einen Dominoeffekt erzeugen. – Mein Kollege Frank Heidan hat vorhin schon davon berichtet, dass wir uns vor Ort in einem Kraftwerk davon überzeugen konnten.

Ein Ersatz des Braunkohlenstroms durch Erdgasstrom oder Stromimporte aus dem europäischen Ausland würde zu einer weiteren deutlichen Verteuerung der Energieversorgung und zu großen Unsicherheiten und Abhängigkeiten von Stromimporten führen. Grundsätzlich ist fraglich, ob die Versorgungssicherheit überhaupt mit Strom aus

dem Ausland gedeckt werden kann. Durch relativ gleiche Wetterverhältnisse treten in Deutschland und seinen Nachbarländern gleiche Spitzenlasten auf und die lassen daran zweifeln, ob das funktionieren kann.

Liebe Kollegen, haben Sie auch bedacht, dass mit Ihrem Vorschlag Wertschöpfung und Arbeitsplätze im mitteldeutschen Braunkohlerevier verloren gehen? Wenn es überhaupt zum Stopp von Tagebauerweiterung kommen soll, dann müssen tragfähige neue Strukturen entwickelt werden, die in den betroffenen Regionen adäquate Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und gesellschaftlichen Zusammenhalt garantieren.

Es zählt für uns als Union das Wort des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier: „Erst müssen neue Arbeitsplätze geschaffen werden und dann kann über das Ende der Braunkohle diskutiert werden.“ Dieser Satz gilt für die sächsische Union ohne Abstriche.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Thomas Baum, SPD)

Bleiben wir also realistisch, meine sehr geehrten Damen und Herren, und lehnen den Antrag ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Beifall des Staatsministers Martin Dulig)

Als Nächstes spricht Herr Böhme für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist alles gesagt, doch die CDU widerspricht hier und deshalb ein paar Anmerkungen.

Ich finde es schon ein bisschen paradox: Gerade haben Sie noch den Antrag für erneuerbare Energien – in diesem Fall Solarenergieanlagen zur Eigenstromerzeugung und -speicherung – abgelehnt, um jetzt zu sagen, dass erneuerbare Energien nicht ausgebaut genug seien und nichts bringen würden und noch Probleme machten. Das ist schon ziemlich paradox.

Ich spreche aber auch gern zum Antrag der GRÜNEN. Die Kraftwerksbetreiber von Lippendorf – damals war es noch Vattenfall und EnBW – haben damals das Kraftwerk bis 2040 konzipiert. Bis dahin ist es nicht nur abgeschrieben, sondern es war auch nur bis dahin im Betrieb geplant. Wir sind nun heute im dritten Jahr nach Paris, nach dem UN-Klimaabkommen, und auch der Deutsche Bundestag hat einstimmig beschlossen, dass wir diesen Zielen des UN-Klimabeschlusses folgen. Ihm wurde einstimmig im Bundestag zugestimmt und ich gehe davon aus, dass Ihre Kollegen aus den Bundestagsfraktionen Ihnen das mitgeteilt haben. Deshalb verstehe ich diese Verwunderung nicht.

Außerdem haben wir mittlerweile eine Kohleausstiegskommission und dort geht es ganz klar um ein Ausstiegsszenario aus der Kohle, und zwar im Zeitraum zwischen 2030 und 2040. Das ist das Ziel und der Auftrag der

Kohlekommission. Auch hier sehen wir wieder das spätmöglichste Datum 2040; bis dahin ist das Kraftwerk auch konzipiert. Spätestens da müsste Ihnen doch klar sein, dass das Kraftwerk Lippendorf nicht länger als bis 2040 läuft.

Übrigens kommen noch einige andere Faktoren hinzu, wie zum Beispiel, dass die Stadt Leipzig gerade plant, aus der Fernwärme von Lippendorf bis 2030 auszusteigen – ähnlich, wie es Chemnitz bereits vollzogen hat. Auch Chemnitz bezieht seine Kohle aus der Region im mitteldeutschen Raum. Auch dort werden wieder Kapazitäten frei, um das vorhandene Tagebaugebiet Schleenhain zu nutzen, um die Kohle daraus zu fördern.

Kurzum: Es gibt eigentlich keinerlei Bedarf, einen weiteren Tagebau aufzuschließen. Das Vereinigte Schleenhain reicht aus. Dass die MIBRAG Pödelwitz nur abbaggern will, weil es einfacher und kostengünstiger ist, haben wir auch gehört. Aber das darf doch nicht die Grundlage unseres politischen Handelns sein. Deshalb lehnen wir das ab und stimmen den GRÜNEN zu, Pödelwitz zu retten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Kollege Vieweg, bitte; Sie haben das Wort für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mich macht Pödelwitz sehr, sehr nachdenklich – weil es um Menschen geht. Wir haben auf der einen Seite eine überwiegende Mehrheit von Pödelwitzern, die sich für die Umsiedlung entschieden haben; die mittlerweile neue Häuser bezogen haben und entschädigt worden sind und in Groitzsch eine neue Heimat gefunden haben. Wir haben auf der anderen Seite 25 von 130 Pödelwitzern, die für den Erhalt ihrer Heimat kämpfen – einige davon kenne ich persönlich –, und aus diesem Grund, lieber Kollege Lippold, sind für mich die ethischen und humanistischen Gesichtspunkte Ihres Antrags ganz wichtig.

Wir stecken in einem Dilemma: Wir haben auf der einen Seite Entschädigungen gezahlt – wenn wir die Prozesse rückgängig machen, haben wir ein finanzielles Risiko; ich denke, das können wir rechtlich ausschließen – und auf der anderen Seite Menschen, die in Pödelwitz bleiben wollen.

Für Obertitz haben wir eine ganz andere Situation – das hat mein Kollege Rohwer erklärt –; hier sind wir noch im Planfeststellungsverfahren.

Es geht also darum: Mit welcher Haltung gehen wir mit Minderheiten um, wie berücksichtigen wir das? Für mich ist das ein tragischer Fall, ein tragisches Dilemma, und ich finde, die Pödelwitzer, die in ihrem Ort bleiben wollen, die für ihre Heimat kämpfen wollen, haben ein Recht darauf, angehört zu werden.

Natürlich ist die MIBRAG in der Vorhand, wir haben ein rechtlich abgesichertes Verfahren, es ist ein demokrati

sches Verfahren gewesen, und am Ende des Tages haben wir hier auch rechtliche Hürden zu überwinden. Insoweit ist es schwierig zu sagen, es ist ein ähnlicher Fall wie Heuersdorf, denn der Fall Heuersdorf ist wieder ein ganz eigener und das Heuersdorf-Gesetz aus den Neunzigerjahren hat aus meiner Sicht nichts mit dem Fall in Pödelwitz zu tun. Hier zu vergleichen wäre falsch; es kommt am Ende zu falschen Schlüssen.

Kollege Lippold, wir haben auch eine Übereinstimmung. Wir haben beim Thema Braunkohlenausstieg keine linearen Prozesse, sondern erleben dynamische Prozesse. Wenn wir wissen, dass die EU-Kommission darüber nachdenkt, aus dem 40-%-Reduktionsziel 45 % zu machen, haben wir einen ganz anderen Druck drin. Wir haben die Strukturwandelkommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, die einen Braunkohleausstiegspfad festlegen wird. Ich persönlich vermute, die Prozesse werden in den nächsten Monaten noch dynamischer werden.

Insoweit sehe ich auch Ihre Bedenken, was das Thema Wirtschaftlichkeit anbelangt. Wir reden im politischen Bereich über den Erhalt der Braunkohle, aber eigentlich sind es keine politischen Entscheidungen, sondern wirtschaftliche Prozesse, dass die Braunkohle über CO2Zertifikate nicht mehr wirtschaftlich ist – wozu ich sage, endlich funktioniert das System –, und auch hier werden wir dynamische Prozesse erleben.

Am Ende des Tages geht es darum, wirtschaftlichen Strukturwandel auch im mitteldeutschen Revier einzuleiten. Wir haben zum Beispiel auch mit dem Zukunftskonzept „Smart Osterland“ gute Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung und den Strukturwandel im mitteldeutschen Revier gesetzt.

Insoweit, sehr geehrter Kollege Lippold, signalisiere ich Ihnen unter humanitären und ethischen Gesichtspunkten Zustimmung. Unter rechtlichen Gesichtspunkten sehen wir im Moment keine Handhabe, Ihrem Antrag zuzustimmen. Daher wird meine Fraktion Ihren Antrag leider ablehnen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Als Nächster kommt Herr Kollege Urban für die AfD-Fraktion zu Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Antrag der GRÜNEN „Tagebauerweiterung jetzt ausschließen“ will rechtmäßige Planungsprozesse übergehen, bei denen es umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen und

Bürgerbeteiligungen gab und gibt.

Der Antrag offenbart aber auch die Scheinheiligkeit der GRÜNEN: Geht es gegen die Ihnen verhasste Braunkohle, pochen Sie auf einmal auf den Heimatschutz für die betroffenen Bürger der Dörfer Pödelwitz und Obertitz, die ihre Heimat durch Tagebaue verlieren könnten.

Geht es dagegen um ihre liebgewonnene Windkraft, ist den GRÜNEN jedes Mittel recht. Wo bleiben bei der

Windkraft der Aufschrei und der Einsatz für die betroffenen Bürger, die ihre Heimat ebenfalls zerstört sehen? Wo ist der Einsatz der GRÜNEN für die 24 betroffenen Gemeinden in Sachsen, deren Heimatbild seit dem Einzug der GRÜNEN in den Landtag 2004 durch den Bau neuer Windparks und Windkraftanlagen verschandelt wurde? Seit 2005 wurden in Sachsen 21 Windparks und Windkraftanlagen erbaut, und zwar komplett neu. Die Erweiterung bereits bestehender Anlagen ist dabei nicht erfasst.

Seit 2005 wurden in diesen 21 Windparks 63 neue Windräder gebaut. Wo waren die 21 Anträge der GRÜNEN gegen die Errichtung dieser Windkraftanlagen zum Heimatschutz?

Die etwa 50 – 50! – Bürgerinitiativen in Sachsen, die auch im übertragenen Sinne gegen Windmühlen kämpfen müssen, sind es den GRÜNEN nicht wert, deren Probleme hier im Landtag zu thematisieren.

Am 6. April 2018 äußerte sich Herr Lippold wie folgt – ich zitiere –: „Die durch das sture Setzen auf die Braunkohle motivierte Blockadepolitik im Freistaat birgt die Gefahr in sich, dass Sachsen nach dem in den nächsten 15 Jahren unumgänglichen, weitgehenden Kohleausstieg als energiewirtschaftliches Entwicklungsland dasteht. Ich frage mich ernsthaft, wie Sachsen in Zukunft seinen Strombedarf decken soll.“

Wenn Sie sich das ernsthaft fragen würden, dann könnten Sie nicht weiterhin auf einen blinden Ausbau der Windkraft setzen, die an vielen Orten in Sachsen inzwischen die Heimat zerstört und die eben nicht geeignet ist, zuverlässig und ununterbrochen Strom zu liefern. Wie soll künftig ohne Braunkohle die Grundlast gesichert werden, wenn die technischen Voraussetzungen für eine Speicherung fehlen und wenn eine stete Wiedereinspeisung der durch Wind gewonnenen Energie einfach nicht gegeben ist?

Der grüne Feldzug gegen die Braunkohle fußt einzig auf Ihrer pseudowissenschaftlichen Klimareligion. Ich sage es noch einmal mit aller Deutlichkeit: Der menschengemachte Anteil Deutschlands am weltweiten CO2-Ausstoß liegt bei 0,0015 %! Für Sachsen können Sie noch eine Zehnerpotenz weniger ansetzen. Das Weltklima wird nicht in Sachsen gerettet. Merken Sie sich das bitte endlich!

(Marco Böhme, DIE LINKE: Aber auch in Sachsen!)

Ihre grüne Energiepolitik zerstört inzwischen die heimatlichen Landschaften Tausender Menschen in den ländlichen Regionen Sachsens. Ihre grüne Energiepolitik zerstört Ökosysteme und die Heimat Hunderttausender Menschen in Afrika, Südamerika und Asien. Dass Sie nun hier den Heimatschutz vorschieben, um Ihre grüne Ideologie voranzutreiben, ist an Heuchelei nicht zu überbieten.