Protokoll der Sitzung vom 06.09.2018

Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Den gibt es nicht. Damit kommt die Staatsregierung zu Wort. Das Wort ergreift Herr Staatsminister Christian Piwarz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich erst einmal, dass das Thema frühkindliche Bildung nicht nur in der Mitte des Hohen Hauses angekommen ist, sondern dass wir auch so intensiv miteinander darüber diskutiert haben; das ist gut und richtig so.

Ich freue mich auch darüber, dass wir nicht nur in der Staatsregierung, sondern auch in der Koalition, was das Thema frühkindliche Bildung betrifft, einen Aufbruch losgetreten haben und mit denen, die im System frühkindliche Bildung tätig sind, in den Dialog getreten sind und die weiteren Schritte nach und nach besprechen werden.

Ich sage Ihnen ganz deutlich, Frau Junge: Ich bin froh, dass diejenigen, die in der frühkindlichen Bildung tagtäglich am Arbeiten sind und sich engagieren, die sich nicht im Lamento verlieren, sondern realistische Schritte ins Auge fassen und sagen: „Das wollen wir umsetzen“, dabei schon einen ganzen Schritt weiter sind als Sie.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Es wurde schon viel gesagt, was wir innerhalb dieser Legislaturperiode im Bereich der frühkindlichen Bildung getan haben. Ja, man muss auch darüber reden, was man getan hat, ohne dass man sich dafür feiert. Aber wenn man sieht, dass wir den Bereich der frühkindlichen Bildung von 631 Millionen Euro im Jahr 2018 auf über 830 Millionen Euro im Jahr 2020 steigern werden, dann ist das ein erheblicher Anstieg. Dann ist das ein deutliches Signal, wie wichtig uns dieser Politikbereich ist, gerade und vor allem im Sinne der Kinder in unserem Land.

So einen Aufwuchs in der Kindertagesbetreuung, in der Zuwendung für die Kindertagesbetreuung hat es bislang nicht gegeben. Die stückweise Schlüsselverbesserung wurde schon angesprochen. Das nächste große Thema sind die Vor- und Nachbereitungszeiten. Ich bin froh, dass wir uns darauf verständigt haben, auch mit dem Rückhalt aus der Bevölkerung, die sich so zahlreich an unserer Umfrage beteiligt hat. Ich will ganz deutlich sagen, weil immer kritisiert wurde, „wann gebt ihr welches Geld dafür aus“: Wir haben bewusst den Vorschlag mit dem

01. Juni 2019 gewählt, weil ich verantwortungsvolle Politik machen möchte. Das heißt, die 1 350 Vollzeitäquivalente, die das nach sich zieht, müssen wir auch am Markt akquirieren können. Das können wir am ehesten in den Sommermonaten. Deshalb haben wir uns dafür entschieden. Nichts wäre schlimmer, als zum Jahresbeginn Erwartungshaltungen zu wecken, die wir nicht erfüllen können. Insofern ist das verantwortungsvolle Politik, die vor allem der Qualitätsverbesserung dient.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich will darauf hinweisen: Wenn wir über Kindertagesbetreuung, wenn wir über frühkindliche Bildung sprechen – das ist leider Gottes ein wenig in dieser Debatte gewesen –, dann ist es immer eine Fetischdiskussion um den Betreuungsschlüssel. Ich will aber darüber hinaus deutlich machen, was wir sonst noch in unserem sächsischen System an qualitätsverbessernden Maßnahmen ausgebracht haben, beispielsweise 1 Million Euro für die Entwicklung von Eltern-Kind-Zentren. Wir haben die Informations- und Koordinierungsstelle Kindertagespflege. Das ist bundesweit einzigartig. Wir haben zwei Zentren für Sprachförderung, einerseits das Landeskompetenzzentrum für Sprachförderung an Kindertageseinrichtungen in Leipzig und zum anderen die Landesstelle für frühe nachbarsprachige Bildung in Görlitz.

Wir haben des Weiteren ein Landesmodellprojekt für Inklusion sowie das Programm „Kinder stärken“ – 24 Millionen Euro stehen dafür aus ESF-Mitteln zur Verfügung. Wir haben die Förderung von freien Trägern für deren Fachberatung und wir haben die Bundesinitiative „Haus der kleinen Forscher“, die mit Landesmitteln unterstützt wird – auch das ist bundesweit einzigartig. Es gibt Kooperationen mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, unter anderem bei dem Projekt „WillkommensKITA“, und wir setzen jetzt konsequent den „Qualitätspakt frühkindliche Bildung“ um, vor allem mit denen, die dort tagtäglich beschäftigt sind. Das ist eine ganze Menge, die wir im Freistaat Sachsen neben dem Betreuungsschlüssel für eine gute frühkindliche Bildung ausgeben, und das ist gut ausgegebenes Geld.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Natürlich wollen wir auch weiterhin die Qualität verbessern – dies ist das klare Ergebnis der Umfrage. Insofern, obwohl ich Sie sonst sehr schätze, Frau Kollegin PfeilZabel – muss ich ein wenig Wasser in den Wein gießen, was das Thema Beitragsfreiheit betrifft. Man kann nicht das eine tun und das andere gleichzeitig wollen. Wenn wir uns darauf verständigt haben, dass wir die Qualität verbessern, dann ist die Diskussion um eine Elternbeitragsfreiheit zwar aus wahltaktischen Gründen durchaus nachvollziehbar und ich kann das gut verstehen. Trotzdem, wenn wir uns auf den Weg gemacht haben und die Eltern uns dort mit Mehrheit unterstützen, dass wir Qualitätsverbesserungen bringen, dann sollten wir wenigstens an dem Punkt stringent sein und das in dieser Form umsetzen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will aber auch deutlich machen, dass wir uns Gedanken darüber machen, die Elternbeiträge mit der zunehmenden Qualitätsverbesserung nicht ins Uferlose steigen zu lassen. Wir müssen uns Gedanken machen, dass KitaBetreuung im Freistaat Sachsen weiterhin auf diesem vergleichsweise niedrigen Beitragsniveau bleibt, wie wir das im Moment haben. Insofern sind Maßnahmen für die Zukunft zu überlegen, wie wir beitragsdämpfende oder gar beitragsdeckelnde Elemente einbringen können. Da bin ich durchaus bei Ihnen. Beitragsfreiheit lehne ich an dieser Stelle ab.

Aber ich sage auch ganz deutlich – das wurde hier auch gesagt –: Bei der Bertelsmann Stiftung – Kollege Schreiber ist schon zu Recht darauf eingegangen – geht es darum, dass man Äpfel mit Birnen vergleicht. Es ist in der Tat diese Unterschiedlichkeit in der Kinderbetreuung zwischen den ostdeutschen Bundesländern und Sachsen und zwischen vielen westdeutschen Bundesländern.

(Zurufe von den LINKEN)

Denn in den ostdeutschen Kindertageseinrichtungen werden wesentlich mehr Kinder unter drei Jahren betreut als in Westdeutschland. Schauen wir uns das Ganze einmal für Baden-Württemberg an. In Sachsen beträgt die Betreuungsquote im dritten Lebensjahr inzwischen 75 %, in Baden-Württemberg lediglich 49 %. 70 % der sächsischen Kinder werden schon im zweiten Lebensjahr über 45 Stunden pro Woche betreut. Im Kindergartenalter sind es sogar 74 %. In Baden-Württemberg dagegen liegen diese Quoten lediglich bei 24 bzw. 16 %. Diese Zahlen muss man sich deutlich vor Augen führen. Sie zeigen auch, dass wir in der frühkindlichen Bildung durch unsere guten Betreuungsquoten, durch unsere hohe Fachkräftequote – Kollege Schreiber hat darauf hingewiesen – wesentlich besser aufgestellt sind, als es die Bertelsmann Stiftung zeigt. Das muss man immer wieder deutlich machen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich will zum Schluss noch kurz auf zwei Dinge eingehen, die mir wichtig sind. Einerseits dürfen wir in der Diskussion sowohl das Thema Kindertagespflege – Lothar Bienst hat es angesprochen – nicht vergessen, auch nicht den Hort. Ich fand es spannend, die Bundesregierung will mit diesem „Gute-Kita-Gesetz“ und weiteren Maßnahmen die Ganztagsbetreuung von Kindern, gerade im Grundschulalter, stärken. Ich habe mit Familienministerin Giffey zusammengesessen und ihr deutlich gemacht – aber sie kennt das aus ihrer Biografie selbst –, dass das für Ostdeutschland, für Sachsen eigentlich überhaupt kein Thema ist, denn wir sind durch unser Angebot im Hort deutlich besser aufgestellt als Westdeutschland. Das, was der Bund dort wünscht, ist bei uns schon längst Realität. Insofern muss sich diese unterschiedliche Herangehensweise auch in der Finanzierung des Themas niederschlagen. Wir sind mit dem Bund im Gespräch, damit das auch so stattfindet.

Ein letzter Punkt ist die Erzieherausbildung, die in der Tat für uns eine Herausforderung darstellt. Es ist so, dass wir die Erzieherinnen und Erzieher im Vergleich zu den Lehrerinnen und Lehrern nicht im Landesdienst haben. Aber trotzdem müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir zukünftig den Fachkräftebedarf, den wir ohne Zweifel auch dort in Größenordnungen haben werden, decken können.

Herr Dr. Weigand, da Sie es angesprochen haben: Natürlich decken wir im Moment noch unseren Bedarf. Wenn Sie meine Äußerungen dazu genau gelesen haben: Ich habe das so gesagt. Wir decken im Moment den Bedarf. Wir müssen uns aber Gedanken darüber machen, wie wir das auch zukünftig tun. Es hängt viel davon ab, wie wir junge Leute dafür begeistern können, den Erzieherberuf zu ergreifen. Dort stellen sich für mich mehrere Fragen, die wir miteinander diskutieren müssen, zum Beispiel die Frage: Wie werden wir die Ausbildung in Zukunft ausgestalten? Sind fünf Jahre nach wie vor notwendig? Viele aus der Kita-Landschaft sagen, verkürzt ja nicht diese Ausbildung. Wir brauchen die gute Qualität in der Ausbildung, um gute Fachkräfte zu haben.

Die andere Frage ist: Wie halten wir es mit der Vergütung? Dadurch, dass wir deutschlandweit gemeinsam agieren müssen, werden wir sicherlich nicht in eine wie auch immer geartete Form einer dualen Ausbildung übergehen können. Aber die Frage, inwieweit wir die Elemente einer berufsbegleitenden Ausbildung stärken, die heute schon in Sachsen angewendet wird, wie wir es möglich machen, dass derjenige, der sich in Ausbildung

befindet, bereits Geld verdienen und damit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann – ich glaube, dazu müssen wir gemeinsam mit der Landschaft der frühkindlichen Bildung noch einmal ins Gespräch kommen, wie wir Verbesserungen erreichen können, dass dieses Modell stärker wahrgenommen wird.

Zum Schluss will ich diese Debatte vielleicht ein Stück weit versöhnlich beenden. Einerseits glaube ich, alle sind ehrbaren Gewissens, was das Thema frühkindliche Bildung betrifft. Aber zum Schluss will ich ein Dankeschön sagen, nämlich an die 33 000 Erzieherinnen und Erzieher im Freistaat Sachsen, die über die vielen Jahre so eine hervorragende Arbeit geleistet haben, die nicht immer in der öffentlichen Wahrnahme so gewürdigt wurden wie die Lehrer. Aber es ist wichtig, ihnen den Dank auszusprechen. Ich glaube, diese Debatte zeigt, dass wir alle miteinander und insbesondere die Koalition an dem Thema frühkindliche Bildung dranbleiben und dass die Vor- und Nachbereitungszeiten nicht der letzte Schritt sein werden, den wir in der frühkindlichen Bildung und in der Qualitätsverbesserung gehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Mit Herrn Staatsminister Piwarz, so sich denn kein weiterer Redebedarf ergibt – ich kann den nicht feststellen – ist die erste Aktuelle Debatte abgeschlossen. Ich rufe auf

Zweite Aktuelle Debatte

SBBS – Brüssel bläst zum Sturm – Sachsen seid wachsam!

Antrag der Fraktion AfD

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der AfD das Wort, und das Wort ergreift Herr Kollege Barth.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten gestern hier im Haus eine sehr aufgeregte Debatte über die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Als die SPDFraktion an der Reihe war, war auch eine sehr interessante Botschaft zu hören, wie wir den inneren Zusammenhalt stärken können. Es wurde sinngemäß ausgeführt, wir müssten das Haus Europa weiter stärken. Wir müssen weiterhin nach Europa zentralisieren, sage ich jetzt.

Mit unserem heutigen Debattentitel möchten wir einfach über eine aktuelle Verordnung der Europäischen Union sprechen, die sich gerade im Subsidiaritätsverfahren befindet, zu der der Landtag keine Subsidiaritätsbedenken geltend machen kann, weil unmittelbares Landesrecht nicht betroffen ist. Es handelt sich nämlich um einen Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über durch Staatsanleihen besicherte Wertpapiere.

Meine Damen und Herren! Was sind eigentlich staatsanleihenbesicherte Wertpapiere? Staatsanleihenbesicherte Wertpapiere sind Finanzkonstrukte – so will ich anfangen –, die in naher Zukunft für uns zu einer unmittelbaren Gefahr werden können, vor allem für sächsische Steuerzahler und Sparer.

(Zuruf des Abg. Dirk Panter, SPD)

Wir haben bereits enorme Summen an deutschem Steuergeld für die Stabilisierung des Euros mehr oder weniger in Gefahr gebracht. Die Bundesregierung hat aber bisher eine rote Linie gezogen. Das ist die Einführung der sogenannten Eurobonds. Die Bundeskanzlerin sagte dazu sinngemäß im 2012, Eurobonds als gemeinschaftliche Haftung werde es so lange nicht geben, solange sie lebe. Da sich die Bundeskanzlerin noch guter Gesundheit erfreut, können wir eigentlich davon ausgehen, dass sich nichts geändert hat.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie wollen sie aber weg haben!)

Das habe ich nicht gesagt. Herr Gebhardt, reden Sie zum Thema.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das machen die anderen! – Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Was ist aber die schädliche Wirkung von Eurobonds? Mit Eurobonds können alle EU-Länder gemeinsam Schulden am Kapitalmarkt aufnehmen und das Geld untereinander verteilen. Eurobonds sind also Staatsanleihen der EU und müssten von einer noch zu gründenden Schuldenunion der Europäischen Union als Schuldenagentur vertrieben werden.

(Dirk Panter, SPD: Zum Thema! – Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Deutschland würde dann für Länder wie Griechenland und Italien mithaften, wenn diesen das Geld ausgeht.

Was sind nun aber eurobondsähnliche SBBS? Das sind staatsanleihenbesicherte Wertpapiere, die gebündelte Staatsanleihen verschiedener europäischer Länder enthalten, beispielhaft in einem Wertpapier italienische, griechische, spanische und deutsche Staatsanleihen. Meine Damen und Herren, wird Ihnen da nicht auch mulmig?

Damit das Modell der SBBS funktioniert, wird – wie viele Experten es jetzt bereits voraussagen – die EuroGruppe eine öffentliche Zweckgesellschaft gründen müssen, die die Anleihen herausgibt. Natürlich haftet dann für diese Anleihen in erster Linie die Zweckgesellschaft, aber auch deren Eigentümer, also Deutschland und damit der deutsche Steuerzahler.

Das Ergebnis: Risiken werden erneut verschleiert, höhere Zinsen für Staaten mit guter Bonität, kaum noch Anreize zum Schuldenabbau in Europa und eine gemeinsame Haftung der EU-Staaten durch die Hintertür.

Meine Damen und Herren! SBBS sind Eurobonds durch die Hintertür.

(Dirk Panter, SPD: Nein, Ihre Behauptung ist durch nichts bewiesen!)

Sachsen sei wachsam, es kann sehr teuer werden!

Lesen Sie mal Hans-Werner Sinn, Herr Panter.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der SPD und den LINKEN)