Auch in Deutschland besteht seit Jahrzehnten die Neigung, alles Schlechte dieser Welt einer anonymen Brüsseler Bürokratie anzulasten. Es ist schick, auf Parteitagen darüber zu dozieren und dafür den Jubel der Mitglieder entgegenzunehmen. Dabei entscheiden alle hier vertretenen Parteien im Europaparlament. Es entscheidet auch die Bundesregierung. Jeder Nationalstaat ist bei den Entscheidungen immer beteiligt.
Geradezu peinlich erscheint es, wenn im Zusammenhang mit der EU heute noch von dem Krümmungswinkel der Gurke und den Anforderungen an Traktorsitze gesprochen wird. Beides sind Regelungen, die es seit Jahren nicht mehr gibt. Die heute noch davon sprechen, leben im Gestern und wünschen sich das Vorgestern.
Es lohnt sich, die in der EU auftretenden Probleme schneller zu lösen und nicht nur zu lamentieren. Themen wie die Bankenkrise, die Wirtschaftskrise, Migration, illegale Einwanderung, Bekämpfung der Schlepperbanden und Organisierte Kriminalität müssen von der EU und den Nationalstaaten schneller gelöst werden. Die Bürger erwarten hier klare Positionen. Die CDU lehnt dabei Eurobonds deutlich ab.
Wir wollen keine Schlagbäume zwischen den Staaten, wenn die Außengrenzen sicher sind. Wenn Kfz-Diebstahl freie Fahrt hat, wenn die Schlepper ungehindert agieren können, dann muss der Staat handeln und dem Treiben ein Ende bereiten. Hier hilft nur eine nationale Sicherheitsarchitektur.
Wir wollen freie Fahrt für freie, friedliche Bürger in Europa, aber einen Stopp für Menschen, die sich nicht an Recht und Gesetz halten.
„Wir brauchen ein Europa, das schützt.“ Diesen Ausspruch des Bundeskanzlers der Republik Österreich unterstützen wir ausdrücklich. Wir erwarten ein gemeinsames Handeln der europäischen Staaten bei den Themen Migration, Grenz- und Küstenschutz, Sicherheit, Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung. Wir brauchen keine Diskussion über bessere oder schlechtere Europäer,
Beim Arbeitsbesuch unserer CDU-Fraktion im Königreich Norwegen antwortete ein Gesprächspartner auf die Frage danach, warum das Königreich Norwegen denn nicht in die EU wolle. Er sagte, dass man nach einer mehrhundertjährigen Fremdherrschaft erst vor etwas über 100 Jahren unabhängig geworden sei und diese Unabhängigkeit noch ein wenig genießen möchte. Norwegen ist zwar kein Mitglied der EU, ist aber Nettozahler der EU und hat fast alle Rechtsakte der Europäischen Union übernommen. Es ist für den Freistaat Sachsen ein wichtiger Handelspartner. Die wichtigsten Fahrzeuge, die in Norwegen fahren, der E-Golf und der E-BMW i3, werden aus Sachsen nach Norwegen geliefert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach meinem Verständnis wird an keiner Stelle der europäische Mehrwert deutlicher als bei Maßnahmen zur Unterstützung der grenzübergreifenden Zusammenarbeit. Ein internationales Jugendfußballturnier im Dreiländereck oder eine Radtour entlang der Elbe von Ústí nad Labem nach Pirna tragen mehr zur europäischen Integration bei als manche Sonntagsrede.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben das große Programm Erasmus, das den Studentenaustausch fördert. Hier haben wir einen stärkeren Nachholbedarf im Freistaat Sachsen im Bereich der Schulen. Ich gehe davon aus, dass es uns auch in den nächsten Jahren gelingen wird, dass sich Schulen wieder stärker am ErasmusProgramm beteiligen können.
Bevor August der Starke Kurfürst werden konnte, musste er für zwei Jahre auf Kavalierstour, die ihn nach Frankreich, Portugal, Spanien, Italien und Österreich führte. Auslandserfahrungen waren aber bereits damals keine Adelsprivilegien. Seit dem späten Mittelalter und bis zum Beginn der Industrialisierung waren die Wanderjahre zünftiger Gesellen eine der Voraussetzungen für die Zulassung zur Meisterprüfung.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen als Freistaat Sachsen in der Verantwortung, Brücken zwischen Ost- und Westeuropa zu bauen. Im Westen muss man begreifen, dass Prag das Herz Europas war und wieder geworden ist. Deshalb müssen wir stärker als Mittler für die Visegrád-Staaten, mit denen uns eine gemeinsame Zeit der Unfreiheit und politischen Verfolgung verbindet, eintreten.
Wir haben in den letzten Wochen die Erfahrungen von 1968 in den Medien deutlich verfolgen können und erinnern uns dankbar an die Solidarność-Bewegung bis hin zu den friedlichen Revolutionen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns ist Europa ein bedeutender Partner, den wir nicht missen wollen, denn er unterstützt unsere wirtschaftliche Entwicklung, und er unterstützt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. Er hat dazu beigetragen, dass Schule moderner geworden ist, dass Schulen, Straßen und
Brücken neu gebaut werden konnten und dass Universitäten mit europäischen Mitteln saniert und auf einen wichtigen Stand gebracht worden sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen ein Europa des Friedens, ein Europa, das sich stärker den Bürgern widmet, denn der Mensch muss im Mittelpunkt stehen. Wir brauchen einen wichtigen Blick auf unsere eigene Geschichte. Nehmen wir uns öfter mal Lessing oder Böhme zur Hand. Toleranz, Strebsamkeit, Fleiß und der Respekt vor den anderen sollten im Mittelpunkt unserer Europapolitik stehen.
Das war Herr Kollege Schiemann. Er sprach für die CDU-Fraktion, und jetzt spricht Herr Kollege Mann für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist Europa? Darauf hat sicherlich jede und jeder von Ihnen eine ganz eigene Antwort. Was ist Europa wohl für die Gründergeneration, die der EWG und der EG, also der Vorläufer der Europäischen Union? Frieden, Aussöhnung, Abrüstung, Demokratie, wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit – all das sind die Grundlagen, die wir lange Zeit als selbstverständlich ansahen, die es aber in anderen Teilen der Welt beileibe nicht sind, niemals waren oder inzwischen auch nicht mehr sind.
Wir tun also gut daran, zu erinnern, dass uns nur die europäische Integration einen 70-jährigen Frieden gesichert hat; zumindest in unserem Teil der Welt.
Was ist Europa für meine Generation? Für mich persönlich, geboren in der DDR, bedeutet der Tag der Deutschen Einheit zugleich den Beitritt zur Europäischen Union. Vieles – also Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit, freier Markt und Mitbestimmung, Gleichberechtigung und individuell einklagbare Freiheitsrechte – lässt sich dabei nicht einem der beiden Ereignisse zuordnen. Nein, diese Errungenschaften kamen zwar für uns in Ostdeutschland über Nacht, waren aber von Generationen von Europäern teuer erkämpft und hart erarbeitet. Auch daran möchte ich heute erinnern und auch Danke dafür sagen.
Für viele Ostdeutsche war die EU zunächst nur der neue Pass, sich frei in vielen Ländern bewegen zu können und dafür nicht mehr Stunden an der Grenze zu verbringen. Man könnte auch sagen: Die EU war für sie Schengen. Ich erinnere daher auch gern an den 1. Mai 2004. Ich persönlich war beim Europäischen Frühstück an der Brücke über die Neiße in Görlitz, als Polen, als eines von zehn Ländern, in die EU aufgenommen wurde. Nein, das waren keine Szenen wie beim Mauerfall – schon allein, weil es ein sonniger Tag war –, aber man spürte: Ein weiterer Teil des Vorhanges, der diesen Kontinent getrennt und Menschen wider Willen zu Feinden gemacht hatte, war gefallen. Besonders für unsere Nachbarn in
Für meine Generation bedeutet die EU aber auch, Schutz und Rechtssicherheit in anderen Ländern zu genießen und einklagen zu können. Der Euro brachte schließlich eine weitere Stärkung des europäischen Wirtschaftsraums und auch den Wegfall von Umtauschgebühren. Für die Jugend von heute ist das schon eine Selbstverständlichkeit.
Deshalb ist die Frage: Was ist Europa heute für unsere junge Generation? Was nimmt sie überhaupt noch als Errungenschaft wahr? In einem System kollektiver Sicherheit keinen Wehrdienst mehr leisten zu müssen? Vielleicht schon nicht mehr – dennoch gut. Günstig mit dem Handy in alle Länder telefonieren und sicherer digital kommunizieren zu können? – Ja. In jedem Fall aber sammelt sie mehr europäische Erfahrung, hat viel mehr Möglichkeiten zum Austausch mit und zur Qualifizierung in den Ländern der EU.
Zusammengefasst kann man sagen: Für die junge Generation bedeutet Europa sicher ein Leben in großer Freiheit, einer Freiheit in relativer Sicherheit und Prosperität. Für die Mehrheit der jungen Generation in Deutschland ist deshalb die Europäische Union wohl inzwischen Europa und ein positiver Bezugspunkt. Ich glaube daher nicht, Herr Staatsminister, dass die jungen Leute, die Sie trafen, ein Europa der Vaterländer entwickeln wollen. Ich glaube, sie sind schon weiter,
weiter als de Gaulle und sicherlich auch weiter als viele von uns hier. Ein kleines Beispiel: An der Grundschule meiner Tochter gibt es in diesem Jahr einen bilateralen Austausch mit sechs europäischen Ländern. Ich gebe zu, dass auch mir die Fantasie dazu in der Grundschule gefehlt hat. Aber ich bin mir sicher, dass diese Generation ein ganz anderes Verständnis von unserer Gemeinschaft in Europa haben wird als wir. Diese werden genauso stolz sein, Deutsche wie auch Europäer zu sein. Das ist durchaus eine positive Perspektive. Erinnern daran, dass viele Nationen ihre Gründung Kriegen und Entbehrungen verdanken.
Diese Generation wird durch die eigenen Erfahrungen das größere Verständnis entwickeln. Umso mehr müssen wir uns fragen: Was sollte denn für uns alle unser gemeinsames europäisches Fundament sein? Der EU fehlt eine große identitätsstiftende Erzählung, ein Gründungsmythos, der zusammenhält. Wir haben dennoch eine identitätsstiftende Quelle, ein zeitloses Wertefundament: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit,
Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und die Wahrung der Menschenrechte. Das hält Europa zusammen, und das sollte uns immer bewusst sein.
Dieses Wertefundament müssen wir deshalb nicht nur vor einem Rechtsruck in Europa schützen, sondern – hieran
sehen wir schon, was passiert, wenn uns dies nicht gelingt – auch vor einer Abschottungspolitik eines amerikanischen Präsidenten, der zahlreiche Vereinbarungen zwischen der EU und den USA einseitig infrage stellt. Unsere Idee von Europa als SPD-Fraktion ist deshalb ein demokratisches, solidarisches und freiheitliches Europa, ein Europa, in dem wir globale Herausforderungen auf europäischer Ebene gemeinsam angehen und dort so viel wie möglich lösen, ohne die Interessen der Regionen und Städte aus den Augen zu verlieren. Diese Idee von Europa sollten wir leben – in Deutschland, in Sachsen – und sie auch häufiger erklären; denn Europa ist auch das, was wir vor Ort daraus machen, und wir haben vieles getan.
Der Freistaat Sachsen – es kam schon zur Sprache – hat seit der Wiedervereinigung von der Regionalförderung in Höhe von über 20 Milliarden Euro profitiert. Da meine Redezeit knapp ist, möchte ich nicht alles wiederholen, was Herr Staatsminister Schenk und Kollege Schiemann bereits umrissen und aufgezählt haben. Das ist alles richtig und auch wichtig.
Fakt ist aber, und das will ich betonen: Ohne diese Solidarität innerhalb der EU stünden wir heute nicht dort, wo wir sind. Aus Eigenmitteln hätte der Freistaat diesen enormen Aufholprozess nicht bestreiten können.
Auch in der laufenden Förderperiode stehen jährlich über 400 Millionen Euro für den Freistaat zur Verfügung. Wichtig ist es mir, hier zu sagen, dass ein Großteil davon den Grenzregionen zugutekommt. Wer es nicht glaubt, kann es nachlesen. Im letzten Plenum hatte Staatsministerin Stange in der Fragestunde ausgeführt, dass allein die Hälfte aller EFRE- und ESF-Mittel im Bereich Hochschule und Wissenschaft in die NUTS-2-Region Dresden fließt.
Das zeigt: Europa überwindet Grenzen und verbindet Regionen, die sich lange Zeit als Randregion verstanden haben, es aber dadurch nicht mehr sind.
Nichtsdestotrotz sind die europäischen Fördermittel weiterhin wichtig für Sachsen, weil der begonnene Aufholprozess noch nicht zu Ende ist und bestehende Strukturschwächen vorhanden sind. Auch wir als Sozialdemokraten betonen deshalb, dass es weiterhin Kohäsionsmittel braucht und wir die Strukturförderung klug nutzen wollen.
Wir halten aber den Vorschlag zum neuen mittelfristigen Finanzrahmen bereits für eine sehr gute Grundlage; denn wir haben erfolgreich bei Bundesregierung und EU für eine Erhöhung der EU-Budgets und eine Ausdehnung der Übergangsregionen geworben, wovon die meisten ostdeutschen Regionen profitieren werden. Wir freuen uns, dass alle sächsischen Regionen dadurch weiterhin von Strukturfonds profitieren sollen. Dies ist wichtig.
Konkret heißt das: Die angekündigte Erweiterung der Bruttoinlandsproduktgrenze auf 100 % für die Übergangsregionen wird es überhaupt erst möglich machen, dass im Landesdirektionsbezirk Dresden und Chemnitz auch in
Zukunft hohe Mittel zu erwarten sind. Dieser gute Kompromiss dürfte allein für diese zehn Landkreise mehrere Hundert Millionen Euro ab dem Jahr 2021 wert sein.
Zu verhandeln gilt es aus unserer Sicht deshalb noch über die geplante Mittelverteilung zwischen den Fördergebietsregionen und die mögliche Abmilderung der Verminderung des Kofinanzierungsanteils. Ich verweise an dieser Stelle auf unseren ausführlichen Entschließungsantrag.
Klar ist für uns Sozialdemokraten aber auch: Die Zeit der breiten Förderkulissen und kostenintensiven Infrastrukturmaßnahmen mit Geld aus der EU-Strukturförderung geht zu Ende. Deshalb muss sich Sachsen bewegen. Nötig ist aus unserer Sicht deshalb eine stärkere Fokussierung auf Innovation, Schwerpunktprogramme zur Umgestaltung des Strukturwandels in Branchen wie der Braunkohleverstromung oder in neue Antriebstechniken im Automobilbau sowie eine Förderung der Bildung für die digitale Welt. Bei allen legitimen Interessen sollten wir dabei nicht vergessen: Europa war und ist immer mehr als die Addition und Subtraktion von Zahlungen und Förderungen. Die Europäische Union hat sich aus unserer Sicht für Deutschland immer ausgezahlt.
Wie sichern wir aber Europas Zukunft? Wir werden über grundsätzliche Reformen reden müssen. Auf den Weißbuchprozess wurde hier schon richtigerweise verwiesen. Wir wollen das Modell eines Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten nutzen, um sozialen Fortschritt zu erreichen. Ein europäischer Mindestlohn könnte so Wirklichkeit werden; denn auch wir sind der Meinung, es braucht eine soziale Säule in Europa, die ihren Namen verdient.
Auch der geplante Ausbau der Austauschprogramme – das wurde schon gesagt – und von Qualifizierung in und durch Europa durch den Aufwuchs bei Erasmus-Plus ist richtig und wichtig und diesen werden wir weiter fördern. Denn wir sind überzeugt: Nur so können wir es zukünftig schaffen, dass die Europäische Union ihren Mehrwert für alle Menschen in Sachsen vermittelt, und diesen sichtbar machen. Nur so können wir sichtbar machen, dass Europa in jedem Bereich wirkt.