Protokoll der Sitzung vom 05.02.2015

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es scheint aller zwei Jahre fast dasselbe Ritual im Sächsischen Landtag zu sein: Die Regierung ist stolz, dem Landtag einen Haushaltsplanentwurf vorlegen zu können. Die Koalition wird ihn loben, die Opposition nörgelt und für Lobbyisten ist der Landtag temporär eine gute Adresse und wichtig – und ordentliche Finanzer warnen natürlich vor ungedeckten Schecks.

(Heiterkeit des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

Es lohnt sich aber, dieses Jahr einmal besonders genau hinzusehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Regierung kann an dieser Stelle zu Recht stolz sein, denn Finanzfragen sind eigentlich die häufigsten Streitfragen in Koalitionsregierungen. Doch: Schnell und geräuschlos wurde der Haushaltsplan vom neuen CDU/SPD-Kabinett beschlossen. Deshalb meinen Glückwunsch an Stanislaw Tillich und sein Kabinett, den Haushaltsplan in extrem kurzer Zeit nach der Unterschrift unter den Koalitionsvertrag hier einzubringen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ebenso möchte ich den Dank der CDU-Fraktion an die mit der Haushaltsaufstellung befassten Mitarbeiter der Regierung für ihre Arbeit übermitteln – ganz besonders natürlich Herrn Finanzminister Prof. Unland mit seiner Mannschaft.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Nun hat der Sächsische Landtag als Haushaltsgesetzgeber sein Königsrecht wahrzunehmen. Da lohnt es sich, einmal selbstkritisch etwas näher hinzusehen. Naturgemäß teilen wir Abgeordneten uns in Regierungskoalition und Opposition.

Die Abgeordneten der AfD als Parlamentsneulinge möchte ich in diesem Moment von meinen Ausführungen ausdrücklich ausnehmen. Sie sind neu, quasi unter Beobachtung gesetzt.

(Heiterkeit bei der CDU und den LINKEN – Lachen bei der AfD)

Aber ich bin mir ganz sicher: Es wird ritualhaft weitergehen. Die LINKEN und die GRÜNEN werden versuchen, alles mieszureden.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sie können nur nicht mit Kritik umgehen!)

Es sollte mich wundern, wenn der Wettlauf „schneller – höher – weiter“ nicht beginnen würde. Er hat schon angefangen. Kollege Gebhardt hat schon mehr Polizei gefordert. Ich habe mich schon gewundert und frage mich, ob das mit den Genossen in Leipzig-Connewitz rückgekoppelt ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der AfD)

Meine Damen und Herren von den LINKEN, ich behaupte: Sie werden der Versuchung erliegen und auf Krampf das Haar in der Suppe suchen. Selbst wenn da keines ist, werden Sie so lange mit dem Kopf schütteln, bis ein eigenes Haar in die Suppe fällt.

(Heiterkeit – Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Kollege Gebhardt mit seinem etwas schütteren Haar hat es nun besonders schwer; deshalb muss er hier am Pult besonders kräftig schütteln, damit ein paar Haare in die Suppe fallen.

Aber, meine Damen und Herren, auch die Regierungsfraktionen haben mit dem ersten Doppelhaushalt ein besonderes Verfahren zu bewältigen. Insoweit mache ich mir keine Illusionen. Es wird wahrscheinlich nicht in jedem Fall der geradlinige Weg zum Haushaltsbeschluss genommen, sondern wir werden ab und an über den gemeinsamen Weg diskutieren. Doch ehrlicherweise müssen wir als Regierungsfraktionen zugestehen, dass der

heute eingebrachte Regierungsentwurf in großen Teilen der Entwurf der Fraktionäre ist; denn an den Koalitionsverhandlungen waren knapp 40 Abgeordnete beteiligt. Es ist festzustellen, dass der Haushaltsplanentwurf in großen

Teilen den Koalitionsvertrag umsetzt. Sicherlich wird der Haushaltsplan nicht in allen Punkten vom Parlament so verabschiedet werden, wie er von der Regierung vorgeschlagen wurde. Doch die Erwartungen an große Veränderungen sollten überdacht werden. Wie gesagt, die Koalitionsfraktionen waren im Vorfeld sehr eingebunden.

Die Herausforderung bei diesem Verfahren zum Doppelhaushalt liegt aus meiner Sicht nicht primär im Kampf um die Höhe des einen oder anderen Ausgabentitels, sondern im Beginn der Debatte über die strategische finanzpolitische Ausrichtung für die kommenden Jahre. Besonders über die Zeit nach dem neuen Länderfinanzausgleich und nach dem Wegfall des Solidarpaktes sollten wir diskutieren.

Staatsminister Prof. Unland hat den Doppelhaushalt im Detail vorgestellt. Ich möchte in der ersten Debattenrunde einige strategische Fragen ansprechen. Ich würde mich freuen, wenn wir im Laufe der Verhandlungen hier im Landtag zu gemeinsamen, differenzierenden – wirklich differenzierenden – Debatten über die Frage kämen: Wie wollen wir die Zukunft gestalten?

Aber am Anfang der Debatte muss eine Bestandsanalyse stehen. Noch nie ging es den Menschen insgesamt auf dem Gebiet des heutigen Freistaates Sachsen so gut wie heute.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das haben sie sich mit der friedlichen Revolution erkämpft, und das haben sie sich später mit einer unglaublichen gesellschaftlichen Aufbauleistung erarbeitet. Gleichzeitig hatten wir alle das große Glück, viel innerdeutsche Solidarität erfahren zu dürfen. Und wir haben das Glück, in einem wirtschaftlich starken Vaterland Deutschland zu leben. Aber auch die sächsische Politik hat mit klugen Richtungsentscheidungen ihren Anteil daran. Das ist ganz klar. Damit brauchen wir uns nicht zu verstecken, auch nicht vor den Augen der Geberländer.

Zum Jahresende 2014 verfügt der Freistaat Sachsen über eine Haushaltsausgleichsrücklage in Höhe von 982 Millionen Euro. Wir haben einen Generationenfonds auf den Weg gebracht, den wir regelmäßig befüllen. Wir sind Triple-A-geratet. Wir können uns von der Arbeitsplatzdichte her mit den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Niedersachsen vergleichen. Bei der Industriedichte haben wir große Fortschritte gemacht. Es gibt keinen Bildungswettbewerb, in dem Sachsen nicht vorn mit dabei ist. Das alles bedeutet aber nicht, dass wir am Ende aller Wünsche sind. Nein, es sind Erfolge, die sich sehen lassen können, aber wir müssen weiter hart arbeiten.

Der zu beratende Doppelhaushalt hat ein Volumen von reichlich 34 Milliarden Euro. Die Bildungsausgabenquote liegt bei 31,4 % im Jahr 2016. Die Kommunalfinanzierungsquote erreicht 32,7 % im Jahr 2016. Das sind Werte, von denen andere Bundesländer nur träumen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Der Freistaat Sachsen als Land, in dem seine Einwohner mit hoher Bildung, guten Berufs- und Verdienstchancen und moderner Infrastruktur sicher und gleichberechtigt leben und die reiche Kultur des Landes genießen können – das ist ein Ziel, welches wohl die meisten von uns Abgeordneten hier im Hohen Haus unterschreiben würden. Diesem Ziel folgt der vorgelegte Haushaltsplanentwurf. Allein die zehn prioritären Maßnahmen des Koalitionsvertrages sollen noch einmal beispielhaft genannt werden: ein Bekenntnis zu Kindertagesstätten und Lehrerstellen, zu Hochschulen und Studentenwerken, ebenso zur Polizei, zum Breitbandausbau und zur Ansiedlung eines Software-Forschungsinstituts. Genauso wichtig: ein

Fusionsfonds für die Wirtschaft gleichermaßen wie mehr Mittel für die Kulturräume. Genauso sind die Investitionen in die Verkehrs- und Krankenhausinfrastruktur zu nennen.

An dieser Stelle möchte ich ganz klar sagen, dass diese Koalition sich nicht in Geldzurückhalter und Geldfreigeber unterteilt. Der Entwurf hat seine Grundlage in einem Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD. Er ist das gemeinsame Ergebnis der gemeinsamen Regierung. Am Ende des Prozesses werden wir das gemeinsame Ergebnis der Fraktionen beschließen. Da hat jede Fraktion ihre roten Linien. Aber nichts passiert, was ein Partner nicht will. Am Ende wird es ein gemeinsamer Haushalt von CDU und SPD sein.

Die vor uns liegenden strategischen Aufgaben sind so groß, dass keine Zeit ist, dass es sich ein Koalitionspartner im warmen, kuscheligen Kindersitz bequem machen kann. Nein, SPD und CDU werden gemeinsam auf dem harten Holzhocker an der Bohrmaschine sitzen und die dicken Bretter dieser Politik bohren.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Lachen bei den LINKEN – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Habt euch doch mal lieb!)

Ein solches dickes Brett ist in den nächsten Monaten abzuklären – auch über die Haushaltsverhandlungen hinaus –, insbesondere, wie wir die unterschiedlichen demografischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Freistaat angehen und wie wir die großen Städte und die ländlichen Räume weiterentwickeln wollen. Dabei sind Internet- und Handyempfang nur ein kleines Beispiel.

Deshalb ist ein gutes Signal zur Lösung dieser anstehenden Aufgabe die Aufstockung des Zukunftssicherungsfonds. Damit sichern wir Gelder für die Zukunftsthemen Digitalisierung, Schulhausbau, medizinische und verkehrliche Infrastruktur sowie Stärkung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Sachsen. Damit wird ein Instrument aus der vergangenen Legislatur fortgesetzt, aber um mindestens 400 Millionen Euro aufgestockt. Das nenne ich ein gutes Beispiel für pragmatische Lösungsansätze

der neuen Koalition. Ich bedanke mich bei den Beteiligten ausdrücklich für die Fortführung des Zukunftssicherungsfonds. Die Regierung wird natürlich Verständnis haben, wenn wir den Gesetzentwurf zum Zukunftssicherungs

fonds noch etwas nachbessern und den Fonds etwas mehr an den Landtag anbinden.

Für uns Christdemokraten ist eine generationengerechte Finanzpolitik wichtig. Das A und O einer soliden Finanzpolitik aber sind Kontinuität und Stabilität.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Dazu gehört – nach Möglichkeit – der Ausschluss von haushalterischen Bewirtschaftungsmaßnahmen. Dabei ist dieser Doppelhaushalt 2015/2016 etwas Besonderes: Er ist der erste nach der Verfassungsänderung.

Wenn wir nach Südeuropa schauen, dann können wir die Folgen kurzsichtiger Partypolitik sehen. Dabei wird die Jugend um die Zukunft gebracht und die Bevölkerung mit unendlicher Alltagssorge belastet. Griechenland und Spanien sind nur zwei Beispiele dafür. Nach der finanzpolitischen Party kommt der soziale Kater mit wirtschaftlichem Zusammenbruch, Entlassungen, Pensionskürzungen usw. Partymachen ohne an das Morgen zu denken – das ist nicht unsere Politik.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich wäre der Bundesregierung sowie der EU-Kommission dankbar, wenn dies auch gegenüber Griechenland durchgesetzt würde.

(Beifall bei der CDU, der AfD und des Abg. Volkmar Winkler, SPD)

Deshalb sollten wir uns aber nicht von der gegenwärtigen Einnahmesituation blenden lassen. Wenn innerhalb des allgemeinen Hochgefühls eines reichlichen 34-MilliardenEuro-Haushaltsvolumens Finanzpolitiker darauf hinweisen, dass das Gebilde „Haushalt“ noch auf sehr wackligen Füßen steht, dann will der eine oder andere das nicht mehr hören.

(Zuruf von den LINKEN: Ja, ja!)

Da müssen wir Finanzpolitiker uns selbstkritisch fragen, ob wir nicht noch mehr vermitteln bzw. erklären müssen. Denn für den einen oder anderen ist Umsatz immer noch gleich Gewinn. Das ist falsch. Wir müssen erklären, wie das Finanzvolumen nach dem neuen Länderfinanzausgleich aussieht. Wir müssen erklären, was am Ende des Auslaufens des Solidarpakts passiert. Das ist unsere Aufgabe in diesen anstehenden Haushaltsverfahren.

Fakt ist: Die vom Sächsischen Landtag verabschiedete Verankerung des Neuverschuldungsverbots funktioniert nur mit einer Haushaltsausgleichsrücklage. Jeder konjunkturbedingte Steuereinbruch bis 1,2 Milliarden Euro muss aus dem laufenden Haushalt ausgeglichen werden. Deshalb ist die Haushaltsausgleichsrücklage wichtiger denn je. In diese wird – in der Hoffnung auf Steuermehreinnahmen – mit diesem Doppelhaushalt eingegriffen.

In ihrem Eckwertebeschluss hat die CDU-Fraktion eine Wiederholung dessen für den nächsten Doppelhaushalt ausgeschlossen.

(Beifall bei der CDU)